BGH, Urteil vom 03.11.2020 - X ZR 85/19
Fundstelle
openJur 2021, 105
  • Rkr:
Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. August 2019 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Mitinhaberin des am 2. April 2002 angemeldeten und am 24. Juni 2009 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 373 672 (Klagepatent). Das Klagepatent betrifft einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür.

Der Bundesgerichthof hat das Klagepatent mit Urteil vom 28. Januar 2016 (X ZR 130/13) teilweise für nichtig erklärt. Patentanspruch 1 hat danach folgenden Wortlaut:

Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit einem Profilrahmen (1), der einen eine Isolierverglasung (2) aufnehmenden Falz (3) mit einer die Isolierverglasung (2) stirnseitig umschließenden Umfangsfläche (6) und einer den Rand der Isolierverglasung (2) übergreifenden Falzfläche (12) bildet, und mit einer Klebstoffschicht (7) nur an der den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegenden Umfangsfläche, wobei die Klebstoffschicht die Isolierverglasung im Falz befestigt und einen Umfangsspalt (8) zwischen den Stirnflächen (5) der Isolierverglasung (2) und der diesen Stirnflächen (5) gegenüberliegenden Umfangsfläche (6) des Falzes (3) zumindest in Umfangsbereichen ausfüllt, dadurch gekennzeichnet, dass im Bereich einer der Falzfläche (12) zugekehrten Deckscheibe (11) der Isolierverglasung (2) mit Abstand vor der Falzfläche (12) ein in Umfangsrichtung verlaufender Begrenzungssteg (22) für die Klebstoffschicht (7) vorgesehen ist.

Die Patentansprüche 2 bis 6 beziehen sich auf Patentanspruch 1 in der vorstehenden Fassung zurück. Die ursprünglichen Patentansprüche 7 bis 10 betreffend ein Verfahren zur Herstellung eines Flügels für ein Fester oder eine Tür sind nach dem genannten Urteil entfallen.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer die Beklagten zu 2 und 3 seit Oktober 2006 sind, ist ein weltweit tätiges Unternehmen, das Fensterprofilrahmen unter der Bezeichnung "Energeto" fertigt und vertreibt. Diese werden in der weiteren Herstellungskette von den Kunden zur Herstellung von Fenstern verwendet, indem sie mit Fensterscheiben verklebt werden.

Zwischen den Parteien ist seit längerem streitig, ob die Energeto-Fensterprofilrahmen von der Lehre aus Patentanspruch 1 des Klagepatents Gebrauch machen. Im Laufe der Auseinandersetzungen gaben die Beklagten eine neue Verarbeitungsrichtlinie und eine neue Systembeschreibung heraus, die ab September 2010 bzw. Januar 2011 gültig sein sollten. In der neuen Verarbeitungsrichtlinie findet sich der Hinweis, dass das Klagepatent einen Schutzanspruch auf einen Fensterflügel erhebe, bei dem Klebstoff bis zu einem Begrenzungselement im Falzgrund reiche; daher sei sicherzustellen, dass der Klebstoffeintrag an keiner Stelle von der Zentrierlippe begrenzt werde.

In einem früheren Rechtsstreit zwischen den Parteien wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatents hat das Berufungsgericht den Beklagten mit Urteil vom 16. Februar 2017 rechtskräftig verboten, Profilrahmen zur Benutzung für Flügel für Fenster oder Türen Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland zur Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, ohne im Falle des Anbietens blickfangmäßig darauf hinzuweisen, dass die Profilrahmen nicht ohne Zustimmung der Klägerin verwendet werden dürfen, um Flügel für Fenster oder Türen herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen, die nach Anspruch 1 des Klagepatents ausgebildet sind, "wenn die Klebstoffschicht an den Begrenzungssteg heranreicht". Zudem stellte das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz für ohne einen solchen Hinweis erfolgte Angebotshandlungen fest.

Eine in demselben Rechtsstreit von den Beklagten erhobene Widerklage mit dem Antrag, festzustellen, dass diese nicht gehindert seien, ihre nach der neuen Verarbeitungsrichtlinie hergestellten Produkte zu vertreiben, wenn die Zentrierlippe durch den bei der Verklebung eingebrachten Klebstoff nicht berührt werde, wies das Berufungsgericht als unzulässig ab, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hatte, dass mit der Klage nur eine Ausführungsform angegriffen werde, bei der der Klebstoff die Zentrierlippe erreiche.

Im Streitfall nimmt die Klägerin die Beklagten wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatents durch Anbieten und Liefern von Energeto-Fensterprofilrahmen in Anspruch, die dazu geeignet und bestimmt sind, für Fensterflügel verwendet zu werden, bei denen die Verklebung der Isolierverglasung entsprechend der neuen Verarbeitungsrichtlinie nicht die Zentrierlippe berührt, aber im unteren Bereich von "Innendecke zu Innendecke" und an den anderen Seiten jedenfalls bereichsweise erfolgt. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unbegründet ist (OLG München, GRUR-RR 2020, 237 - Fensterflügel). Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, der die Beklagten entgegentreten.

Gründe

Die Revision ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

I. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig.

1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Revision auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkt werden, da es sich insoweit um einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs handelt, über den vorab durch Zwischenurteil gemäß § 280 ZPO entschieden werden kann (BGH, Urteil vom 23. Februar 1983 - IVb ZR 359/81, NJW 1983, 2084, 2085; Beschluss vom 17. April 2012 - VI ZR 140/11, NJW-RR 2012, 759 Rn. 3).

Zudem muss die Beschränkung nicht notwendigerweise in der Entscheidungsformel angeordnet werden, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Juni 1967 - VII ZR 266/64, BGHZ 48, 134, 136 = NJW 1967, 2312; Beschluss vom 13. Mai 2020 - VIII ZR 222/18, NJW 2020, 3258 Rn. 9). Insbesondere ist eine beschränkte Revisionszulassung regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Rechtsfrage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (BGH, NJW-RR 2012, 759 Rn. 4).

Die Beschränkung muss dem angefochtenen Urteil jedoch zweifelsfrei zu entnehmen sein. Die Revision ist deshalb uneingeschränkt zulässig, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht mit der notwendigen Sicherheit ergibt, dass das Berufungsgericht die Revision nur beschränkt zulassen wollte (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515 Rn. 17 - Motorradreiniger).

2. Im Streitfall hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision auf die Erwägung gestützt, es sei klärungsbedürftig, ob § 145 PatG unmittelbar oder entsprechend anwendbar sei, wenn eine gleichartige Handlung aus demselben Patent angegriffen werde.

Diese Rechtsfrage betrifft zwar nur die Zulässigkeit der Klage. Dennoch lässt sich den Erwägungen des Berufungsgerichts nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass es die Zulassung auf diesen Teil des Streitgegenstands beschränken wollte.

Gegen einen Beschränkungswillen spricht, dass eine für die Zulässigkeit der Revision erforderliche Beschwer nur auf Seiten der Klägerin vorliegt, dieser mit einer Abweisung der Klage als unzulässig statt als unbegründet aber wenig gedient wäre.

Der Umstand, dass eine beschränkte Revisionszulassung ins Leere geht, steht einer wirksamen Beschränkung zwar nicht entgegen, wenn das Berufungsgericht diesen Gesichtspunkt ersichtlich übersehen hat, etwa deshalb, weil es nicht berücksichtigt hat, dass eine Revision gemäß § 565 und § 513 Abs. 2 ZPO nicht darauf gestützt werden kann, dass das Berufungsgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (BGH, NJW-RR 2012, 759 Rn. 6).

Im Streitfall ist die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig erachtete Frage einer Entscheidung im Revisionsverfahren aber grundsätzlich zugänglich. Sie ist auf eine unbeschränkt zugelassene Revision der Klägerin hin auch klärungsfähig, weil die Frage, ob die Klage schon als unzulässig abzuweisen ist, auch in der Revisionsinstanz grundsätzlich mit Vorrang zu prüfen ist. Angesichts dessen kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass das Berufungsgericht der Klägerin diesen einzig sinnvollen Weg zur Klärung der in Rede stehenden Rechtsfrage verbauen wollte. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht die besondere Verfahrenssituation schlicht übersehen hat, sind nicht erkennbar.

II. Das Klagepatent betrifft einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit Isolierverglasung.

1. Nach der Beschreibung des Klagepatents war es zur Vereinfachung der Montage einer Isolierverglasung bekannt, Klebstoff streifenförmig entlang der zur Sichtfläche der Verglasung parallelen Falzfläche des umlaufenden Rahmenfalzes aufzutragen und die Scheibe beim Einsetzen in den Falz an diesen Klebstoffstreifen anzudrücken. Dieser übernehme die Verbindung zwischen Isolierverglasung und Profilrahmen. Daran sei nachteilig, dass die durch die Isolierverglasung bedingte Last ausschließlich über den die Isolierverglasung übergreifenden Falzsteg auf den Profilrahmen abgetragen werde. Zudem bestehe die Gefahr eines einseitigen Absenkens der Außenscheibe.

Zur einfachen Befestigung eines Verbundglases in einem Profilrahmen eines explosionssicheren Fensters sei es zudem bekannt, das in den Rahmenfalz eingesetzte Verbundglas mit Hilfe einer Klebstoffschicht zu befestigen, die den Umfangsspalt zwischen dem Verbundglas und dem Falz ausfülle. Im Übergangsbereich zwischen der Umfangsfläche des Falzes und der den Rand des Verbundglases übergreifenden Falzfläche könne ein Profilstab eingeklebt werden, der die Klebstoffschicht auf die Stirnflächenbereiche des Verbundglases begrenze. Der Profilstab hindere aber ein Auswechseln des Verbundglases, weil beim Durchtrennen der Klebstoffschicht über ihn eine Haftbrücke zum Profilrahmen verbleibe. Zudem erschwere der Stab das Ableiten von Feuchtigkeit, die zwischen das Verbundglas und das Rahmenprofil eindringe.

2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent das technische Problem zugrunde, einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür so bereitzustellen, dass die Auswechselung der Isolierverglasung bei Wahrung der Vorteile der bekannten Klebeverbindung zwischen Isolierverglasung und Profilrahmen nicht behindert wird.

3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 - in der Fassung des Senatsurteils vom 28. Januar 2016 - einen Flügel für ein Fenster oder eine Tür mit folgenden Merkmalen vor:

1. Flügel für ein Fenster oder eine Tür 2. mit einem Profilrahmen 1, 3. wobei der Profilrahmen einen eine Isolierverglasung 2 aufnehmenden Falz 3 bildet mit 4. einer die Isolierverglasung 2 stirnseitig umschließenden Umfangsfläche 6 und 5. einer den Rand der Isolierverglasung 2 übergreifenden Falzfläche 12; 6. und mit einer Klebstoffschicht 7 nur an der den Stirnflächen 5 der Isolierverglasung 2 gegenüberliegenden Umfangsfläche, wobei die Klebstoffschicht 7 die Isolierverglasung 2 im Falz 3 befestigt und 7. einen Umfangsspalt 8 zwischen den Stirnflächen 5 der Isolierverglasung 2 und der diesen Stirnflächen 5 gegenüberliegenden Umfangsfläche 6 des Falzes 3 zumindest in Umfangsbereichen ausfüllt, 10. wobei ein in Umfangsrichtung verlaufender Begrenzungssteg 22 für die Klebstoffschicht 7 vorgesehen ist, 8. und zwar im Bereich einer der Falzfläche 12 zugekehrten Deckscheibe 11 der Isolierverglasung 2, 9. mit Abstand vor der Falzfläche 12.

III. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Klage sei zulässig. § 145 PatG sei auf den Streitfall nicht anwendbar, da mit der Klage weder dieselbe noch eine gleichartige Handlung auf Grund eines anderen Patents angegriffen werde, sondern allein der Angriff gegen eine gleichartige Handlung aus demselben Patent in Rede stehe. Angesichts des klaren Wortlauts und des Ausnahmecharakters der Vorschrift sei eine analoge Anwendung von § 145 PatG in dieser Konstellation abzulehnen.

Der Klage könne auch nicht der allgemein aus § 242 BGB folgende Missbrauchseinwand entgegengehalten werden. Auch wenn die Klägerin im Vorprozess eine Berühmung nicht in Abrede gestellt hätte, wäre durch eine Abweisung der Feststellungswiderklage in der Sache noch nicht gerichtlich entschieden worden, ob der Klägerin die in diesem Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche auf Rechnungslegung und Schadensersatz dem Grunde nach zustehen.

Die Klage sei auch nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO unzulässig. Die Klägerin habe in der Klagebegründung zum Ausdruck gebracht, dass sie sich mit der nunmehrigen Klage (allein) gegen solche Profilrahmen der Beklagten wende, die räumlichkörperlich wie der Fenstertyp "Energeto" ausgestaltet seien und bei denen eine Verklebung gemäß den neuen Verarbeitungsrichtlinien von September 2010 ohne Berührung des Begrenzungsstegs erfolge. Diese Ausführungsform sei nicht Gegenstand des früheren Rechtsstreits gewesen.

Der Ausdruck "Begrenzungssteg" in Merkmal 10 enthalte zwar nur eine Funktionsvorgabe, die bei isolierter Betrachtung nicht erfordere, dass der Klebstoff tatsächlich bis an diesen Steg heranreiche. Der Wortlaut von Merkmal 7 sei aus Sicht des Fachmanns aber dahin zu verstehen, dass ein Raum des Umfangsspalts 8 bis zum Begrenzungssteg 22 mit elastischem Klebstoff gefüllt werden solle. Soweit Merkmal 7 eine Ausfüllung "zumindest in Umfangsbereichen" vorsehe, werde der Fachmann die damit eröffnete Möglichkeit einer nur teilweisen Ausfüllung allein auf die Umfangsrichtung beziehen, nicht aber auf die Tiefenrichtung.

Entsprechend fehle es an einer mittelbaren Verletzung des Klagepatents. Denn würden die Fensterprofilrahmen der Beklagten entsprechend deren neuen Verarbeitungsrichtlinien verarbeitet, sei Merkmal 7 nicht verwirklicht.

IV. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Überprüfung im Revisionsverfahren stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Klage als zulässig angesehen.

a) Der Zulässigkeit der Klage steht § 145 PatG nicht entgegen.

aa) Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, ist § 145 PatG auf den Streitfall unmittelbar nicht anwendbar. Die Verletzungsklage ist auf dasselbe Patent gestützt, das bereits dem vorangegangenen Verletzungsstreit der Parteien zugrunde lag, und damit nicht - wie es der Wortlaut der Vorschrift vorsieht - auf ein anderes Patent (ebenso die Anwendbarkeit von § 145 PatG unter diesen Voraussetzungen verneinend: OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2017, 249 - Lichtemittierende Vorrichtung; BeckOK PatR-Kircher, 17. Ed. [15. Juli 2020] PatG § 145 Rn. 14; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Aufl. [2015], § 145 Rn. 6; Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. [2020], § 145 Rn. 8; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl. [2020], S. 607; Mes, PatG, 5. Aufl. [2020] § 145 Rn. 7; vgl. aber auch OLG Düsseldorf, BeckRS 2016, 3052 Rn. 31).

bb) Aber auch eine analoge Anwendung von § 145 PatG kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht, da es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (zu den Voraussetzungen einer Rechtsanalogie allgemein etwa BGH, Beschluss vom 25. August 2015 - X ZB 5/14, GRUR 2015, 1253 Rn. 19 - Festsetzung der Patentanwaltsvergütung; Beschluss vom 14. April 2020 - X ZB 2/18, GRUR 2020, 781 Rn. 14 - EPA-Vertreter).

(1) Nach § 145 PatG kann, wer eine Klage wegen Patentverletzung nach § 139 PatG erhoben hat, wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung aufgrund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen. Die in dieser Vorschrift vorgesehene "Konzentrationsmaxime" soll bewirken, dass ein Patentinhaber gegen dieselbe oder gleichartige vermeintliche Verletzungshandlung mit allen nach seiner Ansicht verletzten Patenten vorgeht (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses [6. Ausschuss] zum Entwurf eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BT-Drucks. 16/13099, S. 4), diese also nicht nach Belieben zurückhält. Der Patentinhaber wird daran gehindert, die Rechte aus ihm zustehenden weiteren Patenten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung gegenüber dem Beklagten mit einer erneuten Klage geltend zu machen, weil diese unzulässig wäre (BGH, Urteil vom 3. November 1998 - X ZR 107/87, GRUR 1989, 187, 188 - Kreiselegge II; Urteil 25. Januar 2011 - X ZR 69/08, GRUR 2011, 411 Rn. 18 - Raffvorhang).

(2) Hingegen kommt die Anwendung von § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in Betracht, wenn ein Patentinhaber, nachdem er bereits Klage wegen Verletzung eines Patents durch die Herstellung oder den Vertrieb einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform erhoben hat und diese Klage noch rechtshängig ist, gegen denselben Beklagten eine weitere Klage wegen Verletzung desselben Patents durch die Herstellung oder den Vertrieb einer - gegenüber der ersten - abgewandelten angegriffenen Ausführungsform. Ist in dem ersten Verletzungsverfahren insoweit bereits durch rechtskräftiges Urteil entschieden worden, kann zudem die Rechtskraft des Urteils nach § 322 Abs. 1 ZPO der Zulässigkeit der zweiten auf dasselbe Patent gestützten Verletzungsklage als negative Prozessvoraussetzung entgegenstehen (BGH, Urteil vom 21. Februar 2012 - X ZR 111/09, GRUR 2012, 485 Rn. 10 - Rohrreinigungsdüse II).

In diesen dasselbe Patent betreffenden Fällen hängt die Zulässigkeit der zweiten Verletzungsklage davon ab, ob der Streitgegenstand, der bereits rechtshängig ist oder über den bereits rechtskräftig entschieden worden ist, identisch mit dem der zweiten Klage ist. Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Streitgegenstand bei Patentverletzungsklagen regelmäßig im Wesentlichen durch die als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs. Die Identität des Klagegrunds wird (erst) aufgehoben, wenn dieser Kern des in der ersten Klage angeführten oder dem vorangegangenen Urteil zugrundeliegenden Lebenssachverhalts durch neue Tatsachen in der zweiten Klage verändert wird (BGH, aaO Rn. 18 f. - Rohrreinigungsdüse II).

(3) § 145 PatG ergänzt diese aufgrund des allgemeinen Zivilprozessrechts auch für das Patentverletzungsverfahren geltenden Regelungen durch die Bestimmung, dass es der Zulässigkeit einer Patentverletzungsklage entgegensteht, wenn die zweite Klage zwar auf ein anderes Patent gestützt ist, aber gleichwohl dieselbe oder eine gleichartige Handlung betrifft, gegen die sich bereits die erste Verletzungsklage gerichtet hat, es sei denn, der Kläger war ohne sein Verschulden nicht in der Lage, auch das zweite Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen. Denn in diesen Fällen könnte regelmäßig weder die Rechtshängigkeit eines ersten Verfahrens noch die Rechtskraft eines im ersten Verfahren ergangenen Urteils der Zulässigkeit der zweiten Klage entgegengehalten werden, weil diese auf die Verletzung eines anderen Patents gestützt ist.

Nur insoweit hat auch der Gesetzgeber, als er sich im Gesetzgebungsverfahren, das zum Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2897) geführt hat, gegen eine Aufhebung von § 145 PatG entschieden hat, das Regelungsziel, wegen der gleichen Verletzungshandlung weitere Klagen zu vermeiden, als vorrangig gegenüber dem Risiko angesehen, dass die Anträge und der Vortrag des Patentinhabers wegen der Konzentrationsmaxime überfrachtet werden (BT-Drucks. 16/13099, S. 4).

(4) Danach fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung von § 145 PatG, weil die Frage, ob es der Zulässigkeit einer Patentverletzungsklage entgegensteht, dass eine auf dasselbe Patent gestützte und gegen denselben Beklagten gerichtete Verletzungsklage bereits rechtshängig ist oder in einem vorherigen Verletzungsverfahren bereits ein rechtskräftiges Urteil zwischen den Parteien gestützt auf dasselbe Patent ergangen ist, nach den allgemeinen Regelungen des Zivilprozessrechts über eine anderweitige Rechtshängigkeit der Streitsache oder die entgegenstehende Rechtskraft eines anderen Urteils zu beurteilen ist (vgl. auch Wuttke, Mitt. 2020, 495, 497).

b) Das Berufungsgericht hat entschieden, dass die Klage nach § 322 Abs. 1 ZPO auch nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft des (vorangegangenen) Urteils des Berufungsgerichts vom 16. Februar 2017 unzulässig ist, weil die nunmehrige Klage (allein) gegen solche Profilrahmen der Beklagten gerichtet sei, die räumlichkörperlich wie der Fenstertyp "Energeto" ausgestattet seien, bei denen eine Verklebung gemäß den neuen Verarbeitungsrichtlinien von September 2010 ohne Berührung des Begrenzungsstegs erfolge, und eine solche Ausführungsform nicht Gegenstand des früheren Rechtsstreits gewesen sei. Dies wird weder von der Revisionserwiderung beanstandet, noch lässt dies, insbesondere auch im Hinblick auf die vorgenannte Rechtsprechung des Senats, einen Rechtsfehler erkennen.

c) Entgegen der Revisionserwiderung ist die Klage auch nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann es gegen die Grundsätze von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung verstoßen, wenn der Patentinhaber im Einspruchsverfahren erklärt, für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren, im Verletzungsstreitverfahren aber gleichwohl gegenüber einem am Einspruchsverfahren Beteiligten Ansprüche aus dem Patent wegen dieser Ausführungsform geltend macht, wenn seine Erklärung Grundlage für die Erteilung des Patents oder dessen Fassung war und wenn der in Anspruch Genommene auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Patentinhabers vertrauen durfte (BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, 3379 f. - Weichvorrichtung II). Dieselbe Rechtsfolge kann auch dann eintreten, wenn der Patentinhaber in anderem Zusammenhang eine vergleichbare Erklärung abgibt und der in Anspruch Genommene in berechtigtem Vertrauen auf diese Erklärung Handlungen vornimmt, die der Patentinhaber später mit einer Verletzungsklage angreift.

Im Streitfall durfte die Beklagte aus der im Vorprozess abgegebenen Erklärung der Klägerin, sie berühme sich derzeit keiner Ansprüche aus der mit der Widerklage zur Beurteilung gestellten Verletzungshandlung, nicht die Schlussfolgerung ziehen, die Klägerin werde von der Geltendmachung solcher Ansprüche dauerhaft absehen oder auf solche Ansprüche endgültig verzichten.

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass nach der Lehre aus Patentanspruch 1 die Klebstoffschicht bis zum Begrenzungssteg heranreichen muss.

Eine solche Anforderung ergibt sich aus Merkmal 10 unter Berücksichtigung der weiteren Merkmale von Patentanspruch 1 sowie der Beschreibung und der Zeichnungen des Klagepatents.

a) Wie der Senat in seinem Urteil vom 28. Januar 2016 ausgeführt hat, ist der in Merkmal 10 vorgesehene Begrenzungssteg, der sowohl der Isolierverglasung als auch dem Profilrahmen zugeordnet sein kann, für die technische Lehre des Klagepatents von zentraler Bedeutung. Er dient als Barriere für den noch nicht ausgehärteten Klebstoff, die einen Haftverbund zwischen Verglasung und Profilrahmen in den jenseits des Stegs befindlichen Falzflächen verhindern soll. Zudem ermöglicht er eine erleichterte Auswechslung der Verglasung, indem die Klebstoffschicht ohne Beschädigungsgefahr für den Profilrahmen bis zum Begrenzungssteg durchtrennt werden kann, weil dieser gemäß Merkmal 9 mit seitlichem Abstand zur Falzfläche anzuordnen ist.

b) Zwar definieren nach der Rechtsprechung des Senats Funktions- und Zweckangaben den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig lediglich dahin, dass er geeignet sein muss, für die im Patentanspruch genannte Funktion und den dort gennannten Zweck verwendet zu werden (st. Rspr., zuletzt: BGH, Urteil vom 24. April 2018 - X ZR 50/16, GRUR 2018, 1128 Rn. 12 - Gurtstraffer). Bezieht sich die Funktion auf den Herstellungsvorgang eines geschützten Erzeugnisses, kann es aber erforderlich sein, dass sich die Funktion auch in dem fertigen Erzeugnis verwirklicht.

c) Nach Merkmal 6 darf die Klebstoffschicht nur an der Umfangsfläche angebracht sein, die den Stirnflächen der Isolierverglasung gegenüberliegt. Damit ist ausgeschlossen, dass die Klebstoffschicht bis an Flächen heranreicht, die den Seitenflächen der Isolierverglasung gegenüberliegen. Das Mittel, mit dem dies bei der Herstellung der Klebstoffschicht ausgeschlossen werden soll, ist dem Fachmann nicht freigestellt, sondern wird ihm durch die Merkmale 10 und 8 vorgeschrieben. Danach ist als Barriere für den noch nicht ausgehärteten Klebstoff ein in Umfangsrichtung verlaufender, im Bereich einer der Falzfläche zugekehrten Deckscheibe angeordneter Begrenzungssteg vorzusehen. Entsprechend muss sich auch die Funktion des Begrenzungsstegs, bei Herstellung einer Haftverbindung zwischen der Stirnfläche der Isolierverglasung und der dieser gegenüberliegenden Umfangsfläche den Fluss des Klebstoffs zu begrenzen, in dem fertigen, aus Rahmen und Isolierverglasung zusammengesetzten Flügel dadurch verwirklichen, dass die mit dem Erstarren des derart in seinem Fluss begrenzten Klebstoffs entstandene Klebstoffschicht bis an den Begrenzungssteg heranreicht.

d) Diesem Verständnis steht Merkmal 7 nicht entgegen. Denn ein Heranreichen der Klebstoffschicht bis an den Begrenzungssteg ergänzt eine Ausgestaltung, bei der die Klebstoffschicht einen Umfangsspalt zwischen den Stirnflächen der Isolierverglasung und der diesen Stirnflächen gegenüberliegenden Umfangsfläche des Falzes vollständig oder zumindest in Umfangsbereichen ausfüllt.

aa) Aus der Einschränkung "zumindest in Umfangsbereichen" ergibt sich, wie auch das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat, dass in Umfangsrichtung, d.h. entlang einer Linie, die um den Außenumfang der Isolierverglasung herum verläuft, Lücken verbleiben dürfen, in denen kein Klebstoff vorhanden ist.

bb) Die stirnseitige "Ausfüllung" des Umfangsspalts hat nach der Beschreibung des Klagepatents die Funktion, die einzelnen Scheiben der Isolierverglasung gegenüber dem Profilrahmen gut abzustützen (Abs. 12 Satz 1). Damit wird ein Absenken vermieden, wie dies bei im Stand der Technik bekannten Vorrichtungen mit seitlicher Verklebung zu besorgen war (Abs. 2). Hierzu muss die Klebstoffschicht den Umfangsspalt in vertikaler Richtung, also entlang einer Linie, die von den Stirnflächen der Isolierverglasung zu der gegenüberliegenden Umfangsfläche, vollständig ausfüllen, damit sich die Verglasung nicht in Richtung des Rahmens bewegen kann.

cc) Diese Abstützung kann nach der Beschreibung vorteilhaft dann sichergestellt werden, wenn der Umfangsspalt in einer der Dicke der Isolierverglasung entsprechenden Tiefe mit Klebstoff gefüllt wird, so dass die Breite des sich ergebenden Klebstoffstreifens der Gesamtdicke der Isolierverglasung entspricht (Abs. 12 Satz 2). Es genügt aber auch eine Ausgestaltung, bei der der Klebstoffstreifen nur teilweise in den Bereich unterhalb einer Deckscheibe hineinragt. In beiden Fällen muss aber nach Merkmal 10 die Klebstoffschicht bis an den Begrenzungssteg heranreichen.

e) Entsprechend weisen auch die in den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift dargestellten Ausführungsbeispiele zwar einerseits einen Klebstoffstreifen auf, der der Gesamtdicke der Isolierverglasung entspricht (Figur 2), und andererseits einen Klebstoffstreifen, der nur teilweise in den Bereich unterhalb der Deckscheibe hineinragt (Figur 1), reicht die Klebstoffschicht aber in beiden Fällen bis an den Begrenzungssteg heran.

3. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht auch nicht die Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung verkannt.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Klage gegen Profilrahmen richtet, bei denen es für die Beklagte im Hinblick auf deren neue Verarbeitungsrichtlinien von September 2010 offensichtlich war, dass sie dazu geeignet und bestimmt sind, die Fensterscheiben so zu befestigen, dass die Verklebung nicht die Zentrierlippe berührt. Eine solche Verwendung verwirklicht Merkmal 10 des Patentanspruchs 1 aus den oben dargelegten Gründen nicht.

b) Das Vorbringen der Revision, für die Beklagte sei offensichtlich gewesen, dass Abnehmer die Fensterscheiben mitunter auch so befestigen, dass der Klebstoff sich bis an die Zentrierlippe erstreckt, ist revisionsrechtlich unzulässig.

Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist (§ 559 Abs. 1 ZPO). Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf das in Rede stehende Vorbringen nicht erfüllt.

Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsurteils hat die Klägerin vorgetragen, für die Beklagte sei offensichtlich gewesen, dass deren Profilrahmen dazu geeignet und bestimmt sind, von den Abnehmern derart verklebt zu werden, dass die Verklebung nicht die Zentrierlippe berühre. Aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich kein weitergehendes Vorbringen.

Dass die Klägerin die neuen Verarbeitungsrichtlinien und die neue Systembeschreibung, auf die das Vorbringen der Revision gestützt ist, bereits in den Vorinstanzen vorgelegt hat, genügt nicht. Vielmehr wäre erforderlich, dass die Klägerin bereits in den Tatsacheninstanzen vorgetragen hat, dass sich aus diesen Unterlagen eine offensichtliche Eignung und Bestimmung der Profilrahmen auch zur Verklebung bis an die Zentrierlippe ergibt. Diesbezüglichen Vortrag zeigt die Revision nicht auf.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Bacher Grabinski Hoffmann Deichfuß Marx Vorinstanzen:

LG München I, Entscheidung vom 17.10.2018 - 21 O 18824/17 -

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