LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.08.2020 - L 3 U 82/19
Fundstelle
openJur 2020, 75906
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 9. April 2019 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

3. Der Streitwert wird auf 871,97 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, befasst sich mit Wärmeschutz, Schallschutz, Kälteschutz, Brandschutz, Gebäudeisolierung und Asbestsanierung. Sie bezeichnet sich als "Meisterbetrieb- Reparaturen in Industrie, Haus und Garten". Am 5. Juli 2011 schloss sie mit der "Firma A B, H, L " - im Folgenden Firma AB - eine "Rahmenvereinbarung über die Durchführung von Demontage-und Montagearbeiten" ab (Punkt 1, Vertragsgegenstand). Unter Punkt "5. Auftragswert/Zahlungsbedingungen" steht: "... Ist ein Pauschalpreis vereinbart, erfolgt die Abrechnung ohne Massen. Der AN ist verpflichtet, die Massen vor Angebotsabgabe zu überprüfen. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er Massen nicht richtig ermittelt hat oder während der Bauausführung nachträglich erkennt". Bei Vertragsabschluss war die Firma AB im Besitz einer am 14. Januar 2011 ausgestellten und bis zum 13. Januar 2014 geltenden Bescheinigung des Finanzamtes Ludwigshafen, wonach der Empfänger der Bauleistung (Leistungsempfänger) von der Pflicht zum Steuerabzug nach § 48 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) befreit war. Die AOK Ludwigshafen hatte der Firma AB am 31. Oktober 2011 bescheinigt, dass "die bisher nachgewiesenen und fälligen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt" seien (Unbedenklichkeitsbescheinigung). Ferner ist ausgeführt, dass die Firma AB zurzeit einen Arbeitnehmer "bei ihr angemeldet habe".

Die Firma AB, die vom 10. Januar 2011 bis zum 1. März 2014 bei der Beklagten eingetragen war, zahlte die Beiträge an die Beklagte in den Jahren 2012 bis 2014 teilweise nicht oder nur unvollständig. 2011 und 2012 hatte die Firma AB die Lohnsummen nachgewiesen (2011: 2.800,00 €; 2012: 18.100,00 €), für die Jahre 2013 und 2014 schätzte die Beklagte diese gemäß § 165 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) und ging für 2013 ebenfalls von 18.100,00 € aus. Die Beklagte hatte gegenüber der Firma AB mit Schreiben vom 17. Mai 2013 ausstehende Beiträge in Höhe von 557,62 €, mit Schreiben vom 5. Juni 2013 in Höhe von 561,82 €, mit Schreiben vom 6. November 2013 in Höhe von 100,95 € und mit Schreiben vom 4. Juli 2014 in Höhe von 665,92 € erfolglos angemahnt und teilweise auch versucht, diese im Rahmen der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Das Amtsgericht Ludwigshafen eröffnete durch Beschluss vom 20. März 2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma AB; ihre Forderungen gegen die Firma AB hat die Beklagte nicht bei dem Insolvenzverwalter angemeldet.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Beitragshaftung als Auftraggeber an. Sie wies darauf hin, dass die Firma AB im Auftrag der Klägerin Bauleistungen im Sinne des § 101 Abs. 2 SGB VII erbracht habe und sie ihren ihr gegenüber für die Jahre 2012 bis 2014 bestehenden Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei. In einem weiteren Schreiben forderte sie die Klägerin auf, eine - falls bestehende - von ihr für die Firma AB ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie eine Auflistung der Bauvorhaben vorzulegen, bei denen die Firma AB für die Klägerin als Subunternehmerin tätig gewesen sei; ferner bat sie darum, jeweils eine Kopie der zwischen der Klägerin und den Bauherrn abgeschlossenen Bauverträge einzureichen. Die Klägerin wandte hierauf ein, dass sie berechtigterweise davon ausgehen konnte, Firma AB habe ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllt. Sie wies außerdem darauf hin, dass die Firma AB nur bei kleineren Bauvorhaben tätig gewesen sei und keines dieser Bauvorhaben einen Leistungsumfang von 275.000 € erreicht habe. Bezüglich der angerforderten Kopien der Bauverträge trug sie vor, solche nicht vorlegen zu können, da "viele Bauvorhaben auf Zuruf" liefen und es diesbezüglich keine schriftlichen Bauverträge gäbe. Insoweit sei § 150 Abs. 3 SGB VII einschlägig. Zum Nachweis legte sie Kontenblätter vor, aus denen sich Zahlungen an die Firma AB in der Zeit vom 7. Juli 2011 bis 15. Oktober 2013 ergaben (Rechnungssummen 2011: 49.995,85 €, 2012: 85.191,40 € und 2013: 62.284,43 €). Auf die weitere Aufforderung der Beklagten darzulegen, um welche Bauvorhaben es sich im Einzelnen gehandelt habe und jeweils eine Kopie der von der Klägerin erstellten Schlussrechnung(en) vorzulegen, reagierte die Klägerin trotz Erinnerung nicht.

Am 21. September 2015 erließ die Beklagte einen "Bescheid über Beitragshaftung als Auftraggeber nach § 150 Abs. 3 SGB VII in Verbindung mit § 28e Abs. 3a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)", weil die Firma AB ihren Zahlungsverpflichtungen in den Jahren 2012 bis 2014 trotz Mahnung und Zwangsvollstreckung nicht nachgekommen sei. Da trotz Aufforderung keine detaillierten Angaben über die bei Ausführung der Aufträge angefallenen Entgelte gemacht worden seien, werden diese nach der Rechtsprechung des BSG in Höhe von 2/3 der Nettoauftragssumme geschätzt. Nach den ihr vorliegenden Unterlagen ergäben sich aus den Netto-Auftragsvolumina 2012 von 85.191,40 € beitragspflichtige Arbeitsentgelte für 2012 in Höhe von 56.794,00 € und aus den Netto-Auftragsvolumina 2013 von 62.284,43 € beitragspflichtige Arbeitsentgelte für 2013 in Höhe von 41.522,00 €. Allerdings würden die Arbeitsentgelte auf die Höhe der tatsächlich von ihrem Auftragnehmer für seine Beschäftigten gemeldeten bzw. von der BG Bau geschätzten Entgelte von jeweils 18.100,00 € reduziert. Im Jahr 2012 bestehe noch ein tatsächlicher Beitragsrückstand in Höhe von 254,80 € und im Jahr 2013 belaufe sich dieser auf 617,17 € € (insgesamt: 871,97 €). Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie sich auf eine Exkulpation nach § 28e Abs. 3b SGB IV berief und die Ansicht vertrat, dass ihrer Meinung nach die Beklagte den Gesamtwert der angefallenen Bauleistungen von über 275.000,00 € nachweisen müsse, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. August 2016).

Hiergegen hat die Klägerin am 19. September 2016 Klage beim Sozialgericht Mainz (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren hingewiesen und vorgetragen, dass sie die sog. "übergeordneten Verträge" nicht vorlegen könne. Diese lägen ihr nicht vor, sie könne sie auch nicht beschaffen. Außerdem hat sie die Ansicht vertreten, dass die Entscheidung des Bundessozialgerichts B 2 U 1/15 R nicht einschlägig sei.

Das SG hat den Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angehört und der Klage durch der Beklagten am 15. Mai 2019 zugestelltes Urteil vom 9. April 2019 stattgeben und den angefochtenen Beitragsbescheid aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Die Klägerin hafte nicht für von der Firma AB nicht erbrachte Beiträge, denn die Wertgrenze des § 28e Abs. 3d SGB IV sei nicht erreicht. Die Klägerin, die ein Unternehmen des Baugewerbes sei, habe zwar im streitigen Zeitraum Firma AB mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, aber die Regelung zur Haftung gelte erst ab einem geschätzten Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Leistungen von 275.000 €. Nach Auffassung des Gerichts sei bei der Beurteilung dieses Grenzwertes nicht auf den Gesamtwert der Aufträge, die der Bauherr oder ein zwischen Bauherr und Antragsteller zwischengeschalteter Generalunternehmer an Nachunternehmer vergeben habe, sondern auf den Gesamtwert der Aufträge, die die Klägerin an die Firma AB und mögliche andere Nachunternehmer vergeben habe. Deshalb sei zu prüfen, welchen Umfang die von der Klägerin insgesamt an Subunternehmer vergebenen Aufträge hatten, allerdings bezogen auf die einzelnen "Bauwerke". Vorliegend könne aber anhand der vorgelegten Unterlagen nicht beurteilt werden, wie viele Bauwerke im Sinne der Rechtsprechung betroffen gewesen seien. Eine weitere Abklärung erübrige sich indes, da selbst dann, wenn man von nur einem einzigen "Bauwerk" ausgehen würde, im Rahmen dessen die Klägerin die Firma AB als Subunternehmerin eingesetzt habe, die Grenze von 275.000,00 € unterschritten wäre. Der Geschäftsführer der Klägerin habe nämlich in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und glaubhaft angegeben, dass bei den Baustellen, bei denen die Firma AB als Subunternehmerin tätig gewesen sei, kein anderer Subunternehmer für sie gearbeitet habe. Dies bedeute, dass die Gesamtsumme der an die Firma AB vergebenen Aufträge dem Umfang der von der Klägerin für die Erstellung des Bauwerks fremdvergebenen Aufträge insgesamt entspreche und dass die Klägerin die restlichen, nicht fremdvergebenen Arbeiten selbst durchgeführt habe. Zwar habe die Klägerin den bzw. die Verträge nicht vorgelegt, aus denen sich das (Gesamt-) Auftragsvolumen ergebe, mit dem die Klägerin von Bauunternehmern bzw von einem dazwischen geschalteten (General-) Unternehmer beauftragt worden sei, dies sei aber zur Prüfung nicht zwingend erforderlich. Wenn - wie vorliegend - das an einen Subunternehmer vergebene Auftragsvolumen unter 275.000,00 € liege und die Klägerin neben der Firma AB keine weiteren Subunternehmer eingeschaltet habe, sei von einem Unterschreiten der Wertgrenze auszugehen. Dies, sofern mangels entgegenstehender Anhaltspunkte keine Zweifel am fehlenden Einsatz weiterer Subunternehmer bestünden.

Die Beklagte hat am 3. Juni 2019 Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen: Das angefochtene Urteil überzeuge nicht. Es sei davon auszugehen, dass vorliegend die Wertgrenze gem. §§ 150 Abs. 3 Satz 1 SGB VII, 28e Abs. 3d SGB IV überschritten sei. Die Klägerin sei ihren Mitwirkungsobliegenheiten nicht hinreichend nachgekommen, sondern habe nur "torsoartig" Unterlagen vorgelegt. Nach wie vor sei daher unklar, wie viele Bauvorhaben im Verhältnis der Klägerin zur Firma AB für die Haftung angesetzt werden könnten. Es könne allenfalls, insoweit schließe sie sich dem SG an, nur erahnt werden, dass es sich um verschiedene Baustellen an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeitpunkten gehandelt habe. Unklar sei auch weiterhin, ob nicht weitere Subunternehmer beauftragt worden seien und wie die Verträge der Klägerin mit ihren Auftraggebern seien. Deswegen sei nach wie vor nicht nachgewiesen, dass nicht noch weitere Subunternehmer beauftragt gewesen seien. Im Zweifelsfall gehe aber die Nichterweislichkeit zulasten des Hafters (unter Berufung auf LSG Sachsen, Urteil vom 22. März 2012 - L 2 U 163/10). Ansonsten würden nämlich die Auftraggeberhaftung und das Ziel der Bekämpfung illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit konterkariert werden. Ungeachtet dessen überzeuge die Ansicht des SG, wonach für die Bestimmung der Wertgrenze auf die Ebene zwischen Hafter und Subunternehmer unabhängig davon, ob die Auftragsvergabe an den Hafter unmittelbar durch den Bauherrn oder einen (zwischengeschalteten) Generalunternehmer erfolge, nicht. Das BSG habe die Beurteilung der Wertgrenze zuletzt in seiner Entscheidung vom 26. Oktober 2017 (B 2 U 1/15 R) weitergehend konkretisiert. Dies bedeute aus ihrer Sicht, dass grundsätzlich zu unterscheiden sei, ob der Hafter vom Bauherrn oder aber von gewerblichen Bauunternehmern oder Bauträgern beauftragt worden sei. Nur im ersten Fall, also Beauftragung des Unternehmers durch den Bauherrn, sei zur Bestimmung der Wertgrenze darauf abzustellen, in welchem Umfang zu erbringende Leistungen an die Nachunternehmer weitervergeben worden seien. Andernfalls sei für die Beurteilung der Bagatellgrenze der Wert aller Nachunternehmerleistungen des Hauptauftraggebers entscheidend.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 9. April 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und die ihrer Ansicht nach zutreffenden Entscheidungsgründe des Sozialgerichts.

Zur Ergänzung des Sach-und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben und den Beitragsbescheid der Beklagten vom 21. September 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2016 aufgehoben. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Rechtsgrundlage des Anspruchs der Beklagten gegen die Klägerin ist § 150 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB VII i.V.m. §§ 28e Abs. 3a bis Abs. 3f SGB IV. Hiernach haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 175 Abs. 2 SGB VII (seit 1. April 2012: § 101 Abs. 2 SGB III) beauftragt, als sogenannter Hauptunternehmer für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Die in § 150 Abs. 3 Satz 1 Alt 2 SGB VII ebenfalls in Bezug genommene Übergangsregelung in § 116a SGB IV greift hier nicht ein, da die Firma AB mit der Erbringung der Bauleistungen nicht vor dem 1. Oktober 2009 beauftragt worden ist.

Abzustellen ist nach dem Gesetzeswortlaut auf den einzelnen Bauauftrag, nicht auf den Beginn des Bauvorhabens. Aufträge an Subunternehmer, die zur Ausführung von Bauleistungen in laufenden Bauvorhaben ab dem 1. Oktober 2009 hinzugezogen werden, fallen unter die Neuregelung. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei der Auftragsvergabe auf den Wert des Bauvorhabens (§ 28e Abs. 3d SGB IV - Gesamtwert aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen) abzustellen ist, führt dies zu einer - nicht unverhältnismäßigen - Haftungsverschärfung, die in der Intention des Gesetzgebers nach einer wirksamen Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung im Baugewerbe lag (Werner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 116a SGB IV, Rn. 4; vgl. auch Stäbler, in Krauskopf, SGB IV, Stand: Februar 2019, § 116a Rb. 4; Wagner, in BeckOK, SGB IV, Stand: 1. September 2019, § 116a Rn. 2; a.A. wohl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. August 2019 - L 6 U 3728/18 - juris, Rn.52, das auf den Beginn des Bauvorhabens abstellt). Die Klägerin, die zu den Unternehmern des Baugewerbes gehört, hat die Firma AB nach ihren eigenen Angaben jedenfalls in den Jahren 2011, 2012 und 2013 als Nachunternehmerin bei nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung mehreren (allerdings nicht konkret benannten) Bauvorhaben durch Werk- oder Dienstvertrag mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Da die Firma AB, die Beitragszahlungen an die Beklagte, zu denen sie auf Grund der Beschäftigung ihrer Mitarbeiter in den hier streitigen Jahren 2012 und 2013 verpflichtet war, nicht gezahlt hat, haftet die Klägerin im Sinne von § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. August 2019 - L 6 U 3728/18 - juris, Rn. 55) als Hauptunternehmerin für die Erfüllung der Beitragspflicht der Firma AB, soweit deren Unfallversicherungsbeitrag auf Arbeitsentgelten beruht, die für die von der Klägerin in Auftrag gegebenen Bauleistungen zu zahlen waren (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 50; Höller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: Februar 2019, § 150 Rn. 20e; Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28e Rn. 92). Dies folgt aus § 165 Abs. 3 SGB VII, der, wie sich aus § 165 Abs. 4 Satz 1 2. HS SGB VII ergibt, gerade auch zur Bestimmung des Umfangs der Beitragshaftung nach § 150 Abs. 3 2. Alt. SGB VII Anwendung findet. Die Voraussetzungen von § 165 Abs. 3 SGB VII liegen vor, weil weder die Nachunternehmerin noch die Klägerin die nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erforderlichen Angaben zu den geleisteten Arbeitsstunden und die hierfür zu entrichtenden Arbeitsentgelte rechtzeitig und vollständig gemacht haben.

2. Der Senat hat auch davon auszugehen, dass der Gesamtwert der maßgeblichen Bauleistung den die Haftung begründenden gesetzlichen Mindestbetrag des § 28e Abs. 3b Satz 1 SGB IV aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen von 275.000 Euro überschreitet, der nach Maßgabe von § 3 der Vergabeverordnung vom 9. Januar 2001 (BGBl I S. 110) zu schätzen ist. Bereits auf der Ebene des Normwortlauts ist festzustellen, dass nicht der Wert des Bauwerks (oder Bauvorhabens) selbst, sondern der Wert der dafür in Auftrag gegebenen, also fremdvergebenen Bauleistungen maßgeblich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dabei zur Beurteilung, ob die Wertgrenze überschritten wurde, nach Wortlaut und Regelungszusammenhang des § 28e Abs. 3d SGB IV nicht alleine auf den Wert des Auftrags an das einzelne Nachunternehmen, für das der konkrete Haftungsanspruch geltend gemacht wird, sondern auf den Gesamtwert aller für das Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen abzustellen (BSG, Urteil vom 27. Mai 2008 - B 2 U 11/07 R - juris, Rn. 32). Andernfalls erschlösse sich der Sinn der Verweisung in § 28e Abs. 3d Satz 2 SGB IV auf § 3 der Vergabeverordnung nicht. Es wäre unverständlich, warum eine Schätzung des Gesamtwerts erforderlich sein sollte, obwohl der Wert des konkreten Auftrags an das Nachunternehmen regelmäßig bekannt ist (BSG, Urteil vom 27. Mai 2008 - B 2 U 11/07 R - juris, Rn. 41; Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 1/15 R - juris, Rn. 10). Aus der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27. Mai 2008 - B 2 U 21/07 R - juris, Rn. 33; Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 7/10 R - juris, Leitsatz) war auch abgeleitet worden, dass für die Bestimmung des maßgeblichen Gesamtwerts aller für ein Bauwerk in Auftrag gegebenen Bauleistungen auf den Inhalt des Werk- und Dienstvertrags zwischen dem Bauherrn und dem Hauptunternehmer (also das Vertragsvolumen zwischen Bauherr und Hauptunternehmer) abzustellen sei. Neuerdings hat das Bundessozialgericht in einem Sonderfall indes klargestellt, dass es für das Überschreiten des Grenzwerts für die Nachunternehmerhaftung auf den Gesamtwert der Bauleistungen ankommt, die das in Anspruch genommene Unternehmen (also das Hauptunternehmen) bezogen auf die Erstellung des vom Bauherrn in Auftrag gegebenen Bauwerks an alle Nachunternehmen fremdvergeben hat (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2017 - B 2 U 1/15 R - juris, Rn. 11 ff.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze muss die Beklagte zur konkreten Bestimmung der Bauwerke, an denen die Klägerin als Hauptunternehmerin die Firma AB als Nachunternehmerin beteiligt hat, die für die einzelnen Bauwerke abgeschlossenen Werk- und Dienstverträge zwischen der Klägerin und den jeweiligen Bauherren kennen (um festzustellen welche einzelnen Baumaßnahmen zu einem Bauwerk gehören). Zur Bestimmung des Gesamtwerts des jeweiligen Bauwerks muss sie außerdem sämtliche Nachunternehmen kennen, an die das Hauptunternehmen bezogen auf dieses Bauwerk Dienst- oder Werkleistungen fremdvergeben hat. Hierfür ist die Beklagte notwendig auf die Klägerin angewiesen. Sie kann die Schätzgrundlage nicht anhand ihrer eigenen Unterlagen bzw. eventueller (hier nicht vorliegender) Unterlagen der Firma AB bestimmen, da es maßgeblich auf die vertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit Dritten, nämlich dem Bauherrn und den anderen Nachunternehmen ankommt, auf die die Firma AB keinen Zugriff hat. Ohne Mithilfe der Klägerin ist die Beklagte nicht in die Lage versetzt gewesen, Ermittlungen im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht, zu welchen sie ausdrücklich gewillt war, nachzukommen.

Da die Klägerin allein in der Lage ist, die für die Schätzung erforderlichen Unterlagen beizubringen, trägt sie hierfür, zumindest im Sinne einer Beweislastumkehr durch Beweisvereitelung (vgl hierzu auch SG Detmold, Urteil vom 30. September 2010 - S 14 U 141/08 - juris, Rn. 24-26), auch die (objektive) Beweislast (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. August 2011 - L 15 U 704/10 B ER - juris, Rn. 4; so auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. August 2019 - L 3 U 81/19 B ER). Die Klägerin ist ihrer Auskunftspflicht aus § 28 Abs. 3c SGB IV, der den Hauptunternehmer verpflichtet alle beauftragten Nachunternehmer eines Bauvorhabens mit Namen und Firmenanschrift zu benennen (vgl. Kreikebohm, SGB IV, 3. Aufl. 2018 Rn. 12) und der für die Benennung der Bauherren und zur Vorlage der maßgeblichen Vertragsunterlagen (die § 28 Abs. 3c SGB IV nicht eigens regelt) anzuwendenden Mitwirkungspflicht des § 192 Abs. 3 Satz 1 SGB VII, der den Unternehmer verpflichtet, auf Verlangen des zuständigen Unfallversicherungsträgers Auskünfte zu geben und die Beweisurkunden vorzulegen, die zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Unfallversicherungsträgers erforderlich sind, sowie der Arbeitgeberauskunftspflicht des § 98 SGB X, der sich nach Absatz 3 der Vorschrift auch auf die nach § 150 Abs. 3 SGB VII haftenden Personen erstreckt (Kasseler Kommentar, SGB X, § 98 Rn. 19. und 40), trotz Aufforderung der Beklagten nicht nachgekommen. Deshalb lässt sich zu ihren Lasten nicht feststellen, dass die Wertgrenze des § 28e Abs. 3d SGB IV bei einem der Bauwerke an dem sie die Firma AB als Nachunternehmerin beteiligt hat, unterschritten worden ist.

3. Die Haftung der Klägerin ist nicht gemäß § 150 Abs. 3 Satz 2 SGB VII i.V.m. § 28e Abs. 3b, 3f SGB IV ausgeschlossen. Nach § 28e Abs. 3b SGB IV entfällt die Haftung nach Absatz 3a, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer oder ein von ihm beauftragter Verleiher seine Zahlungspflicht erfüllt (sogenannte Exkulpation). Dabei ist ein Verschulden des Unternehmers ausgeschlossen, soweit und solange er Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers durch eine Präqualifikation nachweist, die die Eignungsvoraussetzungen nach § 8 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. März 2006 (BAnz Nr. 94a vom 18. Mai 2006) erfüllt (§ 28e Abs. 3b Satz 2 SGB IV). Nach der Regelung in § 28e Abs. 3f SGB IV kann der Unternehmer den Nachweis nach Absatz 3b Satz 2 anstelle der Präqualifikation auch durch Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der zuständigen Einzugsstelle für den Nachunternehmer oder den von diesem beauftragten Verleiher erbringen (Satz 1); die Unbedenklichkeitsbescheinigung enthält Angaben über die ordnungsgemäße Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge und die Zahl der gemeldeten Beschäftigten (Satz 2). Diese Regelungen werden in der gesetzlichen Unfallversicherung durch § 150 Abs. 3 S 2 SGB VII dahingehend modifiziert, dass der Nachunternehmer oder der von diesem beauftragte Verleiher für den Nachweis nach § 28e Abs. 3f SGB IV eine qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Unfallversicherungsträgers vorzulegen hat; diese enthält insbesondere Angaben über die bei dem Unfallversicherungsträger eingetragenen Unternehmensbestandteile und diesen zugehörige Lohnsummen des Nachunternehmers oder des von diesem beauftragten Verleihers sowie die ordnungsgemäße Zahlung der Beiträge (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 35).

Nach der Gesetzesbegründung muss sich der Nachweis fehlenden Verschuldens darauf erstrecken, dass der Unternehmer bei der Auswahl des Nachunternehmers die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns angewandt hat, er also eine kalkulatorische, kaufmännische Prüfung vorgenommen hat (BT-Drs. 14/8221, S. 15). Hierzu gehört nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine gewissenhafte Nachprüfung, ob die angebotene Leistung die Lohnkosten mit den Sozialversicherungsbeiträgen zutreffend einkalkuliert hat. Ferner soll sich der Umfang der Prüfung auch danach bestimmen, ob der Nachunternehmer eine Freistellungsbescheinigung der Finanzbehörden über die Erfüllung seiner Steuerpflicht nach dem Gesetz zur Eindämmung der illegalen Betätigung im Baugewerbe oder Bescheinigungen der Einzugsstellen für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag über die Erfüllung seiner Zahlungspflichten vorlegt (vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 22. März 2012 - L 2 U 163/10 - juris, Rn. 40). Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben und Grundsätze hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass die Firma AB ihre Zahlungspflicht gegenüber der Beklagten erfüllt.

Die Klägerin hat die Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Firma AB nicht durch eine Eignungsprüfung, der sich die Nachunternehmerin vorab unterzogen hätte (sogenannte Präqualifikation) nachgewiesen. Die vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung der AOK Ludwigshafen vom 31. Oktober 2011 ist ebenfalls ungeeignet, die Klägerin zu exkulpieren. Sie bietet keine Grundlage dafür, dass die Klägerin davon ausgehen konnte, dass die Nachunternehmerin ihre Zahlungspflicht erfüllen werde. Denn sie ist schon aufgrund ihres Erstellungsdatums und ihrer nur dreimonatigen Geltungsdauer zeitlich ungeeignet ein sorgfältiges Handeln der Klägerin bei den Auftragsvergaben in den Jahren 2012 und 2013 zu belegen. Die Bescheinigung ist nicht kausal für die Beauftragungen der Firma AB gewesen und ungeeignet ein fehlendes Auswahlverschulden im Hinblick auf die Beauftragung der Nachunternehmerin zu belegen. Auf sie konnte und hat sich die Klägerin nicht gestützt, um sich bei der Auswahl der Nachunternehmerin von deren Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit zu überzeugen. Die Bescheinigungen des Finanzamtes Ludwigshafen vom 14. Januar 2011 vermag ebenfalls eine Exkulpation nicht zu begründen. Andere Nachweise für eine sorgfältige Nachunternehmerauswahl und eine gewissenhafte Nachprüfung, ob die Firma AB die Lohnkosten mit den Sozialversicherungsbeiträgen zutreffend in ihre Leistungsangebote einkalkulierte, hat die Klägerin nicht erbracht. Es bedarf deshalb hier keiner Entscheidung, ob die Regelung in § 28e Abs. 3b Satz 1 SGB IV seit der Einführung der beiden gesetzlich vorgesehenen Exkulpationsmöglichkeiten zum 1. Oktober 2009 überhaupt noch andere Möglichkeiten des Nachweises fehlenden Verschuldens eröffnet.

Die bloße Unkenntnis von den gesetzlich zu beachtenden Sorgfaltspflichten bei der Nachunternehmerauswahl ist jedenfalls nicht geeignet die Klägerin zu exkulpieren. Die in der Literatur vertretene Ansicht (Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28e SGB IV, Rn. 109), dass die Geltendmachung eines geschätzten Haftungsanspruchs gegen den Hauptunternehmer, sofern der Nachunternehmer die besondere Aufzeichnungspflicht nach § 28f Abs. 1a SGB IV (entspricht § 165 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VII) verletzt hat, mangels eigener Pflichtverletzung ausscheide, teilt der Senat nicht, weil das Auswahlverschulden des Hauptunternehmers davon unberührt bleibt und sich in der Missachtung der Aufzeichnungspflichten durch den Nachunternehmers gerade manifestiert.

4. Die Höhe der Haftungsforderung der Klägerin wird begrenzt durch die Zahlungspflicht des Beitragsschuldners:

a) Die Beklagte durfte die Höhe der von der Firma AB zu zahlenden Beiträge schätzen, da der Unternehmer seinen Nachweis- und Aufzeichnungspflichten zur Berechnung der Umlage durch Satzung festgelegten Angaben nach § 99 SGB IV, § 165 Abs. 1 und Abs. 4 SGB VII nicht genügt. Rechtsgrundlage der Schätzung ist § 165 Abs. 3 SGB VII. Danach kann der Unfallversicherungsträger eine Schätzung vornehmen, soweit die Unternehmer die Angaben nicht rechtzeitig, falsch oder unvollständig machen. Bei der Schätzung handelt es sich um eine (gerichtlich voll überprüfbare) Tatsachenfeststellung, die mit Erfahrungswerten an den wahrscheinlichen tatsächlichen Verhältnissen auszurichten ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 51). Grundsätzlich ist es der Beklagten daher möglich gewesen, die für die Beitragsermittlung heranzuziehende, aber von der Klägerin nicht mitgeteilte und deshalb nicht feststellbare Summe der beitragspflichtigen Arbeitsentgelte (Lohnsumme) anhand einer Lohnquote von zwei Drittel der Nettoumsätze zu bestimmen. Ausgehend von branchenüblichen Lohnquoten ist es im Bereich des lohnintensiven Baugewerbes sachgerecht (bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen in Form der Schwarzarbeit) grundsätzlich zwei Drittel des Nettoumsatzes als Lohnsumme zu veranschlagen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Mai 2020 - L 15 U 191/18; BGH, Beschluss vom 10. November 2009 -1 StR 283/09 - juris, Rn. 21 ff.; zustimmend für das Beitragsrecht; Sächsisches LSG, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - L 1 B 1/08 KR-PKH - juris, Rn. 20 ff.; vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 51). Das Bundessozialgericht hat in einem Urteil vom 27. August 1987 (2 RU 41/85 - juris, Rn. 20) sogar eine Schätzung der Summe der Arbeitsentgelte (Lohnsumme) auf 70 % der Rechnungsbeträge im Baugewerbe rechtlich nicht beanstandet.

Die Beklagte hat allerdings von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sondern hat - im Ergebnis zugunsten der Klägerin- der Berechnung nur die tatsächlich im Jahr 2012 gemeldeten und gemäß § 165 Abs. 3 SGB VII auch für das Jahr 2013 angesetzten Arbeitsentgelte in Höhe von 18.100,00 € zugrunde gelegt. Auf dieser Basis hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 21. September 2015 den Beitrag (Umlagebeitrag einschließlich Beiträgen für den Arbeitsmedizinischen Dienst und den Sicherheitstechnischen Dienst) der Firma AB für 2012 auf 254,80 € und für 2013 auf 617,17 € festgesetzt. Hätte die Beklagte der Beitragsberechnung die oben beschriebene Zwei-Drittel-Quote zugrundegelegt, hätte sie deutlich höhere Beiträge festsetzen müssen - nämlich für das Jahr 2012 beitragspflichtige Arbeitsentgelte in Höhe von 56.794,00 € aus der Netto-Auftragsvolumina 2012 von 85.191,40 € und für 2013 beitragspflichtige Arbeitsentgelte in Höhe von 41.522,00 € aus den Netto-Auftragsvolumina 2013 von 62.284,43 €.

b) Die Klägerin haftet für diese Beiträge indes nur insoweit, wie die Forderung auf Arbeitsentgelten beruht, die für die von der Klägerin in Auftrag gegebenen Bauleistungen zu zahlen waren (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 50; Höller, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: Februar 2019, § 150 Rn. 20e; Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28e Rn. 92). Da die Firma AB entgegen § 165 Abs. 4 Satz 1 SGB VII ihren besonderen Aufzeichnungspflichten nach § 165 Abs. 4 Satz 1, Halbsatz 2 SGB VII (Führung gesonderter Aufzeichnungen, so dass eine Zuordnung der Arbeitnehmer, Arbeitsentgelte und geleisteten Arbeitsstunden zum jeweiligen Dienst- oder Werkvertrag möglich ist) nicht genügt hat und die Klägerin keine näheren Auskünfte gemacht hat, bedurfte es auch insofern einer Schätzung, die die Beklagte in sachgerechter Weise - wie oben dargestellt - vorgenommen hat. Eine Unterscheidung nach einzelnen Bauwerken ist insofern nicht erforderlich, da nur die (zu Lasten der Klägerin nicht feststellbare) Mindestsumme des § 28e Abs. 3d SGB IV bauwerksbezogen zu bestimmen ist, nicht aber die Haftungssumme im Sinne von § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV selbst.

5. Der Zahlungspflicht der Klägerin dem Grunde nach steht auch nicht die Subsidiarität ihrer Haftung entgegen. Die Haftung des Hauptunternehmers aus § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV ist nachrangig (Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28e Rn. 96) und entspricht derjenigen eines selbstschuldnerischen Bürgen (§ 771 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches <BGB>). Zwar entfällt deshalb die Zahlungspflicht des Haftungsschuldners mit dem Eintritt der Verjährung für den Beitragsanspruch (vgl. Werner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28e Rn. 27). Die Beitragsforderung der Beklagten ist indes für die hier betroffenen Umlagejahre 2012 und 2013 nicht verjährt. Nach § 25 SGB IV verjährt eine Beitragsforderung in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden ist. Dabei ist der für die Berechnung des Beginns der Verjährungsfrist bedeutsame Zeitpunkt der Fälligkeit der Beitragsansprüche nicht identisch mit dem in § 23 Abs. 3 SGB IV geregelten Zeitpunkt, in dem "geschuldete Beiträge der Unfallversicherung" zur Zahlung fällig werden (sog. Zahlungsfälligkeit). Die Fälligkeit im Sinne des § 25 Abs. 1 SGB IV richtet sich vielmehr nach dem Zeitpunkt, in dem der Beitrag vom Unfallversicherungsträger hätte errechnet werden können (sog. Verjährungsfälligkeit, vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 54; Bigge in: Eichenhofer/Wenner, SGB I, IV, X, 1. Aufl. 2012, § 25 SGB IV Rn. 13; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl., Stand: März 2019, § 25 SGB IV Rn 3; Zieglmeier, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB IV, Stand: März 2019, § 25 Rn. 25). Hintergrund dieser Unterscheidung ist, dass bei Anwendung des in § 23 Abs. 3 SGB IV bestimmten Fälligkeitszeitpunkts auf die Verjährungsvorschrift praktisch niemals Verjährung eintreten könnte, solange kein Bescheid ergangen ist, und die Bekanntgabe des Bescheides für sich genommen nach § 52 Abs. 1 SGB X zur Hemmung der Verjährung führt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 54; Segebrecht in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 21). Da die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Beiträge rückwirkend nach Ablauf des Kalenderjahres festsetzen, in dem die Beiträge dem Grunde nach entstanden sind (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII), fällt die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Fälligkeit der Beitragsansprüche in das dem Umlagejahr folgende Kalenderjahr (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. Juni 2019 - L 3 U 194/16 - juris, Rn. 54), hier also bezogen auf die Beiträge für das Jahr 2012 in das Jahr 2013 und für die Beiträge des Jahres 2013 in das Jahr 2014. Bei Anwendung der Regelverjährungsfrist von vier Jahren wäre danach hinsichtlich der Beiträge für 2012 mit Ablauf des Jahres 2017 und für die Beiträge des Jahres 2013 mit Ablauf des Jahres 2018 Verjährung eingetreten. Der Beitragsbescheid ist indes bereits am 21. September 2015 erlassen worden.

6. Die Klägerin hat auch kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 28e Abs. 2 Satz 2 SGB IV, das gemäß § 28e Abs. 3a Satz 3 SGB IV auch für die Haftung des Hauptunternehmers im Baugewerbe entsprechend gilt. Danach kann der wie ein selbstschuldnerischer Bürge haftende Hauptunternehmer die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Die Beklagte hat - wie oben ausgeführt - die Firma AB wiederholt erfolglos vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemahnt und auch versucht, ausstehende Beiträge im Rahmen einer Zwangsvollstreckung beizutreiben.

7. Anhaltspunkte dafür, dass die Forderung gegen den Beitragsschuldner bereits durch ihn oder Dritte erfüllt worden ist, so dass die selbstschuldnerische Bürgenhaftung (in dieser Höhe) entfallen würde, gibt es nicht.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

9. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a SGG, §§ 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 47 und 63 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Forderung.

10. Revisionszulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.