OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.08.2020 - 4 UF 122/20
Fundstelle
openJur 2020, 74142
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unzulässig verworfen.

Der Verfahrenswert wird für den zweiten Rechtszug festgesetzt auf 3.372,- Euro.

Gründe

I.

Mit am 17.9.2019 verkündeten Beschluss, der Beschwerdeführerin zugestellt gegen Empfangsbekenntnis am 24.9.2018, schied das Amtsgericht die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin, führte den Versorgungsausgleich durch und entschied über die in der Folgesache nachehelicher Ehegattenunterhalt gestellten Anträge. Dabei ordnete es die interne Teilung der Anrechte beider Ehegatten bei der Beschwerdeführerin unter Angabe der zutreffenden Versicherungsnummern an und folgte dabei den Vorschlägen der Beschwerdeführerin in den von ihr erteilten Auskünften. Im Rubrum des Beschlusses war als Geschäftszeichen der Beschwerdeführerin allerdings nur die Versicherungsnummer des Antragstellers, nicht hingegen jene der Antragsgegnerin aufgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das in der Akte befindliche Original des verkündeten Beschlusses Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 30.3.2020, beim Amtsgericht eingegangen am 3.4.2020, hat die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss vom 17.9.2018 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die hinsichtlich des Anrechts der Antragsgegnerin erteilte Auskunft vom 13.9.2016 sei möglicherweise fehlerhaft gewesen. Es sei zu prüfen, ob in der Ehezeit die Voraussetzungen für die Anerkennung weiterer Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorlägen. Der Beschluss vom 17.9.2018 sei ihr nicht zugestellt worden; sie habe ihn von der Antragsgegnerin erhalten.

Das Amtsgericht hat den angefochtenen Beschluss nach Eingang der Beschwerde mit Beschluss vom 23.4.2020 wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass auch die Versicherungsnummer der Antragsgegnerin als Geschäftszeichen der Beschwerdeführerin in das Rubrum aufgenommen worden ist. Eine mit einer Ausfertigung des Beschlusses vom 23.4.2020 verbundene Ausfertigung des Beschlusses vom 17.9.2018 ist der Beschwerdeführerin daraufhin vom Amtsgericht am 5.6.2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.

Die Beschwerdeführerin ist vom Vorsitzenden des Senats wiederholt auf die beabsichtigte Verwerfung ihrer Beschwerde hingewiesen worden. Sie vertritt die Auffassung, die einmonatige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG habe erst mit der Zustellung des berichtigten Beschlusses am 5.6.2020 zu laufen begonnen, die fünfmonatige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG frühestens mit der Überlassung einer Abschrift des Beschlusses vom 17.9.2018 durch die Antragsgegnerin.

Antragsteller und Antragsgegnerin haben sich den vom Vorsitzenden des Senats geäußerten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde angeschlossen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 68 Abs. 2 FamFG zu verwerfen.

Sie ist erst nach Ablauf der am 24.10.2018 endenden einmonatigen Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG beim Amtsgericht eingegangen.

Zwar beginnt der Lauf der Beschwerdefristen des § 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 FamFG für einen rechtswidrig nicht zum Verfahren hinzugezogenen Beteiligen nicht vor Möglichkeit der Kenntnisnahme von der anzufechtenden Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 15.2.2017 - XII ZB 405/16, FamRZ 2017, 727). Für einen förmlich am Verfahren Beteiligten beginnt die fünfmonatige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG jedoch auch dann mit der wirksamen Verkündung der Entscheidung, wenn ihm diese anschließend fehlerhaft nicht zugestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 11.3.2015 - XII ZB 571/13, FamRZ 2015, 839).

Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin vom Amtsgericht nicht nur förmlich am Verfahren beteiligt worden und hat dort mit Schreiben vom 13.9.2016 eine Auskunft zum Ehezeitanteil des bei ihr bestehenden Anrechts der Antragsgegnerin erteilt. Der Beschluss, mit welchem die interne Teilung dieses Anrechts angeordnet worden ist, ist ihr am 24.9.2018 auch förmlich zugestellt worden. Soweit die Versicherungsnummer der Antragsgegnerin lediglich im Tenor des Beschlusses, nicht jedoch in dessen Rubrum aufgeführt worden ist, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Zustellung. Die Zustellung hat daher den Lauf der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG ausgelöst.

Die Zustellung des mit einer Ausfertigung des Beschlusses vom 17.9.2018 verbundenen Berichtigungsbeschlusses vom 23.4.2020 hat nicht den erneuten Lauf der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG ausgelöst.

Eine Berichtigung der anzufechtenden Entscheidung wegen offenbarer Unrichtigkeit hat keinen Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfristen, es sei denn, die berichtigte Entscheidung ist in ihrer ursprünglichen Fassung als Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Beteiligten und für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nicht geeignet, was zum Beispiel dann der Fall sein kann, wenn sich ein Beteiligter erst der berichtigten Beschlussfassung zweifelsfrei entnehmen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2019 - VIII ZR 332/18, FamRZ 2020, 436, Urteil vom 9.11.2016 - XII ZB 275/15, FamRZ 2017, 225, beide mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall war die Beschwerdeführerin als Beteiligte im Rubrum des Beschlusses vom 17.9.2018 aufgeführt. Die sie betreffenden Anordnungen zur internen Teilung der Anrechte beider Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung ließen sich dem Beschlusstenor zweifelsfrei entnehmen und versetzten die Beschwerdeführerin ohne Weiteres in die Lage, über die Einlegung eines dagegen gerichteten Rechtsmittels zu entscheiden. Hieran hat sich durch die nachträgliche Ergänzung des Rubrums um die Angabe der Versicherungsnummer der Antragsgegnerin nichts geändert.

Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist von Amts wegen nach § 18 Abs. 3 Satz 3 FamFG kommt nicht in Betracht.

Nach § 18 Abs. 4 FamFG ist eine Wiedereinsetzung nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende der versäumten Frist ausgeschlossen. Diese absolute Ausschlussfrist (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 18, Rdnr. 13 m.w.N.) ist hier am 24.10.2019 abgelaufen, ohne dass zuvor die versäumte Verfahrenshandlung nachgeholt worden oder ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden wäre.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die offenbar weit verbreitete Praxis der Familiengerichte, Versorgungsträger, bei denen mehrere Anrechte bestehen, mehrfach - und zwar hinsichtlich jedes einzelnen Anrechts - als Beteiligte im Rubrum aufzuführen und ihnen Entscheidungen mehrfach - nämlich in der Zahl der Nennungen im Rubrum - zuzustellen, geeignet ist, die Annahme eines fehlenden Verschuldens der Beschwerdeführerin an der Einhaltung der Beschwerdefrist zu begründen. Hieran bestehen ohnehin erhebliche Zweifel, weil auch im Falle einer Mehrfachzustellung die erste Zustellung den Lauf der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG auslöst. Es dürfte daher im Verantwortungsbereich des Versorgungsträgers liegen, seine Abläufe so zu organisieren, dass die durch die erste Zustellung in Gang gesetzte Frist allen mit der Versorgungsausgleichssache befassten Organisationseinheiten gleichermaßen zur Kenntnis gelangt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Abs. 4 Satz 1 FamFG. Im Hinblick auf die erfolgte Verwerfung der Beschwerde als unzulässig, wäre es unbillig, die übrigen Beteiligten mit den durch die Beschwerde verursachten Kosten zu belasten. Diese sind vielmehr insgesamt der mit ihrer Beschwerde unterlegenen Beschwerdeführerin aufzuerlegen.

Da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 50 Abs. 1 FamGKG. Da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Anrecht ist, sind zehn Prozent des von den geschiedenen Ehegatten in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens in Ansatz zu bringen.

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