LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.07.2020 - 8 Sa 400/19
Fundstelle
openJur 2020, 48662
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der klägerischen Partei gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 4. Juli 2019 - 11 Ca 185/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlung von Arbeitsvergütung ohne Erbringung einer Arbeitsleistung.

Der Kläger ist seit dem 21. Juni 1999 bei der Beklagten mit einem Stundenlohn von zuletzt 15,83 Euro brutto beschäftigt. Im hier streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2018 war er in einer 37,5-Stunden-Woche tätig, zudem Mitglied des Betriebsrats und Mitglied der IG Metall. Im Betriebsrat der Beklagten waren zwei Betriebsratsmitglieder dauerhaft freigestellt, nicht jedoch der Kläger.

Die Beklagte beschäftigte in ihrem Betrieb etwa 1.300 Arbeitnehmer. Die Produktion fand in vier Werkhallen statt.

Für den 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres gewährte die Beklagte ihren Arbeitnehmern stets Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der vollen Vergütung, so auch für den Kläger "über Jahrzehnte hinweg" (Bl. 120 d.A).

Die Beklagte war zunächst im Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. Mitglied ohne Tarifbindung und begründete mit Wirkung zum 1. Juli 2018 dort eine Mitgliedschaft mit Tarifbindung. Vor diesem Hintergrund schloss die Beklagte mit den Tarifvertragsparteien der Flächentarifverträge einen Überleitungstarifvertrag (künftig auch: ÜTV), der unter anderem die Anwendung der einschlägigen Entgelttarifverträge erst mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 vorsah.

Für die Zeit bis zur erstmaligen Anwendung der Entgelttarifverträge waren im ÜTV Einmalzahlungen für die Monate Mai bis September 2018 in Höhe von insgesamt 748,- Euro brutto vorgesehen. Zudem fand auch die tarifliche "Vereinbarung über Betriebliche Sonderzahlung" im Jahr 2018 Anwendung, die mit der Novemberabrechnung eine (zeitanteilige - § 2 Abs. 2 Satz 2 ÜTV) Jahressonderzahlung in Höhe von 62,5 % der Bruttomonatsvergütung vorsah. Andererseits sieht der einschlägige Manteltarifvertrag für den 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres eine Freistellung von der Arbeitspflicht nur bei hälftiger Vergütung für diese beiden Tage vor.

In den einschlägigen Tarifverträgen heißt es konkret, soweit hier von Bedeutung:

Überleitungstarifvertrag für die Firma C., S., zwischen der C. sowie Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie und IG Metall vom 10. April 2018 (Bl. 95 ff d.A):

"§ 2 Ausgangsbasis/Anwendung der Flächentarifverträge ab 01.07.2018/Abweichungen von den Flächentarifverträgen / Übergangsbestimmungen

1. Die C. in S. hat die materiellen Arbeitsbedingungen bislang nicht durch Tarifvertrag geregelt, sondern durch Betriebsvereinbarung / arbeitsvertragliche individualrechtliche Regelungen.

2. Durch den Tarif Beitritt als Mitglied mit Tarifbindung im Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. mit Wirkung zum 01.07.2018 kommen ab diesem Zeitpunkt die Regelungen aus dem Flächentarifvertrag unmittelbar zur Anwendung, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist. Für das Ausgangsjahr 2018 werden alle tariflichen Leistungen ab 01.07.2018 anteilig gewährt, d. h. bei der Berechnung ist nur das 2. Halbjahr anteilig zu berücksichtigen.

3. [stufenweise Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf eine 35-Stunden-Woche bis zum 1. Januar 2024]

4. Die Entgelttabellen für Lohn, Gehalt und Ausbildungsvergütungen aus dem Lohnrahmentarifvertrag/Gehaltsrahmentarifvertrag/Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen, jeweils vom 30.01.2018, treten zum 01.10.2018 in Kraft. Die Entgelterhöhung für 2018 und der Entgeltausgleich für die Arbeitszeitverkürzung sind in den Tabellen bereits enthalten, sodass die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohn und Gehaltsausgleich erfolgt.

5. Es gilt der Grundsatz, dass mit Einführung der Tarifverträge und der Arbeitszeitverkürzung kein Beschäftigter weniger verdient als vor dem 01.07.2018:

a. Daher wird das bisherige Entgelt ermittelt und als Monatsgehalt / verstetigtes Monatsentgelt ausgewiesen (Besitzstand).

b. Dieser Besitzstand wird unabhängig von der jeweiligen Arbeitszeit / Arbeitszeitverkürzung gemäß Abs. 3 a. und 3 b. so lange gewährt, wie das tarifliche Entgelt niedriger liegt.

c. Ab dem Zeitpunkt, ab dem das tarifliche Entgelt höher als der Besitzstand liegt, wird das tarifliche Entgelt bezahlt.

d. Der Besitzstand (das Gehalt bzw. das verstetigte Monatsentgelt) berechnet sich sowohl bei den Angestellten als auch bei den gewerblichen Beschäftigten wie folgt:

Das Bruttomonatseinkommen errechnet sich aus dem Jahresentgelt (01.05.2017-30.04.2018) abzügl. Der Anteile von Weihnachtsgeld und zusätzlichem Urlaubsgeld, Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschläge, Jahresprämien, vermögenswirksame Leistungen, Verpflegungszuschuss, erstattete Fahrtkosten, gesetzliche und freiwillige Zuschüsse des Arbeitgebers zu Kranken-/Renten- und befreienden Lebensversicherungen, Zuschüsse zu Arbeitskleidung, Gratifikationen sowie sonstige Zulagen und / oder Zuschläge, die nach der Neueingruppierung aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung und / oder Einzelvertrag u.a. gewährt werden (z.B. Funktionszulage etc.) und der gleichen Zuschläge.

[...]

6. Die jeweiligen Erhöhungen aus der Fläche kommen dann zum Tragen, wenn dadurch das tarifliche Entgelt über den Besitzstand liegen würde.

7. Zur Kompensation der Besitzstandgarantie vereinbaren die Tarifvertragsparteien die Verschiebung der jeweiligen Tariferhöhungen aus der Fläche ab 2019 um jeweils 5 Monate vom Zeitpunkt des Inkrafttretens im Flächentarifvertrag bis zum 31.12.2023. Im Flächentarifvertrag vereinbarte Einmalzahlungen werden zu dem im Flächentarifvertrag vereinbarten Zeitpunkt ausgezahlt, soweit dadurch das tarifliche Entgelt über dem Besitzstand liegen würde.

[...]

§ 5 - Einmalzahlung

1. Da die Entgelttarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. erst zum 01.10.2018 zur Anwendung kommen, erhalten die Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, mit Ausnahme der Auszubildenden, mit der Mai-Abrechnung 2018 eine Einmalzahlung i. H. v. 400,00 Euro brutto.

2. Für die Monate Juli, August und September 2018 erhalten alle Vollzeitbeschäftigte, mit Ausnahme der Auszubildenden zusätzlich zum Arbeitsentgelt eine Einmalzahlung von jeweils 116,00 Euro brutto.

[...]

§ 7 - Schlussbestimmungen

1. Dieser Tarifvertrag tritt am 01.05.2018 in Kraft und endet zum 31.12.2019. [...]"

Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie in Rheinland-Pfalz (MRP) zwischen dem Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. und der IG Metall vom 21. Juli 2008 (Bl. 102 ff. d.A; künftig auch: Manteltarifvertrag oder kurz MTV):

"§ 3 Arbeitszeit

1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen, beträgt 35 Stunden.

[...]

6. a) Der 24.und der 31. Dezember sind arbeitsfrei. Für die dadurch ausfallende Arbeitszeit werden jeweils 3,5 Stunden mit dem tatsächlichen Stundenverdienst bezahlt.

[...]

§ 12 Allgemeine Entgeltbestimmungen

1. Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen sowie Rahmenbestimmungen für die Entlohnung (insbesondere Eingruppierungsgrundsätze und -verfahren, Lohn- und Gehaltsgruppen) werden durch gesonderten Tarifvertrag geregelt.

[...]

4. Die monatliche Lohnzahlung ist so vorzunehmen, daß der Arbeitnehmer bis zum 10. des Folgemonats über sein Arbeitsentgelt verfügen kann; Gehaltszahlungen sowie die Zahlung der Ausbildungsvergütung für den abgelaufenen Monat sowie die Zahlung der Ausbildungsvergütung für den abgelaufenen Monat erfolgt spätestens am letzten Arbeitstag des Monats.

[...]

§ 14 Urlaubsanspruch / Urlaubsdauer

1. Jeder Arbeitnehmer hat in einem Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Urlaub. Der Urlaub dient der Erholung und der Erhaltung der Arbeitskraft. Der Urlaubsanspruch ist deshalb grundsätzlich durch Freistellung von der Arbeit zu erfüllen.

[...]

7. Hat der Arbeitnehmer bei Beginn etwaiger Betriebsferien einen Urlaubsanspruch noch nicht in Höhe der Betriebsferien erworben, so erfolgt die Urlaubnahme im Vorgriff auf den noch zu erwerbenden Urlaubsanspruch des Kalenderjahres oder unter Belastung des Arbeitszeitkontos nach § 3 Ziff. 3. Ist beides nicht möglich, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet, während der Betriebsferien auch andere zumutbare Arbeiten, als die ihm nach dem Arbeitsvertrag zugewiesenen, auszuführen.

[...]

§ 15 Urlaubsentgelt

[...]

§ 16 Zusätzliches Urlaubsgeld

1. Jeder Arbeitnehmer erhält für jeden genommenen tariflichen Urlaubstag ein zusätzliches Urlaubsgeld. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt ab dem 1. September 2008 58 %, ab dem Jahr 2010 56 % des Urlaubsentgelts.

[...]

3. Der Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld entsteht gleichzeitig mit dem Urlaubsanspruch. [...]

§ 18 Geltendmachung und Verwirkung von Ansprüchen

1. Der Arbeitnehmer ist zur sofortigen Nachprüfung des ausgezahlten Entgeltes verpflichtet. Stimmt der Geldbetrag mit der Entgeltabrechnung nicht überein, so hat er dies sofort dem Auszahlenden zu melden. Spätere Einwendungen werden nicht berücksichtigt.

Bei bargeldloser Entgeltzahlung sind Reklamationen innerhalb einer Frist von zwei Monaten seit Gutschriftdatum schriftlich geltend zu machen.

2. Einwendungen gegen die rechnerische Richtigkeit der Entgeltabrechnung, zu der auch die Richtigkeit der Abzüge gehört, sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie spätestens bis zum Ablauf der nächsten 2 Monate vorgebracht werden.

3. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind."

Vereinbarung über die Betriebliche Sonderzahlung in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz zwischen dem Verband der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie Rheinland-Pfalz e.V. und der IG Metall vom 1. Juni 2006 (Bl. 117 ff. d.A):

"1. Der räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich - für Arbeiter, Angestellte und Auszubildende - entspricht dem des Manteltarifvertrages (MRP).

2. An alle Arbeitnehmer des vorgenannten Geltungsbereiches, die dem Betrieb jeweils am Jahresende ein Jahr ununterbrochen angehört haben, wird folgende einmalige jährliche Zahlung als betriebliche Sonderzahlung geleistet:62,5 %eines durchschnittlichen Monatseinkommens bzw. einer monatlichen Ausbildungsvergütung.

[...]

4. Scheidet ein Arbeitnehmer nach einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 18 Monaten infolge betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers aus, so enthält er für jeden vollen Kalendermonat des laufenden Jahres ein Zwölftel der Sonderzahlung. [...]

5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, erhalten keine betriebliche Sonderzahlung; ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr nur teilweise, so erhalten sie eine entsprechend anteilige Leistung.

[...]

7. Kündigt der Arbeiter, Angestellte oder Auszubildende das Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres oder endet das Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers wegen schuldhaften Verhaltens oder aufgrund vertragswidriger Auflösung durch den Arbeitnehmer vor Ablauf des Kalenderjahres, so hat er die betriebliche Sonderzahlung zurückzuerstatten.

8. Der Zeitpunkt der Auszahlung der betrieblichen Sonderzahlung soll Anfang Dezember liegen; sie wird im einzelnen durch Betriebsvereinbarung geregelt."

Mit Schreiben vom 5. November 2018 (Bl. 47, 101 d.A - 11 Ca 186/19 -) informierte die Beklagte die Mitarbeiter darüber, dass sich unter anderem die Zuschläge für Nachtarbeit nunmehr nach dem anwendbaren Manteltarifvertrag (MRP) richteten.

Im November 2018 wurden sodann die Lohnabrechnungen für Oktober 2018 erteilt. In diesem Zusammenhang trat der Betriebsrat am Montag, den 12. November 2018 zu einer Sitzung zusammen. Ob der Betriebsrat in dieser Sitzung um 13.00 Uhr (vgl. Bl. 95 d.A - 11 Ca 186/19 -) einen Beschluss fasste und welchen Inhalt dieser gehabt haben mag, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit E-Mail vom 10. November 2018 teilte der Kläger seinem Vorgesetzten mit, dass er sich vom 12. bis einschließlich 15. November 2018 zur Betriebsratsarbeit freistelle. Der Kläger blieb sodann in der Kalenderwoche 46/2018 vom 12. bis 15. November 2018 seiner Arbeit fern. Am 16. November 2018 hatte der Kläger Urlaub (Bl. 42 d.A - 11 Ca 186/19 -).

Mit E-Mail vom 13. November 2018 wandte sich schließlich der Betriebsratsvorsitzende, Herr D. M., an die Geschäftsleitung der Beklagten und fügte sein Schreiben vom 12. November 2018 bei, in dem es heißt (Bl. 45, 60 d.A - 11 Ca 186/19 -):

"in den letzten Tagen gab es an verschiedenen Stellen im Betrieb nach dem Infoschreiben von der Arbeitgeberseite vom 05.11.2018, Zulagen für die Schichten in der Produktion gemäß Tarifvertrag herabzusetzen, eine sehr beunruhigende Stimmungslage in der Belegschaft der Produktion.

Da die Freigestellten Mitglieder derzeit in Schlichtungsterminen sind hat der Betriebsrat aufgrund der Ereignisse, von Überhöhten Anfragen der Produktionsmitarbeiter und über die Entgeltzuwendungen sowie deren Abrechnungen, am 12.11.2018 beschlossen einen Ausschuss zu bilden.

Gemäß § 80 Abs. 1 + 2 BetrVG hat der Betriebsrat das Recht, die Arbeitnehmer über die zu ihren Gunsten bestehenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen, zum Beispiel Tarifregelung, zu informieren und dabei eine andere Rechtsauffassung als der Arbeitgeber zu vertreten.

Im Rahmen seines Schutzauftrages für die Arbeitnehmer hat der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 + 2 BetrVG diese Maßnahme als Überwachungsaufgaben durchzuführen.

Der Ausschuss wird vom 12.11.2018-16.11.2018 zur Erfüllung der Aufgabe freigestellt.

Wir bitten um Unterstützung durch den Arbeitgeber, in Form des Wissens des Personalbüros die Entgelte und deren Abrechnungen, für den Arbeitnehmer transparent zu klären. [...]"

Der Leiter Recht der Beklagten, Herr F. M., wies den Kläger mit E-Mail vom 13. November 2018 und 11:42 Uhr darauf hin, dass eine Erforderlichkeit der angekündigten Betriebsratsarbeit für die einwöchige Freistellung nicht gesehen werde und forderte den Kläger zur Arbeit auf.

Am 14. November 2018 erschien der Kläger um 15:08 Uhr gemeinsam mit dem Betriebsratsmitglied F. in der Produktion und teilte dem dortigen Meister mit, dass man nun die anwesenden Produktionsmitarbeiter informieren werde. Daraufhin hielten der Kläger und Herr F. eine spontane Informationsveranstaltung ab und informierten über die Lohnabrechnungen. Hierbei übergaben sie den Produktionsmitarbeitern einen Flyer des Betriebsrats vom 12. November 2018, bestehend aus einem DIN A4 Blatt mit der Überschrift "Geltendmachung von Abrechnungsfehlern" (wie nachfolgend), einem Anmeldebogen für Name und Terminswunsch der Arbeitnehmer gegenüber dem Betriebsrat und einem Vordruck zur Geltendmachung von Zahlungsansprüchen gegenüber der Lohnbuchhaltung (Bl. 64 - 66 d.A - 11 Ca 186/19 -). Die Informationsveranstaltung endete um 15:25 Uhr (Bl. 46 d.A - 11 Ca 186/19 -).

In dem Flyer vom 12. November 2018 heißt es, soweit hier von Bedeutung (Bl. 64 d.A - 11 Ca 186/19 -):

"Geltendmachung von Abrechnungsfehlern

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

bitte prüft Eure Abrechnungen. Offensichtlich gibt es hier eine sehr hohe Verunsicherung.

Gern könnt ihr auf uns zukommen um Überschläglich zu Prüfen.

Folgendes scheint nicht richtig oder ist strittig:

- Zuschläge für Nacht- und Frühschicht

-- Nachtschicht wurde anstatt 30% mit 20% Zuschlag berechnet

-- Frühschicht wurde anstatt 5% kein Zuschlag berücksichtigt

-- Besitzstand lt. ÜTV § 2 Abs. 5 d ist nicht korrekt ermittelt

-- Kürzung Entgelt Urlaub/Krank ist nicht nachvollziehbar.

-- Angegebene Stunden sind als Umrechnungsfaktoren zu verstehen und somit nicht nachvollziehbar.

Was ist zu Tun:

1. Die eurer Meinung nach nicht korrekten Abrechnungen sind dem Personalbüro zur Prüfung vorzulegen um eine Geltendmachung sicherzustellen. Hier ist unverzüglich zu Handeln um Fristen, lt. MTV § 18 2 Monate einzuhalten.

2. Der BR steht hier euch gern zur Seite und richtet Sprechstunden für Beratung ein.

a. Bitte Beratungsbedarf anmelden, damit wir uns kümmern können.

Dies ist keine Rechtsberatung. Wir informieren Euch was Ihr tun könnt."

Mit Schreiben vom 22. November 2018 (Bl. 68 d.A - 11 Ca 186/19 -) wandte sich der Betriebsrat an die Arbeitgeberin und rügte eine "Behinderung der Betriebsratsarbeit". In dem Schreiben heißt es unter anderem:

"Nach der Information des Arbeitgebers, von 05.11.2018 an die Mitarbeiter in der Produktion, hat am 12.11.2018 der Betriebsrat einen Ausschuss beschlossen.

Dieser Ausschuss ( A., B., F. )wird bis zur Klärung dieser Information bzw. deren Folgen die Belegschaft kontaktieren, und die Kollegen über die geldlichen und tariflichen Auswirkungen der Entgelte aufklären. Nach Abgleich mit dem Personalbüro und Abmeldung und Informationen an die Vorgesetzten sowie der Geschäftsleitung haben Betriebsratsmitglieder aufgrund der Information am 12.11.2016 [gemeint ist wohl: 12.11.2018] die Arbeit aufgenommen und die einzelnen Beschäftigten aufgesucht. Weil die freigestellten Betriebsratsmitglieder O. und M. in der Schlichtung der Stellenbeschreibung und Eingruppierung tätig sind liegt ein weiterer Grund für den Ausschuss vor.

[...]

Lt. Beschluss des Betriebsrates vom 22.11.2018 wird die Arbeitsgruppe: Entgelt Ihre Arbeit so lange fortsetzen bis entsprechende nichterbrachte, fehlende entgeltliche Leistungen der Mitarbeiter überprüft und korrigiert sind.

Entsprechend werden sich die Betriebsratsmitglieder punktuell bei ihren Vorgesetzten ab,- anmelden."

Die Beklagte vergütete dem Kläger als Betriebsratsarbeit in der Kalenderwoche 46/2018 einen Zeitumfang von 7,5 Stunden (Bl. 52 d.A - 11 Ca 186/19 -), nicht jedoch die weiteren 22,5 Stunden der insgesamt geschuldeten 4 x 7,5 Stunden = 30 Arbeitsstunden; die 22,5 Stunden entsprechen einer Bruttovergütung von 338,56 Euro, die der Kläger mit der vorliegenden Klage fordert.

In einer schriftlichen Mitarbeiterinformation vom 12. Dezember 2018 teilte die Beklagte der Belegschaft mit, dass der 24. und 31. Dezember 2018 arbeitsfrei seien, jedoch nur die Hälfte der Arbeitszeit vergütet werde und die andere Hälfte nach Wahl der Mitarbeiter mit dem Arbeitszeitkonto oder dem Mehrarbeitskonto ausgeglichen werden könne.

Am 24. und 31. Dezember 2018 gewährte die Beklagte dem Kläger volle Arbeitsbefreiung, vergütete ihm hierfür in entsprechender Anwendung der tariflichen Regelung in § 3 Abs. 6 MTV aber lediglich die Hälfte der auf diese beiden Tage entfallenden Arbeitszeit von 2 x 7,5 Stunden, mithin 2 x 3,75 Stunden mit einem Geldwert von 118,73 Euro brutto. Mit der vorliegenden Klage fordert der Kläger die volle Vergütung für die beiden Tage in Form einer Zeitgutschrift von weiteren 2 x 3,75 Stunden bzw. Auszahlung weiterer 118,73 Euro brutto.

Die ausstehende Vergütung von 338,56 Euro brutto für die Kalenderwoche 46/2018 ließ der Kläger mit Schreiben vom 30. Januar 2019 bei der Beklagten geltend machen. Mit einem weiteren Schreiben vom 30. Januar 2019 ließ der Kläger gegenüber der Beklagten auch die Zeitgutschrift für den 24. und 31. Dezember 2018 geltend machen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 7,5 Stunden auf seinem Zeitkonto am 24. Dezember 2018 und 31. Dezember 2018 gutzuschreiben,

hilfsweise

an den Kläger 118,73 Euro brutto zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, 338,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2018 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Verzugsschaden in Höhe von 40,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Mit Urteil vom 4. Juli 2019 - 11 Ca 185/19 - (Bl. 150 ff. d.A) hat das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - die Klage abgewiesen und die Berufung gegen das Urteil zugelassen.

Zur Begründung hat es im Kern ausgeführt, selbst wenn man das Vorliegen einer betrieblichen Übung hinsichtlich der bezahlten Freistellung für den 24. und 31. Dezember unterstelle, habe der Kläger keinen Anspruch auf weitere Zeitgutschrift oder Zahlung. Bei einem Sachgruppenvergleich zum Teilkomplex Arbeitszeit und Arbeitsentgelt erweise sich die bisherige betriebliche Regelung gegenüber der normativ geltenden Tarifregelung in § 3 Abs. 6 MTV jedenfalls nicht als günstiger iSd. § 4 Abs. 3 TVG. Zu berücksichtigen seien hier die Einmalzahlungen des ÜTV wie auch die Jahressonderzahlung von 62,5 % des durchschnittlichen Monatseinkommens nach der Vereinbarung über die betriebliche Sonderzahlung. Letztere gehöre zur Sachgruppe Arbeitszeit und Arbeitsentgelt, weil mit ihr (auch) die erbrachte Arbeitsleistung vergütet werde.

Soweit das Arbeitsgericht den Klageantrag zu 2. abgewiesen hat, wurde zur Begründung ausgeführt, dass die Übernahme von Betriebsratsaufgaben durch den Kläger nicht festgestellt werden könne. Zwar obliege dem Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch die Überwachung der Durchführung von Tarifverträgen. Wie sich aus § 82 Abs. 2 Satz 2, § 83 Abs. 1 Satz 2 und 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ergebe, bestehe keine Kompetenz des Betriebsrats, die Rechte der Arbeitnehmer selbst durchzusetzen. Der Betriebsrat sei vielmehr darauf beschränkt, dies beim Arbeitgeber zu beanstanden und dort auf Abhilfe zu drängen. Die Arbeitsbefreiung sei auch nicht erforderlich gewesen. Indem er die Arbeitnehmer aktiv an deren Arbeitsplatz auf die Lohnabrechnungen angesprochen habe, habe er die ihm zustehenden Aufgaben überschritten. Es sei nicht Aufgabe des Betriebsrats, die individualen Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber aktiv wahrzunehmen. Das Vorgehen des Klägers sei von seiner Überwachungsaufgabe nicht mehr umfasst. Bedenklich sei auch, dass der Betriebsrat von vornherein die Freistellung für eine ganze Woche beschlossen habe, obwohl die Beratungsanträge der Arbeitnehmer erst im Verlauf der Kalenderwoche 46/2018 eingegangen seien. Die Überwachungsaufgabe habe der Betriebsrat ebensogut auf einer Betriebsversammlung wahrnehmen können, indem er die Mitarbeiter dort informiert. Es sei nicht erforderlich gewesen, hierfür eine ganze Woche der Arbeit fernzubleiben.

Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils Bezug genommen (Bl. 150 ff. d.A).

Gegen das ihm am 7. Oktober 2019 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 5. November 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2019, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am selben Tag eingegangen, begründet.

Der Kläger trägt vor:

Die betriebliche Übung zur Gewährung bezahlter Freistellung für den 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres werde durch die Geltung des MTV nicht abgelöst, weil sie im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG zugunsten des Arbeitnehmers von den Tarifregelungen abweiche.

Allerdings sei auf diesen Themenkomplex die Sachgruppe "Arbeitszeit und Arbeitsentgelt" nicht "insgesamt anzuwenden", denn der Manteltarifvertrag regele die bezahlte Freistellung an den beiden Tagen in § 3 Abs. 6 unter der Paragraphenüberschrift "Arbeitszeit". Demgegenüber werde das Arbeitsentgelt in § 12 MTV geregelt und dort auf einen gesonderten Entgelttarifvertrag verwiesen. Im Manteltarifvertrag sei daher eine erhebliche Trennung dieser beiden Themenkomplexe zu sehen, die gegen eine Vermischung spräche. Es erscheine auch sachfremd, eine betriebliche Sonderzahlung mit einer gesonderten Freistellung zu vergleichen. Vielmehr sollten allein die konkreten Regelungen miteinander verglichen werden unter dem Aspekt "bezahlte Freistellung". Hierfür spräche auch § 2 Abs. 5 ÜTV, wonach kein Mitarbeiter weniger verdienen dürfe als vor dem 1. Juli 2018. Wenn aber nur geregelt sei, dass niemand weniger verdienen solle, so ergebe sich daraus noch nicht, dass der Tarifvertrag auch günstigere Regelungen enthalte. Bei der direkten Gegenüberstellung der bisherigen Regelung und der nun im Tarifvertrag stehenden Regelung, sei die vormals bestehende Freistellung für jeweils einen Arbeitstag am 24. und 31. Dezember 100 % günstiger (Bl. 122 d.A).

Der Kläger habe auch Anspruch auf Vergütung seiner Betriebsratsarbeit in der Kalenderwoche 46/2018 (12. - 15. November 2018). Er habe sich - insoweit unstreitig - ausweislich seiner E-Mail vom 10. November 2018, 20:42 Uhr bei seinem Vorgesetzten zur Betriebsratsarbeit für die Woche vom 12. bis 15. November 2018 und ausweislich des Buchungsjournals für die Zeit vom 12. bis 17. November 2018 abgemeldet (Bl. 112 d.A - 11 Ca 186/19 -).

In der Betriebsratssitzung vom 12. November 2018 habe der Betriebsrat beschlossen, einen dreiköpfigen Ausschuss - bestehend aus dem Kläger und zwei weiteren ebenfalls nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern - zu bilden, der angesichts der erheblichen Unruhe in der Belegschaft mit Blick auf die erwarteten Lohnabrechnungen habe tätig werden sollen. Eines Betriebsratsausschusses habe es bedurft, weil die beiden dauerhaft freigestellten Betriebsratsmitglieder O. und M. bereits mit den anstehenden Eingruppierungen der Belegschaft voll ausgelastet gewesen seien.

Zu den regelmäßigen Aufgaben eines Betriebsratsmitglieds gehöre neben den in § 80 BetrVG aufgezählten allgemeinen Aufgaben im Rahmen seiner Zuständigkeit auch die Unterstützung und Betreuung einzelner Arbeitnehmer, sowie Gespräche und Beratungen mit einzelnen Arbeitnehmern zu betrieblichen Angelegenheiten (Bl. 109 d.A - 11 Ca 186/19 -).

Hier seien dem Betriebsrat viele Fragen zu den Abrechnungen, dem Abzug der Schichtzuschläge usw. zugetragen worden. Auch sei das Arbeitsentgelt der Beschäftigten auf den Lohnkonten geringer ausgefallen, als von jenen erwartet, während die Lohnabrechnungen noch nicht vorgelegen hätten. Es habe deshalb erheblicher Beratungs- und Informationsbedarf bestanden. Vor diesem Hintergrund habe der Betriebsrat vereinbart, dass Betriebsratsmitglieder den Beschäftigten die Abrechnungen erklären.

Hierfür habe der Betriebsrat Vorarbeit geleistet, indem er am Montag, den 12. November 2018, durch den Kläger und die Herren F. und A. zunächst ein dreiseitiges Formular (vgl. Bl. 64-66 d.A - 11 Ca 186/19 -) sowie eine Excel-Tabelle zur Berechnung der Zuschläge nach der Altregelung entwickelt habe (vgl. auch Bl. 110 d.A - 11 Ca 186/19 -).

Sodann habe er bei den einzelnen Meistern im Betrieb vorgesprochen und den Beratungsbedarf ermittelt, indem er den Beschäftigten mitgeteilt habe, sie sollten Anträge auf Einzelberatungen stellen, sofern Klärungsbedarf bestünde. Hierauf seien etwa 220 Anträge zurückgekommen, so dass ersichtlich erheblicher Beratungsbedarf bestanden habe, wobei am 12. November 2018 eine Betriebsratssitzung stattgefunden habe, in der "formell ein Beschluss für den dreiköpfigen Ausschuss gefasst" worden sei (Bl. 110 f. d.A - 11 Ca 186/19 -).

Der Kläger könne nicht nachvollziehen, welche Stunden der Kalenderwoche 46/2018 die Beklagte ihm nicht vergütet habe und wie sie zu der Überzeugung gelange, er habe nicht gearbeitet. Die Beklagte habe ihm offenbar 21,57 Arbeitsstunden abgezogen (Bl. 2 d.A - 11 Ca 186/19 -).

Auch sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte die Freistellung zum Zweck der Betriebsratsarbeit für nicht erforderlich halte. Ihr sei - insoweit unstreitig - bereits mit Schreiben vom 12. November 2018 durch den Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt worden, dass sich der gebildete Betriebsratsausschuss mit der Problematik der Abrechnungen beschäftigen werde - dies unter Hinweis auf die Auslastung der dauerhaft freigestellten Betriebsratsmitglieder. Auch aus der dem Schreiben vom 12. November 2018 beigefügten Anlage (Anlage B6 = Bl. 95 d.A - 11 Ca 186/19 -) ergebe sich, dass die drei Betriebsratsmitglieder des Ausschusses die Freistellung benötigten, um Betriebsratsarbeit zu leisten.

Die Betriebsratsarbeit sei auch erforderlich gewesen angesichts der mehr als 1300 Beschäftigten des Betriebs und der räumlichen Weite von vier Hallen im Bereich der Produktion. Hierfür sei die Freistellung von drei Betriebsratsmitgliedern für die gesamte Kalenderwoche 46/2018 objektiv dringend erforderlich und geboten gewesen, nicht zuletzt angesichts der vielen Änderungen durch die zum 1. Oktober 2018 im Betrieb in Kraft getretene tarifliche Entgeltregelung. Nur so habe der Betriebsrat für die Arbeitnehmer als Ansprechpartner fungieren können. Den erheblichen Beratungsbedarf bei der Belegschaft habe der Kläger selbst feststellen können, denn er sei - wie seine beiden Ausschusskollegen - "immer wieder" in Gespräche bezüglich der Abrechnungen verwickelt worden.

"Nachdem" insgesamt etwa 220 Beratungsanträge abgegeben worden seien, sei für den Kläger die Freistellung von der Arbeit "für die zunächst mitgeteilte Woche" unbedingt erforderlich gewesen. Man habe den Mitarbeitern die Abrechnungen erklären und sie bezüglich der Zulagen und Möglichkeiten der Geltendmachung aufklären wollen. Dies sei die originäre Aufgabe des Betriebsrates. Er müsse auch nicht auf die Sprechstunden des Betriebsrats verweisen, wenn er zum Beispiel auf dem Gang von einem Arbeitnehmer angesprochen werde. Um genau dies zu vermeiden, sei die Betriebsratstätigkeit des Klägers "im abgezogenen Umfang" erforderlich gewesen (Bl. 113 d.A - 11 Ca 186/19 -).

Das Arbeitsgericht habe in dem angegriffenen Urteil verkannt, dass das Vorliegen einer betrieblichen Übung schlüssig dargelegt worden sei und deshalb vom Gericht nicht lediglich unterstellt werden könne. Zwar sei ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen, aber bei der tariflichen Regelung zur Freistellung am 24. und 31. Dezember handele es sich nicht um eine Arbeitszeitregelung, die in engem, inneren sachlichen Zusammenhang zum Arbeitsentgelt stehe. Vielmehr bilde die Freistellung im Wege der betrieblichen Übung eine eigene Sachgruppe. § 14 Abs. 7 MTV regele die Anrechnung angeordneter Betriebsferien auf den Urlaubsanspruch. Dementsprechend sei auch davon auszugehen, dass mit der betrieblichen Übung der Urlaubsanspruch der Mitarbeiter de facto um zwei Tage ausgeweitet worden sei. Beachte man, dass die Arbeitszeit des Klägers im Jahr 2018 unverändert 37,5 Wochenstunden betrage habe, so erweise sich die vom Tarifvertrag abweichende Regelung als günstiger.

Die Gratifikation könne in den Günstigkeitsvergleich nicht einbezogen werden, weil § 2 Abs. 5 ÜTV dem entgegenstehe. Der dort definierte Besitzstand nehme Weihnachtsgeld und sonstige Gratifikationen von der Berechnung der Grundvergütung aus. Diese müsse deshalb auch beim Günstigkeitsvergleich in der Sachgruppe Arbeitszeit und Arbeitsentgelt unbeachtet bleiben.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe der Kläger in der Kalenderwoche 46/2018 sehr wohl Aufgaben des Betriebsrats wahrgenommen und könne deshalb auch Vergütung gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG beanspruchen. Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehöre nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch die Überwachung der Durchführung von Tarifverträgen zugunsten der Arbeitnehmer. Zu diesen Aufgaben gehörten notwendige Vorbereitungshandlungen wie die Erstellung des Flyers. Die drei freigestellten Betriebsräte hätten 220 Beratungsanträge der Belegschaft bearbeitet. Das seien für jedes Betriebsratsmitglied etwas mehr als 73 Überprüfungen hinsichtlich der richtigen Durchführung der Tarifverträge. Verteilt auf "die vier Tage" (Bl. 193 d.A), für die Fortzahlung der Arbeitsvergütung begehrt werde, ergäben sich für jedes des drei Betriebsratsmitglieder mehr als 18 Überprüfungen. Das sei mit der normalen Arbeitszeit nicht mehr zu vereinbaren, sondern sei nur mit ganztägiger Freistellung zu bewältigen.

Zwar seien die Beratungsanträge erst im Verlauf der Kalenderwoche 46/2018 eingegangen, jedoch sei der enorme Beratungsbedarf schon vorher absehbar gewesen. Der Kläger habe deshalb nach gewissenhafter Prüfung die Arbeitsbefreiung für die gesamte Woche für erforderlich halten dürfen.

Selbst wenn das Arbeitsgericht hier eine Aufgabe des Betriebsrats verneine, habe der Kläger einen Zahlungsanspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG, weil er sich lediglich in einem entschuldbaren Irrtum über das Bestehen einer Betriebsratsaufgabe befunden habe.

Die Arbeitsbefreiung sei auch erforderlich gewesen. Es sei zulässig, die Belegschaft über die Möglichkeit der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen aufzuklären. Er habe zulässigerweise die Durchführung des Tarifvertrags überwacht. Hierzu habe er geprüft, ob die Lohnabrechnungen den tariflichen Vorgaben entsprächen. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass nicht der Betriebsrat initiativ auf die Belegschaft zugegangen sei, sondern aus der Belegschaft heraus zuvor Unmut über die Lohnabrechnungen geäußert worden sei. Der Rücklauf von 220 Beratungsanträgen habe auch bereits bei Beschlussfassung des Betriebsrats über die Freistellung des Klägers prognostiziert werden können.

Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2019 hat der Kläger klargestellt, dass er mit der Berufung die Abweisung des Klageantrags zu 3. nicht angreifen will.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 4. Juli 2019 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt

1. dem Kläger 7,5 Stunden auf seinem Zeitkonto am 24. Dezember 2018 und 31. Dezember 2018 gutzuschreiben,

hilfsweise

dem Kläger 118,73 Euro brutto zu zahlen;

2. dem Kläger 338,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 4. Juli 2019, Az.: 11 Ca 185/19, wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt vor:

Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, am 24. und 31. Dezember komplett bezahlt der Arbeit fernbleiben zu können. Soweit die Beklagte den Kläger in den Jahren vor 2018 am 24. und 31 Dezember bezahlte Freizeit gewährt habe, sei dies freiwillig und ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt.

Angesichts der ab dem 1. Juli 2018 bestehenden beiderseitigen Tarifbindung könne ein solcher Anspruch des Klägers ohnehin nur bestehen, wenn die bis dahin geltende - bestrittene - Regelung im Betrieb der Beklagten gemäß § 4 Abs. 3 TVG günstiger als die tarifliche Regelung sei. Darlegungs- und beweisbelastet hierfür sei der Kläger. Im Zweifel verbleibe es bei der zwingenden Geltung des Tarifvertrags. Hierzu sei ein Sachgruppenvergleich vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BAG (22. August 2018 - 5 AZR 551/17 - Rn. 17 ff.) sei die Frage, ob und in welchem Umfang am 24. und 31. Dezember bezahlt arbeitsfrei zu gewähren sei, der Sachgruppe "Arbeitszeit und Arbeitsentgelt" zuzuordnen (näher Bl. 59 d.A).

In diesem Zusammenhang sei auf die - unstreitigen - Tarifregelungen hinzuweisen, die für den Kläger Vergünstigungen vorsähen. So regelten die seit dem 1. Juli 2018 geltenden Tarifverträge eine schrittweise Reduzierung der Wochenarbeitszeit des Klägers von 40 Stunden auf 35 Stunden. § 2 Abs. 5 des Überleitungstarifvertrags regele, dass kein Arbeitnehmer unter Geltung der Tarifverträge weniger verdienen dürfe als vor dem 1. Juli 2018. § 5 des Überleitungstarifvertrags regele für 2018 zusätzliche Einmalzahlungen. Schließlich gewähre die tarifliche "Vereinbarung über eine betriebliche Sonderzahlung" dem Kläger erstmals einen Anspruch auf diese Sonderzahlung, den er bislang nicht gehabt habe. Damit seien die neuen tariflichen Regelungen offensichtlich günstiger, jedenfalls nicht ungünstiger als der klägerseits behauptete vertragliche Anspruch aus betrieblicher Übung zu dieser Sachgruppe. Dass letztere günstiger sei, habe der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht substantiiert vorgetragen (Bl. 59 f. d.A).

Dem Kläger stehe auch keine weitere Vergütung für die Kalenderwoche 46/2018 zu. Gearbeitet habe er - unstreitig - nicht (Bl. 42 d.A - 11 Ca 186/19 -). Der Kläger sei in dieser Woche insgesamt 22,5 Stunden ungerechtfertigt der Arbeit ferngeblieben, was - insoweit unstreitig - einem Vergütungswert von 338,56 Euro brutto entspreche (Bl. 41 d.A - 11 Ca 186/19 -). Wenngleich unklar sei, was genau der Kläger in der Zeit vom 12. bis 15. November 2018 in den 22,5 Stunden der vermeintlichen Betriebsratsarbeit gemacht habe, so habe er jedenfalls keine Betriebsratsaufgabe erfüllt. Zwar habe der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auf die Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer bestehenden Rechtsvorschriften zu achten. Ihm stehe jedoch kein Abhilferecht zu. Es habe deshalb nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats gehört, die Arbeitnehmer aktiv am Arbeitsplatz in Form von spontanen Informationsveranstaltungen anzusprechen und durch Übergabe eines Flyers aktiv aufzufordern, vermeintliche Fehler in der Abrechnung gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen (Bl. 46 f. d.A - 11 Ca 186/19 -).

Jedenfalls sei es hier nicht erforderlich gewesen, insgesamt drei Betriebsratsmitglieder von der Arbeit in der Kalenderwoche 46/2018 freizustellen, nur um eine jederzeitige Ansprechbarkeit von mehreren Betriebsratsmitgliedern zu gewährleisten, um Abrechnungsunterlagen interessierter Arbeitnehmer zu prüfen und diese dann bei der Geltendmachung vermeintlicher Ansprüche zu unterstützen. Der Betriebsrat habe die Mitarbeiter stattdessen durch Aushang, Informationsschreiben oder gegebenenfalls auch im Rahmen einer Betriebs- oder Abteilungsversammlung über seine Rechtsauffassung in Kenntnis setzen können. Auch habe er die Möglichkeit gehabt, Sprechstunden einzurichten, innerhalb derer interessierte Arbeitnehmer dem Betriebsrat hätten aufsuchen können. Die Einrichtung einer Dauersprechstunde sei hingegen nicht erforderlich gewesen (Bl. 49 f. d.A - 11 Ca 186/19 -).

Einen Beschluss habe der Betriebsrat am 12. November 2018 nicht gefasst. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass zu dieser vermeintlichen Sitzung ordnungsgemäß unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sei. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass eine angeblich stattgefundene Betriebsratssitzung am 12. November 2018 ordnungsgemäß besetzt gewesen sei und ein Beschluss des Betriebsrats mit der erforderlichen Mehrheit getroffen worden sei. Dass ein solcher Beschluss am 12. November 2018 [lt. Notiz des Betriebsrats um 13:00 Uhr - Anlage B6, Bl. 95 d.A - 11 Ca 186/19 -).] überhaupt nicht gefasst worden sei, werde bereits dadurch nahegelegt, dass der Kläger - insoweit unstreitig - schon am 10. November 2018 per E-Mail mitgeteilt habe, er werde in der Zeit vom 12. bis 15. November 2018 ausschließlich Betriebsratstätigkeiten wahrnehmen (Bl. 51 d.A - 11 Ca 186/19 -).

Auch im Rahmen des § 37 Abs. 2 BetrVG und der insoweit geltenden abgestuften Darlegungs- und Beweislast obliege es zunächst dem Arbeitnehmer, zu den Anspruchsvoraussetzungen vorzutragen. Das habe der Kläger hier nicht getan (Bl. 53 d.A - 11 Ca 186/19 -). Sein Vortrag sei unsubstantiiert. Er lasse nicht erkennen, dass er in der Kalenderwoche 46/2018 insgesamt 22,5 Stunden erforderliche Betriebsratsarbeit geleistet habe - ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte hiervon 7,5 Stunden vermeintlicher Betriebsratsarbeit außergerichtlich noch unbeanstandet gelassen und vergütet habe (Bl. 52 d.A - 11 Ca 186/19 -).

Der Kläger trage auch widersprüchlich vor, wenn er einerseits bereits zu Beginn der Kalenderwoche 46/2018 den erheblichen zeitlichen Umfang der anstehenden Betriebsratsarbeit erkannt haben will, andererseits aber die - weiterhin bestrittenen - 220 Beratungsanträge der Arbeitnehmer erst im weiteren Verlauf dieser Woche beim Betriebsrat eingegangen sein sollen. Im Zeitpunkt seiner Abmeldung per E-Mail vom 10. November 2018 bzw. zu Beginn der Kalenderwoche 46/2018 habe er von den Rückläufen noch keine Kenntnis haben können (Bl. 138 f. d.A - 11 Ca 186/19 -).

Das Arbeitsgericht habe in dem klägerseits angegriffenen Urteil zutreffend erkannt, dass der Kläger keinen Zahlungsanspruch aus betrieblicher Übung für den 24. und den 31. Dezember 2018 habe. Die Freistellung sei der Sachgruppe Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zuzuordnen und nicht etwa einer Sachgruppe Urlaub. Bei der Freistellung in der Vergangenheit habe es sich nicht um Betriebsferien gehandelt, weil die Arbeitnehmer auch dann keinen höheren Urlaubsanspruch gehabt hätten, wenn die Vorfesttage auf ein ohnehin arbeitsfreies Wochenende gefallen seien. Aus § 14 Abs. 7 MTV folge nichts anderes, denn die Norm setze ihrerseits Betriebsferien voraus (Bl. 215 d.A). Die Tarifregelungen seien günstiger als die - bestrittene - Betriebsübung. Auch die Besitzstandsregelung in § 2 Abs. 5 Buchst. d ÜTV stehe der Zuordnung zur Sachgruppe "Arbeitszeit und Arbeitsentgelt" nicht entgegen. Die Norm nehme bei der Ermittlung des "Besitzstands" bestimmte Einmalzahlungen aus. Jedoch gewähre § 5 ÜTV wiederum zusätzliche Einmalzahlungen gerade im Hinblick darauf, dass die tariflichen Entgeltregeln erst zum 1. Oktober 2018 zur Anwendung kommen sollten. Diese besonderen Einmalzahlungen seien nach Sinn und Zweck der Regelung gerade der Sachgruppe "Arbeitszeit und Arbeitsentgelt" zuzuordnen. Schließlich verbleibe es im Zweifel beim Vorrang der tariflichen Norm, weil der Kläger nicht konkret vorgetragen habe, dass die abweichende Regelung günstiger sei (Bl. 217 d.A).

Auch den Anspruch auf Fortzahlung der Arbeitsvergütung in der Kalenderwoche 46/2018 habe das Arbeitsgericht zu Recht verneint. Die nun erstmals in der Berufungsbegründung - ohne Beweisantritt (vgl. Bl. 193 f. d.A) - erfolgte Behauptung, der Kläger habe in dieser Kalenderwoche 220 Anträge der Belegschaft bearbeitet, sei unsubstantiiert und zudem unzutreffend. Ausweislich des Flyers des Betriebsrats sei erst ab dem 14. November 2018 mit Rückläufen der Beratungsanträge zu rechnen gewesen, weshalb deren konkrete Überprüfung nicht schon vorher habe beginnen können. Der Kläger müsse konkret darlegen, wann er welche Anträge bearbeitet haben will. Seine Behauptung, er habe in der Kalenderwoche 46/2018 insgesamt 73 Anträge bearbeitet, sei unsubstantiiert und unwahr, weil Beratungsanträge erst im Verlauf der Woche beim Betriebsrat eingegangen seien. Der Kläger habe daher frühestens nach der Kalenderwoche 46/2018 mit der Bearbeitung der Beratungsanträge begonnen. Bloße Vorbereitungshandlungen, wie das Erstellen eines Flyers, seien zudem von der Aufgabenstellung in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht gedeckt (Bl. 221 ff. d.A). Der Betriebsrat habe die Abrechnungen direkt bei der Beklagten einfordern können, anstatt die Belegschaft zu befragen. Auch die §§ 82 Abs. 2 Satz 2, 83 Abs. 1 Satz 2 und § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG regelten lediglich, dass der Betriebsrat einzelnen Arbeitnehmern auf deren Wunsch hin Hilfestellung gewähre (Bl. 225 d.A).

Wieviele Beratungsanträge eingehen würden, habe man nicht prognostizieren können. Die damit erfolgte "Freistellung auf Verdacht" kenne das Gesetz nicht (Bl. 224 d.A), zumal gleich für drei vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Mit dem Arbeitsgericht sei davon auszugehen, dass die Information der Belegschaft über die richtige Berechnung der Tarifvergütung auf einer Betriebsversammlung ausreichend gewesen wäre (Bl. 225 d.A).

Ein entschuldbarer Irrtum des Klägers über das Vorliegen einer Betriebsratsaufgabe verschaffe ihm nach der Rechtsprechung des BAG (21. Juni 2006 - 7 AZR 418/05 -- Rn. 14) keinen Vergütungsanspruch (Bl. 225 d.A). Mangels Betriebsratsaufgabe komme es auf eine Erforderlichkeit iSd. § 37 Abs. 2 BetrVG nicht an.

Wegen des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO iVm. § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und ebenso mit der notwendigen Begründung versehen worden.

B. Die Berufung ist aber unbegründet.

I. Das Arbeitsgericht hat den Klagehauptantrag zu 1. zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung im Umfang von jeweils 7,5 Stunden am 24. und 31. Dezember 2018, weil die dem zugrundeliegende vertragliche Abrede mit der Beklagten nicht günstiger ist als die tariflichen Regelungen und deshalb den Tarifregelungen gemäß § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG der Vorrang gebührt.

1. Die Beklagte hatte dem Kläger die bezahlte Freistellung am 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres aufgrund arbeitsvertraglicher Grundlage gewährt.

a) Ein Anspruch aus betrieblicher Übung wird durch rechtsgeschäftliche Übereinkunft begründet. Aufgrund regelmäßiger Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers können Arbeitnehmer schließen, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu beurteilenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern idR stillschweigend angenommen wird und das gemäß § 151 BGB keines Zugangs beim Arbeitgeber bedarf, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 200/04 - juris-Rn. 22 mwN).

Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass auch er die Leistung erhält, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, gibt es nicht. Die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen aufgestellt worden. Bei anderen Sozialleistungen ist auf Art, Dauer und Intensität der Leistungen abzustellen. Wie lange die Übung bestehen muss, damit die Arbeitnehmer berechtigt erwarten können, dass sie fortgesetzt werde, hängt davon ab, wie häufig die Leistungen erbracht worden sind. Dabei kommt es auf die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke an. Ferner sind in die Bewertung der Relation von Anzahl der Wiederholungen und Dauer der Übungen auch Art und Inhalt der Leistungen einzubeziehen. Bei für den Arbeitnehmer weniger wichtigen Leistungen sind an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen zu stellen, als bei bedeutsameren Leistungsinhalten (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 720/05 - zu II 2 c aa der Gründe [Jubiläumsgeld]; vgl. auch BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 18 [dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Jahressonderzahlung jeweils zum Jahresende]).

Auch wenn keine betriebliche Übung besteht, weil der Arbeitgeber eine Zahlung nur an einen Arbeitnehmer vorgenommen hat und damit das kollektive Element fehlt, kann für diesen durch die Leistungsgewährung ein Anspruch entstanden sein. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer aus einem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers auf ein Angebot schließen konnte, das er gemäß § 151 BGB durch schlüssiges Verhalten angenommen hat (BAG 13. Mai 2015 - 10 AZR 266/14 - Rn. 11).

b) Damit erweist sich die seit mehr als zwanzig Jahren übliche Betriebspraxis der Beklagten zur bezahlten Freistellung 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres im Verhältnis zum Kläger ohne weiteres als verbindliche Übung, die einen vertraglichen Anspruch des Klägers begründet.

c) Der pauschale Einwand der Beklagten, die Leistung sei nur freiwillig und ohne Rechtsanspruch erfolgt, steht dem nicht entgegen. Eine betriebliche Übung entsteht immer freiwillig; das zeichnet sie aus (vgl. auch BAG 19. Februar 2020 - 5 AZR 189/18 - Rn. 15). Dass ein Rechtsanspruch nicht entstanden sei, ist eine Rechtsauffassung, die den oben beschriebenen vertraglichen Charakter der stillschweigend getroffenen Abrede nicht angemessen erfasst. Tatsachenvortrag hierzu liegt nicht vor.

2. Diese vertragliche Abrede ist für den Kläger nicht günstiger als die für ihn normativ geltenden einschlägigen Tarifregelungen. Sie setzt sich deshalb nicht gemäß § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG gegen das hier aufgrund beiderseitiger Tarifbindung normativ geltende Tarifwerk durch.

a) Eine Kollision zwischen den kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis normativ geltenden und den aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung geltenden Regelungen ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) zu lösen. Danach ist aber weder ein Gesamtvergleich beider Regelungssysteme noch ein punktueller Vergleich der jeweiligen Regelungen vorzunehmen, sondern ein sog. Sachgruppenvergleich. Zu betrachten sind die in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehenden Teilkomplexe der unterschiedlichen kollidierenden Regelungen; der Zusammenhang im Regelungsgefüge ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 28). Führt der Günstigkeitsvergleich nicht zweifelsfrei zu dem Ergebnis, dass die vom normativ geltenden Tarifvertrag abweichende arbeitsvertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden, normativen Geltung des Tarifvertrags (BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 44).

Der Günstigkeitsvergleich ist erstmals in dem Zeitpunkt durchzuführen, in dem die normativ geltende tarifvertragliche Regelung mit der abweichenden vertraglichen Regelung kollidiert. Dabei ist ein repräsentativer Zeitraum zugrunde zu legen. Ändert sich eine der zu vergleichenden Regelungen ist ein erneuter Günstigkeitsvergleich durchzuführen (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 31).

Während das BAG zunächst noch formulierte, dass "Arbeitsleistung" und Arbeitsentgelt aufgrund ihrer synallagmatischen Verknüpfung gemeinsam in einer Sachgruppe zusammenzufassen seien (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 587/13 - Rn. 35) hat das Gericht in jüngerer Zeit präzisiert, dass die Dauer der Arbeitszeit und das dem Arbeitnehmer als Gegenleistung zustehende Entgelt in der Regel eine Sachgruppe bilden (BAG 22. August 2018 - 5 AZR 551/17 - Rn. 15 [Vorfesttage 24. und 31. Dezember]). Damit ist klargestellt, dass es auf die Erbringung der Arbeitsleistung nicht ankommt. Folglich gehören auch Regelungen über den Annahmeverzug zur Sachgruppe "Arbeitszeit und Arbeitsentgelt". Andererseits gehören Regelungen über den Urlaub schon begrifflich nicht zu dieser Sachgruppe, weil Urlaubszeit keine Arbeitszeit ist.

Ob eine vom Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis gewährte Freistellung des Arbeitnehmers Urlaub oder Annahmeverzug iSd. § 615 BGB ist, muss anhand der vom Arbeitgeber hierbei (konkludent) abgegebenen Erklärungen im Wege der Auslegung gemäß § 133 BGB ermittelt werden, denn die bezahlte Freistellung als solche ist beiden gemeinsam und taugt zur Unterscheidung nicht. Während Annahmeverzug iSd. § 615 BGB iVm. §§ 293 ff. BGB die schlichte Ablehnung der Arbeitsleistung ist, wird Urlaub durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers gewährt, die dahin geht, dass der Arbeitnehmer zum Zwecke der Erholung und damit in Erfüllung seines Urlaubsanspruchs der Arbeit fernbleiben möge (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 6. Mai 2014 - 7 Sa 540/13 - zu II 1 der Gründe, BeckRS 2014, 70014; BAG 14. März 2006 - 9 AZR 11/05 - Rn. 11).

b) Gemessen hieran kann dem Vortrag des für die Günstigkeit der arbeitsvertraglichen Regelung darlegungspflichtigen Klägers nicht entnommen werden, dass die Beklagte ihm in der Vergangenheit an den Vorfesttagen 24. und 31. Dezember jeweils Urlaub gewährt hat. Allerdings hat der Kläger auch in der Berufung keinerlei Erklärungen der Beklagten oder auch nur Indizien in diese Richtung vorgetragen. Bereits der Umstand, dass die Freistellung offenbar nie auf den Urlaubsanspruch des Klägers angerechnet wurde, spricht dagegen. Auch müsste der Kläger dann in den Jahren, in welchen die Vorfesttage auf ein Wochenende fallen, einen höheren Jahresurlaubsanspruch "übrig" gehabt haben. Dazu hat er nichts vorgetragen und eine so weitgehende und von den Vorfesttagen letztlich vollkommen losgelöste Gewährung zusätzlichen Urlaubs dürfte auch dem Willen der Beklagten nicht entsprochen haben. Will man eine solche Erhöhung des arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruchs in den betreffenden Jahren verneinen, müsste man wiederum ausgefeilte Einschränkungen der Freistellungserklärungen annehmen, für die wiederum keine Anhaltspunkte bestehen. Auch auf die Tarifnorm des § 14 Nr. 7 MTV ("Betriebsferien") kann schließlich iRd. Auslegung nach § 133 BGB nicht zurückgegriffen werden, denn der wirkliche Wille der Beklagten lässt sich nicht aus Tarifnormen ableiten.

Nur ergänzend soll an dieser Stelle noch darauf hingewiesen werden, dass in eine Sachgruppe Urlaub konsequenterweise auch die für den Kläger ab dem 1. Oktober 2018 normativ geltende tarifliche Regelung über die Gewährung eines zusätzlichen Urlaubsgelds von immerhin 56 % des Urlaubsentgelts gemäß § 16 MTV einbezogen werden müsste. Solches hat der Kläger auf rein arbeitsvertraglicher Grundlage offenbar nicht zu beanspruchen. Jedenfalls hatte er hierzu auch im Berufungsverfahren nichts vorgetragen, weshalb es selbst mit der ergänzenden Argumentation des Berufungsvorbringens im Zweifel beim Vorrang der günstigeren normativ geltenden Tarifregelungen verbleiben müsste.

c) Richtigerweise ist aber mit dem BAG (22. August 2018 - 5 AZR 551/17 - Rn. 18) davon auszugehen, dass die Vorfesttage 24. und 31. Dezember in einem inneren Zusammenhang mit der Sachgruppe Arbeitszeit und Arbeitsentgelt stehen, weil die Arbeitsbefreiung an diesen Tagen im Kern eine "Zeitgratifikation" (bezahlte Freizeit) aus besonderem Anlass des Heiligen Abends und des anstehenden Jahreswechsels (Silvester) ist. Den engen inneren Zusammenhang im vorliegenden Fall zeigt das oben gefundene Ergebnis zum Rechtscharakter der Freistellungserklärung der Beklagten als schlichten Annahmeverzug iSd. §§ 615 Satz 1 iVm. § 296 Satz 1 BGB, der den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer unberührt lässt und auch ein Angebot vertragsgemäßer Arbeit durch die Arbeitnehmer entbehrlich macht (vgl. dazu BAG 26. Juni 2013 - 5 AZR 432/12 - Rn. 18).

d) Aber auch ein Vergleich in der Sachgruppe Arbeitszeit und Arbeitsentgelt zeigt keine günstige Abweichung der einzelvertraglichen Abrede und der sonstigen arbeitsvertraglichen Regelungen zu diesem Komplex gegenüber den einschlägigen Tarifregelungen. Nach dem Sachvortrag des insoweit darlegungspflichtigen Klägers konnte die Kammer für den Günstigkeitsvergleich nur die dargelegte Vertragsabrede im Vergleich zu den umfassend vorgelegten Tarifnormen prüfen. Diesen lassen sich jedoch mehrere finanzielle Vergünstigungen im Bereich Arbeitsentgelt entnehmen.

aa) So sind in § 5 Abs. 1 und 2 ÜTV Einmalzahlungen für die Monate Mai bis September 2018 in Höhe von insgesamt 748,- Euro brutto vorgesehen, die der Kläger arbeitsvertraglich nicht beanspruchen könnte. Hinzukommt die tarifliche "Vereinbarung über Betriebliche Sonderzahlung" im Jahr 2018, die mit der Novemberabrechnung eine (zeitanteilige - § 2 Abs. 2 Satz 2 ÜTV) Jahressonderzahlung in Höhe von 62,5 % der Bruttomonatsvergütung vorsah. Demgegenüber sieht der einschlägige Manteltarifvertrag für den 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres eine Freistellung von der Arbeitspflicht nur bei hälftiger Vergütung für diese beiden Tage vor. Diese Reduzierung der Vergütung im Bereich der Vorfesttage um lediglich 2 x 3,75 Stunden entspricht für den Kläger bei einem Stundenlohn von 15,83 Euro einer Einbuße von 7,5 x 15,83 Euro = 118,73 Euro brutto. Dies wird allerdings durch die zusätzlichen Vergünstigungen im Jahr 2018 voll ausgeglichen, so dass die arbeitsvertragliche Regelung nicht günstiger iSd. § 4 Abs. 3 Alt. 2 TVG ist.

bb) Schließlich führt auch die Besitzstandregelung in § 2 Abs. 5 ÜTV zu keinem anderen Ergebnis.

(1) Nach der Rechtsprechung des BAG sind für den Vergleich der Sachgruppe Arbeitszeit und Arbeitsentgelt alle Entgeltbestandteile von Bedeutung, die sich als Gegenleistung zu der zu erbringenden Arbeitsleistung darstellen. Das gilt auch für Sonder- und Einmalzahlungen, die (auch) Entgelt für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen. Lediglich solche Sonderzahlungen, die ausschließlich andere als Vergütungszwecke verfolgen, müssten hier außer Betracht bleiben (BAG 12. Dezember 2018 - 4 AZR 123/18 - Rn. 37, 41).

(2) Mit § 2 Abs. 5 ÜTV wird nun lediglich verhindert, dass sich die Grundvergütung der Arbeitnehmer durch die tarifliche Entgeltordnung verringert. Nur für diese Berechnung des "Besitzstands" sollen die Sonderzahlungen außer Ansatz bleiben. Damit bewirkt die Tarifnorm aber nicht, dass die Sonderzahlungen den Arbeitnehmern vorenthalten würden. Deshalb sind hier alle Sonderzahlungen mit (auch) Vergütungscharakter in den Sachgruppenvergleich einzubeziehen.

Das gilt für die Einmalzahlungen nach § 5 ÜTV für die Monate Mai bis September 2018, die die zeitliche Verzögerung der Geltung der tariflichen Vergütungsordnung kompensieren sollen. Das gilt aber auch für die Jahressonderzahlung nach der tariflichen "Vereinbarung über Betriebliche Sonderzahlung", weil diese - neben der Belohnung von Betriebstreue - zumindest auch der Vergütung der Arbeitsleistung dient. Hierfür spricht die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 ÜTV, wonach die Sonderzahlung im Jahr 2018 zeitanteilig gewährt werden soll. Für den Entgeltcharakter der Sonderzahlung spricht auch, dass diese gemäß Ziffer 5 der Vereinbarung nicht gewährt wird, soweit das Arbeitsverhältnis ruhte, also keine Arbeitsleistung geschuldet war. Demgegenüber spricht es jedoch für eine Belohnung von Betriebstreue, dass gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung auch die künftige Betriebszugehörigkeit maßgeblich für die Höhe der Sonderzahlung ist und in Ziffer 7 der Vereinbarung eine Rückzahlungspflicht für den Fall der vorwerfbaren Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen wurde (vgl. zu diesen Auslegungsindizien auch: BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 408/02 - zu II 2 b bb der Gründe). Damit erweist sich die Sonderzahlung als eine solche mit Mischcharakter - sie belohnt die Betriebstreue, aber ebenso die erbrachte Arbeitsleistung und ist deshalb in den Sachgruppenvergleich einzubeziehen.

Keine Schlechterstellung gegenüber der arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung entsteht dadurch, dass gemäß § 2 Abs. 7 ÜTV zur Kompensation der Besitzstandsgarantie wiederum die Tariflohnerhöhung zeitlich verschoben werden, damit wird lediglich der Zeitpunkt weiterer Vergünstigungen geregelt. Ob und inwieweit es durch die Zuschlagsregelungen - partiell - zu einer Verschlechterung des Vergütungsniveaus gekommen sein könnte, vermag die Kammer nicht zu erkennen, weil es hierfür an Sachvortrag fehlt. Zwar scheint der Wechsel der Entgeltordnung zum 1. Oktober 2018 insoweit für Unruhe in der Belegschaft gesorgt zu haben, jedoch erfolgte hier kein substantiierter Vortrag zur einer erheblichen Verschlechterung des tariflichen Vergütungsniveaus im Vergleich zum arbeitsvertraglichen Vergütungsniveau. Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des darlegungspflichtigen Klägers (vgl. BAG 10. Dezember 2014 - 4 AZR 503/12 - Rn. 44).

II. Mit der Abweisung des Hauptantrags zu 1. ist dem Berufungsgericht der Hilfsantrag zu 1. zur Entscheidung angefallen. Der Hilfsantrag war jedoch ebenfalls abzuweisen, weil dem Kläger ein Zahlungsanspruch aus einzelvertraglicher Abrede nicht zusteht. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

III. Das Arbeitsgericht hat auch den Klageantrag zu 2. zu Recht als unbegründet abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortzahlung seiner Arbeitsvergütung aus § 37 Abs. 2 BetrVG iVm. § 611a Abs. 2 BGB für den streitgegenständlichen Zeitraum 12. November 2018 bis 15. November 2018.

1. Gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

Der Kläger begehrt Fortzahlung der Arbeitsvergütung für einen Zeitraum von "vier Tagen" innerhalb der Kalenderwoche 46/2018 (12. - 15. November 2018), in welchem er nicht die geschuldete Arbeitsleistung erbracht hat. Dies fordert er, obwohl die Beklagte mit 7,5 Stunden einen der vier Tage unstreitig vergütet hatte. Als Betriebsratsmitglied hat der Kläger grds. einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Arbeitsvergütung aus § 611a Abs. 2 BGB auch für Zeiten, in denen er die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht hat ("Ohne Arbeit kein Lohn"), wenn er an ihrer Stelle in gleichem zeitlichen Umfang die zur Erfüllung seiner Betriebsratsaufgaben erforderlichen Tätigkeiten ausgeführt hat. Der Kläger hat hierzu aber die Art und den genauen zeitlichen Umfang seiner Betriebsratstätigkeiten in dieser Woche teilweise in Widerspruch zu den übrigen Vorgängen, letztlich aber unsubstantiiert und ohne Beweisangebot vorgetragen. Die pauschale Behauptung, die Beklagte habe 338,56 Euro brutto von seinem Vergütungsanspruch zu Unrecht "einbehalten", lässt einen Vergütungsanspruch nicht erkennen.

2. Im einzelnen:

a) Im Ausgangspunkt zutreffend macht der Kläger geltend, dass er in der Kalenderwoche 46/2018 (12. - 15. November 2018) Betriebsratsaufgaben erfüllt habe.

aa) Zu den zahlreichen Aufgaben des Betriebsrats gehört es gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG insbesondere, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden. Damit hat der Betriebsrat auch darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber das kraft beiderseitiger Tarifbindung, Allgemeinverbindlicherklärung oder arbeitsvertraglicher Bezugnahme geschuldete Tarifentgelt an die Arbeitnehmer zahlt. Zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung dieser Aufgabe gewähren § 80 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG dem Betriebsrat ein ausgedehntes Informationsrecht gegen den Arbeitgeber. Das in § 80 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz eingefügte Wort "jederzeit" besagt, dass der Betriebsrat bei Durchführung seiner ihm obliegenden Aufgaben auch dann tätig werden kann, wenn keine bestimmten Verdachtsmomente hinsichtlich eines erfolgten oder drohenden Verstoßes gegen die zugunsten der Arbeitnehmer ergangene Regelung vorliegen; begrenzt werden diese Auskunftsansprüche des Betriebsrats nur durch das Institut des Rechtsmissbrauchs (vgl. BAG 11. Juli 1972 - 1 ABR 2/72 - zu II 3 und 4 a der Gründe; Fitting 30. Auflage BetrVG § 80 Rn. 11 mwN, Rn. 48 ff.; Richardi 16. Aufl. BetrVG § 80 Rn. 15 mwN).

Der Betriebsrat ist bei der Beschaffung der notwendigen Informationen aber nicht auf den - gerichtlich durchsetzbaren - Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber beschränkt, denn § 80 Abs. 2 und 3 sowie § 37 Abs. 6 BetrVG enthalten insoweit keine abschließenden Regelungen (vgl. BAG 29. April 2015 - 7 ABR 102/12 - ["Kommunikationsbeauftragter" des Betriebsrats]). Der Betriebsrat ist insbesondere befugt, im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben die Arbeitnehmer direkt zu befragen und einzelne Arbeitnehmer dazu auch an ihrem Arbeitsplatz aufzusuchen, wenn hierfür ein konkreter Anlass besteht (nicht notwendigerweise schon ein Verstoß gegen die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG genannten Normen) und der Zeitpunkt erforderlichenfalls vorher mit dem Arbeitgeber abgestimmt ist (vgl. BAG 13. Juni 1989 - 1 ABR 4/88 - zu B II 2 a der Gründe [Begehung des Arbeitsplatzes von Wachpersonal im zu bewachenden Fremdobjekt; der dort geforderten Beschlussfassung des Betriebsrats bedarf es iRd. § 37 Abs. 2 BetrVG nicht]). Auch zur Überprüfung einer tariflichen Eingruppierung kann eine Arbeitsplatzbegehung durch den Betriebsrat geboten sein (vgl. BAG 17. Januar 1989 - 1 AZR 805/87 - zu II 2 b aa der Gründe [für den Personalrat nach § 64 Nr. 2 LPVG NW]). Als weitere Quellen können sonstige betriebliche Auskunftspersonen in Frage kommen (näher Fitting 30. Auflage BetrVG § 80 Rn. 85 ff.).

bb) Gemessen hieran ist der Kläger zu Recht davon ausgegangen, dass er zur Überprüfung tarifgerechter Vergütung im Monat Oktober 2018 mit Erteilung der Lohnabrechnungen im November 2018 grds. auch unmittelbar bei der Belegschaft Erkundigungen einholen durfte. Besonderer Verdachtsmomente bezüglich der Verletzung der Tarifregelungen mussten hierfür nicht vorliegen, weshalb es auf sich beruhen kann, dass der Betriebsrat hierzu nur äußerst pauschal auf "Unruhe" innerhalb der Belegschaft und nicht erfüllte Erwartungen der Arbeitnehmer hinsichtlich der ausgezahlten Vergütung verwiesen hat.

(1) Einer besonderen Abstimmung (§ 2 Abs. 1 BetrVG) mit dem Arbeitgeber bedurfte es im vorliegenden Fall nicht, weil der Betriebsrat sich allein in den vier Werkhallen der Beklagten und auf deren Betriebsgelände bewegt hat. Dem Vortrag der Beklagten ließen sich hierzu auch keine Notwendigkeiten entnehmen. Zudem hat der Betriebsrat sein geplantes Vorgehen gegenüber der Arbeitgeberin bereits am 12. November 2018 per E-Mail angekündigt und auch die beabsichtigten Informationsveranstaltungen in der Kalenderwoche 46/2018 bei den Meistern in den Produktionshallen mit kurzer Vorlaufzeit angekündigt, so dass diese sich darauf einstellen konnten, womit dem Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit Genüge getan wurde.

(2) Auch begegnet es keinen Bedenken, dass der Betriebsrat für die Informationsbeschaffung Hilfsmittel erstellt und benutzt hat, indem er einen Flyer und Formulare zur Terminsvereinbarung an die Arbeitnehmer verteilte. Dass er hierbei zugleich Formulare zur Geltendmachung von Forderungen verteilte, ändert nichts daran, dass die Informationsbeschaffung selbst eine Aufgabe des Betriebsrats (Überprüfung tariflicher Vergütung) war.

(3) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es dem Betriebsrat auch nicht generell verwehrt, von sich aus die Interessen der Arbeitnehmer wahrzunehmen. Zwar darf der Betriebsrat die Arbeitnehmer nicht in einer Art und Weise sowie Häufigkeit am Arbeitsplatz aufsuchen, dass damit ein Aufsuchen der Sprechstunden des Betriebsrats (§ 39 Abs. 1 BetrVG) unterlaufen würde (vgl. Fitting 30. Auflage BetrVG § 39 Rn. 31). Dieser Ansatz bezieht sich aber lediglich auf das anlasslose Aufsuchen der Mitarbeiter und steht vorliegend auch der Auffassung des Betriebsrats entgegen, er sei initiativ zur "Beratung" aller Arbeitnehmer über den Inhalt der Lohnabrechnungen und zu deren "Erläuterung" berufen (vgl. auch BAG 11. Dezember 1973 - 1 ABR 37/73 -). Die Erteilung von Lohnabrechnungen zum Zweck der Erläuterung der Vergütungsberechnung nach § 108 GewO ist vielmehr gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers, vgl. auch § 82 Abs. 2 BetrVG.

Der Einwand der Beklagten greift gleichwohl nicht für den hier vorliegenden Fall der Informationsbeschaffung zur Wahrnehmung der Aufgaben aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Betriebsrat bzw. der Kläger als Betriebsratsmitglied rechtsmissbräuchlich gehandelt hätten, indem die Überprüfung der tariflichen Vergütung völlig anlasslos und nur zur Gewinnung eines Freistellungsanspruchs vorgeschoben worden wäre. Denn die Besonderheit des vorliegenden Falls besteht darin, dass der Kläger seine Erkundigungen anlässlich der erstmaligen Lohnabrechnung nach Einführung einer tariflichen Vergütungsordnung eingeholt hat, die dort zuvor nicht galt.

(4) Der Betriebsrat hat mit der Verteilung der Flyer nebst Geltendmachungsformularen auch nicht etwa eine unzulässige Abhilfe gegen den Arbeitgeber betrieben (vgl. dazu BeckOK ArbR/Werner 55. Ed. 1.3.2020 BetrVG § 80 Rn. 20). Denn der Betriebsrat verfolgt hierdurch nicht im eigenen Namen einen - tatsächlich nicht bestehenden - Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber wegen Verstoßes gegen tarifliche Vergütungsbestimmungen (vgl. dazu Fitting 30. Auflage BetrVG § 80 Rn. 14 mwN), sondern unterstützt lediglich die Arbeitnehmer mit Hilfsmaterialien zur Geltendmachung ihrer vermeintlichen Forderungen durch jene selbst.

b) Allerdings kann dem Sachvortrag des Klägers nicht entnommen werden, dass sein Vorgehen in der Kalenderwoche 46/2018 in jeder Hinsicht "erforderlich" iSd. § 37 Abs. 2 BetrVG war.

aa) Die Erforderlichkeit der Dauer der Arbeitsbefreiung für das jeweilige Betriebsratsmitglied ist stets anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Entscheidend ist, ob das betreffende Betriebsratsmitglied bei (subjektiv) gewissenhafter Überlegung und bei ruhiger, vernünftiger Würdigung aller (objektiven) Umstände die Arbeitsversäumnis für erforderlich halten durfte, um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Es ist zu fragen, ob ein vernünftiger Dritter bei der Abwägung der Interessen der Belegschaft, des Betriebsrats und der Belange des Arbeitgebers / des Betriebs die Arbeitsversäumnis für sachlich geboten halten würde (vgl. BAG 15. März 1995 - 7 AZR 643/94 - zu II 1 b der Gründe; BAG 8. März 1957 - 1 AZR 113/55 - BeckRS 1957, 30700596). Zu berücksichtigen sind Größe und Art des Betriebs, die Vielfalt der konkreten dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben und die Aktivität des jeweiligen Betriebsrats. Damit nicht im Wege der Vergütungsstreitigkeiten nach § 37 Abs. 2 BetrVG jedes verantwortungsfreudige Handeln des Betriebsrats unterbunden wird (Richardi 16. Aufl. BetrVG § 37 Rn. 26), ist dem Betriebsratsmitglied hierbei ein - gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer - Beurteilungsspielraum einzuräumen (BAG 21. Juni 2006 - 7 AZR 418/05 - Rn. 23). Im Ergebnis besteht ein weit gesteckter Rahmen der gesetzlichen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte (Fitting 30. Auflage BetrVG § 37 Rn. 38 mwN).

Ein Betriebsratsbeschluss, der dem Betriebsratsmitglied bestimmte Tätigkeiten zuweist, bewirkt dabei aber weder die Arbeitsbefreiung selbst noch kann er den Arbeitnehmer von einer selbständigen Überprüfung der Rechtslage hinsichtlich des Bestehens einer Betriebsratsaufgabe und deren Erforderlichkeit entlasten (vgl. BAG 31. August 1994 - 7 AZR 893/93 - zu 2 b der Gründe; BAG 6. August 1981 - 6 AZR 505/78 - zu II 2 b der Gründe).

Die Arbeitsbefreiung im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG setzt zwar keine Zustimmung des Arbeitgebers voraus. Das Betriebsratsmitglied muss sich aber vor Verlassen des Arbeitsplatzes ordnungsgemäß (bei einem Vorgesetzten) abmelden und den Ort und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratsarbeit mitteilen (BAG 15. März 1995 - 7 AZR 643/94 - zu I 2 der Gründe). Eine Verletzung dieser arbeitsvertraglichen Pflicht mindert den Lohnfortzahlungsanspruch indes nicht.

Der eingeräumte Beurteilungsspielraum entbindet das Betriebsratsmitglied aber iRd. § 37 Abs. 2 BetrVG nicht von der zumindest stichwortartigen Darlegung der tatsächlich ausgeführten Betriebsratsarbeiten. Diese treten nach einer Freistellung iSd. § 37 Abs. 2 BetrVG an die Stelle der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung innerhalb der Arbeitszeit im Betrieb und rechtfertigen die Fortzahlung der Vergütung an das Betriebsratsmitglied ohne Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung.

Nach allgemeinen Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast (dazu Greger in: Zöller 33. Aufl. ZPO Vor § 284 Rn. 17a) hat das Betriebsratsmitglied, welches Fortzahlung der Arbeitsvergütung aus § 37 Abs. 2 BetrVG iVm. § 611a Abs. 2 BGB fordert, die Voraussetzungen für seinen Anspruch darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen. Ausgehend von § 138 Abs. 2 ZPO sind hierbei aber die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast anzuwenden. Danach hat das Betriebsratsmitglied zunächst stichwortartig zur Art und Dauer der Betriebsratstätigkeit vorzutragen. Angaben zu Art und zeitlichem Umfang der Betriebsratstätigkeit sind an sich schon geeignet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des auf § 37 Abs. 2 BetrVG iVm. § 611a Abs. 2 BGB gestützten Lohnfortzahlungsanspruchs nachzuvollziehen. Erst wenn der Arbeitgeber unter Angabe konkreter Gründe seinerseits darlegt, dass sich in Bezug auf die stichwortartigen Angaben des Betriebsratsmitglieds berechtigte Zweifel an der Erforderlichkeit der Arbeitsbefreiung oder ihrem zeitlichen Umfang ergeben, trifft das Betriebsratsmitglied die substantiierte Darlegungs- und Beweislast. Erst dann hat das Betriebsratsmitglied substantiiert darzulegen, aufgrund welcher Umstände es die Betriebsratstätigkeit gleichwohl für erforderlich halten durfte (BAG 15. März 1995 - 7 AZR 643/94 - zu II 1 c der Gründe; Fitting 30. Auflage BetrVG § 37 Rn. 254 mwN).

Welche Darlegungen hiernach erforderlich sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Stellt sich die Betriebsratstätigkeit als eine geschlossene natürliche Handlung dar, so genügt schon die rahmenmäßige Umschreibung der Tätigkeit und die Angabe von Beginn und Ende dieser Tätigkeit (zB: Betriebsratssitzung von 9:00 Uhr bis 10:30 Uhr; Teilnahme an der auswärtigen Schulung "BetrVG I" von Dienstag 9:00 Uhr bis Freitag 12:00 Uhr). Setzt sich die Erfüllung der Betriebsratsaufgabe aber aus einer Vielzahl von Einzelkomplexen zusammen, müssen diese wenngleich nur stichwortartig, so doch nachvollziehbar beschrieben und mit Zeitangaben versehen dargelegt werden. Dem Vortrag muss sich entnehmen lassen, dass die Durchbrechung des Grundsatzes "Ohne Arbeit kein Lohn" im gleichen zeitlichen Umfang durch Erbringung konkreter, zumindest stichwortartig bezeichneter Betriebsratsarbeiten gerechtfertigt ist. Damit sind die erforderlichen Darlegungen im Rahmen eines nachträglichen Vergütungsrechtsstreits umfangreicher als bei der Abmeldung gegenüber dem Arbeitgeber aus Anlass der konkreten Freistellung vor Verlassen des Arbeitsplatzes, bei dem nur Dauer und Ort der Betriebsratsarbeit angegeben werden mussten, damit sich der Arbeitgeber auf die Abwesenheit organisatorisch einstellen konnte (vgl. BAG 15. März 1995 - 7 AZR 643/94 - zu I 1 b der Gründe; Richardi 16. Aufl. BetrVG § 37 Rn. 28, 30).

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Betriebsratsmitglied eine Prognoseentscheidung zu treffen hatte. Erfolgte diese nach gewissenhafter Prüfung auf einer validen Tatsachengrundlage, so schmälert es den Lohnfortzahlungsanspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG iVm. § 611a Abs. 2 BGB nicht, wenn sich die Prognose letztlich nicht bestätigt (Fitting 30. Auflage BetrVG § 37 Rn. 40 mwN). Auch für diese Prüfung ist es erforderlich, dass das Betriebsratsmitglied zunächst einmal zu Art und zeitlichem Umfang der tatsächlich erbrachten Betriebsratsarbeit nachvollziehbar vorträgt.

bb) Gemessen hieran konnte die Kammer dem klägerischen Vortrag nicht entnehmen, dass seine Arbeitsbefreiung vom Morgen des 12. November 2018 an durchgängig bis zum Ende der regelmäßigen Arbeitszeit am 15. November 2018 im Umfang einer Vollzeitstelle erforderlich gewesen sei.

(1) Unerheblich war insoweit allerdings der Einwand der Beklagten, der Betriebsrat habe am 12. November 2018 keinen wirksamen Beschluss zur Übertragung der Aufgaben auf den Kläger und die beiden weiteren Betriebsratsmitglieder in Form eines Ausschusses gefasst. Der Betriebsratsbeschluss allein kann die Erforderlichkeit einzelner Maßnahmen nicht begründen; er entbindet das einzelne Betriebsratsmitglied auch nicht von der sorgfältigen Prüfung der Erforderlichkeit (vgl. BAG 6. August 1981 - 6 AZR 505/78 - zu II 2 b der Gründe). Das gilt insbesondere auch dann, wenn der Betriebsrat - wie hier - über iSd. § 38 BetrVG voll freigestellte Mitglieder verfügt und gleichwohl umfangreiche Aufgaben von den übrigen Betriebsratsmitgliedern wahrgenommen werden sollen (vgl. BAG 19. September 1985 - 6 AZR 476/83 - zu 3 b der Gründe).

(2) Keine Zweifel ergaben sich insoweit auch aus der Art der Informationsbeschaffung, denn hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der gewählten Maßnahme steht dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu.

(a) Das Gericht überprüft hierbei nicht die Zweckmäßigkeit der vom Betriebsrat gewählten Maßnahmen und es stellt auch keine eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen an die Stelle derjenigen des Betriebsrats. Die Entscheidung des Betriebsrats unterliegt lediglich einer Missbrauchskontrolle dahin, ob sie offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Dabei zielt die Missbrauchskontrolle weder darauf ab, dem Betriebsrat organisatorische Vorgaben zu machen, noch darf sie dazu dienen, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die ihn gerade zu dem von ihm gewählten Maßnahmen geführt haben. Es geht in diesem Zusammenhang allein um die Verhinderung von Missbrauch. Verstöße gegen gesetzliche und tarifliche Normen sollen dabei genauso verhindert werden, wie Diskriminierung und Umgehungsfälle (vgl. zu diesem Prüfungsmaßstab für die Unternehmerentscheidung bei einer betriebsbedingten Kündigung: BAG 30. April 1987 - 2 AZR 184/86 - zu I der Gründe; BAG 22. April 2004 - 2 AZR 385/03 - zu B I 3 der Gründe).

Da der Betriebsrat nicht über eigene Mittel verfügt, sondern aus dem Finanzvolumen des Arbeitgebers schöpft, wäre eine Tatsachenvermutung der sachlichen Berechtigung seiner Maßnahme zum Zwecke der Aufgabenwahrnehmung (anders als bei einer Unternehmerentscheidung - BAG 21. September 2006 - 2 AZR 607/05 - Rn. 31) allerdings nicht gerechtfertigt. Dieses Spannungsfeld wird durch die oben beschriebene gestufte Darlegungs- und Beweislast aufgelöst.

(b) Der Betriebsrat bzw. der Kläger haben sich vorliegend dafür entschieden, die Durchführung des tariflichen Vergütungssystems bzgl. der Zuschläge für Nacht- und Frühschicht und des Besitzstands iSd. § 2 Abs. 5 ÜTV durch eine Umfrage innerhalb der etwa 1300 Personen starken Belegschaft der Beklagten zu überprüfen und nicht etwa durch einfache Nachfrage bei der Lohnabrechnungsstelle der Beklagten, ggf. stichprobenartig oder punktuell nach den Abteilungen, aus denen Beschwerden beim Betriebsrat eingegangen waren.

Das wirft die Frage nach der Effektivität dieses Vorgehens auf, zumal die Informationssammlung bei der Belegschaft auch nicht weiterging als sie gegenüber der Lohnabrechnungsstelle erfolgt wäre: der Betriebsrat hat letztlich nur die Lohnabrechnungen eingesammelt, um das Vorgehen der Beklagten nachvollziehen und die Belegschaft hierzu umfassend beraten zu können.

Die Beklagte hat hierzu als - vermeintlich - weniger zeitintensive Alternativen genannt die ohnehin quartalsweise abzuhaltende Betriebs- oder Abteilungsversammlung (§ 42 Abs. 1, 43 Abs. 1 BetrVG) oder schlicht den Aushang entsprechender Informationen.

Es ist aber ohne weiteres vom Beurteilungsspielraum des Klägers als Betriebsratsmitglied gedeckt, dass er sich nicht auf eine Auskunft der Beklagten verlassen, sondern die notwendigen Informationen direkt bei den - vermeintlich - nicht tariflich vergüteten Arbeitnehmern einholen wollte. Hierfür spricht auch, dass auf diese Weise die Problemfälle leichter zu identifizieren sein dürften als durch bloße Übergabe von bis zu 1300 ungefilterten Lohnabrechnungen durch die Lohnbuchhaltung der Beklagten oder einen regelmäßig kaum beachteten Aushang am schwarzen Brett. Hierfür spricht schließlich auch, dass der Betriebsrat die Umfrage eben doch nicht bei allen 1300 Arbeitnehmern durchgeführt hat, sondern nur in der Produktion, aus der die Beschwerden vernommen wurden. Auch hat der Betriebsrat hierbei sorgfältig darauf geachtet, dass die Produktionsabläufe durch seine Informationsveranstaltung nicht gestört wurden, indem er die Produktionsmeister vorab informierte und sich auf Abteilungsveranstaltungen beschränkte und nicht etwa die gesamte Produktion hierfür zum Stillstand brachte, wie das bei einer Betriebsversammlung der Fall gewesen wäre. Bei alldem bestehen keinerlei Anhaltspunkte für Missbrauch, Umgehung oder Gesetzesverstöße.

(3) Es sprach allerdings teilweise gegen die Erforderlichkeit seines Vorgehens, dass der Kläger offenbar bei seiner Zeitprognose auch eine umfassende "Beratung" der Belegschaft einbezogen hatte. Die hierfür vorgesehenen Zeitanteile wurden vom Kläger auch dann nicht beziffert, als die Beklagte substantiiert bestritten hatte, dass vor dem Rücklauf der - bestrittenen - 220 Beratungsanträge frühestens ab Mittwoch, den 14. November 2018 eine Arbeitsbefreiung nicht erforderlich gewesen sei. Soweit dem klägerischen Vortrag zu entnehmen, bestand die Betriebsratsarbeit des Klägers in der Kalenderwoche 46/2018 zunächst einmal nur darin, gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Durchführung der tariflichen Vergütung zu überwachen und hierfür die notwendigen Informationen zusammenzutragen. Anlass für "Beratung" bot diese Aufgabe vor dem Rücklauf der Beratungsanträge zunächst nicht.

(4) Der Kläger hat insbesondere nicht widerspruchsfrei vorgetragen, in welchem zeitlichen Umfang er tatsächlich welche Art von Betriebsratsaufgaben erledigt haben will. Für die Beklagte, aber auch für das Gericht, war deshalb nicht erkennbar, ob der Kläger überhaupt im Umfang einer Vollzeitstelle Betriebsratsarbeit geleistet hat. Dieser Sachvortrag (vgl. exemplarisch BAG 15. März 1995 - 7 AZR 643/94 -) wäre aber schon deshalb notwendig gewesen, weil grds. nur für tatsächliche geleistete Betriebsratsarbeit eine Lohnfortzahlung aus § 37 Abs. 2 BetrVG abgeleitet werden kann. Sollte der Kläger nicht im Umfang einer Vollzeitstelle mit Betriebsratsarbeit befasst gewesen sein, so wäre es an ihm gewesen, die tatsächliche Grundlage seiner Prognoseentscheidung darzulegen.

Dabei mögen die Betriebs- und Belegschaftsgröße usw. eine Rolle für die Prognoseentscheidung spielen. Maßgeblich wäre jedoch auch, welche Art von Betriebsratstätigkeit zunächst geplant war und welche letztlich tatsächlich durchgeführt oder aus welchen Gründen nicht durchgeführt wurde. Sollte der Kläger zB eine umfassende Beratung der Belegschaft beabsichtigt haben, diese dann aber mangels Interesse nicht umgesetzt worden sein, so müsste sich der Kläger fragen lassen, wieso er seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit dann nicht wieder aufgenommen hat. Das alles konnte aber nicht geprüft werden, weil der Kläger Art und zeitlichen Umfang seiner konkreten Tätigkeiten ab dem 12. November 2018 nicht nachvollziehbar nach Tag und Uhrzeit vorgetragen hat. Er beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, es sei sehr viel Betriebsratsarbeit zu erwarten gewesen, weil er "immer wieder" auf die Lohnabrechnungen angesprochen worden sei.

Mit der Berufung hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend ergänzt, dass er "an den vier Tagen" insgesamt etwa 73 Lohnabrechnungen überprüft haben will, also etwa 18 Lohnabrechnungen pro Tag. Dieser Vortrag wirft deshalb Fragen auf, weil der Kläger nur bis Donnerstag, den 15. November 2018, an der Betriebsratsarbeit teilgenommen hatte. Hier ist nicht mehr nachvollziehbar, wie er an jedem dieser vier Tage etwa 18 Lohnabrechnungen geprüft haben will, insbesondere am Montag, den 12. November 2018, an dem der Flyer zur Erfassung der Beratungsanfragen überhaupt erst erstellt worden sein soll.

Dazu hat die Beklagte zutreffend eingewandt, dass selbst nach dem Flyer des Betriebsrats - also nach dessen eigener Prognose - frühestens "ab dem 14. November 2018" mit der Beratung der Belegschaft begonnen werden konnte, weil zunächst der Rücklauf der Beratungsanträge abgewartet werden musste. Geht man davon aus, dass die - bestrittenen - 220 Beratungsanträge nicht schon am Mittwochmorgen, den 14. November 2018, vollständig beim Betriebsrat vorlagen, so stellt sich die Frage, was die drei Betriebsratsmitglieder am Dienstag und Mittwoch im einzelnen an Betriebsratsarbeit erledigt haben wollen. Es wären nach dem Vortrag des Klägers drei Personen in Vollzeit mit je etwa 18 Lohnabrechnungen pro Tag beschäftigt gewesen. Diesen Widerspruch hat der Kläger nicht aufgeklärt. Angesichts des von ihm selbst entwickelten Flyers kann der Kläger auch nicht mit dem pauschalen Vortrag durchdringen, er habe einen Beratungsbedarf schon zu einem früheren Zeitpunkt prognostiziert. Damit erweist sich seine pauschale Behauptung, er habe an vier Tagen je 18 Lohnabrechnungen bearbeitet, aber insgesamt als unsubstantiiert, weil in sich widersprüchlich. Das kann aber letztlich dahinstehen, weil es hierzu auch an einem Beweisangebot fehlt (vgl. Bl. 193 f. d.A), wobei sich angesichts des widersprüchlichen Sachvortrags die Frage eines ohnehin unzulässigen Ausforschungsbeweises gestellt hätte.

Auch hatte der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso es zur Erstellung eines Flyers mit gerade einmal einer DIN-A4 Seite stichwortartiger Information zu nur fünf Abrechnungspositionen der gleichzeitigen Freistellung von drei vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern bedurfte und wieviel Zeit die Erstellung in Anspruch genommen hat.

Ebensowenig hatte der Kläger vorgetragen, von wann bis wann er sich am Montag, den 12. November 2018, in der Betriebsratssitzung befand, was einen Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG ohne weiteres auslösen würde.

(5) Substantiierter Sachvortrag (allerdings seitens der Beklagten) findet sich allein zu der Informationsveranstaltung am 14. November 2018 von 15:08 Uhr bis 15:25 Uhr. Damit wurden für den Kläger knapp 20 Minuten erforderlicher Betriebsratsarbeit zur Informationsbeschaffung dargelegt. Nachdem die Beklagte aber bereits 7,5 Stunden der Kalenderwoche 46/2018 als Betriebsratsarbeit vergütet hatte, konnte der Kläger aus diesem Sachvortrag keinen weitergehenden Vergütungsanspruch ableiten. Es wäre hier am Kläger gewesen, im einzelnen zur Erbringung von Betriebsratsarbeit im Umfang von mehr als 7,5 Stunden in der Kalenderwoche 46/2018 vorzutragen. Der Kläger lässt jedoch weitgehend im Dunkeln, womit und in welchem zeitlichen Umfang er sich in dieser Kalenderwoche beschäftigt hat. Auf dieser Grundlage kann er von der Beklagten keine Fortzahlung der Vergütung beanspruchen.

(6) Im Rahmen des § 37 Abs. 2 BetrVG sind damit - wie in allen Fällen der Lohnfortzahlung ohne Erbringung der Arbeitsleistung, zB nach § 3 EFZG oder § 615 BGB - weitergehende Anspruchsvoraussetzungen darzulegen als es für den Vergütungsanspruch nach Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung notwendig ist. Dieser wird in der Regel bereits dadurch schlüssig vorgetragen, dass der Arbeitnehmer darlegt, in welchem zeitlichen Umfang er arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeiten erbracht hat, ohne dass die Art der Tätigkeit vorgetragen werden muss (BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 13 f.). Hier genügt der kursorische Vortrag, weil der Arbeitgeber kraft seines Weisungs- und Organisationsrechts alle Einzelheiten der Arbeitsleistung kennen muss und deshalb substantiiert bestreiten kann. Das gilt aber nicht in gleicher Weise für Betriebsratsarbeit, die sich der Kenntnis des Arbeitgebers zumindest teilweise entzieht. Von einem Betriebsratsmitglied muss deshalb erwartet werden, dass er seinen Vergütungsanspruch iRd. § 37 Abs. 2 BetrVG von sich aus nach Art und zeitlichem Umfang nachvollziehbar darlegt - auch weil es sich bei seiner Vergütungsforderung um eine Ausnahme vom Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn" handelt (vgl. zu letzterem BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 unter Hinweis auf die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, wonach gemäß § 326 Abs. 1 BGB die Gegenleistung entfällt, weil die Arbeitsleistung als Fixschuld mit Zeitablauf unmöglich wird]; andererseits: BAG 15. März 1995 - 7 AZR 643/94 - zu II 1 c und d der Gründe).

(7) Dabei wird nicht verkannt, dass der Betriebsrat nicht sämtliche Details seiner Arbeit offenlegen muss. Die Art der Tätigkeit und der jeweils hierauf entfallende zeitliche Umfang nach Tag und Uhrzeit können jedoch regelmäßig dargelegt werden, ohne dass die Vertraulichkeit der Betriebsratsarbeit (vgl. Fitting 30. Auflage BetrVG § 79 Rn. 32 ff.) aufgehoben wird, so wie das etwa mit der Darlegung "Betriebsratssitzung am Montag von ... Uhr bis ... Uhr" oder "Prüfung von 10 Lohnabrechnungen am Donnerstag von ... Uhr bis ... Uhr" oder "Erstellung des Flyers Schichtzuschläge am Montag von ... Uhr bis ... Uhr" oder "Informationsveranstaltung am Dienstag von ... Uhr bis ... Uhr für die Belegschaft in der Abteilung X" möglich wäre. Ein solcher Sachvortrag wäre auch dem Beweis zugänglich. Der pauschale Vortrag, der Kläger sei ganze "vier Tage" innerhalb der Kalenderwoche 46/2018 durchgängig mit Durchsicht von Lohnabrechnungen zur Prüfung tariflicher Vergütung beschäftigt gewesen, ist demgegenüber nicht ausreichend, weil er vorliegend den sonstigen Abläufen widersprach. Das hat die Beklagte mit der Berufungserwiderung zu Recht gerügt.

(8) Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass der Kläger jederzeit seine vertraglich geschuldete Arbeit wieder hätte aufnehmen können, wenn sich die Prognose über die anfallende Betriebsratsarbeit nicht bestätigt. In Ermangelung eines abweichenden Sachvortrags war (zugunsten des Klägers) davon auszugehen, dass er sich in der Kalenderwoche 46/2018 während der regelmäßigen Arbeitszeit im Betrieb aufgehalten hat. Umso mehr war hier eine nachvollziehbare Darlegung der geleisteten Betriebsratsarbeit in Bestätigung der angestellten Prognose zu erwarten.

(9) Damit musste offenbleiben, ob ein entschuldbarer Irrtum des Klägers über das Bestehen einer Betriebsratsaufgabe oder über die Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahmen einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Arbeitsvergütung aus § 611a Abs. 2 BGB iVm. § 37 Abs. 2 BetrVG tangiert (vgl. dazu aber BAG 21. Juni 2006 - 7 AZR 418/05 - Rn. 14 mwN).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

D. Da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen, war die Revision nicht zuzulassen.