Hamburgisches OVG, Beschluss vom 20.08.2020 - 5 Bs 114/20
Fundstelle
openJur 2020, 47983
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Juni 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht geht zugunsten der Antragstellerin davon aus, dass ihr Beschwerdevorbringen die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses in der Weise erschüttert, dass dieser mit der dort gegebenen Begründung keinen Bestand haben kann und das Beschwerdegericht somit zu einer nicht mehr nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkten Prüfung veranlasst ist. Allerdings führt auch diese unbeschränkte Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin durch das in Hamburg geltende Verbot, Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr zu öffnen, nicht in ihren Rechten verletzt wird; dies gilt auch unter Berücksichtigung ihrer Argumente in den Beschwerdebegründungschriftsätzen vom 10. Juli 2020 sowie den weiteren Schriftsätzen vom 3. und 10. August 2020.

2. a) Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das o. g., der Antragstellerin nach § 26 Abs. 2 Satz 1 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO vom 30. Juni 2020 (HmbGVBl. S. 365, im Folgenden: Corona-VO) auferlegte und bis zum 31. August 2020 geltende Verbot, ihre unter der Anschrift ... in Hamburg belegene Prostitutionsstätte für den Publikumsverkehr zu öffnen. Die Antragstellerin beantragt auch im Beschwerdeverfahren (vgl. den Schriftsatz vom 10.7.2020, S. 1) die vorläufige Feststellung im Wege der einstweiligen Anordnung, dass die o. g. Bestimmung dem Betrieb dieser Prostitutionsstätte „nicht entgegensteht, sofern die Antragstellerin das von ihr entwickelte Hygienekonzept einhält und die hier angebotenen sexuellen Dienstleistungen sich auf erotische Massagen beschränken, mithin ein Geschlechtsverkehr zwischen Prostituierten und Kunden ausgeschlossen ist“ (vgl. die Eilantragsschrift vom 27.5.2020, S. 2).

Es ist für das Beschwerdegericht nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin den hierfür nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch hat.

b) Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient grundsätzlich nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Antragsteller soll regelmäßig nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Das Begehren der Antragstellerin stellt sich allerdings insbesondere angesichts der befristeten Geltung des § 26 Abs. 2 Corona-VO bis zum Ablauf des 31. August 2020 (§ 40 Abs. 2 Satz 3 Corona-VO) als eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Wird die Hauptsache vorweggenommen, kann dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache, sowie schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile im Falle des Abwartens in der Hauptsache voraus.

Zwar betrifft der vorliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, anders als Eilanträge im Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, unmittelbar nur das Verhältnis zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens. Jedoch könnten, wenn das Verbot des Öffnens von Prostitutionsstätten im Hinblick auf das Angebot „erotischer Massagen ohne Geschlechtsverkehr“ gegenüber der Antragstellerin für unwirksam erklärt würde, auch alle anderen Inhaber von Prostitutionsstätten, die ihr Angebot in entsprechender Weise anpassen würden, durch Anträge im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sowie den sich für die Antragsgegnerin ergebenden Druck auf Gleichbehandlung die Bestimmung des § 26 Abs. 2 Satz 1 Corona-VO insoweit faktisch außer Kraft setzen. Auch dieser Umstand unterstreicht das Erfordernis sehr hoher Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren.

Die erforderliche weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache besteht hier nicht. Im Gegenteil erweist sich die Regelung in § 26 Abs. 2 Satz 1 Corona-VO nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung auch insoweit als voraussichtlich rechtmäßig, als sie das Öffnen von Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr auch dann verbietet, wenn dort ausschließlich „erotische Massagen ohne Geschlechtsverkehr“ angeboten werden sollen.

c) Die Corona-VO findet in §§ 32 Satz 1 und 2, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Verordnungsermächtigung ist mit höherrangigem Recht vereinbar, sie beachtet insbesondere die Vorgaben von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und des Parlamentsvorbehalts (vgl. zu den vergleichbaren Verordnungen in anderen Bundesländern z.B. OVG Magdeburg, Beschl. v. 27.4.2020, 13 R 52/20; VGH München, Beschl. v. 27.4.2020, 20 NE 20/793; OVG Bremen, Beschl. v. 23.4.2020, 1 B 207/20).

Das Verbot des Öffnens von Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr als Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil Art. 12 Abs. 1 GG in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG nicht erwähnt wird und diese Vorschrift daher gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen würde. Einschränkungen, Regelungen und sonstige Begrenzungen wie Vorbehalte des allgemeinen Gesetzes (vgl. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) unterfallen nicht dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Hierfür sprechen der Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG und die andernfalls übermäßige Anwendung des Zitiergebots, wodurch seine Warnfunktion beeinträchtigt würde (vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 19 Rn. 4, 5, 5a).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind aufgrund der gegenwärtig bestehenden Corona-Pandemie weiterhin erfüllt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 12.5.2020, 1 B 144/20, S. 5; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.5.2020, 13 MN 156/20, juris Rn. 18 ff.). Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland auch aktuell noch als insgesamt hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-08-19-de.pdf?__blob=publicationFile, S. 17). Das Coronavirus ist trotz der zeitweilig in Deutschland und in Hamburg niedrigen Infektionszahlen nicht etwa „verschwunden“, wie sowohl die seit Anfang August 2020 deutlich angestiegenen Neuinfektionszahlen in Deutschland als auch zuletzt zum Teil stark gestiegene Infektionszahlen in anderen europäischen Ländern zeigen (so gehören etwa die Region Antwerpen in Belgien und Spanien mit Ausnahme der Kanaren derzeit zu den vom Robert-Koch-Institut ausgewiesenen Risikogebieten, in denen die Neuinfektionsrate der letzten sieben Tage den Grenzwert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner überschreitet vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html).

Unter die zu treffenden notwendigen Schutzmaßnahmen fallen nicht nur die in §§ 29 ff. IfSG ausdrücklich benannten Maßnahmen. Vielmehr ist den Infektionsschutzbehörden ein breites Spektrum an geeigneten Schutzmaßnahmen eröffnet, welches durch die Notwendigkeit der Maßnahme im Einzelfall begrenzt wird; darunter kann auch die Schließung von Betrieben fallen. Dieser weite Anwendungsbereich gilt auch für den durch die Regelung betroffenen Adressatenkreis. Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen, bei denen feststeht oder der Verdacht besteht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als "Störer" anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte ("Nichtstörer") Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 20.5.2020, 5 Bs 77/20, juris Rn. 22; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.5.2020, a. a. O., Rn. 25).

d) Das Verbot des Öffnens von Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr stellt nach Auffassung des Beschwerdegerichts eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar. Die Regelung erscheint nach derzeitig erkennbarer Sach- und Rechtslage und im Lichte des dem Verordnungsgeber hier zustehenden Entscheidungsspielraums als geeignet, erforderlich und angemessen.

aa) Dieses Verbot dient dem legitimen Zweck, die nach wie vor bestehende Corona-Pandemie einzudämmen und die Bevölkerung weiterhin vor einer starken Verbreitung des Coronavirus (Covid-19) zu schützen.

Dies gilt auch im Vergleich zur herkömmlichen saisonalen Grippe (Influenza), die je nach Saison ebenfalls schwere Verläufe mit hohen Kranken- und Todesfallzahlen aufweisen kann, ohne dass der Verordnungsgeber darauf bisher in entsprechend rigider Weise wie gegenüber der Corona-Pandemie reagiert hätte. Dafür dürfte es allerdings tragfähige Gründe geben.

Das Coronavirus selbst ist hochansteckend, wobei seine Übertragung offenbar nicht nur durch Tröpfchen, sondern auch und nicht zuletzt durch Aerosole erfolgt, die sich in geschlossenen Räumen länger in der Luft halten als Tröpfchen. Einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt es (im Gegensatz zur Influenza) bisher nicht.

Erkrankungen an Covid-19 bergen gegenüber der herkömmlichen saisonalen Grippe (Influenza) spezifische Risiken, gegen die es bisher keine ursächlichen Behandlungsmöglichkeiten gibt. So ist offenbar der Anteil der beatmungspflichtigen Patienten bei Covid-19-Patienten deutlich höher als bei Influenza-Patienten, wobei auch jüngere Patienten ohne spezifische Risikovorerkrankungen betroffen sein können (vgl. Epidemiologisches Bulletin 14/2020, „Schwereeinschätzung von COVID- 19 anhand von deutschen Vergleichsdaten zu Pneumonien“, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/14_20.pdf?__blob=publicationFile: „Die bisherigen Ergebnisse weisen auf einen deutlich höheren Anteil beatmungspflichtiger COVID-19-Patienten hin, die im Vergleich zu saisonalen Grippewellen eher jünger sein können, sehr viel länger beatmet werden müssen und nicht unbedingt an Grunderkrankungen leiden.“). Hinzu kommt, dass Covid-19-Erkrankungen im Vergleich zur Influenza neben Lungenentzündungen offenbar auch zu Dauerschäden anderer Art in weiteren Organen wie Herz und Nieren führen können. Neuere Studien britischer Forscher deuten zudem darauf hin, dass selbst Corona-Infektionen mit eher milden Verläufen dauerhafte neurologische Schäden wie Entzündungen im Gehirn, Nervenschäden, Schlaganfälle, Bewusstseinsveränderungen oder Psychosen verursachen können (vgl. „The emerging spectrum of COVID-19 neurology: clinical, radiological and laboratory findings“, in: Brain - A Journey of Neurology, vom 8.7.2020, https://academic.oup.com/brain/article/doi/10.1093/brain/awaa240/5868408; „Neurological and neuropsychiatric complications of COVID-19 in 153 patients: a UK-wide surveillance study“, in: The Lancet Psychiatry, vom 25.6.2020, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S221503662030287X?via%3Dihub). All dies lässt es, solange es weder einen Impfstoff noch ursächliche (nicht bloß symptombezogene) Behandlungsmöglichkeiten gibt, als legitim erscheinen, bereits der Verbreitung des Virus in der Bevölkerung mit besonderen Maßnahmen entgegenwirken zu wollen.

bb) Das Verbot des Öffnens von Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr ist geeignet, das von der Antragsgegnerin verfolgte Ziel der Eindämmung einer erhöhten Infektionsgefahr durch eine starke Verbreitung des Coronavirus zu erreichen.

Der Hauptinfektionsweg beim Coronavirus ist nach gegenwärtig erkennbarer Lage dessen Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole; dies gilt insbesondere bei Menschenkonzentrationen in geschlossenen Räumlichkeiten und verstärkt dann, wenn Mindestabstände nicht durchweg eingehalten werden können. Dies kann auch bei der Vornahme sexueller Dienstleistungen in Prostitutionsstätten typischerweise der Fall sein. Die Schließung von Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr ist eine geeignete Maßnahme, um der Übertragung des Virus auf diesem Wege entgegen zu wirken.

Der Verordnungsgeber darf zu Recht davon ausgehen, dass Menschen bei sexuellen Begegnungen angesichts der damit regelhaft einhergehenden Umstände – enger, intensiver Körperkontakt sowie erhöhte Atemfrequenz und -tiefe infolge sexueller Erregung – jedenfalls häufig in erhöhtem Maße Tröpfchen und Aerosole mit der Atemluft ausstoßen, und dass dieser Ausstoß auch vom jeweiligen Partner eingeatmet werden kann. Dies gilt nicht nur beim eigentlichen Geschlechtsverkehr, sondern kann auch bei anderen sexuellen Handlungen, wie etwa „erotischen Massagen“ der Fall sein. Dementsprechend sind auch die von der Antragstellerin geplanten „Erotischen Massagen ohne Geschlechtsverkehr“ insoweit nicht anders einzuschätzen. Es ist weder nach dem Vortrag der Antragstellerin ersichtlich, noch erscheint es ansonsten realistisch, dass die betreffenden Kunden (gleichsam in klinisch steriler Atmosphäre) in einer rein passiven Körperhaltung eine im Prinzip „normale“, lediglich um eine sexuelle Komponente erweiterte Massage seitens der Prostituierten an sich vornehmen lassen, die sich dabei sachlich-nüchtern wie Krankenschwestern oder Physiotherapeutinnen verhalten. Vielmehr verdeutlichen der oben wiedergegebene Antrag („... die hier angebotenen sexuellen Dienstleistungen sich auf erotische Massagen beschränken, mithin ein Geschlechtsverkehr zwischen Prostituierten und Kunden ausgeschlossen ist“) ebenso wie der zwischen der Antragstellerin und den Prostituierten abzuschließende Mustervertrag (vgl. dort unter Nr. 1 Abs. 4: „Jeglicher Geschlechtsverkehr (oral, vaginal, anal) ist im Betrieb der Vermieterin derzeit verboten. Zulässig sind in den Räumlichkeiten der Vermieterin derzeit lediglich Erotik-Massagen jeglicher Art, wobei bei sämtlichen Massagen im Intimbereich Kunden ein Kondom nutzen müssen und die Mieterin Handschuhe zu tragen hat“), dass die „Erotik-Massagen“ keine weitere Begrenzung haben sollen als den eigentlichen Geschlechtsverkehr. Auch dann sind aber vielfältige Variationen intensiven Körperkontakts vorstellbar, die mit hoher Atemfrequenz einhergehen (können), und bei denen ein Anatmen der Partnerperson (auch wenn laut den von der Antragstellerin geplanten „Corona-Regeln“ keine „gesichtsnahen Dienstleistungen“ erlaubt sein sollen) kaum zu vermeiden sein wird. Dass es bei sexuellen Begegnungen typischer Weise zu solchen Situationen kommen kann und diese kaum im Voraus regulativ zu vermeiden sind, hat die Geschäftsführerin der Antragstellerin in ihrer Eidesstattlichen Versicherung vom 27. Mai 2020 selber wie folgt beschrieben: „Uns ist bewusst, dass es beim Geschlechtsverkehr Stellungen gibt, bei dem es zu einem „Anatmen“ zwischen Prostituierter und Kunden kommen kann und ein Verbot solcher Stellungen bei der generellen Erlaubnis, Geschlechtsverkehr durchzuführen, eher lebensfremd ist. Das Komplett-Verbot des Geschlechtsverkehrs werden wir hingegen durchsetzen ...“. Dem ist allerdings hinzuzufügen, dass „anatmungsträchtige“ „Massage“-Stellungen auch ohne Geschlechtsverkehr möglich sind (und diese nach dem im vorliegenden Verfahren gestellten Antrag sowie nach den o. g. „Corona-Regeln“ und dem o. g., zwischen der Antragstellerin und den Prostituierten zu schließenden Mustervertrag auch nicht verboten wären). Soweit die Geschäftsführerin der Antragstellerin mit ihrer Eidesstattlichen Versicherung vom 8. Juni 2020 (S. 2) erklärt hat, die geplanten „erotischen Massagen“ sollten mit den Händen der Masseurinnen erfolgen und keine „Body-to-Body-Massagen“ umfassen, vermag dies hier jedenfalls deshalb zu keiner anderen Einschätzung zu führen, weil dieser Vortrag keine Entsprechung im Beschwerdeantrag sowie in den o. g. „Corona-Regeln“ und in dem o. g. Mustervertrag findet.

cc) Der hamburgische Verordnungsgeber darf im Rahmen seines Einschätzungsspielraums auch das Verbot des Öffnens von Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr nach wie vor für erforderlich halten, um das Ziel der Eindämmung einer erhöhten Infektionsgefahr durch das Coronavirus zu erreichen. Der Verordnungsgeber darf annehmen, dass vergleichbar effektive, aber mildere Mittel derzeitig nicht ersichtlich sind.

Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin mit ihrem Nutzungs- und Hygienekonzept vorgesehenen Begleitmaßnahmen (u. a.: maximal ein Kunde und eine Prostituierte pro „Arbeitszimmer“, Dienstleistung bei gekipptem Fenster, Einsatz eines Raumlüfters mit Luftreiniger, Wechsel des „Arbeitszimmers“ nach jedem Kunden, „damit das zuvor genutzte Zimmer komplett durchgelüftet bzw. die dort vorhandene Raumluft durch das o. g. Gerät gereinigt wird“, Maskenpflicht für Kunden und Prostituierte in den „Geschäftsräumen“ sowie Kondompflicht für Kunden und Handschuhpflicht für Prostituierte bei „Berührungen im Intimbereich“).

Zum einen kann dadurch dem unmittelbaren An- und Einatmen während der Dienstleistung nur begrenzt entgegengewirkt werden. Auch die Maskenpflicht – unterstellt, die Maske würde auch auf dem Höhepunkt sexueller Erregung in korrekter Weise anbehalten werden – dürfte bei engem Körperkontakt allenfalls bewirken können, dass ein Teil der Aerosole bzw. Tröpfchen abgefangen würde.

Zum anderen bleibt das bereits vom Verwaltungsgericht angesprochene Problem, dass eine effektive Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der dem Kunden und der Prostituierten während der Dienstleistung auferlegten hygienetechnischen Pflichten nicht möglich ist. Dies unterscheidet die von der Antragstellerin geplanten Dienstleistungen grundlegend etwa von „normalen“ Massagebetrieben oder von Fitnessstudios. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vorträgt, auch im Duschbereich eines Fitnessstudios sei es „wegen der Nacktheit der Besucher“ kaum möglich, dass ein Mitarbeiter irgendwelche Abstandsregelungen kontrolliere, überzeugt dies nicht; es ist nicht ersichtlich, weshalb etwa ein Studiomitarbeiter im Herrenduschbereich bzw. eine Studiomitarbeiterin im Damenduschbereich derartige Kontrollbesuche nicht machen können sollte. Das Beschwerdegericht verkennt in diesem Zusammenhang auch nicht, dass es im Prostitutionsbereich, soweit es um die eigentliche Zusammenkunft von Kunden und Prostituierten geht, generell kaum möglich ist, die Einhaltung bestimmter rechtlicher Pflichten (vgl. etwa die Kondompflicht gemäß § 32 Abs. 1 ProstSchG) zu kontrollieren, ohne dass deswegen etwa die Prostitution als solche grundsätzlich verboten wäre. Dies schließt es allerdings nicht aus, in infektionsschutzrechtlichen Sondersituationen, wie etwa internationalen Pandemielagen, auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes und darauf beruhender Rechtsverordnungen die mit Prostitution verbundenen spezifischen Infektionsrisiken zu berücksichtigen, und insoweit dem Gesichtspunkt der (fehlenden) Kontrollierbarkeit von Vorsichtsmaßnahmen wegen eines verglichen mit ansonsten sexuell übertragbaren Krankheiten besonders hochansteckenden Virus eine höhere Bedeutung beizumessen, als dies nach dem eigentlichen Prostitutionsrecht der Fall ist.

Im vorliegenden Fall ebenfalls von Bedeutung ist der Umstand, dass es zweifelhaft erscheint, ob mit dem von der Antragstellerin praktizierten System der Erhebung der Kundendaten gewährleistet ist, dass die zuständige Behörde im Fall eines Infektionsgeschehens an Hand dieser Daten die Infektionskette nachvollziehen und den betreffenden Kunden identifizieren und erreichen könnte (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 3 Corona-VO). Die Antragstellerin trägt dazu vor, ihre Kunden müssten sich vor ihrem Besuch in der Prostitutionsstätte auf der Webseite modelle-hamburg.de registrieren. Dabei hätten sie ihre Kontaktdaten anzugeben, darunter insbesondere eine E-Mail-Adresse, die von der Antragstellerin überprüft bzw. verifiziert werde. Nach der Registrierung auf der Webseite werde automatisch per E-Mail ein Link an die von dem Kunden angegebene Adresse gesendet. Dieser Link müsse vom Kunden per Anklicken bestätigt werden, um die Registrierung abzuschließen. Bei ihren Besuchen brächten die Kunden ihre Kundennummer mit und gäben diese neben ihren sonstigen Daten an (vgl. die Eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der Antragstellerin vom 8.6.2020). Gegen die vom Verwaltungsgericht eingewandte Möglichkeit der Verwendung von sog. Wegwerf-E-Mail-Adressen bei der Registrierung habe die Antragstellerin Vorkehrungen getroffen, indem ihr Programmierer das Anmelde-Tool auf der Webseite so programmiert habe, dass eine Nutzung solcher Adressen nicht möglich sei; der Programmierer habe hierzu eine Liste aller Anbieter von Wegwerf-E-Mail-Adressen erstellt, die ständig aktualisiert werde (vgl. die Eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der Antragstellerin vom 10.7.2020).

Diese Vorgaben der Antragstellerin schließen es allerdings nicht aus, dass Kunden bei der Registrierung auf deren Webseite zwar keine Wegwerf-E-Mail-Adresse, sondern eine andere „echte“ E-Mail-Adresse verwenden, die sie aber nur für besondere, seltene Fälle in Reserve halten und die aus sich heraus keinen Rückschluss auf ihre Identität zulässt, und dass sie ansonsten falsche Identitäts- und Kontaktdaten angeben. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dürfte jedenfalls für viele Kunden die Motivation hoch sein, sich einer (behördlichen) Nachverfolgung im Falle eines Infektionsgeschehens möglichst zu entziehen (vgl. auch OVG Saarlouis, Beschl. v. 3.6.2020, 2 B 201/20, juris Rn. 14; OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.6.2020, 13 MN 211/20, juris Rn. 41). In einem solchen Fall könnte die Antragstellerin bei einem Infektionsgeschehen zwar eine warnende E-Mail an die (echte) E-Mail-Adresse des Kunden senden; eine Nachverfolgbarkeit des Geschehens durch Identifizierung des Kunden und Herantreten an den Kunden seitens der zuständigen Behörde gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 Corona-VO wäre jedoch nicht möglich oder jedenfalls technisch oder auch rechtlich derartig erschwert, dass aus infektionsschutzrechtlicher Sicht zu viel Zeit verginge. Eine sichere und schnelle Nachverfolgbarkeit der Kundenkontakte könnte die Antragstellerin wohl nur dadurch gewährleisten, dass sie von jedem Kunden zwingend vor dem oder beim ersten Besuch die Vorlage des Personalausweises verlangen und die darin enthaltenen Daten speichern würde. Dass die Antragstellerin in dieser Weise vorgeht oder vorzugehen beabsichtigt, ist allerdings weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ihre Geschäftsführerin hat zwar erklärt, zahlreiche Kunden legten freiwillig bei einer Registrierung vor Ort ihren Ausweis vor oder schickten diesen einfach per E-Mail (vgl. die Eidesstattliche Versicherung vom 8.6.2020, S. 1). Demnach handelt es sich dabei aber um freiwillige Offenbarungen einiger Kunden, die die Antragstellerin nicht von allen (laut ihren Angaben in der letztgenannten Eidesstattlichen Versicherung: über 57.000) auf ihrer Webseite registrierten Kunden, die die Prostitutionsstätte der Antragstellerin besuchen wollen, erzwingen kann oder will.

dd) Der Verordnungsgeber darf das aktuell bis zum 31. August 2020 angeordnete Verbot der Öffnung von Prostitutionsstätten für den Publikumsverkehr auch für angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne) halten. Gegenüber dem Zweck der Eindämmung der bestehenden (Infektions-) Gefahren für Leib und Leben der Mitmenschen, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch verpflichtet ist, stehen die mit dem Verbot einhergehenden Belastungen nicht außer Verhältnis. Der mit der Schließung verbundene Eingriff in die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsausübungsfreiheit) und möglicherweise aus Art. 14 Abs. 1 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) führt sicherlich zu erheblichen Umsatzeinbußen, die geeignet sind, den Betrieb der Antragstellerin in eine wirtschaftliche Notlage zu stürzen. Dem so gewichteten Eingriff stehen jedoch überwiegende öffentliche Interessen gegenüber; die den Eingriff bewirkende Maßnahme erscheint zur Gewährleistung der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008, 1 BvR 3262/07 u.a., BVerfGE 121, 317, juris Rn. 119 m. w. N.), auch derzeit noch notwendig.

e) Schließlich wird die Antragstellerin durch die verordnete Schließung auch nicht in ihrem allgemeinen Gleichheitsrecht aus Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179, 188, juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011, 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69, juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07 u.a., BVerfGE 126, 400, 416, juris Rn. 79).

Dies zugrunde gelegt, ist insbesondere in der unterschiedlichen Behandlung von Prostitutionsbetrieben, die ihre Leistungen auf erotische Massagen beschränken wollen, gegenüber sonstigen Massagesalons und Fitnessstudios kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu sehen. Es handelt sich um Sachverhalte, die im Hinblick auf die jeweilige Gefahr von Infektionen und schweren Krankheitsverläufen unterschiedlich zu würdigen sind. Insoweit wird zunächst auf die vorstehenden Erwägungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Schließungen Bezug genommen.

Diese bei Prostitutionsbetrieben gegebenen Besonderheiten liegen demgegenüber bei „normalen“ Massagesalons, die etwa medizinische Massagen, klassische Thai-Massagen oder nicht-erotische Wellnessmassagen anbieten, nicht vor. Weder kommt es dort zu verstärkten Aerosolausstößen infolge sexueller Erregung, noch stellen sich dort vergleichbare Probleme bei der Kontrolle von Hygienekonzepten, noch besteht für die dortige Kundschaft eine vergleichbare Motivation, die Möglichkeit der Nachverfolgung ihrer Kontakte zum Studio seitens der zuständigen Behörden zu erschweren oder auszuschließen.

Die o. g. bei Prostitutionsbetrieben bestehenden Besonderheiten sind auch bei Fitnessstudios nicht gegeben. Zwar kommt es auch dort zu verstärkten Aerosolausstößen infolge der sportlichen Anstrengungen der Kunden. Jedoch gibt die Corona-VO für Fitnessstudios ein Schutzsystem vor, das sich in Prostitutionsstätten kaum praktizieren ließe. Nach § 20 Abs. 2 und 5 Corona-VO gelten in Fitnessstudios nicht bloß die allgemeinen Hygienevorgaben nach § 5, sondern es sind die Kontaktdaten der Nutzer nach § 7 zu erheben, es ist ein sportartenspezifisches Schutzkonzept nach § 6 zu erstellen und es gilt sowohl für die Nutzer als auch für die Fitnessgeräte ein vergrößerter Mindestabstand von 2,5 Metern. Auch hier gilt im Übrigen, dass sich keine vergleichbaren Probleme bei der Kontrolle von Hygienekonzepten stellen, und dass für die dortige Kundschaft eine vergleichbare Motivation besteht, die Möglichkeit der Nachverfolgung ihrer Kontakte zum Studio seitens der zuständigen Behörden zu erschweren oder auszuschließen. Im Gegenteil sind im Falle eines in einem Fitnessstudio auftretenden Infektionsgeschehens die Infektionsketten in der Regel unschwer nachzuvollziehen wegen dort zuverlässig vorhandenen Kontaktdaten der Kunden, die kein „Laufpublikum“ darstellen, sondern fast durchweg Mitglieder sind.

f) Die sonstigen Argumente der Antragstellerin, soweit sie nicht bereits im Rahmen der vorstehenden Ausführungen gewürdigt worden sind, führen zu keinem anderen Ergebnis.

aa) Soweit die Antragstellerin darauf hinweist, das streitgegenständliche Verbot führe zur Verschiebung der tatsächlich weiterhin stattfindenden Prostitution in die Illegalität, und angesichts der Zulässigkeit der Prostitution in anderen deutschen Bundesländern bzw. in europäischen Nachbarländern bestehe die Gefahr eines Prostitutionstourismus durch (hamburgische) Kunden, die sich dort infizieren und das Virus hier weiterverbreiten könnten, mag dies in tatsächlicher Hinsicht durchaus zutreffen. Es bleibt gleichwohl eine von seinem Entscheidungsspielraum umfasste Entscheidung des Verordnungsgebers, ob er diese Gefahren in Kauf nimmt, weil ihm die bei einem wieder legalisierten Prostitutionsgewerbe entstehenden Infektionsgefahren als noch gravierender erscheinen. Rechtlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) wird der hamburgische Verordnungsgeber jedenfalls nicht durch abweichende Rechtslagen in anderen Bundesländern gebunden, weil sich die ihn treffende Gleichbehandlungspflicht nur auf die Maßnahmen bezieht, die er für sein eigenes Hoheitsgebiet anordnen darf.

bb) Das von der Antragstellerin vorgelegte Schreiben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 1. August 2020 an den Bundesverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen (BESD) führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis.

Das RKI hat dort die Frage: „Ist davon auszugehen, dass es sich bei Sexarbeitenden um `Super-Spreader´ des Covid-19-Virus handelt und von ihnen ein größeres Übertragungsrisiko ausgeht als von anderen körpernahen Dienstleistungen bzw. Aktivitäten?“ dahin beantwortet, dass es bisher keine Evidenz zu Übertragungsrisiken von Sexarbeitenden im Kontext von Covid-19 gebe. Eine Literaturrecherche habe bis zum 29. Juli 2020 sechs Veröffentlichungen mit Bezug zu SARS-CoV-2 und Sexarbeit ergeben, bei denen es sich bis auf eine Ausnahme um Appelle zur Berücksichtigung der besonderen Vulnerabilität von Sexarbeitenden im Kontext der SARS-CoV-2-Epidemie gehandelt habe. Weiter heißt es in diesem Schreiben, das Hygienekonzept des BESD beinhalte wichtige Maßnahmen und wende diese für das Setting Sexarbeit grundsätzlich angemessen an; das Risiko einer Übertragung könne allerdings nicht vollständig ausgeschlossen werden, insbesondere da es bei sexuellen Handlungen zum vermehrten Ausstoß von Aerosolen und damit potentiell von Viren kommen könne.

Diese Stellungnahme des RKI vermag nicht aufzuzeigen, dass die Einschätzung des hamburgischen Verordnungsgebers über Infektionsgefahren hinsichtlich SARS-CoV-2 in Prostitutionsstätten verfehlt wäre. Abgesehen von dem quantitativ und qualitativ wenig aussagekräftigen Rechercheergebnis bestätigt das RKI ausdrücklich, dass es trotz aller vom BESD empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen wegen des bei sexuellen Handlungen möglichen vermehrten Ausstoßes von Aerosolen auch zur Belastung der Raumluft mit (Corona-) Viren kommen könne.

cc) Die von der Antragstellerin vorgelegten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlin und des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes veranlassen das Beschwerdegericht zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung.

aaa) Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 22. Juli 2020 (14 L 173/20, https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.964777.php) angenommen, Bordelle einerseits und erotische Massagestudios, soweit dort kein Geschlechtsverkehr und keine „Body-to-Body-Massagen“ angeboten würden, andererseits unterschieden sich in epidemiologischer Sicht wesentlich, da bei derartigen Massagen der besonders enge Ganzkörperkontakt ausbleibe und sich der Körperkontakt auf Berührungen mit der Hand beschränke, wodurch der Aerosolausstoß des Kunden eher mit dem bei einer klassischen Massage als beim Geschlechtsverkehr vergleichbar sei (BA S. 6). Soweit Betreiber von Prostitutionsstätten bisweilen geltend machten, während der Corona-Pandemie, anders als üblich, nur erotische Massagen anbieten zu wollen (zu solchen Fällen vgl. die den vorläufigen Rechtsschutz versagende Entscheidung des VG Berlin, Beschl. v. 23.6.2020, VG 14 L 158/20, juris Rn. 38 ff.), berühre dies nicht den hier angenommenen wesentlichen Unterschied zwischen den in Rede stehenden abstrakt-generell abgrenzbaren Teilbranchen. Während nämlich Bordelle in der Regel schwerpunktmäßig auf die Durchführung von Geschlechtsverkehr ausgerichtet seien und diese Dienstleistung daher typischerweise von der Kundschaft erwartet und nachgefragt werde, beinhalte das Angebot erotischer Massagen von jeher, also auch schon vor der Pandemie, keine solche Dienstleistung (BA S. 7).

Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht Berlin im vorliegenden Zusammenhang von wesentlich unterschiedlichen Teilbranchen ausgeht, bleibt festzustellen, dass es sich bei der Prostitutionsstätte der Antragstellerin, soweit ersichtlich, nicht „von jeher“ um einen reinen Erotik-Massagebetrieb handelt. Die dortige Kundschaft dürfte somit eher zu den Kreisen gehören, die auch die weiteren, üblicherweise in Bordellen angebotenen Dienstleistungen erwarten und nachfragen. Jedenfalls sind im vorliegenden Fall nach dem von der Antragstellerin gestellten Beschwerdeantrag und den vorgesehenen „Corona-Regeln“ sowie dem bereits erwähnten Mustermietvertrag die in ihrer Stätte geplanten Dienstleistungen nicht in der Weise beschränkt, wie dies das Verwaltungsgericht Berlin in dem o. g. Fall angenommen hat.

bbb) Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat kürzlich entschieden (OVG Saarlouis, Beschl. v. 6.8.2020, 2 B 258/20, juris, Rn. 11, 15), ein generelles uneingeschränktes Verbot der Erbringung sexueller Dienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ProstSchG sowie der Ausübung des Prostitutionsgewerbes im Sinne des § 2 Abs. 3 des ProstSchG unabhängig von der Frage der Einhaltung spezieller Hygienekonzepte im Einzelfall auch bei kleinen Prostitutionsstätten, in denen eine Begegnung zwischen den Kunden ausgeschlossen und zudem der Kontakt auf eine Dienstleisterin pro Kunde beschränkt sei, unterliege aus gegenwärtiger Sicht ernsthaften Bedenken hinsichtlich einer Nichtbeachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG und auch bezogen auf das bei der Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu beachtende Übermaßverbot. Bezogen auf einen solchen Betrieb komme den vom Verordnungsgeber in anderen Bereichen, etwa beim Trainingsbetrieb des Berufssports, bei Fitness-Studios, Massageeinrichtungen, Frisörbetrieben oder Piercing- und Tattoostudios als ausreichend erachteten Hygienekonzepten eine entscheidende Bedeutung zu. Auch im Falle von Prostitutionsstätten könne zentrales Anliegen des Verordnungsgebers nur sein, Ansteckungsrisiken, die sich aus einem persönlichen Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen ergäben, entgegen zu wirken. Daher komme es zunächst wesentlich darauf an, ob der konkrete Betrieb über Räumlichkeiten verfüge, die zum gleichzeitigen Aufenthalt von mehr als zwei Personen vorgesehen seien oder ob Räumlichkeiten vorhanden seien, in denen sich mehrere Personen zum Zwecke der Anbahnung sexueller Dienstleistungen zeitgleich aufhalten sollten. Sofern im konkreten Einzelfall solche Räumlichkeiten nicht vorhanden oder nicht zugänglich seien, sei der Betrieb der jeweiligen Prostitutionsstätte grundsätzlich möglich, sofern ein individuelles Hygiene- beziehungsweise Schutzkonzept vorliege, das mindestens Aussagen zu Terminvereinbarung, Regelungen für den Zutritt, zur Kontaktvermeidung, Registrierung, Desinfektion, Reinigung, zu Abstands- und Hygieneregeln, zum Tragen von Mund-/Nasenbedeckung, zur maximalen Dauer der Dienstleistung sowie zur Belüftung vorsehe.

Das Beschwerdegericht vermag sich dem nicht anzuschließen. Der Schutz vor der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus ist jedenfalls im Bereich der Prostitution nicht darauf zu reduzieren, allein solchen „Ansteckungsrisiken, die sich aus einem persönlichen Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen ergeben“, entgegen zu wirken. Auch wenn in einer Prostitutionsstätte stets nur zwei Menschen gleichzeitig bei den Dienstleistungen im „Verrichtungszimmer“ (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 6.8.2020, a. a. O., Rn. 16) anwesend sind, kann eine (möglicherweise zunächst durch einen Kunden) infizierte Prostituierte, die im Laufe eines Tages mehrere oder zahlreiche (weitere) Kunden „bedient“, das Virus an entsprechend viele Menschen weitergeben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 GG. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG; eine Reduzierung des Streitwerts im Hinblick auf einen bloß vorläufigen Charakter des Eilverfahrens ist hier nicht vorzunehmen, da mit der begehrten Feststellung die Hauptsache vorweggenommen worden wäre.