VerfGH des Saarlandes, Beschluss vom 13.05.2020 - 14/19
Fundstelle
openJur 2020, 47786
  • Rkr:

Die Löschung aus der Architektenliste nach einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen eines nicht im Zusammenhang mit der Architektentätigkeit stehenden steuerrechtlichen Vergehens verletzt das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit in ihrer Ausprägung als Berufsfreiheit nicht.

Rubrum

VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES SAARLANDES

B E S C H L U S S

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren

der Frau Dipl.-Ing S. S.,

Verfassungsbeschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte

Beteiligte:

1. Architektenkammer des Saarlandes, vertreten durch den

Präsidenten, Neumarkt 11, 66117 Saarbrücken

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte

2. Ministerium der Justiz, vertreten durch den Minister,

Franz-Josef-Roeder-Str. 17, 66119 Saarbrücken

hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes unter Mitwirkung

des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. ...

des Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. ...

des Verfassungsrichters Prof. Dr. ...

der Verfassungsrichterin ...

der Verfassungsrichterin ...

des Verfassungsrichters ...

des Verfassungsrichters Prof. Dr. ...

der Verfassungsrichterin ...

am 13.5.2020

b e s c h l o s s e n :

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde vom 11.12.2019 gegen den Bescheid der Architektenkammer des Saarlandes vom 26.9.2017, das Urteil des Verwaltungsgerichtes des Saarlandes vom 31. Oktober 2018 - 1 K 2318/17 - , den Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes des Saarlandes vom 11. 11 2019 - 1 A 338/18 - wird zurückgewiesen.

Auslagen werden nicht erstattet. Der Gegenstandswert beträgt 15.000 €.

Gründe

A.

1.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Bescheid der Architektenkammer des Saarlandes vom 26.9.2017, durch den die Eintragung der Beschwerdeführerin als Architektin in die Architektenliste gelöscht wurde, sowie gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 31. Oktober 2018 - 1 K 2318/17 -, das die Klage gegen den vorgenannten Bescheid abgewiesen hat, und gegen den am 11.11.2019 zugestellten Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes des Saarlandes vom 11. November 2019 - 1 A338/18 -, mit welchem der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das vorgenannte Urteil zurückgewiesen wurde.

Sie sieht durch die Entscheidungen ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit als besondere Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Satz 1 SVerf verletzt.

2.

Die Beschwerdeführerin wurde am 10.März 2003 in die bei der Beteiligten zu 1.) geführte Architektenliste eingetragen und war seitdem selbständig als Architektin tätig. Außerdem betrieb sie mit zwei weiteren Personen in der Rechtsform einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes Gaststätten in Saarbrücken und in Saarlouis. Mit Kenntnis der Beschwerdeführerin manipulierte ein Mitgesellschafter das Kassensystem der Gaststätten und hinterzog damit Umsatzsteuer in den Jahren 2010-2014 in einer Gesamthöhe von 342.243,20 €. Die Beschwerdeführerin räumte in dem gegen sie gerichteten Strafverfahren innerhalb der Hauptverhandlung am 11.11.2016 im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StGB ein, dass sie von den Umsatzmanipulationen gewusst habe, auch wenn ihr die näheren Einzelheiten und der genaue Umfang nicht bekannt gewesen seien. Aufgrund dieser Tat wurde sie vom Landgericht Saarbrücken durch Urteil vom selben Tag als Mittäterin wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist rechtskräftig.

3.

Die Beteiligte zu 1.) erhielt Kenntnis von der strafrechtlichen Verurteilung und prüfte darauf hin, ob die Beschwerdeführerin aus der Architektenliste gelöscht werden müsse. Am 24. Juli 2017 beschloss der Eintragungsausschuss der Beteiligten zu 1.), die Eintragung der Beschwerdeführerin in der Architektenliste zu löschen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. September 2017 vollzog die Beteiligte zu 1). den Beschluss und löschte die Eintragung der Beteiligten in der Architektenliste. Zur Begründung führte sie aus: Die Beschwerdeführerin besitze nicht die nach § 6 Abs. 1 Nr. 5, § 5 Abs. 1 SAIG für den Beruf des Architekten erforderliche Zuverlässigkeit. Sie habe über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht nur in einem Einzelfall Steuerhinterziehungen begangen. Das belege eindeutig, dass die Beschwerdeführerin berufsbedingte und gesetzlich geforderte Verpflichtungen missachte. Es habe sich um ein berufliches und nicht nur um ein rein privates Fehlverhalten gehandelt, sodass die erhebliche Unzuverlässigkeit der Beschwerdeführerin in beruflicher Hinsicht belegt sei. Darüber hinaus begründe das Verhalten der Beschwerdeführerin auch das erhebliche Risiko, dass sie sich auf widerrechtliche Art Wettbewerbsvorteile gegenüber Berufskollegen zu verschaffen bereit und das Verhalten geeignet sei, den gesamten Berufsstand der Architekten in Misskredit zu bringen. Aus dem Fehlverhalten könne man auch auf eine allgemeine Unzuverlässigkeit in Vermögensangelegenheiten schließen. Ein Architekt, der sich bereits in eigenen Angelegenheiten widerrechtliche Vermögensvorteile verschaffe, sei in vermögensrechtlicher Hinsicht generell unzuverlässig, sodass er auch ein Risiko bei der Wahrung der Vermögensinteressen von Bauherren darstelle.

4.

Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgericht mit der Begründung, Steuervergehen unterfielen stets ausschließlich dem Begriff der Unwürdigkeit und rechtfertigten daher allenfalls Maßnahmen im Ehrenverfahren, aber keine Löschung aus der Architektenliste, da sie keine Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit als Architektin zeitigen würden.

Dieser Auffassung ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt. Nach § 6 Abs.1 SAIG sei die Eintragung in der Architektenliste zu löschen, wenn nach der Eintragung Tatsachen einträten oder bekannt würden, die im Eintragungsverfahren nach § 5 SAIG zu einer Versagung der Eintragung führen müssten. Die Eintragung in die Architektenliste sei aber zu versagen, wenn Tatsachen vorlägen, aus denen sich ergebe, dass die antragstellende Person nicht die für den Beruf erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Als unzuverlässig sei anzusehen, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür biete, dass er seinen Beruf ordnungsgemäß ausüben werde. Auch Straftaten könnten die Prognose der Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Dies gelte jedenfalls ohne Einschränkungen, wenn die Straftat einen Bezug zu dem ausgeübten Beruf aufweise. Ein Architekt, der als Gastwirt wegen Umsatzsteuerhinterziehung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe – wenn auch unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung – verurteilt worden sei, sei unzuverlässig im Sinne des Saarländischen Architektengesetzes. Denn eine solche Straftat sei nicht nur gewerbebezogen, sondern habe, gerade auch im Blick auf die Umsatzsteuer, Bezug zu dem zugleich ausgeübten Beruf der selbständigen Architektin. In der Löschung sei auch keine Doppelbestrafung zu sehen. Denn die Löschung sei keine Sanktion, sondern diene dem Schutz der potentiellen Bauherren. Das Gesetz habe dabei auch bedacht, dass der Architekt auch die Vermögensinteressen des Bauherrn zu beachten und unabhängig von eigenen finanziellen Interessen und übertriebener Gewinnorientierung zu handeln habe. Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung schütze den Anspruch des Staates auf den vollen Ertrag aus jeder einzelnen Steuerart und sei damit vermögensbezogen. Wegen des Vermögensbezuges der Straftat sei die Befürchtung begründet, dass die Klägerin auch im Rahmen ihrer Tätigkeit als Architektin die von ihr zu betreuenden Vermögensinteressen ihrer Auftraggeber aus Eigennutz gefährden könne. Dies gelte umso mehr, als die von ihr begangene Steuerhinterziehung nach der Vielzahl der Taten und der Länge des Tatzeitraumes von nicht unerheblichem Gewicht gewesen sei. Ein „Berufsverbot“ sei darin nicht zu sehen, weil die Beschwerdeführerin ja als Angestellte unter der Verantwortung eines in die Architektenliste eingetragenen Architekten arbeiten könne.

Der von der Beschwerdeführerin dagegen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe nicht die These aufgestellt, die als Gastwirt in begangene Steuerstraftat rechtfertige die Annahme, die Klägerin könne auch bei Ausübung des Berufs der Architektin ihren steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Vielmehr habe es unter Wiedergabe der einzelnen in § 3 SAIG aufgeführten Berufspflichten eines Architekten und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zu den Berufspflichten eines Architekten dargelegt, dass die begangene Straftat einen Bezug zu dem Beruf aufweise, weil einem Architekten unter anderem auch obliege, die Vermögensinteressen des Bauherrn zu beachten. Dass die Klägerin sich unter Missachtung ihrer steuerlichen Pflichten als Gastwirtin einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft habe, begründe gerade angesichts des Ausmaßes des Fehlverhalten die Befürchtung, sie könne im Rahmen ihrer Tätigkeit als Architektin die von ihr zu betreuenden Vermögensinteressen ihrer Auftraggeber gleichfalls aus Eigennutz gefährden. Im Strafverfahren habe das Landgericht in drei Fällen die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall festgestellt. Lediglich unter Berücksichtigung der geständigen Einlassung sowie des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin nicht vorbestraft gewesen sei und sich bereit gezeigt habe, den Steuerschaden wieder gutzumachen, habe es die ausgeworfenen ganz erheblichen Einzelstrafen von insgesamt vier Jahren und drei Monaten auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zurückgeführt, die zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Der Befürchtung, die Beschwerdeführerin könne im Rahmen ihrer Tätigkeit als Architektin die von ihr zu betreuenden Vermögensinteressen ihrer Auftraggeber gleichfalls aus Eigennutz gefährden, stehe auch nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin nicht selbst gehandelt habe. Es sei nicht ersichtlich, warum ihr im Rahmen des vorliegenden Verfahrens abweichend von ihrer strafrechtlich festgestellten Verantwortung zu Gute gehalten werden sollte, dass sie die Vornahme der zur Steuerhinterziehung notwendigen Tathandlungen nicht selbst vorgenommen, sondern anderen überlassen habe.

5.

Mit der am 11. Dezember 2019 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt zu sein. Ohne die Eintragung in der Architektenliste könne sie weder die Berufsbezeichnung als Architektin führen noch in dem Beruf freischaffend tätig sein. Hinreichend wichtige Gründe des Gemeinwohls, die einen Eingriff in das Grundrecht rechtfertigten, seien weder vorhanden noch festgestellt. Die der strafrechtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten der Beschwerdeführerin seien nicht berufsbezogen. Die Annahme der Unzuverlässigkeit aufgrund der Taten, die sie lediglich als Mittäterin und außerhalb ihres beruflichen Umfeldes als Architektin begangen habe, rechtfertigten nicht die Entziehung der Möglichkeit zur Berufsausübung.

6.

Die saarländische Architektenkammer und das Ministerium der Justiz haben von der eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

B.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig aber unbegründet.

I.

1.

Der Verfassungsgerichtshof ist gemäß §§ 97 Nr. 4, 9 Nr. 13, 55 VerfGHG zuständig zur Entscheidung über Verfassungsbeschwerden, die, wie im Streitfall, eine Grundrechtsträgerin mit der Behauptung erhebt, durch einen Akt der saarländischen öffentlichen Gewalt in ihren Grundrechten verletzt zu sein.

2.

Die Beschwerdeführerin ist beschwerdebefugt, weil nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass sie durch die Löschung aus der Architektenliste und deren rechtskräftige Bestätigung in der Ausübung ihres Berufs beeinträchtigt sein kann. Die Berufsfreiheit freier Berufe ist – anders als die Gewerbefreiheit (Art. 44 SVerf) – zwar durch die Verfassung des Saarlandes nicht ausdrücklich gewährleistet. Sie findet jedoch Schutz durch die Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Satz 1 SVerf. (SVerfGH, Beschl. v. 7. April 2014 - Lv 9/13; Guckelberger in Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, Art 2 Rdn. 2).

3.

Die Verfassungsbeschwerde ist innerhalb der Monatsfrist des § 56 VerfGHG fristgerecht und formgerecht erhoben worden durch einen zur Vertretung der Beschwerdeführerin befugten Rechtsanwalt.

4.

Der Rechtsweg ist erschöpft, da gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes des Saarlandes vom 11. November 2019 – 1 A 338/18 – kein weiterer Rechtsbehelf gegeben ist.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet.

1.

Die Berufsfreiheit ist in der saarländischen Verfassung durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 SVerf geschützt. Die Beschwerdeführerin übt einen freien Beruf aus, weshalb sie zutreffend davon ausgeht, dass der Schutzbereich des Art. 44 SVerf, der Gewerbefreiheit, nicht berührt ist. Die durch Art. 2 Satz 1 SVerf geschützte Berufsfreiheit ist der in Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit inhaltsgleich (VerfGH, Beschl. v. 28.3.2017 - Lv 8/16).

Die Löschung der Beschwerdeführerin aus der Architektenliste greift in den Schutzbereich ihrer Berufsfreiheit ein. Sie darf ohne diese Eintragung die Berufsbezeichnung Architektin nicht mehr führen (§ 2 Abs. 1 SAIG). Auch wenn sie ihre beruflichen Fähigkeiten als Angestellte weiter nutzen darf, sind ihr wichtige Teile der Befugnisse einer Architektin – vor allem die Bauvorlageberechtigung nach § 66 Abs. 2 Nr. 1 a der Bauordnung für das Saarland – versagt. Die Ausübung des eigenständigen Berufs einer Architektin wird ihr also wie durch ein Verbot unmöglich gemacht.

2.

Jedoch ist der Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin gerechtfertigt

a.

Die allgemeine Handlungsfreiheit in ihrer Ausprägung als Berufsfreiheit kann durch – verfassungsmäßiges – Gesetz beschränkt werden (Art. 2 Satz 1 SVerf). Eine solche Beschränkung folgt aus den §§ 5 und 6 des Saarländischen Architekten- und Ingenieurkammergesetz (SAIG) – Gesetz Nr. 1898 – vom 13. Juli 2016 (Amtsbl. I S. 714), geändert durch das Gesetz Nr. 1947 vom 13. Juni 2018 (Amtsbl. I S. 632). Über die Eintragung und Löschung von Personen in der Architektenliste entscheidet danach der Eintragungsausschuss der Architektenkammer. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 SAIG ist die Eintragung in die Architektenliste zu löschen, wenn nach der Eintragung Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die im Eintragungsverfahren nach § 5 zu einer Versagung der Eintragung geführt hätten. Die Eintragung in die Architektenliste ist nach § 5 Abs. 1 SAIG zu versagen, wenn die antragstellende Person nicht die für den jeweiligen Beruf erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestehen nicht.

b.

Die auf der Grundlage dieser Regelung beruhenden Entscheidungen, die Löschungsentscheidung der Beteiligten zu 1.) und die sie bestätigenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts, sind gleichfalls verfassungsrechtlich gleichfalls nicht zu beanstanden.

Insoweit steht es dem Verfassungsgerichtshof nicht zu, die Auslegung der §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Nr. 3 SAIG, vor allem jene der Zuverlässigkeit, durch die Verwaltungsgerichte nachzuprüfen. Vielmehr ist Maßstab seiner Kontrolle allein spezifisches Verfassungsrecht. Lediglich dann, wenn die gerichtliche Auslegung und Anwendung der Vorschriften des SAIG das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit als Gewährleistung der Berufsfreiheit übersehen, seine Bedeutung grundlegend verkannt oder die einander gegenüberstehenden Belange im Lichte des Grundrechts falsch gewichtet hätte, läge eine Verletzung der Verfassung vor. Das ist indessen nicht der Fall.

Die Löschung aus der Architektenliste enthält allerdings eine Beschränkung der Zulassung zu dem Beruf der Architektin aus Gründen, die in der Person der Beschwerdeführerin und der Beurteilung ihrer Eignung – unter dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit, also der Erwartung, dass sie nach ihrer Persönlichkeit die Regeln und Pflichten ihres Berufs beachten werde – liegen. Dabei handelt es sich um einen Eingriff von Gewicht, nämlich eine subjektive Berufswahlbeschränkung. Ein solcher Eingriff ist nur dann gerechtfertigt, wenn er einen legitimen Zweck verfolgt, nämlich zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter erfolgt, und wenn er unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine dazu geeignete, erforderliche und in Abwägung mit der Berufsfreiheit angemessene Maßnahme darstellt (so bereits BVerfGE 7, 377, 405; 44, 105). Diese Maßstäbe haben die angegriffenen Entscheidungen der Sache nach beachtet.

Das Berufsbild der Architektinnen ergibt sich aus § 3 Abs. 1 SAIG. Wesentliche Berufsaufgabe ist danach die gestaltende, technische, wirtschaftliche, umweltgerechte und soziale Planung von Bauwerken unter besonderer Beachtung der die Sicherheit der Nutzerinnen und Nutzer sowie der Öffentlichkeit betreffenden Gesichtspunkte (§ 3 Abs. 1 SAIG). Sie haben darüber hinaus ihre Auftraggeber in allen mit ihrer Beauftragung zusammenhängenden Aufgaben zu beraten, zu betreuen und zu vertreten. Dazu gehört, wie das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes zutreffend herausgestellt haben, auch, die Vermögensinteressen des Bauherrn zu beachten und unabhängig von eigenen finanziellen Interessen und übertriebener Gewinnorientierung zu handeln. Zu den verfassungsrechtlich unbedenklichen Anforderungen an die gesetzlich vorausgesetzte „Zuverlässigkeit“ der Trägerin eines freien Berufs – wie gleichfalls aller Gewerbetreibenden – gehört es, dass sie die Regeln und Pflichten beachtet, die für den Beruf oder das Gewerbe gelten. Daher kann ein rechtsbrecherisches Verhalten jedenfalls dann, wenn es von Gewicht und / oder Dauer ist, berechtigte Zweifel an der persönlichen Eignung einer Betroffenen (unter dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit) begründen. Dazu gehört auch – in den Grenzen des Architektenvertrags- und berufsrechts die Berücksichtigung steuerrechtlicher Gegebenheiten.

Zwar werden es in erster Linie spezifisch berufsbezogene Pflichtverletzungen sein, die zu solchen durchgreifenden Zweifeln führen. Das schließt indessen nicht aus, dass auch aus einem Verhalten außerhalb des konkreten Berufs, sogar einem solchen im privaten Bereich, Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit bei Ausübung des konkreten Berufs gezogen werden dürfen.

Das gilt auch für die Beschwerdeführerin. Sie ist durch das Landgericht Saarbrücken am 11. November 2016 rechtskräftig zu einer Strafe wegen mittäterschaftlich – als Gesellschafterin einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Inhaberin eines Gastronomiebetriebes – begangener Umsatzsteuerhinterziehung in fünf Fällen – nämlich für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2014 – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Die daraus gezogenen finanziellen Vorteile von mehr als 342.000 € waren für die eigene Verwendung und zur Bezahlung von Angestellten, die ihre Vergütung „schwarz“ erhielten, eingesetzt worden.

Durch die Vorschriften des Steuerrechtes werden die Vermögensinteressen des Staates im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger geschützt. Diese verfassungsrechtlich geschützten Interessen hat die Beschwerdeführerin über die Dauer vieler Jahre und in erheblichem Umfang missachtet. Wenn die angegriffenen Ent11 scheidungen – unter ausdrücklicher Würdigung der damit verbundenen Konsequenzen für die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin – daraus den Schluss gezogen haben, das in der Sache und der Dauer nach ins Gewicht fallende Fehlverhalten der Beschwerdeführerin begründe – zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Löschung aus der Architektenliste (vgl. BVerfG Beschl. v. 14.03.1995, 1 BvR 1639/91, NVwZ 1995, 1096) – die Befürchtung, sie werde auch im Rahmen ihrer Tätigkeit als Architektin die von ihr zu betreuenden Vermögensinteressen ihrer Auftraggeber oder wiederum des Staates aus Eigennutz gefährden, geht dies nicht fehl. Verurteilungen einer freiberuflich tätigen Person wegen Steuerhinterziehung können grundsätzlich Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit begründen (BVerfG Beschl. v. 28.08.2007 - 1 BvR 1098/07 - BeckRS 2010, 91718).

Die Tatsache, dass das der Verfassungsbeschwerdeführerin vorgeworfene Fehlverhalten nicht anlässlich ihrer beruflichen Tätigkeit als Architektin, sondern im Rahmen ihrer weiteren Tätigkeit als Gastwirtin ausgeübt wurde, ist von den angegriffenen Entscheidungen abgewogen worden. Insoweit ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass naturgemäß in jedem freien Beruf durch den Berufsträger selbst umsatzsteuerliche Pflichten zu beachten sind, deren detailgenaue Kontrolle zuweilen nicht einfach ist, und dass die Beratung und Betreuung von Auftraggebern unter dem Gesichtspunkt der Kostenersparnis dazu führen kann, steuerliche – oder, sachnah, sozialversicherungsrechtliche – Pflichten in den Blick zu nehmen. Daher ist es nicht sachfremd, eine sich über fünf Jahre hinziehende vorsätzliche mittäterschaftliche Umsatzsteuerhinterziehung mit einem erheblichen Steuerschaden und begleitet von der inzident festgestellten Verletzung weiterer Pflichten bei der Bezahlung von Arbeitnehmern in einem Gewerbebetrieb als durchschlagendes Indiz für die Prognose der (fehlenden) Rechtstreue einer Berufsträgerin in einem freien Beruf heranzuziehen.

Anders als die Beschwerdeführerin meint, haben die angegriffenen Entscheidungen auch die Tatumstände gewürdigt. Sie hat zwar die konkreten Taten nicht selbst vorgenommen, aber davon Kenntnis gehabt und sie geduldet. Als Mittäterin ist sie notwendigerweise Herrin über den gemeinsamen Tatplan und die Tatausführung gewesen. Die Berufspflichten einer Architektin sind nicht nur durch eigenes alleinverantwortliches aktives Handeln zu erfüllen, sondern immer wieder auch durch Verhaltensweisen im Zusammenspiel mit dritten Personen. Insoweit unterscheidet sich die Tätigkeit als Architektin von keiner anderen beruflichen Tätigkeit. Es begegnet daher auch keinen Bedenken, dass aus einem berufsfremden Handeln auf eine beruflich bezogene Unzuverlässigkeit geschlossen wird, wenn Pflichten verletzt sind, die sich auch als Berufspflichten darstellen. Auch die Zuverlässigkeit als Architektin verlangt die Achtung bestehender gesetzlicher Bestimmungen. Da die berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin einen Vermögensbezug aufweist, gilt dies ebenso für die Beachtung vermögensrechtlicher Interessen Dritter, über die sich die Beschwerdeführerin in der Vergangenheit in ihrem parallel ausgeübten Gewerbe hinweggesetzt hat.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, die angegriffenen Entscheidungen hätten den strukturellen Unterschied der Vereinnahmung von Barbeträgen in der Gastronomie und der Rechnungsstellung als Architektin nicht hinreichend gewürdigt, ist das bedeutungslos. Nicht die Gefahr einer detailgenauen Wiederholung des vorwerfbaren Verhaltens begründet den Begriff der Unzuverlässigkeit, sondern, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, die aus dem vorwerfbaren Verhalten selbst hergeleitete dauerhaft wirkende Bereitschaft zur Missachtung gesetzlicher Bestimmungen aus Eigennutz und, letztlich, Habgier.

Die hohe Bedeutung der verfolgten Gemeinwohlbelange steht der Tiefe des mit der Löschung aus der Architektenliste und dem damit verbundenen weitgehenden Entzug der Befugnis, als Architektin tätig zu sein, auch deshalb nicht entgegen, weil der Eingriff in die Berufsfreiheit nicht von Dauer sein muss. Der Beschwerdeführerin steht es – wie schon der Vergleichsvorschlag des Verwaltungsgerichts es angeregt hat – frei, zu gegebener Zeit die Wiedereintragung in die Architektenliste zu beantragen und dann eine neue Prognose ihrer Zuverlässigkeit aufgrund einer Bewährung in Freiheit zu ermöglichen.

III.

Eine Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst. Der Gegenstandswert wird in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes mit 15.000 € bemessen.