OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2018 - 20 U 81/17
Fundstelle
openJur 2020, 46612
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04.05.2017 verkündete Urteil der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin zu tragen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

III.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bliebt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Durch dieses hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie im Geltungsbereich des beim DPMA mit der Register-Nr. DE ...02 (nachfolgend "Klagedesign 1" genannt) eingetragenen Geschmacksmusters, das zur Verdeutlichung nachfolgend eingeblendet wird

zwischen dem 11.03.1999 und dem 22.09.2008

1.

Fassaden- und Dacheindeckungsplatten, insbesondere aus Schiefer, hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht, eingeführt, ausgeführt oder zu diesen Zwecken besessen hat und/oder hat herstellen, anbieten, vertreiben, einführen, ausführen oder zu diesen Zwecken hat besitzen lassen;

2.

Dritten das Recht eingeräumt oder ihnen gestattet hat, Fassaden- und Dacheindeckungsplatten, insbesondere aus Schiefer, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken einzuführen oder zu besitzen und/oder herstellen, anbieten, in Verkehr bringen oder gebrauchen zu lassen oder zu diesen Zwecken einführen oder besitzen zu lassen,

die in verschiedenen Flächenformaten nach Maßgabe folgender Abbildung gestaltet sind und somit folgende Gestaltungsmerkmale aufweisen:

(1) die Platten weisen die Form eines gleichseitigen Vierecks auf (Grundform), das im Wesentlichen als Quadrat ausgebildet ist;

(2) eine Ecke des Vierecks

(a) umschließt einen Winkel von etwa 90° und

(b) ist als die Rundung eines kreisförmigen Abschnitts ausgebildet (Eckabrundung);

(3) der Scheitelpunkt der Eckabrundung ist eckmittig angeordnet;

(4) der von der Eckabrundung umschlossene Winkel (Eckwinkel) wird symmetrisch von einer gedachten Diagonalen halbiert (winkelhalbierenden Diagonalen);

(5) die winkelhalbierende Diagonale durchläuft in etwa den Mittelpunkt der Platte;

(6) die Treffpunkte, an denen der Kreisbogen der Eckabrundung die den Eckwinkel umschließenden Viereckseiten schneidet, bilden Schnittpunkte (sog. Fersen);

wobei es zum Umfang der Auskunft nähere Anordnungen getroffen hat.

Außerdem hat das Landgericht die Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen in der Zeit vom 11.03.1999 bis zum 22.09.2008 begangener Verletzungshandlungen festgestellt und für die Wahl der günstigsten Schadensberechnungsmethode nähere Anordnungen getroffen. Weiterhin hat es festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe aller Entgelte, die sie durch Verletzungshandlungen zwischen dem 11.03.1999 und dem 22.09.2008 erhalten hat, verpflichtet ist.

Die Verurteilung hat das Landgericht nach Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Klagedesign 1 zeige eine Schiefer- oder Natursteinplatte, die folgende Gestaltungsmerkmale aufweise:

(1) die Platten weisen die Form eines gleichseitigen Vierecks auf (Grundform), welches im Wesentlichen als Quadrat ausgebildet ist;

(2) eine Ecke des Quadrats

a. umschließt einen Winkel von etwa 90° und

b. ist als die Rundung eines kreisförmigen Abschnitts ausgebildet

(Eckabrundung);

(3) der Scheitelpunkt der Eckabrundung ist eckmittig angeordnet;

(4) der von der Eckabrundung umschlossene Winkel (Eckwinkel) wird symmetrisch von einer gedachten Diagonalen halbiert (winkelhalbierende Diagonale);

(5) die winkelhalbierende Diagonale durchläuft den Mittelpunkt der Platte;

(6) die Treffpunkte, an denen der Kreisbogen der Eckabrundung, der einen gegenüber einer vollkommenen Eckabrundung (Viertelkreis) leicht vergrößerten Radius hat, die den Eckwinkel umschließenden Viereckseiten schneidet, bilden Schnittpunkte (sog. Fersen)

(7) und liegen auf den Viereckseiten so, dass weit mehr als die Hälfte der Viereckseite als gerade Kante verbleibt.

Das Merkmal (6) sei trotz der bei dem natürlichen Werkstoff Schiefer infolge des Behauens stets an den Kanten vorhandenen Unregelmäßigkeiten auf dem auf der Internetseite des DPMA hinterlegten Lichtbild, das eine entsprechende Vergrößerung zulasse, auch mit bloßem Auge zu erkennen.

Der ästhetische Gesamteindruck des Klagedesigns 1 werde indes maßgeblich durch das Zusammenspiel der zwei in den Merkmalen (1) bis (5) und (7) beschriebenen Gestaltungselemente geprägt. Zum einen wiesen die Platten die Grundform eines gleichseitigen Vierecks in Form eines Quadrats auf, dessen eine äußere Ecke abgerundet sei (Eckabrundung, Merkmale (1) bis (3) und (7)). Zum anderen bilde diese Eckabrundung den Ausschnitt eines Kreisbogens. Sie verlaufe symmetrisch zu einer gedachten eckhalbierenden Diagonalen (symmetrische Eckabrundung, Merkmale (4) und (5)). Die Kombination dieser Elemente betone das Quadratische und verleihe gleichzeitig dem Gesamtbild einen symmetrischgleichförmigen und damit harmonischen Eindruck. Das Merkmal (6), die Fersen, träte demgegenüber etwas in den Hintergrund und bleibe eher unauffällig. Es handele sich nicht um ein optisch sogleich ins Auge springendes Merkmal. Ob es stark unterzugewichten oder ihm eine stärkere Bedeutung beizumessen sei, könne dahinstehen, da sich dies im Streitfall bei der Frage des übereinstimmenden Gesamteindrucks nicht auswirke.

Das Klagedesign 1 sei aufgrund der rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des BGH vom 18.10.2007 in Sachen "Dacheindeckungsplatten" rechtsbeständig.

Das angegriffene Verletzungsmuster erwecke beim informierten Benutzer denselben Gesamteindruck wie das Klagedesign 1.

Dessen Schutzumfang sei zwar eng, aber nicht so klein, dass er im Wesentlichen auf identische Nachahmungen beschränkt sei. Bei der Gestaltung von Decksteinen bestehe zwar funktionsbedingt mit Rücksicht auf eine größtmögliche Materialausbeute und die Fachregeln des Dachdeckerhandwerks ein verhältnismäßig enger Gestaltungsspielraum, so dass die gegebene Musterdichte als hoch zu bewerten sei. Zu den nachfolgend eingeblendeten, vorbekannten Platten

Bogenschnittschablone Gebrauchsmuster ...90

weise das Klagedesign 1 jedoch aus näher ausgeführten Gründen einen erheblichen Abstand auf. Weiterhin unterstelle die Kammer zugunsten der Beklagten die Vorbekanntheit der sog. "X 1" mit einer großen Eckabrundung, die zur Verdeutlichung nachfolgend eingeblendet wird:

Dieser fehle es indes an den Merkmalen (6) und (7) mit der Folge, dass sie eher fächerförmig als quadratisch wirke.

Die Vorbekanntheit einer "X 1" mit einer kleinen Eckabrundung, wie sie in der nachfolgenden Einblendung wiedergegeben ist

könne nach der durchgeführten, umfangreichen Beweisaufnahme hingegen ebenso wenig festgestellt werden wie die der "Eternit-Platte" entsprechend nachfolgender Einblendung

der "X 2" der Fa. A. gemäß nachfolgender Einblendung

sowie einer "Bogenschnitt-Schablone" der Fa. B, so dass diese Platten bei der Bestimmung des Schutzbereichs nicht als vorbekannter Formenschatz berücksichtigt werden könnten.

Zwar sei der Beklagten die Berufung auf die von ihr ins Feld geführten Entgegenhaltungen nicht deshalb verwehrt, weil die Kammer auch insoweit an die Feststellungen des BGH im Urteil in Sachen "Dacheindeckungsplatten" gebunden sei. Denn die Bindungswirkung erstrecke sich nur auf den Bestand, nicht aber auf den Schutzumfang des Geschmacksmusters. Die Voraussetzungen des Ausnahmefalles, bei dem das Verletzungsmuster mit dem Klagedesign identisch ist, lägen hier nicht vor, da das Verletzungsmuster im Bereich der Eckabrundung, insbesondere bei der Ausprägung der Fersen, Unterschiede zum Klagedesign aufweise.

Unter Zugrundelegung eines engen Schutzbereichs erzeuge das Verletzungsmuster denselben Gesamteindruck wie das Klagedesign 1. Die angegriffene Ausführungsform übernehme die Merkmale (1) bis (5) und (7) identisch. Auch Merkmal (6) werde übernommen, wobei die sog. Fersen bei der angegriffenen Ausführungsform geringfügig stärker ausgeprägt seien als beim Klagedesign 1. Bei diesem sei der Übergang von den Längsseiten zur Eckabrundung sanfter und runder ausgestaltet, während das Verletzungsmuster über ausgeprägtere Fersen verfüge. Diesem Unterschied komme indes aus Sicht des informierten Benutzers kein erhebliches Gewicht zu, da die Platte funktionell in gleicher Weise, nämlich für die Links- und Rechtsverlegung sowie die Verlegung "nach unten" verwandt werden könne. Die Abweichung in diesem Merkmal sei damit so unbedeutend, dass sie selbst bei einem äußerst engen Schutzbereich des Klagedesigns 1 für den informierten Benutzer nicht aus dem übereinstimmenden Gesamteindruck herausführe.

Die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagedesign 1 auch dann, wenn die beanstandeten Dachplatten vor dem 28.10.2001 vermarktet worden seien. Denn das Verletzungsmuster stelle objektiv und subjektiv eine Nachbildung im Sinne von § 5 GeschmMG a.F. dar.

Die Beklagte habe zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt, weil sie ihrer Obliegenheit zur Überwachung der Schutzrechtslage nicht genügt habe. Dass die Schutzrechtslage vom DPMA vor der Eintragung des zwischenzeitlich gelöschten Gebrauchsmusters der Beklagten geprüft worden sei, rechtfertige keine andere Entscheidung.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung und macht im Wesentlichen folgendes geltend:

Das Landgericht sei überraschend von der Merkmalsanalyse der Klägerin, die lediglich 6 Merkmale beinhaltet habe, abgewichen. Mit der Schaffung des Merkmals (7) hebele das Landgericht den Streit der Parteien um das Vorhandensein zweier Fersen aus und gehe über den Klagevortrag sowie den Klageantrag hinaus. Wenn es den Parteien einen entsprechenden Hinweis erteilt hätte, hätte sie - die Beklagte - ihr rechtliches Gehör wahrnehmen und unter Aufrechterhaltung des Bestreitens des Vorhandenseins des Merkmals (6) - 2 Fersen - zur geänderten Merkmalsanalyse des Klagedesigns Stellung nehmen können. Denn auch die Entgegenhaltungen seien im Hinblick auf das Merkmal (7) zu prüfen. Wäre das geschehen, hätte das Landgericht dieses Merkmal nicht als entscheidungserheblich zu Gunsten der Klägerin heranziehen können. So habe es einen von den Feststellungen des BGH abweichenden Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters festgestellt. Angesichts des neuen Merkmals (7) habe das Landgericht auch nicht dahinstehen lassen können, ob die Fersen stark unterzugewichten seien oder ihnen eine stärkere Bedeutung für den Gesamteindruck zuzuschreiben sei. Denn Merkmal (7) sei ohne vorhandene Fersen ein nicht vorhandenes Merkmal.

Es bestünden erhebliche Bedenken an der neuerlichen Feststellung, die Beklagte sei mit dem Einwand fehlender Neuheit und Eigentümlichkeit aufgrund ihrer Löschungsklage vom BGH gehindert. Denn die Parteien hätten im Löschungsverfahren um ein Geschmacksmuster mit 6, nicht mit 7 Merkmalen gestritten. Somit sei der jetzige Streitstoff mit dem des Löschungsverfahrens nicht identisch.

Klagedesign und Verletzungsmuster wiesen keinen übereinstimmenden Gesamteindruck auf.

Sie - die Beklagte - mache sich die Feststellung des Landgerichts zum Schutzumfang des Klagedesigns zu Eigen, ohne die Begründung des Landgerichts als zutreffend anzuerkennen. Da bereits der Senat dem Klagedesign bei nur 6 Merkmalen einen engen Schutzbereich attestiert habe, müsse durch die weitere Einengung durch Merkmal (7) der Schutzbereich auf identische Gestaltungen reduziert werden. Das Landgericht habe zudem übersehen, dass bei diesem durch ein weiteres Merkmal hinzugekommenen engeren Schutzumfang die bei dem Verletzungsmuster besonders deutlich zu erkennenden Fersen im Verletzungsmuster prägend seien. Allein das hätte schon zur Klageabweisung führen müssen.

Im Zusammenhang mit Merkmal (6) sei die Urteilsbegründung widersprüchlich. Die Feststellung, die Frage des Vorhandenseins der Fersen wirke sich auf den Gesamteindruck nicht aus, widerspreche Merkmal (6). Entweder würden die maßgebenden Fachkreise die gestalterische Feinheit der Fersen erkennen oder nicht.

Ein weiterer Widerspruch ergebe sich, wenn die Kammer ausführe, dass offen bleiben könne, ob die Fersen den Gesamteindruck des Klagedesigns prägen.

Ihre Entgegenhaltungen gegen die Rechtsbeständigkeit des Klagedesigns und den Schutzumfang würden im Urteil nur unvollständig aufgezählt und fehlerhaft geprüft. Das Landgericht setze sich nur mit der Bogenschnittschablone und dem Gebrauchsmuster ...90 auseinander. Weitere vorgetragene Entgegenhaltungen würden nicht geprüft. Sie - die Beklagte - habe auch auf die C.-Spezial-Wabendeckung hingewiesen. Diese sei für das Merkmal (7) relevant. Wenn man die Entgegenhaltung der Beklagten aus dem Gebrauchsmuster ...90, nämlich eine quadratische Platte mit drei Abrundungen, die ebenfalls weit über die Hälfte der geraden Seite hinaus angebracht sind (Merkmal (7)), und einer abgewinkelte Ecke, sowie die Wabendeckung berücksichtige, sei es für einen Fachmann ein Leichtes, aus der Wabendeckung mit einer abgeschrägten symmetrisch angebrachten Ecke, eine Rundung herzustellen.

Nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils habe sie durch einen Patentanwalt eine (weitere) Recherche zu vorbekanntem Formenschatz durchführen lassen. Ergebnis sei zum einen die US-Patentschrift RE ...37 vom 09.07.1935 (Anlage BB 3), deren (nachfolgend eingeblendete) Figur 2 zwei übereinander gelegte Deckplatten zeige, die die Form des Klagedesigns vorwegnähmen:

Zum anderen gebe es mehrere Lüfterplatten zeigende Schutzrechte, nämlich das Gebrauchsmuster G ...8.7 (Anlage BB 4), das Design M ...02 (Anlage BB 5) und das Gebrauchsmuster DE ...39 U1 (Anlage BB 6), die alle im Jahr 1994 veröffentlicht worden seien und die Form des Klagegeschmacksmusters ebenfalls vorwegnähmen, so dass dessen Schutzumfang so eingeschränkt sei, dass nur identische Gestaltungsformen davon umfasst würden. Die Lüfter seien auch auf den Markt gekommen. Sie selber habe die Lüfter gemäß der Anlage BB 4 in ihren Preislisten 1994 als Zubehör angeboten und die Neueinführung beworben.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts beanstandet die Beklagte als fehlerhaft.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 04.05.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und macht hinsichtlich der neuen Entgegenhaltungen geltend, das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten sei nicht glaubwürdig. Mit der Anmeldung des von den Schutzwirkungen des Klagedesigns Gebrauch machenden Gebrauchsmusters DE ...53 U1 durch die Beklagte habe diese nicht nur die erforderliche Erfindungshöhe, sondern vor allem auch die Neuheit der in Form der angemeldeten Platte verkörperten technischen Lehre behauptet. Wenn die Beklagte dabei die ihr obliegenden Wahrheitspflichten verletzt habe, sei dies als Versuch zu werten, sich den beantragten Gebrauchsmusterschutz zu erschleichen. Schließe man dahingehende Absichten der Beklagten aus und unterstelle ein redliches Anmeldeverhalten, habe dies unmittelbare Auswirkungen auf die Einschätzung der Rechtserheblichkeit der jetzt vorgelegten Entgegenhaltungen in Bezug auf das Klagedesign. Wenn die Beklagte also erst jetzt eigene Werbemittel aus der Zeit Mitte der 1990er Jahre vorlege, um die angeblich neuheitsschädliche Vorwegnahme der durch das Klagedesign 1 geschützten Form nachzuweisen, deute dies bei realistischer Betrachtung darauf hin, dass selbst die Beklagte im Zeitpunkt ihrer Gebrauchsanmeldung diesem ihr bekannten Stand der Technik gattungsfremde, dreidimensionale Lüfterelemente betreffend überhaupt keine Relevanz für das eigene Anmeldevorhaben zugebilligt habe.

Gegenstand der US-amerikanischen Patentschrift RE ...37 sei nur die Gestaltung und Anordnung sog. Verriegelungselemente, die erfindungsgemäß als Hilfsmittel dienen sollten, um Aufwölbungen, Verformungen von Dachplatten z.B. durch Wind möglichst zu verhindern. Unklar sei, ob die Skizzen dieser Schrift auf (damals) tatsächlich existierende Erzeugnisse bezogen gewesen seien, was vorsorglich mit Nichtwissen bestritten werde. Bestritten werde auch, dass der Gegenstand der Erfindung überhaupt jemals tatsächlich - vor allem im Inland - angewandt worden sei. Dies sei schon deshalb fraglich, weil derart gestaltete Platten nicht die von den Fachregeln des ZVDH geforderte Mindestabdeckung einhielten. Es fehle deshalb an der inländischen Marktpräsenz. Zudem sei die Patentschrift bei Anmeldung des Klagedesigns bereits 63 Jahre alt gewesen. Die Figuren zeigten eine Verlegung ohne Fersen. Dem Patent entsprechende Eindeckungsplatten hätten nach den Regeln des deutschen Dachdeckerhandwerks überhaupt nicht verlegt werden können. Zudem habe sich kein Fachmann bei Anmeldung und Eintragung der Klagedesigns an diese Patentschrift erinnert. Die Gegenstände des Gebrauchsmusters Anlage BB 4 und des Designs Anlage BB 5, Entlüftungsplatten für Schindeldächer bzw. Lüfter für Schieferdächer, seien gattungsfremd. Es handele sich jeweils um eine aus zwei unterschiedlichen Teilen bestehende dreidimensionale Lüftungseinheit. Auch sie seien ohne Einfluss auf die Gestaltung von Dach- und Fassadeneindeckungsplatten geblieben. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin die Auffassung vertreten, der angegriffenen Ausführungsform komme schon aufgrund ihres Markterfolges ein weiter Schutzbereich zu. Für Schieferplatten gelte, auch was die Formen anbelange, allein ein nationaler Markt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist unter Berücksichtigung des in der zweiten Instanz relevanten Sach- und Streitstandes unbegründet. Danach stehen der Klägerin gegenüber der Beklagten keine Schadensersatzansprüche (§ 42 Abs. 2, § 38 Abs. 1 DesignG) und damit auch keine Auskunftsansprüche (§ 46 DesignG, § 242 BGB) zu, da die angegriffene Ausführungsform weder das oben gezeigte Klagedesign 1 noch das nachfolgend eingeblendete Klagedesign 2 (DE ...01) verletzt:

1.) Ohne Erfolg bleiben zwar die Angriffe der Beklagten gegen die Erfassung des Gegenstands des Klagedesigns 1 durch das Landgericht.

a) Die vom Landgericht vorgenommene Ergänzung der Merkmalsanalyse durch das Merkmal (7) ist nicht zu beanstanden. Die hiermit getroffene Feststellung, dass die Treffpunkte, an denen der Kreisbogen der Eckabrundung die den Eckwinkel umschließenden Viereckseiten schneidet, so auf den Viereckseiten liegen, dass weit mehr als die Hälfte der Viereckseite als gerade Kante verbleibt, ist in der Sache zutreffend, was auch die Beklagte nicht bestreitet. Sie gilt in gleicher Weise für das Klagedesign 2.

Die Schaffung des Merkmals, das in den Merkmalsanalysen der bisherigen Verfahren, die sich mit dem Schutzrecht DE ...18 zu befassen hatten, nicht auftaucht, steht nicht in Widerspruch zu der Annahme des Landgerichts, die konkrete Gewichtung des Merkmals (6), nämlich des Vorhandenseins der Fersen, könne vorliegend offen bleiben. Abgesehen davon, dass sich Merkmal (7) nicht mit den Fersen, die von den Treffpunkten gebildet werden, sondern der Lage der Treffpunkte befasst (die Ausbildung der Fersen ist eine Folge der Ausprägung der Eckabrundung), ist die Beschreibung des Gegenstands des Designs in Form einer Merkmalsanalyse von der Beschreibung seines ästhetischen Gesamteindrucks zu unterscheiden. Nicht alle Merkmale, die Eingang in die Merkmalsanalyse zu finden haben, prägen diesen Gesamteindruck in gleicher Weise, so dass die Beurteilung - wie vom Landgericht vorgenommen - zweistufig zu erfolgen hat.

Ob sich die Klägerin auf die Eigenschaft des Klageschutzrechts, wie sie in Merkmal (7) zum Ausdruck gebracht wird, berufen hat, ist unerheblich. Denn das Gericht ist an den diesbezüglichen Parteivortrag nicht gebunden, sondern hat den Gegenstand des streitgegenständlichen Schutzrechts eigenständig zu bestimmen. Wenn das Landgericht insofern über den Klagevortrag hinausgegangen ist, ist dies deshalb entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu beanstanden.

Dass das Landgericht durch Schaffung des Merkmals (7) über den Klageantrag hinausgegangen sein soll, ist unzutreffend. Der Antrag bezieht sich zum einen auf die konkrete Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform, nicht die des Klageschutzrechts. Was die Beschreibung der angegriffenen Ausführungsform im Antrag anbelangt, ist das Landgericht dem ohne jede Abänderung gefolgt. Im Übrigen führt die Einfügung eines weiteren Merkmals schon grundsätzlich nicht zu einer Erweiterung, sondern zu einer Einschränkung des Begehrens.

Schließlich ist das Landgericht mit der Schaffung des so bisher weder vom BGH noch vom hiesigen Senat formulierten Merkmals (7) nicht von deren Beurteilungen des Gesamteindrucks des Klagedesigns abgewichen. Vielmehr hat es in Übereinstimmung mit den in den Verfahren I ZR 100/05, I-20 U 34/04 OLG Düsseldorf und I-20 U 66/12 OLG Düsseldorf getroffenen Feststellungen ausgeführt, dass der ästhetische Gesamteindruck des Klageschutzrechts durch ein Zusammenspiel von Merkmalen geprägt wird, das zwar das Quadratische betont, dem Gesamtbild aber gleichzeitig einen symmetrischgleichförmigen und damit harmonischen Eindruck verleiht. Woraus sich der Eindruck des "Quadratischen" ergibt, der schon in Merkmal (1) (Grundform des Vierecks, welches im Wesentlichen als Quadrat ausgebildet ist) seinen Niederschlag gefunden hat, wird vom Landgericht durch Merkmal (7) (die Treffpunkte, an denen der Kreisbogen der Eckabrundung die den Eckwinkel umschließenden Viereckseiten schneidet, liegen auf den Viereckseiten so, dass weit mehr als die Hälfte der Viereckseite als gerade Kante verbleibt) lediglich konkretisiert.

Dass der BGH den von ihm bejahten "symmetrischgleichförmigen und damit harmonischen Eindruck" (siehe GRUR 2008, 153 Rdnr. 28 - Dacheindeckungsplatten) nicht um die mit Merkmal (7) erfolgte Beschreibung der konkreten Ausprägung der Symmetrie des Klageschutzrechts ergänzt hat, lag daran, dass die von ihm zu prüfenden Entgegenhaltungen entweder asymmetrisch waren, wie in der nachfolgenden Einblendung wiedergegeben:

Geschmacksmuster Nr. ...95

... ...

Schuppenschablone Bogenschnittschablone

(rechte Schuppe) (Bogenschnittschablone rechts)

oder zwar symmetrisch waren, aber gleichwohl - ohne dass es auf die Länge der Viereckseiten ankam - einen anderen Gesamteindruck vermittelten als das Klageschutzrecht. In Bezug auf die zuletzt genannten Entgegenhaltungen - die "Spezial-Wabendeckung", wie sie in der nachfolgenden Einblendung gezeigt wird

und die sog. Rechteck-Schablone, wie sie beispielsweise in der nachfolgend eingeblendeten Preisliste von D. Anlage B 4 (dort Seite 2) wiedergegeben ist

hat der BGH unter Rdnr. 29 seiner Entscheidung folgendes ausgeführt:

"Bei seinem Gesamtvergleich der angegriffenen Muster mit den vorbekannten Decksteingestaltungen hat das Berufungsgericht weiter rechtsfehlerfrei ausgeführt, der vom Symmetrie geprägte Gesamteindruck der Muster sei eigentümlich. Die vorbekannten Decksteine wiesen jeweils nur einzelne der Merkmale auf, die für den Gesamteindruck der Muster prägend seien. Sie hätten stets ein "unregelmäßiges" und gerade nicht symmetrisches und ausgewogenes Erscheinungsbild. Auch wenn einzelne Gestaltungsänderungen wie der Schritt vom Rechteck zum Quadrat in zeichnerischer oder handwerklicher Sicht keine besonderen Fähigkeiten erforderten, ergebe der Vergleich der bekannten Formen mit den Mustern doch einen anderen Gesamteindruck. Dies gelte auch für die in der Preisliste der Klägerin aus dem Jahr 1986 angebotenen Decksteine. Die "Spezial-Wabendeckung", der eine quadratische Grundform zu Grunde liege, weise keine Eckabrundung, sondern nur eine "abgeschnittene Ecke" auf. Die beiden so genannten Rechteck-Schablonen hätten zwar (rechts bzw. links) eine Eckabrundung, aber die Form eines Rechtecks und vermittelten daher keinen symmetrischen und ausgewogenen Eindruck."

Eine Abgrenzung wie durch Merkmal (7) vorgenommen hatte auch nicht in den beim Senat anhängigen Verfahren I-20 U 34/04 und I-20 U 66/12 zu erfolgen. In letzteres war zwar bereits das Gebrauchsmuster ...90 als Entgegenhaltung eingeführt, das wie nachfolgend gezeigt

ebenfalls durch eine symmetrische Ausgestaltung besticht. Auf einen konkreten Vergleich mit dem Klageschutzrecht konnte der Senat damals jedoch verzichten, da er die Vorbekanntheit einer wie folgt ausgebildeten Eternit-Platte

angenommen hat.

Anders liegt der Fall im vorliegenden Verfahren in Bezug auf die Entgegenhaltung "X 1 mit großer Rundung", wie sie in nachfolgender Einblendung nochmals gezeigt wird:

Deren Vorbekanntheit hat das Landgericht zugunsten der Beklagten unterstellt, musste sie daher auch zum Klagedesign abgrenzen. Dies hat es unter Hinweis auf das Fehlen der Merkmale (6) und (7) mit der Folge, dass die X 1 mit großer Rundung eher fächerförmig als quadratisch wirke, getan. Ohne Merkmal (7) wäre dies nicht möglich gewesen, da man hier das Vorliegen eines "Vierecks, welches im Wesentlichen als Quadrat ausgebildet ist" (Merkmal (1)) möglicherweise mit der Begründung hätte bejahen können, dass durch die gleiche Länge der beiden gerade ausgebildeten Seitenkanten ebenfalls "im Wesentlichen" ein Quadrat gegeben ist.

b) Zutreffend ist das Landgericht weiterhin davon ausgegangen, dass das Klagedesign 1 über zwei Fersen verfügt (Merkmal (6)). Der Senat verbleibt insofern bei der schon in seinen Urteilen vom 23.03.2010 (I-20 U 34/04) und 23.07.2013 (I-20 U 66/12) getroffenen Feststellung, dass die zum Klagedesign 1 hinterlegten Lichtbilder das Vorhandensein zweier Fersen deutlich erkennen lassen, auch wenn diese nicht "ins Auge springen". Aufgrund des zuletzt genannten Umstands gibt es auch nicht den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als gegeben angesehenen Widerspruch zwischen dem vom BGH in der Entscheidung "Dacheindeckungsplatten" festgestellten Gesamteindruck der Klagedesigns und dem Vorhandensein von Fersen. Da die Fersen im Rahmen der optischen Gesamtwirkung eher unauffällig bleiben, was Auswirkung des Umstands ist, dass die Abrundung der Ecke nur schwach abgeflacht ist, erfährt auch das Klagedesign 1 durch die augenfällige Kombination der Grundform eines gleichseitigen Vierecks mit einer den Ausschnitt eines Kreisbogens bildenden Eckabrundung den vom BGH festgestellten symmetrischgleichförmigen und damit harmonischen Eindruck (siehe GRUR 2008, 153 Rdnr. 28 - Dacheindeckungsplatten). Eine detailliertere Beschreibung war im Löschungsverfahren angesichts des dort zu würdigenden vorbekannten Formenschatzes nicht erforderlich, wie sich aus den obigen Einblendungen ergibt. Dass auch der BGH das Vorhandensein von Fersen nicht in Widerspruch mit einem symmetrischgleichförmigen und damit harmonischen Gesamteindruck stehend ansieht, belegt der Umstand, dass er die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats im Verfahren I-20 U 66/12, in dem das Vorhandensein von Fersen beim Klagedesign 1 festgestellt wird, zurückgewiesen hat. Der Vollständigkeit halber sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass die Fersen zwar über eine technische Funktion verfügen, aber als die Grundform der Platte mitbestimmend auch ästhetische Wirkungen haben, so dass sie nicht unter den Schutzausschlusstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG fallen (vgl. EuGH GRUR 2018, 612 - DOCERAM/CeramTec). Etwas anderes hat der Senat entgegen der Behauptung der Klägerin in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 11.09.2018 in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben.

Ob das Klagedesign 2 über Fersen verfügt, kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Ist dies der Fall, sind sie jedenfalls noch geringer ausgeprägt als beim Klagedesign 1 und es gilt an dieser Stelle das gerade Gesagte.

2.) Auf die vom Senat im Verfahren I-20 U 66/12 wiederum ohne Beanstandung durch den BGH bejahte Bindung an die rechtskräftige Abweisung der Löschungsklage der Beklagten gegen das Klageschutzrecht hat Merkmal (7) entgegen der Ansicht der Beklagten ebenfalls keinen Einfluss, da Merkmal (7) keinen anderen Streitgegenstand schafft. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf den Bestand des Klageschutzrechts mit dem Inhalt der hierzu hinterlegten Lichtbilder.

3.) Die angegriffene Ausführungsform vermittelt jedoch nicht denselben Gesamteindruck wie das Klagedesign 1. Dessen Schutzbereich erweist sich angesichts des vorbekannten Formenschatzes als so eng, dass die vorhandenen Unterschiede zwischen Klagedesign 1 und angegriffener Ausführungsform letztere aus ihm herausführen. Dies gilt auch in Bezug auf das Klagedesign 2 und zwar sowohl, wenn es über Fersen verfügt, als auch - und erst Recht - dann, wenn es keine Fersen aufweisen sollte.

a) Zwar hat Merkmal (7) nach dem gerade Gesagten keine Auswirkungen auf den Schutzbereich der Klageschutzrechte, da es lediglich eine Konkretisierung des ohnehin schon nach Merkmal (1) zugrunde zu legenden quadratischen Gesamteindrucks darstellt.

b) Auch hält der von der Beklagten in erster Instanz in das Verfahren eingeführte Formenschatz, soweit er unstreitig ist, einen erheblichen Abstand zu den Klagedesigns ein.

aa) Dies gilt angesichts des zu ihr bereits Gesagten zunächst in Bezug auf die "Spezial-Wabe", zu der das Landgericht keine konkreten Ausführungen gemacht hat.

bb) Die von der Beklagten im angefochtenen Urteil vermisste Auseinandersetzung mit der Entgegenhaltung Anlage B 10 ist nicht erforderlich, da es sich hierbei nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten lediglich um eine "Zeitungsmater" handelt, also eine Form zur Erzeugung von Lettern oder Satzzeilen. Eine Bekanntheit der darauf abgebildeten Eindeckungsplatten kann mithin nur durch eine Verwendung der Mater für Veröffentlichungen herbeigeführt worden sein. Demgemäß hat die Beklagte in der Klageerwiderung im unmittelbaren Anschluss an die Einführung der Mater auf die Bewerbung gemäß Anlage B 11 abgestellt, auf die sogleich einzugehen sein wird.

cc) Weshalb die Würdigung des Landgerichts, was die Entgegenhaltung "Bogenschnittschablone" anbelangt, unrichtig bzw. unvollständig sein soll, wird von der Beklagten nicht erläutert und ist auch nicht ersichtlich. Zu Recht hat das Landgericht einen erheblichen Abstand dieser Platte zum Klagedesign 1 damit begründet, dass sie zwar quadratisch ist, aber keine symmetrische Eckabrundung aufweist. Gleiches gilt in Bezug auf den Abstand zum Klagedesign 2.

dd) Dass das Gebrauchsmuster ...90 Merkmal (7) verwirklicht, hat das Landgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt. Dies war entgegen der Ansicht der Beklagten bei der Abgrenzung zum Klagedesign 1 aber auch nicht notwendig, da sich der erhebliche Abstand - wie vom Landgericht festgestellt - daraus ergibt, dass dieses Gebrauchsmuster nicht nur über eine, sondern über vier symmetrische Eckabrundungen und keine oder allenfalls ganz gering ausgeprägte Fersen verfügt. Auch hier gilt Gleiches für das Klagedesign 2.

ee) Soweit die Beklagte eine weitergehende Einengung des Schutzbereichs als vom Landgericht angenommen daraus herleiten will, dass eine Kombination der Kantenlängen der symmetrischen Spezial-Wabe mit einer Eckabrundung wie im Gebrauchsmuster ...90 gezeigt für den Fachmann nahe gelegen habe, steht dem bereits entgegen, dass es für die Frage, welchen Abstand das Klagemuster zum vorbekannten Formenschatz einhält, nach der Rechtsprechung nicht auf einen Vergleich einzelner Merkmale des Klagemusters mit einzelnen Merkmalen vorbekannter Muster ankommt. Maßgeblich ist vielmehr der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster, der darüber entscheidet, wie groß die Ähnlichkeit des Klagemusters mit dem vorbekannten Formenschatz ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 285 Rdnr. 34 - Kinderwagen II, s. auch EuGH, GRUR 2014, 774 - KMF/Dunnes). Zwar hat der Senat im Falle einer tatsächlich naheliegenden Kombination zweier vorbekannter Formen angenommen, dass der Abstand zu beiden vorbekannten Formen jeweils eher gering sei. Mit dieser Begründung hat er jedoch nur das Vorliegen eines vom dortigen Kläger reklamierten großen Schutzbereichs verneint (Urt. v. 3.5.2016 - 20 U 85/15, GRUR-RS 2016, 10002). Ein auf identische Nachahmungen begrenzter Schutzbereich kommt daher vorliegend unter keinem Gesichtspunkt in Betracht.

c) Was den in erster Instanz streitigen Formenschatz anbelangt, hätte der Senat - wenn dieser Formenschatz entscheidungserheblich geworden wäre - die vor dem Landgericht erfolgte Beweisaufnahme jedenfalls teilweise wiederholen müssen, da der Beweiswürdigung des Landgerichts in weiten Teilen nicht beigetreten werden kann. Die Gründe hierfür sind zwar nicht entscheidungserheblich. Der - zu anderen Gesichtspunkten - nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 11.09.2018 gibt aber Veranlassung zu folgenden Ausführungen, um Missverständnisse zu vermeiden:

Was die Werbung von E. anbelangt, hat das Landgericht den darin enthaltenen Widerspruch zwischen der in der 3. Reihe von oben abgebildeten Platte und dem daneben abgebildeten, zur Platte nicht passenden Verlegebild anders aufgelöst, als es der Senat im Vorverfahren 20 U 66/12 getan hat. Während der Senat damals davon ausgegangen war, der Verkehr gehe davon aus, dass ein von der klassischen Bogenschnittschablone abweichendes Erzeugnis mit einer symmetrisch zur eckhalbierenden Diagonalen abgerundeten Ecke habe dargestellt werden sollen, welches lediglich einer falschen Verlegeanordnung zugeordnet worden sei, hat das Landgericht argumentiert, da in der Werbung die vier Deckungsarten aufgezählt würden, die dann auch tatsächlich gezeigt worden seien, und es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass eine zuvor unbekannte Platte mit symmetrischer Eckabrundung habe beworben werden sollen (ein Hinweis auf eine etwaige "neue Form" finde sich dort gerade nicht), seien die Fachkreise davon ausgegangen, dass dort eigentlich eine Bogenschnittschablone habe gezeigt werden sollen und es sich insofern um eine ungenaue oder schematisierte Darstellung handele. Die Argumentation des Landgerichts zur Auflösung des Widerspruchs hält der Senat in der jetzigen Besetzung insofern für überzeugender, da es lebensnah ist anzunehmen, dass aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs eine neue Plattenform auch mit dem Schlagwort "neu" beworben worden wäre. Dies bedeutet nach Ansicht des Senats jedoch nicht, dass die Skizze der Einzelplatte in Reihe 3 zwingend als ungenau zu beurteilen ist, sondern nur, dass sie eine tatsächlich nicht angebotene Plattenform zeigt und lediglich aufgrund eines Fehlers in die Werbung Eingang gefunden hat.

Dass damit eine Bewerbung der "Eternit-Platte" nicht festgestellt werden kann, bedeutet entgegen der von der Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz vom 11.09.2018 geäußerten Ansicht nicht, dass der Vertrieb einer solchen Platte damit ausgeschlossen oder unbeweisbar ist.

Mit dieser Argumentation folgt die Klägerin dem Landgericht, das den ergiebigen Aussagen der von ihm auch als glaubwürdig bezeichneten Zeugen Z1, Z2 und Z3, die erklärt haben, einer solchen Platte von E. in vorbekannter Zeit tatsächlich begegnet zu sein, nicht gefolgt ist, weil - so die Begründung -

- es an Unterlagen und/oder Originalplatten fehle, die es nach Ansicht des Landgerichts noch geben müsse,

- die Zeugen Z4, Z5, Z6 und Z7, alles ehemalige Mitarbeiter von E., die frühestens ab Mitte der 1970er Jahre bei dieser Firma gearbeitet haben, die Platte nicht kannten,

- die Platten keinen Eingang in die Fachregeln des Dachdeckerhandwerks gefunden haben,

Das ist zum Teil systematisch fehlerhaft und lässt im Übrigen die Umstände des vorliegenden Falles außer Betracht. Gerade wenn es keine anderen Beweismittel wie Unterlagen oder Originalteile mehr gibt, kommt dem Zeugenbeweis die entscheidende Rolle zu. Dass die Zeugen Z4, Z5, Z6 und Z7 die Platte nicht kannten, spricht nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit gegen die Richtigkeit der Aussagen der Zeugen Z1, Z2 und Z3, sondern kann wie das Fehlen von Unterlagen und Originalteilen ebenso gut damit erklärt werden, dass sich die Platte nicht gut verkauft hat, weil den Dachdeckern das Verlegebild nicht gefiel ("zu weich" war, so der Zeuge Z1, "nicht klassisch" war, so der Zeuge Z3). Gleiches gilt für den fehlenden Eingang der Platte in die Fachregeln des Dachdeckerhandwerks.

Soweit das Landgericht im Rahmen der Würdigung anderer Zeugenaussagen und der Schwierigkeit, aus den Aussagen eine einheitliche Gestaltung der Entgegenhaltung abzuleiten, noch einmal auf die Aussagen der Zeugen Z1, Z2 und Z3 zurückgekommen ist und sich daran gestört hat, dass die Zeugen Z3 und Z1 nicht auf die Platten gemäß den vorgehaltenen Anlagen A 24 und A 34, sondern die stilisierte Darstellung verwiesen hätten, während der Zeuge Z2 sich zur Abgrenzung zu der stilisierten Darstellung auf die Gestalt der aktuell vertriebenen "Eternit-Platte" berufen habe, ist das in der Sache unrichtig und wird im Übrigen auch dem Aussageverhalten von Zeugen sowie dem Zeitablauf nicht gerecht. Der Zeuge Z1 hat unter anderem bekundet:

"Wenn mir die Platte gemäß Anlage A 34 vorgehalten wird, so handelt es sich dabei um die Form, über die wir hier heute sprechen, also um eine Platte mit symmetrischem Bogen.",

was er zwar hinsichtlich der Rundung wie folgt eingeschränkt hat:

"Allerdings geht der Bogen bei der Anlage A 34 etwas kantiger in die Gerade über, als dies nach meiner Erinnerung bei der vormaligen Universalplatte der Fall war.",

aber nichts daran ändert, dass er nicht nur auf die stilisierte Darstellung, sondern eben auch auf die Platte A 34 Bezug genommen hat. Gleiches gilt in Bezug auf den Zeugen Z3, der ebenfalls nicht nur auf die stilisierte Darstellung Bezug genommen, sondern ausgesagt hat:

"Wenn mir die heute überreichte Eternitplatte vorgehalten wird, so sah die damalige Platte in etwa so aus. Sie war natürlich größer, da es ja, wie ich schon sagte, Platten in der Größe 30 x 30 waren. Die Rundung war ähnlich, allerdings nach nach meinem Dafürhalten vielleicht etwas stärker gerundet, nämlich so wie man es auch in der Abbildung B 12 sieht. Wenn ich die Platte nochmal anschaue, so meine ich, dass insgesamt die Rundung bei den damaligen Platten stärker ausgeprägt gewesen sei."

Überhaupt ist es angesichts des menschlichen Erinnerungsvermögens und des Zeitablaufs verfehlt, die Zeugen auf eine winkelgenaue Bestimmung der Rundungsgröße der von ihnen beschriebenen Platten festzulegen bzw. die Vorlage von Originalplatten zu den von ihnen bekundeten Begebenheiten zu erwarten, wie es das Landgericht beim Zeugen Z8 getan hat, um ihren Angaben Glauben zu schenken. Das ist zur Klärung der Beweisfrage auch nicht erforderlich. Denn entscheidend ist hierfür allein, ob E. damals eine quadratische Platte vertrieben hat, die den gleichen Gesamteindruck wie das Klageschutzrecht mit Ausnahme des Merkmals (6) (Fersen) vermittelt. Dies ist anhand von Zeugenaussagen, die sich auf die der Anlage B 12 entnommene Skizze

beziehen, nach Ansicht des Senats unproblematisch möglich.

Hierzu in Widerspruch steht nicht der im Verfahren I-20 U 66/12 OLG Düsseldorf ergangene, vom Landgericht in Bezug genommene Hinweisbeschluss. Der dortige Hinweis unter Ziff. V, es sei keineswegs sicher, dass sich die Gestalt der Entgegenhaltungen allein aufgrund von Zeugenaussagen hinreichend werde feststellen lassen, bezog sich, wie sich aus dem Text des Hinweisbeschlusses ergibt, zum einen auf das Fehlen aussagekräftiger Abbildungen oder Muster im Hinblick auf die in den Raum gestellten Platten der Fa. A. und der Fa. B. sowie, was die Eternit-Platte anbelangt, auf die Divergenz zwischen Abbildung der einzelnen Platte und dem Bild der im Verband verlegten Platten. Nichts anderes ergibt sich auch aus der vom Landgericht ebenfalls in Bezug genommenen Entscheidung "Schlüsselanhänger" des Senats (GRUR 1985, 545 (546)). Dort war die Form der Entgegenhaltung allein aufgrund der Aussage eines Zeugen und einer von diesem nach der Erinnerung aus der Hand gefertigten Skizze zu beurteilen. Vorliegend handelt es sich bei der von den Zeugen (auch) in Bezug genommenen Darstellung Anlage B 12 um eine von technischen Zeichnern erstellte und von einer Fachfirma veröffentlichte Skizze. Es gibt daher keinen Anlass, ihr eine erhebliche Ungenauigkeit zu unterstellen, nur weil es sich um keine technische Zeichnung handelt. Bei den Zeugen handelt es sich zudem um Fachleute, die die unterschiedlichen Formengestaltungen von Eindeckplatten und ihre Hintergründe kennen, Platten damit entsprechend wahrnehmen und in ihren Eigenschaften konkret gegeneinander abgrenzen können sowie eine Skizze wie die vorliegende demgemäß mit einem entsprechenden Verständnis betrachten.

Ebenfalls nicht gefolgt werden kann der Feststellung des Landgerichts, der Zeuge Z8 habe keine detaillierten Angaben zu der Gestalt der Platten gemacht, die er im Jahr 2003 vom Dach seines Elternhauses geholt habe. Der Zeuge - selber Dachdecker - hat nämlich bekundet, die Platten hätten einen symmetrischen Bogen gehabt und so ausgesehen, wie er es aufzeichne. Diese Aufzeichnung befindet sich als Anlage zum Protokoll vom 20.09.2016 und sieht wie folgt aus:

In Verbindung mit der Beschreibung als symmetrisch und ohne Fersen, ist eine Subsumierung unter die Merkmale des Klageschutzrechts ohne Fersen möglich. Dass der Zeuge nicht die Herstellerfirma der Platten benennen konnte, wie vom Landgericht vermisst, macht seine Aussage weder unergiebig noch unglaubhaft. Der Zeuge war, als die Platten verlegt wurden, noch ein kleiner Junge. Das erklärt, dass er sich für die Herstellerfirma der Platten bei Verlegung nicht interessiert hat, spricht aber nicht dafür, dass seine Erinnerung insgesamt nicht belastbar ist. Die Deckung des Daches seines Elternhauses war, wie sich aus seiner Aussage ergibt, für den Zeugen Z8 ein außergewöhnliches Ereignis. Gleichfalls außergewöhnliche Ereignisse waren für die Zeugen Z9 und Z10, so lesen sich ihre Aussagen, die Fahrten mit ihren jeweiligen Vätern nach Spanien. Das ist aufgrund der jeweiligen Umstände jeweils gut nachvollziehbar und im Übrigen lebensnah. Außergewöhnliche Ereignisse bleiben aber auch Kindern in der Regel lange im Gedächtnis.

Weshalb es - so das Landgericht - gegen die Verwendung der "Eternit-Platte" als Vorlage für die "Schieferplatte-Z9" sprechen soll, dass nach Ansicht des Landgerichts nicht festgestellt werden konnte, dass die nach der "Schieferplatte-Z9" gefertigten Platten über eine kleine Eckabrundung verfügten, erschließt sich dem Senat nicht. Das Landgericht hat zwar den Zeugen Z11 und Z12 nicht geglaubt, die bekundet haben, die Fa. A. habe solche Platten mit kleiner Eckabrundung gefertigt. Das bedeutet aber - die vom Landgericht angenommene Unglaubhaftigkeit der Aussagen unterstellt - lediglich, dass nicht bewiesen ist, dass die Fa. A. solche Platten gefertigt hat. Es bedeutet nicht, dass feststeht, dass sie solche Platten nicht gefertigt hat. Nur dann wäre aber der vom Landgericht gezogene Rückschluss in Bezug auf den Übergang der Gestalt von der "E.-Platte" auf die "Schieferplatte-Z9" gerechtfertigt.

Bereits diese - nicht abschließenden - Ausführungen zeigen, dass und weshalb der Beweiswürdigung des Landgerichts so nicht hätte beigetreten werden können.

Bei der deshalb notwendigen Beweisaufnahme durch den Senat wäre zu beachten gewesen, dass die Feststellung im Verfahren I-20 U 66/12, nach dem Vorbild der Schieferplatte "Z9" seien ab 1985 von der spanischen Firma A. Schieferplatten wie die nachstehend links wiedergegebene hergestellt und jedenfalls vor Mitte 1998 mit dem Katalog Anlage B 8 beworben worden, aus dem die nachstehend rechts vergrößert wiedergegebene Abbildung stamme:

im Hinblick auf das anders als im Verfahren I-20 U 66/12 vorliegend mit zu beurteilende Merkmal (7) ("weit mehr als die Hälfte der Viereckseite als gerade Kante verbleibt") hätte keinen Bestand haben können. Bei der "D.-Bogenschnittschablone" ist Merkmal (7) zweifelsfrei erfüllt, bei der "Z10-Platte" jedoch nicht. Bei ihr ist genau die Hälfte der oben gelegenen Seite gerade, bei der links abgebildeten Seite etwas mehr als die Hälfte, was sich auch im Gesamteindruck niederschlägt. Die Z10-Platte ist damit zwischen der Spezialschuppe mit großer Rundung und der "D.-Bogenschnittschablone" anzusiedeln, was nachfolgende Einblendung verdeutlicht:

"X1 "Z10-Platte" "D.-

mit großer Rundung" Bogenschnittschablone"

Die "Z10-Platte" entspricht auf erste Sicht der Form, die der Zeuge Z13 als häufigste Gestaltung der von seiner Firma vertriebenen "X 1" bezeichnet hat, nämlich der, bei der die Rundung jeweils auf der Mitte der Seiten ansetzt. In diese Richtung geht auch die Aussage des Zeugen Z14, der nicht nur - wie schon gesagt - bekundet hat, dass die Z10-Platte nicht der Platte Anlage A 34, sondern der Schablone Z13 entsprach, sondern auch ausgesagt hat, an jeder Seite seien zunächst circa 10 cm Gerade geblieben und dann habe der Bogen angesetzt. Das entspricht bei einer Platte 20 x 20 (der Zeuge Z13 hat von Platten mit den Maßen 20 x 20 und 25 x 25 gesprochen) einem Ansetzen der Rundung auf der Mitte der Seiten. Die materialgeschuldete Toleranzdifferenz liegt dann bei der eingeblendeten Z10-Platte darin, dass die Rundung auf der linken Seite nicht mittig ansetzt, sondern die Gerade etwas länger ist.

Mit der genannten Maßgabe, die im Falle der Notwendigkeit der Beweisaufnahme mit den Parteien vorab zu erörtern gewesen wäre, ist die "Z10-Platte" vom Klageschutzrecht weiter entfernt als die "D.-Bogenschnittschablone", was abhängig vom Ergebnis der Beweisaufnahme Einfluss auf die Bestimmung des Schutzbereichs gehabt hätte.

d) Ohne Beweisaufnahme zu berücksichtigen und die Klage zu Fall bringend ist jedoch ein Teil des von der Beklagten erstmals in der Berufung eingeführten Formenschatzes. Dieser ist, auch wenn die Parteien seit inzwischen 15 Jahren prozessieren und das erst jetzige Auffinden weiterer Entgegenhaltungen erstaunt, der Beurteilung im vorliegenden Verfahren zugrunde zu legen. Der entsprechende Vortrag der Beklagten ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verspätet. § 531 Abs. 2 ZPO ist unanwendbar, da die von der Beklagten insofern in Bezug genommenen Registereintragungen als solche unstreitig sind (dessen hat sich der Senat im Termin durch Nachfrage nochmals versichert) und unstreitiges Vorbringen nach ständiger Rechtsprechung des BGH (seit BGH NJW 2008, 3434, siehe Rimmelspacher in: MüKo, ZPO, 5. Aufl., § 531 Rdnr. 29) als nur noch eine Rechtsanwendung des Berufungsgerichts auslösend zu berücksichtigen ist.

aa) Was die nunmehr entgegen gehaltenen Lüfterplatten anbelangt, handelt es sich zwar möglicherweise um in der Grundfläche der den Klagedesigns entsprechenden Schieferplatten mehr oder weniger übereinstimmende Gegenstände. Sie vermitteln jedoch, wie die nachfolgenden Einblendungen zeigen, die den Eintragungen der entsprechenden Schutzrechte bzw. dem Prospektmaterial der Beklagten entnommen sind, aufgrund weiterer Merkmale einen anderen Gesamteindruck:

Gebrauchsmuster G ...8.7 (Anlage BB 4)

Design M ...02 (Anlage BB 5)

Gebrauchsmuster DE ...39 U1 (Anlage BB 6)

Prospekte der Beklagten Anlagen BB 7 und BB 8, siehe jeweils unterste Zeile ganz rechts

Werbeblatt Anlage BB 9

Alle diese Lüfterplatten verfügen über eine deutliche Aufwölbung. Hinzu kommen Lüftungsgitter, die zwar im Gebrauchsmuster DE ...39 U1 (Anlage BB 6) und dem Werbeblatt Anlage BB 9 nicht gesondert gezeigt sind (im Begleittext des letzteren aber Erwähnung finden). Der informierte Benutzer, auf dessen Verständnis es ankommt, weiß jedoch, dass eine Lüftungsplatte über ein Lüftungsgitter verfügen muss, um ihrer Bestimmung gemäß funktionieren zu können. Diese zusätzlichen Merkmale bestimmen den Gesamteindruck so sehr, dass die hierdurch hervorgerufene Dreidimensionalität und ihre konkrete Ausformung in den Vordergrund und die die reine Grundform in den Hintergrund tritt.

bb) Anderes gilt hinsichtlich des US-Patents RE ...37.

Dass dieses nur in englischer Sprache vorgelegt worden ist, führt nicht dazu, dass es unberücksichtigt bleiben muss. Bei fremdsprachigen Urkunden kann das Gericht nach § 142 Abs. 3 Satz 1 ZPO anordnen, dass eine Übersetzung beigebracht wird. Es kann sich mithin aber auch mit der Vorlage der Urschrift begnügen, wenn die erkennenden Richter sie übersetzen können (vgl. BGH NJW 89, 1432 (1433); Greger in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 142 Rdnr. 17; von Selle in: BeckOK ZPO, Stand 01.07.2018, § 142 Rdnr. 19 m.w.N.). In diesem Fall bleibt es einem sprachunkundigen Gegner überlassen, sich eine Übersetzung der Urkunde zu verschaffen und die Kosten hierfür nach § 91 ZPO geltend zu machen. Vorliegend ist der Senat ohne weiteres imstande, den folgenden Passus der US-Patentschrift zu übersetzen

"This invention relates to shingles for covering roofs, and has for its object the production of suitable shingles for the purpose so formed that the exposed part thereof may be locked down by the adjacent shingles so as to prevent the exposed part from being turned up by the wind or by warping or in any other manner. ...”

und damit seinen Gegenstand "Dachplatte mit einer Befestigungsvorrichtung gegen ein Aufwölben der Platte nach außen" zu erfassen. Zur Bestimmung deren äußerer Gestalt bedarf es keines Rückgriffs auf den Text der Patentschrift, da diese Gestalt in den nachfolgend eingeblendeten Figuren 2 und 3 der Patentschrift eindeutig offenbart ist:

Es handelt sich mithin um eine flache Eindeckungsplatte, die alle Merkmale der Klagedesigns mit Ausnahme der Fersen verwirklicht und denselben viereckig, symmetrisch- gleichförmigen und damit harmonischen Gesamteindruck vermittelt. Die offenbarten, den Gegenstand der Erfindung darstellenden Befestigungsteile sind so flach angesetzt, dass sie dem offenbarten Gegenstand nicht die Eigenschaft einer Platte nehmen. Es handelt sich - anders als die Klägerin in dem ihr aus anderen Gründen nachgelassenen Schriftsatz vom 11.09.2018 meint - nicht zwingend um Laschen, die die geschlossene Oberfläche der Platte unterbrechen, indem sie auf deren eine Seite eine Öffnung und auf deren anderer Seite eine klammerartige Erhebung erzeugen. Zwar lässt die Figur 2 dies als Lösung zu. Eine solche sieht der Erfinder ausweislich der Patentschrift auch als bevorzugte an (siehe dort die Zeilen 50 ff: "These locking members may be fixed to the shingle in any suitable manner, but I prefer for the purpose cutting slits 8 whereby the tongue portions may be bent downwardly ..."). Diese Lösung ist aber nicht die allein offenbarte, wie die direkt neben Figur 2 abgebildete Figur 3 zeigt. Diese offenbart in der Seitenansicht bei nach hinten gewölbtem Befestigungsteil eine geschlossene Oberfläche. Entsprechend heißt es in den Zeilen 46 - 49 auf Seite 1 der Patentschrift: "locking portions 7, the locking portions being fixed in any suitable manner to the lower part of the portion of the shingle which will be exposed when laid”. Offenbart ist damit auch eine in der Oberfläche geschlossene Eindeckplatte, auf deren Unterseite in einer in das Belieben des Verwenders gestellten Weise Befestigungsteile angebracht sind. Bei der Draufsicht auf eine solche Platte sind die Befestigungsteile mithin nicht zu sehen, vielmehr ergibt sich dann folgendes, zu Verdeutlichungszwecken schwarz unterlegtes Bild:

Nur die Draufsicht auf eine entsprechende Platte ist aber Gegenstand der Klagedesigns, wie die nachfolgenden Einblendungen noch einmal zeigen:

Klagedesign 1 Klagedesign 2

Die US-Patentschrift gehört zum vorbekannten Formenschatz im rechtlichen Sinn. Weder das Alter noch der Umstand, dass keinerlei Marktpräsenz dem Patent entsprechender Platten festgestellt werden kann, stehen einer Berücksichtigung des Patents als relevante Entgegenhaltung entgegen.

Dabei kann dahinstehen, ob der relevante Formenschatz für die Konkretisierung des Schutzbereichs nach altem oder neuem Recht zu bestimmen ist. Gemäß § 72 Abs. 2 DesignG finden auf eingetragene Designs, die vor dem 28. Oktober 2001 angemeldet oder eingetragen worden sind, weiterhin die für sie zu diesem Zeitpunkt geltenden Bestimmungen über die Voraussetzungen der Schutzfähigkeit Anwendung. Der Grundsatz der Rückwirkung erfasst mithin die Schutzwirkungen. Der Schutzbereich gehört zu den Schutzwirkungen, was auf erste Sicht dafür spricht, auch den für die Bestimmung des Schutzbereichs relevanten Formenschatz dem Bereich der Schutzwirkungen zuzuordnen. Jedoch hat der BGH in seiner Entscheidung "Baugruppe II" (GRUR 2011, 423 mit kritischer Anmerkung Ruhl) ausgeführt, dass im Vordergrund der Beurteilung, worauf sich der Schutz des Geschmacksmusters nach § 38 Abs. 2 GeschmMG erstreckt, diejenigen Merkmale stehen, die die Eigenart des Geschmacksmusters begründen, und dass sich die Bestimmung, was bei einem vor dem 28.10.2001 eingetragenen Geschmacksmuster eigenartig bzw. eigentümlich im Sinne von § 1 Abs. 2 GeschmMG a.F. ist, nach altem Recht beurteilt. Das spricht dafür, den für den Schutzbereich relevanten Formenschatz nach altem Recht zu bestimmen. Einer Entscheidung dieser Frage bedarf es jedoch nicht, da das genannte US-Patent in beiden Fällen dem vorbekannten Formenschatz zuzurechnen ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH war ein Muster im Sinne von § 1 Abs. 2 GeschmMG 1986 neu, wenn die seine Eigentümlichkeit begründenden Gestaltungselemente im Anmeldezeitpunkt den inländischen Fachkreisen weder bekannt waren noch bei zumutbarer Beachtung der auf den einschlägigen oder benachbarten Gewerbegebieten vorhandenen Gestaltungen bekannt sein konnten (vgl. GRUR 1969, 90 (94) - Rüschenhaube; GRUR 2000, 1023 (1026) - 3-Speichen-Felgenrad; GRUR 2004, 427 (428) - Computergehäuse). Die inländischen Fachkreise für Eindeckungsplatten mögen sich tatsächlich auf die Berücksichtigung von "relativ einfach und komplikationslos ermittelbarem" Formenschatz beschränken, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 11.09.2018 behauptet. Rechtlich erheblich ist das nicht. Dass der Gesetzgeber die zweite Variante in die Regelung aufgenommen hat, schließt auch aus, allein aufgrund der Tatsache, dass eine Gestaltung den inländischen Fachkreisen unbekannt geblieben ist, darauf zu schließen, dass ihr Auffinden unzumutbar war.

Das US-Patent gehört zwar ganz offensichtlich nicht zu den im Anmeldezeitpunkt den inländischen Fachkreisen bekannten Gestaltungen, aber aus den nachfolgenden Gründen zu denen, die bei den inländischen Fachkreisen bei zumutbarer Beachtung der auf den einschlägigen oder benachbarten Gewerbebieten vorhandenen Gestaltungen bekannt sein konnten:

Schutzrechte können unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Eintragung bekannt sein. Sie sind aufgrund ihrer Eintragung und Veröffentlichung verhältnismäßig einfach zu ermitteln (vgl. Eichmann, DesignG, 5. Aufl., § 5 Rdnr. 6) und bleiben zeitlich unbegrenzt recherchierbar, so dass sie - anders als ohne Veröffentlichung offenbarte Designs - auch bei zeitlichem Zurückliegen ihrer Offenbarung nicht aus dem Formenschatz verschwinden können. Dieser sich aus der Natur der Veröffentlichung ergebende Umstand lag auch offensichtlich der Regelung in Art. 4 des einheitlichen Benelux-Gesetzes über Muster und Modelle vom 25.10.1966 zugrunde, in der zwar eine zeitliche Beschränkung für die Entgegenhaltung von Vorveröffentlichungen vorgesehen war, diese aber nicht für veröffentlichte Geschmacksmusterrechte galt.

Die Recherche nach Veröffentlichungen von relevanten Schutzrechten gehört zum normalen Geschäftsverlauf und ist damit auch zumutbar. Eine zeitliche Grenze bei der Recherche eingetragener Offenbarungen gibt es im Hinblick auf Zumutbarkeitsgesichtspunkte nicht.

Bekanntmachungen von technischen Schutzrechten sind im Rahmen der Neuheit von Designs berücksichtigungsfähig, wenn Erscheinungsformen von Erzeugnissen dort in technischen Zeichnungen dargestellt werden, um Erfindungen zu erläutern (vgl. BGH GRUR 2012, 512 Rdnr. 31 und 33 - Kinderwagen), wie es hier der Fall ist. Der Einbeziehung von technischen Schutzrechten in den vorbekannten Formenschatz liegt zugrunde, dass ein Designschutz nicht gerechtfertigt ist, wenn eine Erscheinungsform durch ein Schutzrecht den Fachkreisen bereits offenbart worden ist. Maßgeblich ist nur diese Offenbarung, nicht auch die Schutzwirkung des Schutzrechts (Eichmann a.a.O.). Dass die Beachtung technischer Schutzrechte nur zumutbar ist, wenn es einen konkreten Grund hierfür gibt, nämlich es technisch bedingte Erscheinungsmerkmale gibt, bzgl. derer zu prüfen ist, ob sie Schutz für Dritte genießen, kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Denn einen solchen Grund gab es vorliegend im Hinblick auf die von der Klägerin selber beanspruchte technische Funktion der Fersen.

Die USA gehören zu dem Kulturkreis, von dem erwartet werden kann, dass inländische Fachkreise ihn bei Mustergestaltungen grundsätzlich in ihre Beobachtungen einbeziehen (vgl. BGH GRUR 1969, 90 (95) - Rüschenhaube; Nirk/Kurtze, Geschmacksmustergesetz, 2. Aufl., 1996, § 1 Rdnr. 137 a.E.). Dass und weshalb dies für das hier streitige Warengebiet von Eindeckungsplatten nicht gelten soll, wird von der Klägerin nicht nachvollziehbar geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Nordamerika ist ebenfalls ein Land mit Schiefervorkommen. Das ist eine allgemeinkundige Tatsache im Sinne von § 291 ZPO. Die Behauptung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, Schieferplatten und ihre Formen seien ein rein nationaler Markt, ist bereits dadurch widerlegt, dass es - wie auch die Beweisaufnahme ergeben hat - einen regen Schieferbezug - bearbeitet und unbearbeitet - deutscher Firmen aus Spanien gibt. Die Klägerin wirbt selber unter www.F..de-Leistungen-Schiefer mit einem seit vielen Jahren stattfindenden Import von G. Schiefer direkt von den Gewinnungsstätten. Der Name G. beschreibt laut der Internetseite www.G..com das Produkt und die Herkunft: Er stammt aus dem spanischen Wortschatz und setzt sich zusammen aus ... (...) und ... (...).

US-Patentschriften waren den in Deutschland tätigen Fachkreisen im Jahr 1998 nicht weniger zugänglich als beispielsweise eine 1959 veröffentlichte Ausgabe der US-amerikanischen Zeitung "The Evening-Star" den deutschen Fachkreisen im Jahr 1961. Eine in eben dieser Zeitungsausgabe veröffentlichte Anzeige hat der BGH in seiner Entscheidung "Rüschenhaube" als in Betracht kommender vorbekannter Formenschatz akzeptiert.

Die US-Patentschrift ...37 entstammt schließlich auch demselben Gewerbegebiet wie die Klageschutzrechte. Denn sie offenbart entgegen der Ansicht der Klägerin nicht eine separate Befestigungsvorrichtung, sondern eine Dachplatte mit einer Befestigungsvorrichtung. Auf die soeben zitierte Passage aus der Patentschrift wird Bezug genommen. Eine solche Dachplatte fällt in dasselbe Gewerbegebiet wie eine Eindeckungsplatte ohne Befestigungsvorrichtung. Selbst wenn man dies aufgrund des Unterschieds im Vorhandensein von Verriegelungselementen verneinen wollte, wären jedenfalls benachbarte Gewerbegebiete zu bejahen, so dass es eines Eingehens auf die EuGH-Entscheidung "Duschabflussrinne" (GRUR 2017, 1244 - Easy Sanitary Solutions u. EUIPO/Group Nivelles), wonach auch Entgegenhaltungen aus anderen Industriezweigen uneingeschränkt zu berücksichtigen sind, vorliegend nicht bedarf.

Nach § 5 Satz 1 DesignG n.F. (entsprechend § 5 Satz 1 DesignG in der Fassung für den Zeitraum 01.06.2004 bis 31.12.2013) ist ein Design offenbart, wenn es bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Sektors im normalen Geschäftsverlauf vor dem Anmeldetag des Designs nicht bekannt sein konnte. Ob dies um das Tatbestandsmerkmal "vernünftigerweise" zu ergänzen ist, das in anderen Sprachfassungen enthalten ist, ist unerheblich, da damit im Ergebnis keine wesentliche Änderung der Voraussetzungen verbunden wäre. Dass es auf eine vernünftige, also praktische und nicht rein theoretische Sichtweise ankommt, folgt bereits aus dem Begriff des "normalen Geschäftsverlaufs" (so auch Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 7 Rdnr. 19, der von "gewöhnlichem Geschäftsverlauf" spricht). Dass die US-Schrift RE ...37 bekannt sein konnte, wurde bereits ausgeführt, auch, dass Recherche hiernach zum normalen Geschäftsverlauf gehört hätte.

Soweit die Klägerin in dem ihr nachgelassenen Schriftsatz vom 11.09.2018 die Auffassung vertritt, sie habe keine Zeit zur notwendigen Aufklärung der aufgeworfenen komplexen Sachfragen und zur Sammlung von Gegenargumenten im Hinblick auf die neuen Entgegenhaltungen gehabt, insbesondere sei die in der Sitzung vom 28.08.2018 gewährte Schriftsatzfrist von 2 Wochen zu kurz gewesen, ist folgendes zu sagen:

Die Schriftsatzfrist ist gemäß § 283 ZPO allein gewährt worden zur Erwiderung auf neues tatsächliches Vorbringen im Schriftsatz der Beklagten vom 16.08.2018. Die US-Patentschrift ist von der Beklagten jedoch nicht erst mit diesem Schriftsatz, sondern bereits mit der Berufungsbegründung vom 08.09.2017 (siehe dort Seite 9) in das Verfahren eingeführt worden. Zugestellt worden ist die Berufungsbegründung den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 12.09. bzw. 14.09.2017. Die Klägerin hatte bis zur mündlichen Verhandlung also 11,5 Monate Zeit, auf die neue Entgegenhaltung zu reagieren. Weshalb diese Zeitspanne nicht ausreichend gewesen sein soll, erschließt sich nicht und wird von der Klägerin auch nicht erläutert.

Soweit die Klägerin in dem genannten Schriftsatz des Weiteren rügt, der Senat habe unter Verletzung seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO "die Parteien und ihre Vertreter erstmals in der mündlichen Verhandlung an seinem entscheidungsbegründenden Hoheitswissen teilhaben lassen", gilt:

Der Senat hat den Parteien in der mündlichen Verhandlung das Ergebnis seiner Vorberatung mitgeteilt und ausgeführt, dass und weshalb er die US-Patentschrift dem vorbekannten Formenschatz zurechnet. Dass es entscheidungserheblich auf diese Frage ankommen würde, lag nach der Berufungsbegründung auf der Hand. Dies hatte auch die Klägerin erkannt. Sie war in der Berufungserwiderung auf die US-Patentschrift und deren Bekanntheit bei den inländischen Verkehrskreisen eingegangen, wenn auch nicht vertieft. So hat sie es erstmals nach dem Termin für notwendig erachtet, zu den Merkmalen der im US-Patent offenbarten Gestalt Stellung zu nehmen. Letzteres führt aber nicht dazu, dass es sich bei der Frage, ob das US-Patent zum relevanten vorbekannten Formenschatz gehört, um einen von der Klägerin erkennbar übersehenen oder für unerheblich gehaltenen Gesichtspunkt handelt, der allein eine Hinweispflicht nach § 139 ZPO hätte auslösen können. Vielmehr liegt eine der Klägerin anzulastende nachlässige Prozessführung vor, wenn es von ihren Prozessbevollmächtigten nicht für notwendig befunden wurde, in Bezug auf alle in Betracht kommenden Aspekte die US-Patentschrift betreffend vor der mündlichen Verhandlung oder spätestens in ihr Stellung zu nehmen.

e) Nach dem Gesagten ist im Ergebnis die gleiche Form als vorbekannt und damit schutzeinschränkend zu berücksichtigen, wie im Verfahren I-20 U 66/12. Dies zeigt die nachfolgende Gegenüberstellung:

"Symmetrischer Rundbogen- US-Patent RE ...37

Schnitt", Verfahren I-20 U 66/12 in zur Verdeutlichung teilgeschwärzter

Fassung

Damit gilt zum Abstand der Klagedesigns zum vorbekannten Formenschatz in vollem Umfang das, was der Senat im Verfahren I-20 U 66/12 wie folgt ausgeführt hat und von dem Abstand zu nehmen keinerlei Veranlassung besteht:

"Zum vorbekannten Formenschatz, ..., halten die Klagegeschmacksmuster nur einen geringen Abstand. Für die Frage, welchen Abstand das Klagemuster zum vorbekannten Formenschatz einhält, kommt es nicht auf einen Vergleich einzelner Merkmale des Klagemusters mit einzelnen Merkmalen vorbekannter Muster an. Maßgeblich ist vielmehr der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster, der darüber entscheidet, wie groß die Ähnlichkeit des Klagemusters mit dem vorbekannten Formenschatz ist (BGH, GRUR 2013, 285 Rdnr. 34 - Kinderwagen II).

Danach kommt der vorbekannte Formenschatz den Klagegeschmacksmustern sehr nahe. Die den symmetrischgleichförmigen und damit harmonischen Eindruck prägenden Merkmale (1) bis (5) finden sich in identischer Form auch bei dem symmetrischen Rundbogenschnitt, der Gegenstand der Beweisaufnahme war. Auch der wird durch das Zusammenspiel der in den Merkmalen beschriebenen Gestaltungselemente geprägt: der Grundform eines gleichseitigen Vierecks in Form eines Quadrats, dessen eine Ecke abgerundet ist, und der den Ausschnitt eines Kreisbogens bilden Eckabrundung, die symmetrisch zu einer gedachten eckhalbierenden Diagonalen verläuft. Von dieser Form unterscheiden sich die Klagegeschmacksmuster lediglich durch das Vorhandensein zweier eher unauffälliger Fersen, die den Gesamteindruck nicht in relevanter Weise mitprägen. Sein Schutzbereich ist daher sehr klein und im Wesentlichen auf identische Nachahmungen beschränkt."

Zu ergänzen ist lediglich, dass das Merkmal (7) ebenfalls schon im US-Patents RE ...37 vorweggenommen war, so dass auch insofern kein einen gleichen Gesamteindruck störender Unterschied vorliegt.

Eine andere Beurteilung ist entgegen der im Urteil des Landgerichts Köln (31 O 549/14 (Anlage KMG 5) zum Ausdruck gekommenen Ansicht auch nicht im Hinblick auf die auch technische Funktion der Fersen gerechtfertigt. Soweit das Landgericht Köln meint, wenn der informierte Benutzer, hier der Fachmann, mit Zweck und Funktion der Fersen vertraut und daran gewöhnt sei, auf solche Feinheiten zu achten, werde er den Unterschied als maßgeblich für den Gesamteindruck betrachten, wenn das Merkmal der Fersen einmal vorhanden sei und das andere Mal fehle, verkennt es, dass Merkmale, die durch eine auch technische Funktion bedingt sind, für den beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck im designrechtlichen Sinne eine eher geringe Bedeutung haben (vgl. BGH GRUR 2013, 285 Rdnr. 60 - Kinderwagen II).

f) Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung in die Diskussion gebrachte Erweiterung des Schutzbereichs aufgrund des Markterfolgs der nach den Klageschutzrechten gearbeiteten Platten ist schon im Ansatz ausgeschlossen. Die Klägerin verwechselt hier die designrechtlichen Grundsätze mit den im wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz geltenden. Dort ist der Markterfolg in Form einer zumindest gewissen Bekanntheit Voraussetzung für eine Herkunftstäuschung im Sinne von § 4 Nr. 3a) UWG sowie für eine Wertschätzung des nachgeahmten Produkts im Sinne von § 4 Nr. 3b) UWG. Im Designrecht ist die Frage, ob und in welchem Umfang der Schutzrechtsinhaber das Design selber oder durch einen Lizenznehmer nutzt, in jeder Hinsicht unerheblich. Einen Benutzungszwang, wie er im Markenrecht für den Rechtserhalt vorgesehen ist, gibt es hier nicht. Rechte gewährt "das eingetragene Design", § 38 Abs. 1 Satz 1 DesignG und Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GGV. Maßgebliches Kriterium für den Schutzumfang ist (allein) der Gesamteindruck, § 38 Abs. 2 Satz 1 DesignG und Art. 10 Abs. 1 GGV. Eine Berücksichtigung des Markterfolgs ist auch deshalb ausgeschlossen, da sich ein solcher erst im Laufe der Benutzung des Designs herausstellt. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Bestimmung des Schutzumfangs eines Designs ist aber der Zeitpunkt, zu dem das Muster zur Eintragung angemeldet worden ist (siehe zuletzt: BGH GRUR 2018, 832 Rdnr. 26 m.w.N. - Ballerinaschuh). Zum Zeitpunkt der Anmeldung kann das Design jedoch in nicht neuheitsschädlicher Weise höchstens 12 Monate (von dem in § 6 DesignG genannten Personenkreis) benutzt worden sein, § 6 DesignG. Zudem ist "der Markterfolg" keine Konstante, sondern im Laufe der Jahre aus verschiedenen, vom Design unabhängigen Gründen Schwankungen unterworfen. Dem würde eine allein auf einen Zeitpunkt bezogene Schutzbereichsbestimmung keine Rechnung tragen.

2.) Unter Berücksichtigung des dargelegten Schutzbereichs ist der Gesamteindruck der Klagedesigns ein anderer als der der angegriffenen Ausführungsform. Zum Unterschied gilt auch hier in vollem Umfang das vom Senat im Verfahren I-20 U 66/12 wie folgt Gesagte:

"Vor diesem Hintergrund erweckt das angegriffene Muster "Universal" der Beklagten einen anderen Gesamteindruck als die Klagegeschmacksmuster. Entscheidend ist allein - wie bereits ausgeführt - der jeweilige Gesamteindruck, nicht die formale Abarbeitung der Merkmalsgliederung. Trotz der Verwirklichung der Merkmale (1) bis (5) in sprachlicher Hinsicht und der Ähnlichkeiten beim Merkmal (6) - eine Identität scheitert an einem gegenüber dem Radius einer vollkommen Abrundung hier erheblich vergrößerten Radius der Eckabrundung - weicht der vermittelte Eindruck hinreichend deutlich von dem Klagegeschmacksmuster ab.

Insoweit ist auf das Verständnis des "informierten Benutzers” abzustellen, einer Person, die das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (EuG, GRUR Int 2011, 746 Tz. 51 - Sphere Time). Dabei setzt die Bezeichnung "informiert" voraus, dass der Benutzer, ohne dass er ein Entwerfer oder technischer Sachverständiger wäre, verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, dass er gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente besitzt, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und dass er diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt (EuGH, GRURInt 2012, 43 Tz. 59 - PepsiCo).

Der informierte Benutzer, der Kenntnis davon hat, dass sich die Klagegeschmacksmuster des Streitfalls vom vorbekannten Formenschatz lediglich durch die unauffälligen, nur bei eingehender Betrachtung als leichter Knick wahrnehmbaren Fersen unterscheiden, weiß, dass er auf die genaue Ausprägung dieses Detail zu achten hat. Er erkennt, dass die Klagegeschmacksmuster in der Formensprache des symmetrischen Rundbogenschnitts verharren und lediglich - möglicherweise zur Verbesserung der Abtropffähigkeit oder der Ausrichtbarkeit - mit zwei Fersen versehen worden sind, die so unauffällig gehalten worden sind, dass sie den symmetrischgleichförmigen und harmonischen Eindruck der Grundform nicht beeinträchtigen, der maßgeblich auch vom weichen, fließenden Randverlauf im Bereich der abgerundeten Ecke lebt.

Dass angegriffene Muster "Universal" bedient sich hingegen einer anderen Formensprache. Hier ist der Radius des Kreisbogens wesentlich größer als der einer vollkommenen Abrundung. Entsprechend ist das den Eckschnitt bildende Segment des Vollkreises wesentlich kleiner als bei den Klagegeschmacksmustern. Je kleiner das Kreissegment ist, desto mehr nähert sich aber der Schnitt einer (die Viereckseiten im 45-Grad-Winkel schneidenden) Geraden an. Bedingt hierdurch trifft der Kreisbogen beim Muster "Universal" in einem wesentlich stumpferen Winkel auf die Viereckseiten; es entstehen ausgeprägte und markante Fersen. Der weiche, fließende Randverlauf wird unterbrochen; ein disharmonisches Element tritt hinzu. Dieses erinnert an die klassische Bogenschnittschablone. Würde deren rechte untere Hälfte an der (von links unten nach rechts oben verlaufenden) Diagonalen gespiegelt, erhielte man im Grunde das angegriffene Muster. Die Dacheindeckungsplatte "Universal" steht somit zwischen der klassischen Bogenschnittschablone und dem symmetrischen Rundbogenschnitt, während sich die Klagegeschmacksmuster formensprachlich eng an den symmetrischen Rundbogenschnitt anlehnen, ein Unterschied, der vor dem Hintergrund des kleinen Schutzbereichs einen abweichenden Gesamteindruck begründet."

Zu ergänzen ist lediglich, dass das Landgericht Köln auch irrt, wenn es dem entgegen zu setzen versucht, der informierte Benutzer werde von einer (in den Schutzbereich fallenden) fast identischen Gestaltung ausgehen, da das Vorhandensein der technisch notwendigen Fersen maßgeblicher sei als die unterschiedlich starke Ausprägung des Merkmals der Fersen im Vergleich zueinander. Denn aus dem eben schon erwähnten Umstand, dass Ähnlichkeiten von Geschmacksmustern in Merkmalen, die durch eine technische Funktion bedingt sind, für den beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck eine eher geringe Bedeutung haben, folgt nicht, dass Unterschieden in den Merkmalen, die eine technische Funktion erfüllen, vom informierten Benutzer ebenfalls nur geringe Bedeutung beigemessen wird (vgl. BGH GRUR 2013, 285 Rdnr. 60 - Kinderwagen II).

Soweit die Klägerin im nachgelassenen Schriftsatz behauptet, zwischen dem Klagedesign 1 und der angegriffenen Ausführungsform liege eine "maßgenaue, kantengenaue und kreisbogengenaue" Übereinstimmung vor, was bei Übereinanderlegen der Originalplatten deutlich werde, ist das schon im Ansatz unerheblich. Zur Beurteilung gestellt hat die Klägerin seit Beginn des Verfahrens allein eine Platte, wie sie der in den Antrag eingefügten Einblendung zu ersehen ist, die auch schon Gegenstand des Verfahrens I-20 U 66/12 OLG Düsseldorf war. Bereits im dortigen Urteil vom 23.07.2013 hat der Senat wie soeben wiedergegeben die Abweichung der angegriffenen Ausführungsform von den durch die Klagedesigns offenbarten festgestellt. Auch das Landgericht hat im angefochtenen Urteil einen - wenn auch in seinen Augen unerheblichen - Unterschied festgestellt. Dieser Unterschied wird nicht nur bei - wenn auch nicht maßstabsgerechter - Gegenüberstellung des für das Klagedesigns 1 hinterlegten Lichtbildes (links) mit der Fotografie der angegriffenen Ausführungsform gemäß Antrag (rechts) deutlich

sondern auch bei Gegenüberstellung der von der Klägerin hierzu im Laufe des Verfahrens vorgelegten Bearbeitungen:

Hieran zeigt sich, dass die Behauptung der kantengenauen Übernahme unzutreffend ist. Das Klagedesign 1 verfügt prozentual im Verhältnis zur Gesamtlänge einer Seite gesehen über eine wesentlich längere Gerade an jeder gerundeten Seite als die angegriffene Ausführungsform. Dadurch erhält sie bei gleichen Winkelgraden (Fersenwinkel α und Winkel zwischen den Linien vom Mittelpunkt des Kreises hin zu den Enden (Schnittpunkten/Fersen)) wie die angegriffene Ausführungsform eine insgesamt wesentlich kleinere Rundung als diese sowie die weniger ausgeprägten Fersen. Ob die Toleranzen des ZVDH im Hinblick auf das zu bearbeitende Naturmaterial Schiefer den Schutzbereich der Klageschutzrechte ergänzen, wie die Klägerin im Schriftsatz vom 11.09.2018 meint, kann dahinstehen. Denn die von ihr mit +/- 5 mm angegebene Maßtoleranz wird mit der Abweichung überschritten. Die gerundeten Seiten des Klagedesigns 1 sind zu 83 % gerade und zu 17 % gerundet, die der angegriffenen Ausführungsform sind zu 78 % gerade und zu 22 % gerundet. Hochgerechnet auf eine Platte mit den Maßen 20 cm x 20 cm bedeutet dies: Die Gerade der gerundeten Seiten ist beim Klagedesign 1 16,6 cm lang, bei der angegriffenen Ausführungsform nur 15,6 cm. Der Unterschied beträgt daher das Doppelte der Maßtoleranz.

3.)

Mangels Verletzung der Klagegeschmacksmuster steht der Klägerin gegenüber der Beklagten auch kein Anspruche auf Auskunft zu.

4.)

Da die Klage mithin abzuweisen war, bedurfte es keines weiteren Eingehens auf die sich nach dem Vorbringen der Klägerin auf Seite 23 Mitte des Schriftsatzes ihrer Prozessbevollmächtigten H. vom 11.09.2018 aufdrängende Frage, ob, wenn - wie von der Klägerin formuliert - fotomechanische oder digitale Gegenüberstellungen von Platten unterschiedlicher Größe zu Täuschungen führen, die Klägerin den Antrag wie von ihr formuliert hätte stellen dürfen: "... Fassadenund Dacheindeckungsplatten ... herzustellen ..., die in verschiedenen Flächenformaten nach Maßgabe folgender Abbildung gestaltet sind ..." (Unterstreichungen hinzugefügt)

5.)

Aus dem Gesagten folgt, dass die von der Klägerin im Schriftsatz vom 11.09.2018 (Rechtsanwälte H.) beantragte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO unter keinem Aspekt in Betracht kam.

III.

Die Kostenentscheidung beruht, was die Kosten der ersten Instanz anbelangt, auf § 91 Abs. 1 ZPO und, was die Kosten der Berufung betrifft, auf § 97 Abs. 2 ZPO. Nach der zuletzt genannten Norm sind die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sicher feststeht, dass das Rechtsmittel ohne das neue Vorbringen erfolglos gewesen wäre. Diese Auslegung wäre mit dem Zweck der Vorschrift, im Interesse der Prozessbeschleunigung demjenigen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen, der den Prozess nachlässig führt, nicht zu vereinbaren. Vielmehr kann eine Anwendung des § 97 Abs. 2 allenfalls dann ausscheiden, wenn sicher feststeht, dass das Rechtsmittel auch ohne das neue Vorbringen erfolgreich gewesen wäre (BGH NJW-RR 2005, 866). Dass das US-Patent RE ...37 in zumutbarer Weise bzw. im normalen Geschäftsablauf recherchierbar war, hat zur Folge, dass das späte Auffinden durch die Beklagte von dieser nachlässig im Sinne von § 97 Abs. 2 ZPO war.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre. Auch ob die US-Patentschrift zum vorbekannten Formenschatz gehört, ist eine Frage des Einzelfalls, die der Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH und anderer Oberlandegerichte beantwortet hat. Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 11.09.2018 geltend gemachte Abweichung von "korrespondierenden Entscheidungen des BPatG, BGH und OLG Köln", womit offensichtlich die Entscheidungen in den Verfahren I ZR 100/05, X ZB 7/08 und 6 U 111/11 OLG Köln gemeint sind, ist, soweit sie gegeben ist, Folge des Umstands, dass den Klageschutzrechten zum ersten Mal im hiesigen Verfahren die US-Patentschrift RE ...37 entgegen gehalten worden ist. Worin die von der Klägerin mit weiterem Schriftsatz vom 11.09.2018 geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des OLG Frankfurt in der Entscheidung "Küchenmesser" (GRUR-RR 2018, 331) liegen soll, erschließt sich dem Senat nicht.

Streitwert für die Berufungsinstanz: bis 350.000,-€