OLG Bremen, Urteil vom 30.09.2011 - 2 U 41/11
Fundstelle
openJur 2011, 98624
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 12 O 331/10
Berufsrecht Zivilrecht
§§ 134, 139 BGB; §§ 3, 5 Abs. 1 RDG; §§ 59c Abs. 1, 59e Abs. 2, 59f Abs. 1 BRAO

1. Die Frage, ob eine Nebenleistung im Sinne des § 5 Abs. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob der Schwerpunkt der Haupttätigkeit auf nichtrechtlichem Gebiet liegt.

2. Der Verstoß gegen die Bestimmungen des RDG führt zur Nichtigkeit des Beratungsvertrages nach § 134 BGB. Nach § 139 BGB ist im Zweifel von einer Gesamtnichtigkeit jedenfalls dann auszugehen, wenn die rechtsberatende Tätigkeit einen nicht geringen Anteil der Beratungstätigkeit ausmacht.

(Leitsätze: ROLG Dr. Albert Schnelle)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Zwischenurteil über den Grund des Landgerichts Bremen – 2. Kammer für Handelssachen – vom 24. Februar 2011 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Mit vorliegender Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Erfüllung einer Freistellungsvereinbarung.

Die Beklagte wollte die Klägerin für ein gemeinsam durchzuführendes Bauvorhaben in B., S.-Str., als Partner gewinnen. In der Zeit vom 1. – 28. September 2009 ließen die Parteien sich von der Wirtschaftsprüfergesellschaft W.-GmbH (im Folgenden: W.-GmbH) über Fragen der Finanzierung sowie die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beraten. Hierüber erstellte die W.-GmbH am 22.10.2009 der Klägerin, die ihr gegenüber als Auftraggeberin auftrat, eine Rechnung über insgesamt € 13.750,45. Im Zuge der Beratung hatte die W.-GmbH auch einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Ausweislich der Rechnung war dieser an neun Terminen über insgesamt mehr als 18 Stunden mit dem Entwurf eines GbR-Vertrages befasst.

Am 27.05.2010 trafen die Parteien die folgende privatschriftliche Vereinbarung:

1. Für die Nutzung der Grundstücksfläche der B.-GmbH durch die von H.-GmbH errichtete Baugrube zahlt H.-GmbH an B.-GmbH... € 5.000,00.
2. H.-GmbH übernimmt die Forderung der W.-GmbH ... gemäß der ihr bekannten Rechnung der W.-GmbH vom 22.10.2009 zur Nr. 1/10359, welche an B.-GmbH ausgestellt ist.
Der Gesellschafter und Geschäftsführer W. (GF. der W.-GmbH, Anm. des Senats) hat sich zu einem Gespräch mit H.-GmbH und dem Steuerberater/Rechtsanwalt von H.-GmbH bereit erklärt, um den Aufwand und die Höhe der Berechnung zu besprechen.
H.-GmbH hält hiermit B.-GmbHvon allen Zahlungsansprüchen der W.-GmbH in der Höhe, wie diese festgelegt wird, endgültig frei.
H.-GmbH verpflichtet sich, die Gespräche und diese Regelung bis spätestens zum 18.06.2010 herbeizuführen.
3. H.-GmbH übernimmt die Haftung für alle eventuell auftretenden Schäden, verursacht durch H.-GmbH ..., an den von B.-GmbH erstellten Baustraßen, diese sind abgenommen und befinden sich in einwandfreiem Zustand ...
4. B.-GmbH und H.-GmbH sind sich darüber einig, dass die vom Notariatsbüro B. entworfene notarielle Urkunde zu dem vorgesehenen Grundstückstausch wechselseitig bis zum 04.06.2010 zu unterzeichnen ist.
5. Sollten Regelungen in dieser Vereinbarung ganz oder teilweise unwirksam sein, so werden die übrigen Vereinbarungen hiervon nicht berührt.

Nachdem die Beklagte die Frist aus Nr. 2 (4. Absatz) hatte verstreichen lassen, mahnte die Klägerin sie mit Schreiben vom 22.06.2010 unter Fristsetzung bis zum 24.06.2010, „eine entsprechende Regelung“ herbeizuführen. Die Klägerin bezahlte nach Aufforderung an die Beklagte ohne weitere Fristsetzung die Rechnung der W.-GmbH endlich am 25.08.2010 in voller Höhe. Anschließend forderte sie die Beklagte mit Schreiben vom 24.08.2010 erfolglos zum Ausgleich bis zum 03.09.2010 auf.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie € 13.750,45 nebst Zinsen von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 04.09.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat geltend gemacht, die Freihaltevereinbarung sei in Hinblick auf einen beabsichtigten Grundstückstausch formnichtig. Ein Freihalteanspruch sei auch kein Zahlungsanspruch. Schließlich bestehe auch die Rechnung der WSP unter dem Gesichtspunkt unerlaubter Rechtsberatung zu Unrecht.

Das Landgericht Bremen – 2. Kammer für Handelssachen – hat der Klage nach Beweisaufnahme mit Zwischenurteil über den Grund vom 24.02.2011 dem Grunde nach stattgegeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte wendet u.a. ein, das Grundurteil sei unzulässig und auch materiellrechtlich falsch. Das Landgericht hätte die Frage der Wirksamkeit des Beratungsvertrages mit W.-GmbH nicht offenlassen dürfen; denn davon hänge ab, ob vertragliche Honoraransprüche überhaupt bestünden.

Die Beklagte beantragt,

1. das Grundurteil des Landgerichts Bremen vom 24.02.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
2. hilfsweise das Grundurteil des Landgerichts Bremen vom 24.02.2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Bremen zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,
2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, sie von der Rechnung / Forderung der W.-GmbH vom 22.10.2009 zur Nr. 1/10359 von € 13.750,45 freizuhalten.

Die Klägerin tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und wendet sich insbesondere gegen die Auffassung, es habe unerlaubte Rechtsberatung vorgelegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszuge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Eine Forderung der W.-GmbH, von der die Beklagte die Klägerin hätte freihalten können, bestand nicht.

1. Es kann offenbleiben, ob ein Zwischenurteil über den Grund überhaupt erlassen werden durfte. Dagegen spricht allerdings, dass das Landgericht mehrere denkbare Anspruchsgrundlagen alternativ für bestehend gehalten hat. Es fehlt damit die für § 304 ZPO zu fordernde eindeutige Feststellung eines Anspruchsgrundes. Zwar steht nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs die Alternativität von Anspruchsgrundlagen als solche dem Erlass eines Grundurteils nach § 304 Abs. 1 ZPO verfahrensrechtlich nicht entgegen (BGH NJW 01, 224, 225). Das hätte aber die Feststellung zur Voraussetzung, dass alle alternativ hingestellten Anspruchsgrundlagen den geltend gemachten Zahlungsbetrag rechtfertigen könnten und inhaltlich dieselben Anspruchspositionen beträfen. Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, ist nach der Begründung des Landgerichts schon zweifelhaft.

2. Letztlich kommt es hierauf nicht an, da der Senat sich nicht daran gehindert sieht, die Sache endgültig zu entscheiden.

Ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Abweisung der Klage ist die Nichtigkeit der zwischen der W.-GmbH und der Klägerin getroffenen Honorarabrede gem. § 134 BGB i.V.m. §§ 3, 5 RDG. Der W.-GmbH stand gegenüber der Klägerin keine Forderung zu, für deren Erfüllung die Beklagte einstehen musste.

Nach § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) stehen außergerichtliche Rechtsdienstleistungen unter dem Geltungsvorbehalt insbesondere dieses Gesetzes. Vorliegend erbrachte die W.-GmbH in nennenswertem Umfang Rechtsdienstleistungen, indem sie die Parteien im Zusammenhang mit der Gründung einer GbR beriet. Dabei ist der Umstand unerheblich, dass sich die W.-GmbH, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, für diese Tätigkeit eines zugelassenen Rechtsanwalts bediente, indem der von ihr eingeschaltete Rechtsanwalt K. die Parteien in Rechtsfragen beriet (siehe BGHZ 132, 229, 232; NJW 2009, 3242, 3244 Tz. 23 und 24). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur berufsübergreifenden Sozietät (NJW 2011, 3201ff.) betrifft BGB-Gesellschaften. Bei der GmbH sind die §§ 59c Abs. 1, 59e Abs. 2, 59f Abs. 1 BRAO zu beachten. Handelt es sich danach um eine Rechtsanwaltsgesellschaft, so muss die Geschäftsführung mehrheitlich Rechtsanwälten zustehen, woran es bei der W.-GmbH indes fehlt. Dort liegt die Geschäftsführung ausschließlich in der Hand von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. Es handelt sich dort mithin nicht, auch wenn ihre Mitarbeiter als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte mehrfach qualifiziert sind, um eine Rechtsanwaltsgesellschaft i.S.d. §§ 59a ff. BRAO. Daher war die W.-GmbH grundsätzlich daran gehindert, über den Umfang reiner Nebenleistungen hinaus (§ 5 Abs. 1 RDG) Rechtsdienstleistungen zu erbringen - mit der Folge, dass Dienstverträge, die auf derartige Leistungen gerichtet waren, und insbesondere die damit in Verbindung stehenden Honorarabreden der Nichtigkeit nach § 134 BGB anheimfielen.

Es liegt auch keine Ausnahme nach § 5 Abs. 1 RDG vor. Zwar sind nach dieser Vorschrift Rechtsdienstleistungen erlaubt, die im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit stehen, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbereich gehören (Abs. 1 Satz 1). Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist aber danach zu beurteilen, ob der Schwerpunkt der Haupttätigkeit auf nichtrechtlichem Gebiet liegt. Im Vordergrund muss die allgemeine, nicht rechtliche Dienstleistung stehen (Weth in: Henssler/ Prütting, BRAO, 3. Aufl., Rn. 4f. zu § 5 RDG). Im vorliegenden Fall lässt sich aber die rechtsberatende Tätigkeit nicht mehr als eine Nebenleistung in dem genannten Sinne, sondern als eine Hauptleistung einstufen. Das ergibt sich aus der vorgelegten Rechnung der W.-GmbH vom 28.10.2009, welche in ihrem Leistungsnachweis ausweist, dass von einer Gesamtsumme von 68 Stunden und 15 Minuten etwa 34 Stunden, also rund die Hälfte, auf Beratung im Zusammenhang mit der GbR entfielen; bei neun Terminen, über 18 Stunden und 15 Minuten, hatten sich die Parteien allein von dem Rechtsanwalt K. beraten lassen.

Die Folge des Verstoßes gegen die Bestimmungen des RDG ist die Nichtigkeit nach § 134 BGB. Nach § 139 BGB ist im Zweifel von einer Gesamtnichtigkeit auszugehen, wobei hier als Kriterium der Umstand eine Rolle spielt, dass die rechtsberatende Tätigkeit einen nicht geringen Anteil der Beratungstätigkeit der W.-GmbH insgesamt ausmachte.

Folge der Nichtigkeit wiederum ist, dass der W.-GmbH auch vor der Bezahlung der Rechnung vom 22.10.2009 durch die Klägerin keine vertragliche Forderung gegen dieselbe zustand (vgl. BGH Urt. v. 17.02.2000 – IX ZR 50/98- ). Auch Ansprüche aus dem Gesichtpunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag waren ausgeschlossen, weil die Dienste der W.-GmbH in einer gesetzwidrigen Tätigkeit bestanden, die dieselbe nicht den Umständen nach für erforderlich halten durfte (BGH a.a.O. m.w. Hinw.).

Es bestanden aber auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche nach §§ 817 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB gegen die Klägerin als Auftraggeberin. Denn eine solche Rückforderung war ausgeschlossen, weil der W.-GmbH der Verstoß gegen das gesetzliche Verbot durch das RDG selbst vorzuwerfen ist (§ 817 Satz 2 BGB). Ihr war bekannt, dass sie keine Rechtsberatung über einen eingeschalteten Rechtsanwalt vornehmen durfte, wobei es ausreicht, dass sie sich einer solchen Erkenntnis leichtfertig verschloss (BGH NJW 1993, 2108). Letzteres ist hier zumindest der Fall. Als erfahrenes Wirtschaftsprüferunternehmen musste der W.-GmbH die Problematik deutlich vor Augen stehen. Diese bestand auch nach der Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes Ende 2007 unverändert fort, auch wenn dieses eine Liberalisierung des Rechtsberatungsmarktes mit sich brachte. Gerade dieser Umstand hätte Veranlassung zu einer Überprüfung geben müssen, welche rechtsberatende Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Aufgaben der Wirtschaftsprüfergesellschaft nunmehr erlaubt wären und welche nicht. Dabei hätte auffallen müssen, dass § 5 RDG unter den dort genannten Voraussetzungen Rechtsdienstleistungen eben nur als Nebenleistungen zulässt, und es hätte gleichfalls bemerkt werden müssen, dass im vorliegenden Fall der Umfang reiner „Nebenleistungen“ im Sinne dieser Vorschrift deutlich überschritten wurde. Dass sich die W.-GmbH diesen ohne weiteres zutage liegenden Erkenntnissen offensichtlich verschloss, begründet ihre Leichtfertigkeit und führt zur Anwendung des § 817 Satz 2 BGB.

Weitere Folge ist, dass der Freistellungsanspruch als Grundlage für die streitgegenständliche Forderung ins Leere geht. Es bestand für die Klägerin keine Schuldverpflichtung, von der sie die Beklagte freistellen musste. Aber auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag steht der Klägerin nicht gegen die Beklagte zu. Ein solcher Anspruch würde voraussetzen, dass nach der vertraglichen Risikoverteilung unter den Parteien die Beklagte letztendlich für die Folgen einer möglichen Nichtigkeit des Beratungsvertrages bzw. der Honorarabrede einzustehen hätte. Der Vertrag vom 27.05.2010 lässt aber nicht erkennen, dass die Klägerin darin das Risiko einer möglichen Nichtigkeit der Honorarabrede auf die Beklagte verlagert hat. Ein wesentlicher Hintergrund, der insbesondere zu der Regelung in Nr. 2 Absatz 4 dieses Vertrages führte, war ein Streit um Aufwand und Höhe der Rechnung, während keine der Parteien eine mögliche Nichtigkeit im Blick hatte. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte dieses Risiko übernehmen wollte. Mithin hat die Klägerin, indem sie die Rechnung vom 22.10.2009 beglich, auch kein Geschäft der Beklagten geführt.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.