Hessisches LSG, Urteil vom 15.11.2019 - L 7 AL 73/18
Fundstelle
openJur 2020, 45412
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 25. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Die 1979 geborene Klägerin meldete sich am 4. Oktober 2016 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung zum 5. Oktober 2016. Sie hatte bereits im Jahr 1998 die Gesellenprüfung zur Friseurin bestanden. Von 2001 bis 2008 war sie als Verkäuferin bei der C. GmbH, von 2008 bis 2010 in einer Spielhalle/Casino für die D. Entertainment GmbH tätig, bevor sie dann vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2012 bei der E. GmbH und im Anschluss daran vom 1. Januar 2013 bis 30. Juni 2015 als Lager- bzw. Montagearbeiterin bei der F. GmbH & Co. KG in A-Stadt mit einem Bruttoentgelt von zuletzt 2.457,00 € beschäftigt war. In dem Zeitraum vom 3. November 2014 bis 7. November 2014 bezog sie Krankengeld und vom 9. November 2014 bis 23. Februar 2015 Mutterschaftsgeld. In dem Zeitraum vom 7. April 2015 bis 19. April 2015 sowie erneut vom 1. Juli 2015 bis zur Aussteuerung am 4. Oktober 2016 bezog die Klägerin wiederum Krankengeld.

Mit Schreiben vom 4. November 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt worden sei, da die Klägerin in den letzten zwei Jahren weniger als 150 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Das fiktive Arbeitsentgelt richte sich nach der Beschäftigung, auf die sich die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit in erster Linie zu erstrecken hätten sowie nach der dazugehörigen Qualifikationsstufe. Die Klägerin sei für eine Tätigkeit als Helfer/in Büro, Verwaltung geeignet. Hierfür sei keine Ausbildung erforderlich (Qualifikationsgruppe 4, § 152 Abs. 2 Nr. 4 SGB III).

Mit Bescheid vom 7. November 2016 (Bl. 36 der Verwaltungsakte der Beklagten, künftig: VA) bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Arbeitslosengeld ab dem 5. Oktober 2016 mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen und einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 22,51 € unter Zugrundelegung eines täglichen Bemessungsentgelts in Höhe von 58,10 €.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten am 7. Dezember 2016 Widerspruch und ließ zur Begründung vortragen, dass sie innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens insgesamt 158 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe (vgl. Bl. 41 + 65 VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 (Bl. 77 VA) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 7. November 2016 als unbegründet zurück. Die Beklagte erläuterte hierin im Detail die Berechnung der Höhe des der Klägerin zustehenden Arbeitslosengeldes unter Berücksichtigung eines fiktiven Arbeitsentgelts als Bemessungsentgelt, da auch im erweiterten Bemessungsrahmen vom 5. Oktober 2014 bis 4. Oktober 2016 keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen seien. Die Zeit vom 4. Oktober 2014 bis 31. Oktober 2014 könne nicht berücksichtigt werden, da der Bemessungszeitraum nicht vollständig im Bemessungsrahmen liege. Das Entgelt vom 1. November bis 2. November 2014 sowie das Entgelt vom 24. Februar bis 6. April 2014 (richtig: 2015) sei berücksichtigt worden. Sonstige Versicherungszeiten, wie z. B. Mutterschaftsgeld und Krankengeld blieben außer Betracht. Der Bemessung sei ein fiktives Arbeitsentgelt nach der Qualifikationsgruppe 4 zugrunde zu legen, weil sich die Vermittlungsbemühungen für die Klägerin in erster Linie auf Beschäftigungen dieser Qualifikationsgruppe erstreckten.

Der Widerspruchsbescheid vom 14. März 2017 ging am 21. März 2017 in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein. Mit ihrer am 21. April 2017 durch die Prozessbevollmächtigte zum Sozialgericht Fulda erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und die Auffassung vertreten, dass vorliegend keine Berechnung des Bemessungsentgelts anhand eines fiktiven Arbeitsentgelts in Betracht komme, da sie in dem Zweijahreszeitraum, welcher ihres Erachtens den Zeitraum vom 4. Oktober 2014 bis 4. Oktober 2016 umfasse, insgesamt 158 Tage Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt habe. Die Klägerin ist insoweit der Auffassung, dass das in dem Zeitraum vom 9. November 2014 bis 23. Februar 2015 von der Krankenkasse bezogene Mutterschaftsgeld Arbeitsentgelt darstelle. Zusammen mit dem Arbeitsentgelt in Form von Lohnzahlung für die Zeit vom 4. Oktober 2014 bis 2. November 2014 sowie des von der Beklagten bereits berücksichtigten Zeitraums vom 24. Februar 2014 (richtig: 2015) bis 6. April 2014 (richtig: 2015) (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) ergebe sich somit ein Anspruch auf Arbeitsentgelt im Umfang von 158 Tagen, so dass das Arbeitslosengeld gem. § 149 SGB III aus dem Bruttoentgelt und nicht fiktiv zu ermitteln sei. Hilfsweise vertritt die Klägerin die Auffassung, dass jedenfalls die Einordnung in die Qualifikationsgruppe 4 rechtswidrig sei. Die Beklagte habe insoweit verkannt, dass die Klägerin bereits eine Ausbildung absolviert habe und dass sich Ihre Vermittlungsbemühungen in Bezug auf die Klägerin daher nicht in erster Linie auf Beschäftigungen zu erstrecken hätten, die keine Ausbildung erforderten. Die Festsetzung sei daher gemäß § 152 Abs. 2 Nr. 3 SGB III unter Zugrundelegung der Qualifikationsgruppe 3 vorzunehmen gewesen.

Dem ist die Beklagte entgegen getreten und hat sich zur Begründung auf ihre Ausführungen in den streitgegenständlichen Bescheiden bezogen.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Fulda die auf Gewährung von Arbeitslosengeld nach einem höheren Bemessungsentgelt gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2018 abgewiesen.

Der Rechtsstreit habe ohne mündliche Verhandlung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid in Beschlussbesetzung - ohne ehrenamtliche Richter - entschieden werden können, nachdem die Beteiligten zuvor darüber entsprechend angehört worden seien, ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden sei und die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise, sowie der Sachverhalt darüber hinaus so, wie er für die Entscheidung allein rechtlich relevant sei, geklärt sei. Der Gerichtsbescheid wirke insoweit als Urteil (§ 105 Abs. 3 1. Halbsatz SGG).

Der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung höheren Arbeitslosengeldes.

Vorliegend komme von vornherein nur eine fiktive Bemessung gemäß § 152 SGB III in Betracht, da die Beklagte ganz zutreffend ausgeführt habe, dass auch in dem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen vom 5. Oktober 2014 bis 4. Oktober 2016 ersichtlich keine 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen seien. Dies folge daraus, dass es sich bei dem Mutterschaftsgeld nicht um Arbeitsentgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne handele (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2011 - 1 BvL 13/07 -, juris, Rdnr. 35, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG).

Weiterhin bestünden auch keine Bedenken des Gerichts an der Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts.

Gemäß § 152 Abs. 2 SGB III sei der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspreche, die für die Beschäftigung erforderlich sei, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken habe. Dabei sei zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die (1.) eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße, (2.) einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße, (3.) eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße, (4.) keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.

Die Frage, in welcher der Qualifikationsgruppen der Arbeitslose einzustufen sei, bestimme sich in erster Linie nach der Beschäftigung, auf die die Arbeitsagentur die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen - unter Berücksichtigung des in Betracht kommenden Arbeitsangebotes - zu erstrecken habe. Welche Beschäftigung der Arbeitslose anstreben könne, hänge wiederum von seiner beruflichen Qualifikation ab, so dass die berufliche Qualifikation grundsätzlich das ausschlaggebende Kriterium für die Eingruppierung sei (Rolfs in: Gagel, SGB III, § 132 SGB III (a.F.), Rdnr. 7; BayLSG, Urt. vom 27. Mai 2009 - L 10 AL 378/07, juris). Nach § 35 Abs. 2 S. 2 SGB III habe die Arbeitsagentur bei der Vermittlung die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen zu berücksichtigen. Es sei daher zunächst festzustellen, für welche Beschäftigung der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter angemessener Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht komme (Brand, SGB III, § 152, Rdnr. 6; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 - L 7 AL 1160/07, juris). Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die Suche nach der maßgeblichen Beschäftigung für die fiktive Bemessung auf die Tätigkeiten einschränke, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken hätten, sei nicht die gesamte Breite der dem Arbeitslosen möglichen Beschäftigungen heranzuziehen. Es seien vielmehr allein die Tätigkeiten relevant, mit denen der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 - L 7 AL 1160/07), wobei die möglichen Beschäftigungen in nennenswertem Umfang auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sein müssten, so dass eine Vermittlung grundsätzlich möglich erscheine (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 - L 7 AL 1160/07 m.w.N.). Die Agentur für Arbeit habe daher abzuschätzen, in welchem Tätigkeitsbereich der Arbeitslose die höchste Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt habe und ihre Vermittlungsbemühungen demzufolge auf dieses, dem Arbeitslosen am ehesten zugängliche Segment des Arbeitsmarktes zu konzentrieren (BayLSG, Urt. vom 27. Mai 2009 - L 10 AL 378/07, juris), wobei allerdings die Prognoseentscheidung der Arbeitsverwaltung im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. August 2007 - L 7 AL 1160/07, juris, m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Prognoseentscheidung der Beklagten, die Klägerin der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen, nicht zu beanstanden. Die Klägerin sei zuletzt als Montagearbeiterin bei der F. GmbH in A-Stadt beschäftigt gewesen. Diese Tätigkeit habe der Qualifikationsgruppe 4 entsprochen. Aus der Verwaltungsakte (Bl. 9) gehe hervor, dass die Klägerin zuvor - jedenfalls in dem Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 1. Januar 2013 - ebenfalls als Montagearbeiterin bei einer Zeitarbeitsfirma (E. GmbH) beschäftigt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund hätten sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten gerade nicht nur aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin eine abgeschlossene Berufsausbildung absolviert habe, in erster Linie auf Tätigkeiten zu erstrecken, die eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erforderten. Vielmehr sei - wie bereits ausgeführt - insoweit allein entscheidend, mit welchen Tätigkeiten der Arbeitslose bestmöglich wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne, so dass die Beklagte abzuschätzen hatte, in welchem Tätigkeitsbereich die Klägerin die höchste Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hatte. Für das Gericht sei nicht ersichtlich, dass die konkrete Einschätzung der Beklagten hier unzutreffend gewesen sei.

Der Gerichtsbescheid vom 25. Juli 2018 ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 27. Juli 2018 zugestellt worden. Mit der am 27. August 2018 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter. Richtig sei zwar, dass auch das BVerfG in der Entscheidung vom 14. März 2011 (1 BvL 13/07) unter Verweis auf frühere Rechtsprechung des BSG ausgeführt habe, dass während der Mutterschutzfristen keine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt im Sinne der Legaldefinition der versicherungspflichtigen Beschäftigung in § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III vorliege, weil es sich weder beim Mutterschaftsgeld nach § 13 MuSchG noch beim Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG um Arbeitsentgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinne handele. Allerdings bestünden Zweifel daran, ob die vom BVerfG herangezogene Rechtsprechung des BSG die Auffassung zu begründen vermöge, dass es sich bei dem Mutterschaftsgeld nicht um Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV handele. So habe das LSG Bayern (Beschluss vom 13. Februar 2014 - L 7 AS 755/13 NZB) entschieden, dass das Mutterschaftsgeld Lohnersatzfunktion habe. Habe das Mutterschaftsgeld aber Lohnersatzfunktion, dann sei es bei zutreffender Würdigung auch Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV, so dass vorliegend der Zeitraum vom 9. November 2014 bis 23. Februar 2015 bei der Festsetzung des Arbeitsentgelts zu berücksichtigen sei. Eine Nichtberücksichtigung verstoße jedenfalls gegen Art. 3 Abs. 2, 3 GG, da eine Nichtberücksichtigung von Mutterschaftsgeld zu einer faktischen Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern führe, da nur Frauen Kinder kriegen können.

Schließlich könne die Entscheidung auch deshalb keinen Bestand haben, weil das erstinstanzliche Gericht unzutreffend die Auffassung vertrete, dass die Klägerin ungeachtet ihrer abgeschlossenen Ausbildung auf Grund ihrer letzten bzw. vorletzten Tätigkeit als Montagearbeiterin der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen sei, da nach der Rechtsprechung des BSG die Feststellung der in Betracht kommenden Beschäftigungen in der Regel in hohem Maße von dem förmlichen Berufsabschluss bestimmt werde.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Fulda vom 25. Juli 2018 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 7. November 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2017 zu verurteilen, ihr ab dem 5. Oktober 2016 Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung des tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelts aus ihrer letzten Beschäftigung zu gewähren, hilfsweise,

den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid für überzeugend. Die Berufungsbegründung enthalte keine Ausführungen, die nicht schon im Gerichtsbescheid Berücksichtigung gefunden hätten. Die aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken würden nicht geteilt; insoweit werde auch auf eine neuere Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (Urteil vom 23. November 2018, L 3 AL 10/17, juris) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten (2 Hefter), die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht Fulda (SG) hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Streitgegenstand ist alleine die Höhe des für die Zeit ab 5. Oktober 2016 bewilligten Arbeitslosengeldes. Insoweit handelt es sich um einen selbstständig anfechtbaren Verfügungssatz des Bescheids über die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Allerdings beschränkt sich das Klagebegehren im Sinne von § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht auf die Frage, welches Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist. Vielmehr ist unter allen denkbaren Gesichtspunkten zu prüfen, ob der Klägerin ein höheres Arbeitslosengeld zusteht. Eine reine Elementenfeststellung, um die es sich bei einer Beschränkung auf die Höhe des Bemessungsentgelts handeln würde, ist unzulässig (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 18. Mai 2010 - B 7 AL 49/08 R -, juris Rdnr. 9).

Gegenstand der für das Klagebegehren statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt, Abs. 4 SGG ist der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2017 (vgl. § 95 SGG).

II. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn der Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld ab dem 5. Oktober 2016.

1. Dem Erfolg der Klage steht allerdings nicht entgegen, dass es bereits an einem Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach fehlen würde (zur Notwendigkeit der Prüfung der Anspruchsberechtigung dem Grunde nach bei einer Klage auf höheres Arbeitslosengeld siehe zuletzt BSG, Urt. v. 25. August 2011 - B 11 AL 13/10 R -, juris Rdnr. 11 m.w.N.). Die Klägerin hatte vielmehr zum 5. Oktober 2016 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld dem Grunde nach erfüllt.

Sie hat sich am 4. Oktober 2016 mit Wirkung zum 5. Oktober 2016 arbeitslos gemeldet (§ 137 Abs. 1 Nr. 2, § 141 Abs. 1 SGB III in der durch das Gesetz vom 20. Dezember 2011 - BGBl. I S. 2854 -, in Kraft ab 1. April 2012, geltenden Fassung). Zu diesem Zeitpunkt war sie beschäftigungslos und hat sich uneingeschränkt der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt, sodass sie arbeitslos i.S. der § 137 Abs. 1 Nr. 1, § 138 ff. SGB III war. Sie hatte schließlich auch die Anwartschaftszeit erfüllt (§ 137 Abs. 1 Nr. 3, §§ 142, 143 SGB III). Innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren, die vom 5. Oktober 2014 bis zum 4. Oktober 2016 reichte (vgl. § 143 Abs. 1 SGB III), stand die Klägerin durch ihre Beschäftigung bei der F. GmbH & Co. KG sowie den Krankengeldbezug mehr als 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis (§ 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.V.m. §§ 24, 25 sowie § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III).

2. Ein höheres Arbeitslosengeld als das von der Beklagten mit Bescheid vom 7. November 2016 bewilligte steht der Klägerin jedoch nicht zu.

Nach § 149 Nr. 1 SGB III beträgt das Arbeitslosengeld - unter Berücksichtigung eines Kindes - 67% des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).

a) Die Beklagte ist zutreffend von einem kalendertäglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 58,10 € ausgegangen.

aa) Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 150 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn u.a. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 150 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens (ebenfalls) nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen (§ 152 Abs. 1 SGB III). Nach § 152 Abs. 2 SGB III ist der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Dabei ist zugrunde zu legen für Beschäftigungen, die

1. eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 1), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,

2. einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern (Qualifikationsgruppe 2), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,

3. eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf erfordern (Qualifikationsgruppe 3), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße,

4. keine Ausbildung erfordern (Qualifikationsgruppe 4), ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße.

Die Bezugsgröße im Sinne der Vorschriften für die Sozialversicherung wird in § 18 SGB IV definiert und durch eine auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 SGB IV erlassenen Rechtsverordnung (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung) im Voraus für jedes Kalenderjahr für die alten Bundesländer einerseits und das Beitrittsgebiet andererseits (Bezugsgröße Ost, § 18 Abs. 2 SGB IV) bestimmt. Maßgeblich ist die im Zeitpunkt des Beginns des Anspruchs auf Arbeitslosengeld geltende Bezugsgröße; sie bleibt bis zur Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs für die Bemessung des Arbeitslosengeldanspruchs maßgeblich (vgl. BSG, Urt. v. 25. August 2011 - B 11 AL 13/10 R -, juris Rdnr. 23).

bb) Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass für die Klägerin im erweiterten Bemessungsrahmen vom 5. Oktober 2014 bis zum 4. Oktober 2016 ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (vgl. § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III) nicht festgestellt werden kann, so dass nach § 152 Abs. 1 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist. Zu berücksichtigende beim Ausscheiden abgerechnete Zeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ergeben sich insoweit lediglich für die Zeit vom 1. bis 2. November 2014 (= 2 Tage), für die Zeit vom 24. Februar 2015 bis 6. April 2015 (= 42 Tage) sowie für die Zeit vom 20. April 2015 bis 31. Mai 2015 (= 42 Tage). Der Monat Juni 2015 war beim Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis (zum 30. Juni 2015) noch nicht abgerechnet; die Zeit vom 5. Oktober 2014 bis 31. Oktober 2014 konnte von der Beklagten nicht berücksichtigt werden, da das Gesetz die Berücksichtigung von Teilabrechnungszeiträumen nicht vorsieht, weshalb nur volle Entgeltabrechnungszeiträume, die vollständig in den Bemessungsrahmen fallen und nicht bloß in diesen hineinragen, der Alg-Bemessung zu Grunde gelegt werden können (vgl. hierzu ausführlich mit Beispielen Coseriu, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III Großkommentar, 6. Auflage 2017, § 150 Rdnr. 27-30).

Da der Bemessungszeitraum anders als nach der noch bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Regelung nicht mehr alle Versicherungspflichtverhältnisse im Bemessungsrahmen, denen eine besonderes Entgelt zugeordnet wird, wie z.B. Zeiten, in denen Versicherungspflicht wegen des Bezuges von Sozialleistungen bestand, sondern ausschließlich noch Zeiten der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen umfasst, können die Zeiten des Bezuges von Krankengeld vorliegend nicht berücksichtigt werden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt gleiches auch für die Zeit des Bezuges von Mutterschaftsgeld im Zeitraum vom 9. November 2014 bis zum 23. Februar 2015, da es sich weder beim Mutterschaftsgeld nach § 13 MuSchG noch beim Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG um Arbeitsentgelt im Sinne des § 151 SGB III handelt. So ergibt sich bereits aus der Entstehungsgeschichte des Bemessungsrechts, dass der Gesetzgeber durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt im Rahmen der ihm möglichen Typisierung das Bemessungsrecht auf die versicherungspflichtige Beschäftigung zurückgeführt und neu geordnet hat. Bis zum 1. Januar 2005 hat der Bemessungszeitraum auch Zeiten mit einer Versicherungspflicht ohne gleichzeitige versicherungspflichtige Beschäftigung umfasst. Der in den vormaligen Regelungen des Bemessungsrechts verwandte Begriff des "Entgelts" war nicht allein auf das erzielte Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, sondern auf jegliches Entgelt bezogen, das der Bemessung für Zeiten der Versicherungspflicht zugeordnet gewesen war (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung, BR-Drucks 550/96 S. 42, 177 f., BT-Drucks 13/5676, S. 4, BT-Drucks 13/4941, S. 177 zu Art. 1 [§§ 130, 131]). Demgegenüber hat der Gesetzgeber ab 1. Januar 2005 aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die bemessungsrelevanten Zeiten ausnahmslos auf diejenigen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beschränkt. Die Vielfalt und Komplexität der bisherigen Regelungen, die mit hohem Personal-, Sach- und Zeitaufwand verbunden gewesen waren, sollten zurückgeführt werden. Daher sollten alle neben der versicherungspflichtigen Beschäftigung bestehenden übrigen Versicherungspflichtverhältnisse, denen zuvor besondere Entgelte zugeordnet waren, genauso außer Betracht bleiben wie "atypische" Beschäftigungssachverhalte (vgl. Entwurf eines Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1515 S 85, zu Art. 1 Nr. 71 [§§ 130 bis 134]; Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6277 S. 104, zu Art.1 [§ 150]).

Die insoweit aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin teilt der Senat nicht (vgl. schon BVerfG, Beschluss vom 14. März 2011 - 1 BvL 13/07, juris sowie ausführlich Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. November 2018, L 3 AL 10/17, juris), weshalb auch eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht kam. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die im vorliegenden Fall einen Zeitraum von 107 Tagen umfassenden Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld keinesfalls die alleinige und auch nicht die überwiegende Ursache dafür sind, dass für die Klägerin ein fiktives Arbeitsentgelt als Bemessungsentgelt anzusetzen ist. Vielmehr führen mehrere Faktoren zu diesem Ergebnis. So kann das vor bzw. nach dem Mutterschutz bezogene Arbeitsentgelt hier vor allem deshalb nicht als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt werden, weil die Klägerin im Anschluss an den Mutterschutz bis zur Arbeitslosmeldung fast überwiegend krank gewesen ist und Krankengeld bezogen hat. Es sind also gerade nicht allein die - nur Frauen betreffenden - mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote nach §§ 3, 6 Abs. 1 MuSchG, die vorliegend dazu geführt haben, dass bei der Klägerin ein fiktives Bemessungsentgelt zugrunde zu legen war.

Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang auch von Belang, dass das seit dem 1. Januar 2005 geltende Recht Abweichungen vom Versicherungsprinzip enthält, die gerade auch Müttern - und somit Frauen - zu Gute kommen. So hat der Gesetzgeber gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III darauf verzichtet, die beitragspflichtigen Einnahmen während der Mutterschutzfristen, d.h. nach § 345 Nr. 7 SGB III ein Arbeitsentgelt in Höhe des Mutterschaftsgeldes, bei der Bestimmung des Bemessungsentgelts heranzuziehen. Da das Mutterschaftsgeld nach § 19 Abs. 1 MuSchG in Verbindung mit § 24i SGB V und § 13 Abs. 2 MuSchG vielfach nur eine geringe Höhe aufweist, wird so einer Schlechterstellung von Müttern gerade entgegengewirkt.

cc) Die Beklagte hat auch die Höhe des als Bemessungsentgelt zugrunde zu legenden fiktiven Arbeitsentgelts zutreffend bestimmt. Entgegen der (hilfsweise vertretenen) Auffassung der Klägerin ist das von der Beklagten in dem angefochtenen Bewilligungsbescheid zugrunde gelegte Bemessungsentgelt von 58,10 € (= 1/600 von 34.860,- €) ausgehend von der Qualifikationsgruppe 4 gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III nicht zu beanstanden.

Die Höhe des nach § 152 Abs. 2 SGB III anzusetzenden fiktiven Arbeitsentgelts ist in mehreren Schritten zu prüfen (vgl. insoweit auch Coseriu/Jakob, in: NK-SGB III, 3. Aufl. 2008, § 132 Rdnr. 13; Michalla-Munsche, in: BeckOK SGB III, Stand: 1. Dezember 2011, § 132 Rdnr. 4): Zunächst ist die Beschäftigung zu bestimmen, auf die die Bundesagentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. Anschließend ist zu prüfen, welche Qualifikation für diese Tätigkeit erforderlich ist. Mit Qualifikation ist dabei, wie sich aus der zwingenden Vorschrift des § 152 Abs. 2 Satz 2 SGB III ("ist zugrunde zu legen") ergibt, nicht ein bestimmtes Niveau beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern ein bestimmter förmlicher Bildungsabschluss gemeint. Es ist demnach festzustellen, ob für die maßgebliche Tätigkeit ein Hochschul- oder Fachschulabschluss (Qualifikationsgruppe 1), ein Fachschulabschluss, ein Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder ein Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung (Qualifikationsgruppe 2), der Abschluss einer Ausbildung in einem Ausbildungsberuf (Qualifikationsgruppe 3) oder kein Berufsabschluss (Qualifikationsgruppe 4) erforderlich ist. Danach ist dann die Einordnung in die in § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB III genannten Qualifikationsgruppen vorzunehmen. Schließlich ist das anzusetzende fiktive Bemessungsentgelt entsprechend der einschlägigen Qualifikationsgruppe im Sinn von § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB III als Bruchteil der Bezugsgröße zu bestimmen.

Danach hat das SG auch zur Überzeugung des Senats zu Recht festgestellt, dass die Klägerin in die Qualifikationsgruppe 4 einzuordnen ist. Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts an und nimmt auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend wird dabei auf folgendes hingewiesen:

Hat der Arbeitslose eine bestimmte Berufsausbildung abgeschlossen, haben sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten grundsätzlich auf Beschäftigungen entsprechend der erworbenen beruflichen Qualifikation zu erstrecken (vgl. BSG, Urt. v. 3. Dezember 2009 - B 11 AL 42/08 R -, a.a.O.; Urt. v. 18. Mai 2010 - B 7 AL 49/08 R -, juris Rdnr. 18 m.w.N.). Die berufliche Qualifikation stellt somit grundsätzlich ein gewichtiges Kriterium für die Eingruppierung dar. Allerdings sind nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant, mit denen der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann (BSG, a.a.O.). Die Arbeitsagentur hat folglich abzuschätzen, in welchem Tätigkeitsbereich der Arbeitslose die höchste Chance auf Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hat und ihre Vermittlungsbemühungen demzufolge auf dieses, dem Arbeitslosen am ehesten zugängliche Segment des Arbeitsmarktes zu konzentrieren. Da die Klägerin zwar vorliegend 1999 eine Ausbildung zur Friseurin abgeschlossen, jedenfalls seit 2001 nicht in diesem Beruf sondern bereits seit 2010 als Fachlageristin bzw. Montiererin, mithin in Berufen, für die keine abgeschlossene Ausbildung notwendig ist, gearbeitet hat, ist die (Prognose-) Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.

Nach der somit einschlägigen Qualifikationsgruppe 4 ist gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III ein fiktives Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße als kalendertägliches Bemessungsentgelt zugrunde zu legen. Die wegen des Beginns des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 5. Oktober 2016 einschlägige Bezugsgröße für das Kalenderjahr 2016 betrug für die alten Bundesländer jährlich 34.860,00 € (vgl. Fischer, in: juris-PK - § 18 SGB IV, Rdnr. 29). Ein Sechshundertstel hiervon sind 58,10 €, die die Beklagte auch als kalendertägliches Bemessungsentgelt zugrunde gelegt hat.

b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 152 SGB III bestehen nicht. Dies gilt insbesondere auch für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts nach Qualifikationsgruppen und die Höhe des pauschal festgesetzten fiktiven Arbeitsentgelts (dazu umfassend schon zu den Vorgängervorschriften BSG, Urt. v. 29. Mai 2008 - B 11a/7a AL 64/06 R -, juris Rdnr. 47 ff.; Urt. v. 29. Mai 2008 - B 11 AL 23/07 R -, juris Rdnr. 49 ff.; Urt. v. 21. Juli 2009 - B 7 AL 23/08 -, juris Rdnr. 18 ff. und auch nochmals bestätigt in der Entscheidung vom 4. Juli 2012 - B 11 AL 21/11 R, a.a.O.).

c) Andere Fehler der Beklagten bei der Errechnung des Anspruchs der Klägerin auf Arbeitslosengeld ab dem 5. Oktober 2016 sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

IV. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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