LG Berlin, Beschluss vom 03.05.2018 - 15 O 250/17
Fundstelle
openJur 2020, 39808
  • Rkr:
Tenor

1. Gegen die Schuldnerin wird wegen Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung vom 25. Juli 2017 ein Ordnungsgeld in Höhe von

5.000,- EUR (i.W.: Fünftausend Euro)

ersatzweise für je 1.000,- EUR ein Tag Ordnungshaft, letztere zu vollziehen an ihren jeweiligen geschäftsführenden Gesellschaftern, festgesetzt.

2. Die Schuldnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Verfahrenswert wird auf 4.166,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Schuldnerin, einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, ist durch die einstweilige Verfügung der Kammer vom 25. Juli 2017, dieser zwecks Vollziehung im Parteiwege am 31. Juli 2017 zugestellt, unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel u.a. untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken im Internet für Waren unter deren Abbildung zu werben, ohne die Veröffentlichung als Werbung kenntlich zu machen, insbesondere für

- WMF

- Westwing

- Tommy Hilfiger

- Remington

- Lancaster

- Fa

- C&A

- Aura Mirabillis

- Galeria Kaufhof

- Nuxe

- Clinique

- Catric Cosmetics

- Frank Juice

Die Schuldnerin gab dazu eine Abschlusserklärung vom 14. September 2017 ab "in Bezug auf die konkreten Verletzungsfälle aus Anlage A 3 (also mit der Maßgabe, dass es heißt: "im Internet für Waren unter deren Abbildung zu werben, ohne die Veröffentlichung als Werbung kenntlich zu machen, wenn dies geschieht, wie aus der Anlage A 3 ersichtlich) ...". Der Gläubiger ließ antworten: "Die in der Erklärung vorgenommene Klarstellung geht in Ordnung. Hierzu bleibt allerdings festzuhalten, dass durch diese Einschränkung unser Mandant keine Erklärung dahin abgibt, dass er im Falles des Verstoßes etwa auf die Anwendung der Kerntheorie verzichtete. Wenn Ihre Mandantin in gleicher Weise wie bislang geschehen für andere Unternehmen werben sollte, wovon wir nicht ausgehen, so stellte das einen Verstoß gegen Ziffer 1. der einstweiligen Verfügung ... dar."

Die Schuldnerin betreibt den Instagram-Account "..." (Anlage AO 2: "New name on Instagram: ..."). Darauf befindet sich ein Button ....de, der auf die gleichnamige Webseite der Schuldnerin verlinkt ist (Anlage AO 3), auf der sich am Ende ein Button "Instagram" befindet, über den man wiederum auf den Instagram-Account ".." der namensgebenden geschäftsführenden Gesellschafterin der Schuldnerin (im folgenden: Influencerin) geleitet wird (Anlage AO4), wegen dessen weiteren Inhalt am 8. November 2017 auf das Anlagenkonvolut AO 5 Bezug genommen wird, und der Fotos enthält, auf denen die Influencerin u.a. Mode präsentiert. Klickt man diese Fotos an, erscheinen Texteinblendungen der - mit Ausnahme der Firma Tommy Hilfiger durchweg anderen als zum Erkenntnisverfahren Anlass gebenden - jeweiligen Hersteller oder Lieferanten der präsentierten Artikel. Klickt man einen dieser Namen an, wird man direkt weitergeleitet auf den entsprechenden Instagram-Account jenes Unternehmen.

Der Gläubiger sieht einen kerngleichen Verbotsverstoß darin, dass weiterhin eine Kennzeichnung als Werbung - um eine solche handele es sich der Sache nach u.a. bei der Präsentation von Waren wie auf Seite 3f. der Antragsschrift sowie am Beispiel "..." (und anderen) auf den Seiten 2ff. des Schriftsatzes vom 25. Januar 2018 (Anlagen AO 5 und 7) aufgeführt, worauf verwiesen wird - fehle. Nach dem ersten Klick erscheine der Unternehmensname (oder eine Reihe von Unternehmensnamen) in der Abbildung. Nach dem zweiten Klick (auf den Unternehmensnamen) lande man auf der jeweiligen Instagram-Seite jenes Unternehmens und mit einem weiteren Klick auf dessen Webseite. Es sei offensichtlich, dass die Schuldnerin für die Veröffentlichung eine Gegenleistung erhalte; denn die werbliche Leistung sei für die begünstigten Unternehmen außerordentlich wertvoll. Dementsprechend zahlten auch Hersteller und Vertreiber von Modeartikel an Verlage Entgelte für die Präsentation sog. Modestrecken in Frauenzeitschriften. Die Schuldnerin sei aber kein Presseorgan, sondern trete nach außen privat auf.

Er beantragt,

gegen die Schuldnerin eine angemessene Ordnungsmaßnahme zu verhängen.

Die Schuldnerin beantragt,

den Ordnungsmittelantrag zurückzuweisen.

Sie meint, der Gläubiger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, weil aufgrund der Vereinbarung sich der Verbotstitel auf die darin bezeichneten konkreten Verletzungshandlungen beschränke, für die sie eingestanden habe, eine Gegenleistung erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen gehabt zu haben, was bei den hier verfahrensgegenständlichen Sachverhalten indes nicht der Fall sei - mithin ohne Gegenleistung zugunsten der Schuldnerin. Die Beiträge seien rein redaktionell-journalistische Bloggeraktivität und seien vergleichbar mit den Mode-Fotostrecken in einschlägigen Frauenzeitschriften, in denen es ebenso Hinweise zu Bezugsquellen und Preis gebe. Nur weil sie für einzelne Posts eine Gegenleistung erhalte oder vertraglich zu Posts verpflichtet sei, bedeute dies nicht, dass alle Posts als Werbung oder Anzeige zu kennzeichnen seien. Für Entgeltlichkeit sei der Gläubiger darlegungs- und beweispflichtig.

Bei dem Post zu "Tommy Hilfiger" habe sie leichtest fahrlässig irrtümlich nur den "Tag" (Markierung) auf deren Instagram-Account entfernt, nicht aber das Foto selbst.

II. Gegen die Schuldnerin war auf den Antrag des Gläubigers wegen eines Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung vom 25. Juli 2017 ein Ordnungsmittel festzusetzen (§ 890 ZPO).

Die Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung sind gemäß §§ 724, 750 ZPO erfüllt, insbesondere ist die Verbotsverfügung angesichts der Zustellungsurkunde auch ordnungsgemäß im Sinne von §§ 929, 936 ZPO vollzogen.

Die beanstandeten Handlungen verletzen objektiv das Verfügungsverbot. Dabei handelt es sich um kerngleiche Verstöße.

Ob ein Verhalten eine Zuwiderhandlung darstellt, bestimmt sich nach der durch Auslegung zu ermittelnden Reichweite des Unterlassungstitels. Zur Auslegung der Urteilsformel können Tatbestand und Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch Parteivorbringen herangezogen werden (BGHZ 34, 337, 339; NJW 1979, 720, juris Rdn. 7; Z 98, 330 - Unternehmensberatungsgesellschaft I, juris Rdn. 21; GRUR 1989, 445 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung, juris Rdn. 15; GRUR 1992, 562 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung II, juris Rdn. 10; vgl. auch Senat, NJWE - WettbR 2000, 197; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 35. Aufl., § 12 UWG Rdn. 6.4). Der Verbotsumfang ist nicht auf die im Urteil beschriebene sogenannte konkrete Verletzungsform begrenzt. Sofern der Titel das Charakteristische oder den "Kern" der Verletzungsform zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, werden auch abgewandelte, aber denselben Kern enthaltende Verletzungsformen erfasst (BGH, WRP 1989, 72, 574 - Bioäquivalenz-Werbung; Köhler/Feddersen, a.a.O.). Jedenfalls im Kern muss eine Identität bestehen. Eine im Charakteristischen nur ähnliche Handlungsform genügt nicht (OLG Hamburg GRUR 1990, 637, 638; Köhler a.a.O.). Eine weitergehende, durch eine Analogie erweiternde Titelauslegung ist schon auf Grund des strafähnlichen Charakters der Ordnungsmittel des § 890 ZPO (BVerfG NJW 1981, 2457) unstatthaft (Art. 103 Abs. 2 GG; BGH a.a.O. - Bioäquivalenz-Werbung). Mit diesen Worten hat das Kammergericht zuletzt in dem Beschluss vom 8. August 2017 - 5 W 160/17 - die Grundlagen beschrieben. Die modifizierte Abschlusserklärung hat den Verbotsinhalt nicht auf die im Erlassverfahren konkret anlassgebenden Handlungen beschränken können, weil der Gläubiger einer dahin gehende titeleinschränkenden vollstreckungsrechtliche Vereinbarung nicht zugestimmt hat, wie sich seinem Antwortschreiben unzweifelhaft entnehmen lässt.

Den einzigen Unterschied, den die Kammer zum Sachverhalt des Erkenntnisverfahrens zu erkennen vermag, ist neben dem unstreitigen Umstand, dass nun - bis auf eine Ausnahme - Produkte anderer Hersteller präsentiert werden, was das Nämliche fortführt, der Auftritt aber nicht mehr unter dem Instagram-Account "..." der Schuldnerin geschaltet ist, sondern unter dem von ihrer geschäftsführenden Gesellschafterin ... als "..." übernommenen Account (vgl. Anlage AO 2: "New name on Instagram: ..."), die sich darin als Privatperson geriert und das inkriminierte Verhalten fortführt. Diese Beiträge der Influencerin macht die Schuldnerin sich zu eigen über die unstreitige Linkkette, die ihren Anfang nimmt auf der eigenen Webseite simple-et-chic.de und sich als eigene Inhalte darstellen, die über die Buttonleiste der eigenen Socialmedia-Angebote, dort unter "Instagram" in der Fußzeile der Webseite in ihren Außenauftritt eingebunden sind.

Nachdem bereits im Erkenntnisverfahren der Blog-Auftritt der Schuldnerin als unternehmerische Betätigung gewürdigt ist - und diese auch von ihr zugestanden wurde -, wäre es in der Folge ebenso an ihr gewesen, diesen aus der Fortsetzung perpetuierten Anschein zu entkräften. Die Schuldnerin hat hierzu nur vorgetragen, dass sie keine Gegenleistung erhalten, gefordert oder sich habe versprechen lassen. Sie lässt aber eine Einlassung dazu vermissen, wie es sich dazu in Bezug auf die Person der Influencerin verhält. Sie ist mit der Schuldnerin als deren Gesellschafterin und Organ verbunden. Es liegt nahe, dass die Influencerin mit ihren Beiträgen vor allem das Unternehmen der Schuldnerin fördern und ihre unternehmerischen Beteiligung daran mit dieser Sachleistung dienen will. Es besteht wegen des Näheverhältnisses zwischen Gesellschaft (Schuldnerin) und Gesellschafter-Geschäftsführerin (Influencerin) eine tatsächliche Vermutung dahin, dass diese Wechselwirkung nicht zufällig, sondern gewollt und der tiefe Handlungszweck ist. Dann aber soll die formelle Umetikettierung des Instagram-Accounts auf die Influencerin allein der Umgehung des gerichtlichen Verbots dienen, während tatsächlich das Modell der durch die beworbenen Unternehmen üblicherweise vergüteten Warenpräsentation beibehalten wird. Denn angesichts des einfachen Weitermachens spricht nichts dafür, dass dieses für das Verbotsverfahren von der Schuldnerin zugestandene Geschäftsmodell an sich geändert habe.

Mit dem Kammergericht (WRP 2018, 224 = Magazindienst 2017, 1169 - Schleichwerbung in sozialen Medien - Rn. 9; WRP 2018, 98 = Magazindienst 2017, 1171 - Influencer Marketing - Rn. 10) spricht die Lebenserfahrung dafür, dass die Warenpräsentation durch sog. Influencer nicht ideell motiviert ist, sondern wenn nicht durch Geldzahlungen etwa über Klick-Prämien, so doch durch sonstige geldwerte Vorteile, wie z.B. Rabatte oder Zugaben, oder auch nur Überlassung der präsentierten Produkte von dritter Seite honoriert wird.

Damit waren die verfahrensgegenständlichen Produktpräsentationen aber als Werbung zu kennzeichnen. Darin fehlt es.

Die Schuldnerin handelte nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich. Außer dass sie den Instagram-Account "..." pro forma auf "..." umtaufte, unternahm sie nichts, um dem gerichtlichen Verbot gerecht zu werden. Sie setzt ihr Geschäftsmodell unbeirrt, nämlich wissentlich und willentlich fort und scheut weiter die Angabe "Werbung".

Ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,- EUR erschien insoweit angemessen, aber auch ausreichend, da es sich zum einen zwar um einen Erstverstoß handelt, die Schuldnerin andererseits aber ihr Geschäftsmodell unter lediglich anderem Etikett zielgerichtet fortsetzt. Dies zeigt, dass ihr jede Einsicht in das begangene Unrecht fehlt. Es bedurfte daher einer spürbaren Sanktion, um sie zukünftig zur Einhaltung des gerichtlichen Verbots zu motivieren. Die Verhängung einer Ordnungsstrafe war nicht geboten.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 S. 3, 91 ZPO.

Der Verfahrenswert entspricht nach ständiger Rechtsprechung der Berliner Wettbewerbsgerichte

grundsätzlich 1/6 des Wertes der Hauptsache (KG, Beschlüsse vom 18. April 2006 zu 5 W 129/05 und 5 W 80/06) bzw. 1/4 des Wertes des Eilverfahrens (KG, Beschlüsse vom 6. Juni 2008 - 5 W 172/08 - und vom 29. April 2006 - 5 W 159/06 -). Hier ist ein anteiliger Hauptsachenwert von 25.000,- EUR zu Grunde zu legen.