VG Berlin, Urteil vom 31.10.2019 - 10 K 412.18
Fundstelle
openJur 2020, 37159
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wollen in erster Linie erreichen, dass die Bundesregierung dazu verurteilt wird, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um das selbst gesteckte Klimaschutzziel 2020 noch zu erreichen und europarechtliche Reduzierungspflichten zu erfüllen.

Das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 beruht auf einem Kabinettsbeschluss vom 3. Dezember 2014. Dort ist das Ziel der Bundesregierung festgesetzt, die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu mindern. Dazu müssten die Emissionen von rund 1.250 Mio. t CO2-Äquivalent (CO2-Äq.) im Jahr 1990 auf einen Zielwert von höchstens 750 Mio. t CO2-Äq. im Jahr 2020 zurückgeführt werden. Das Klimaschutzziel 2020 wird nach den eigenen Prognosen der Bundesregierung verfehlt werden. Tatsächlich erreicht Deutschland nach dem Klimaschutzbericht 2018 der Bundesregierung (S. 9) voraussichtlich lediglich eine Reduzierung um 32 % und nach dem Projektionsbericht der Bundesregierung vom Mai 2019 (Tabelle Z-2, S. 23) um 33,4 %.

Die Kläger stützen sich darüber hinaus im ersten Hilfsantrag auf die so genannte Lastenteilungsentscheidung Nr. 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009. Die Entscheidung legt fest, welchen Beitrag die jeweiligen Mitgliedstaaten zu leisten haben, um gemeinschaftsweit eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Wirtschaftssektoren zu erreichen, die nicht dem EU-Emissionshandel unterliegen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der Entscheidung begrenzt Deutschland seine Treibhausgasemissionen gegenüber seinen Emissionen im Jahre 2005 um mindestens 14 %. Art. 3 und 5 der Entscheidung sehen gewisse "Spielräume" bei Erfüllung der Verpflichtungen vor. U.a. können Staaten, wenn sie ihre Ziele übererfüllen, bis zu 5 % ihrer Emissionszuweisungen auf andere Staaten übertragen (Art. 3 Abs. 4). Die Emissionen sind in Deutschland bis 2017 lediglich um 3 % gesunken (Regierungsentwurf für ein Bundes-Klimaschutzgesetz vom 9. Oktober 2019, A. Problem und Ziel). Deutschland wird das 2020-Klimaschutzziel für die Nicht-ETS-Sektoren voraussichtlich nicht durch Reduzierungen im eigenen Land erreichen. Dies ergibt sich u.a. aus einem Bericht des Bundesumweltministeriums, Klimaschutz in Zahlen, von 2018 (S. 23).

Die Kläger zu 1) bis 13) sind drei Familien von Landwirten und ihren Kindern, die in Deutschland auf eigenem Grund und Boden ökologische Landwirtschaft betreiben. Die Kläger zu 1) und 2) führen einen seit 1703 bestehenden und vor allem auf Rinderhaltung und Ackerbau ausgerichteten Betrieb mit insgesamt 180 ha auf der Nordseeinsel Pellworm. Sie waren bereits durch Ernteeinbußen wegen Extremereignissen (Hitze mit fehlender Beregnungsmöglichkeit) und Starkregenereignisse betroffen. Sie fürchten, ihren Familienbetrieb langfristig ohne ausreichenden Klimaschutz nicht mehr nutzen zu können etwa wegen einer erschwerten Gebietsentwässerung und der Überschreitung der technischen Grenzen des Hochwasserschutzes.

Die Kläger zu 7) bis 9) sind Eigentümer eines ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetriebs, der als Gesellschaft bürgerlichen Rechts - die Klägerin zu 10) - betrieben wird. Der Betrieb verfügt über 380 ha landwirtschaftliche Fläche und ca. 100 ha Forst. Sie waren durch Ernteeinbußen betroffen und befürchten, dass ohne einen effektiven Klimaschutz ihr Milchvieh durch Hitzestress geschädigt und ihre Flächen mangels Bewässerung unbenutzbar werden könnten. Der Kläger zu 11) betreibt einen Obsthof auf über 20 ha mit Eigen- und Pachtflächen im Alten Land vor Hamburg. Sein Betrieb ist durch Schädlinge wie z.B. Apfelwickler und der Kirschfruchtfliege betroffen, die den Aufwand extrem erhöhen. Er befürchtet, dass Starkregenereignisse und Hagel mit Staunässe im Winter und Frühjahr sowie extreme Sommer ohne Klimaschutz seinen Hof an seine wirtschaftlichen Grenzen bringen könnten. Die Kinder und Erben der derzeitigen Betriebsinhaber - die Kläger zu 3) bis 6), 12) und 13) - beabsichtigen, die elterlichen Betriebe zu übernehmen.

Der Kläger zu 14) ist Greenpeace e.V., ein Umweltverband, der als satzungsgemäßes Ziel unter anderem den Klimaschutz und die Verhinderung eines gefährlichen Klimawandels hat. Greenpeace ist derzeit nicht als Umweltvereinigung im Sinne des § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) anerkannt.

Die Kläger haben am 29. Oktober 2018 Klage erhoben.

Nach Auffassung der Kläger ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Soweit die Beklagte geltend mache, es werde in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung eingegriffen und deren politischer Gestaltungsspielraum beschnitten, so sei dies nicht bei der Zulässigkeit, sondern im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen.

Die Kläger verfolgen ihr Begehren in Form einer Leistungsklage. Sie sind der Ansicht, dass sie die Fortschreibung des Klimaschutzprogramms mit geeigneten Maßnahmen als Handlung der Beklagten beanspruchen können. Denn die Aufgabe des Klimaschutzziels 2020 sei objektiv rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Grundrechten. Sie seien hiervon in spezifischer Weise betroffen.

Hinsichtlich der Klagebefugnis gelte im Verwaltungsprozess die Möglichkeitstheorie, nach der lediglich zu prüfen sei, ob anhand des tatsächlichen Klagevorbringens eine Verletzung subjektiver Rechte der Kläger möglich erscheine. Dies sei hier der Fall.

Die Kläger sind der Ansicht, dass das Klimaschutzziel 2020 eine rechtlich bindende Selbstverpflichtung der Beklagten darstelle und als solche Außenwirkung habe. Das Klimaschutzziel 2020 sei von der Beklagten seit 2007 mehrfach als Kabinettsentscheidung angenommen worden (aktuell durch das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020). Es handele sich dabei nicht um eine rein politische Absichtserklärung, sondern um einen justitiablen Rechtsakt der Beklagten, auf den sich ein Betroffener auch berufen könne.

Der Rechtscharakter des Klimaschutzziels folge zunächst daraus, dass es Gegenstand mehrerer Kabinettsbeschlüsse nach § 15 der Geschäftsordnung der Bundesregierung (GOBReg) gewesen sei. Beschlüsse der Bundesregierung dienten einer effektiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der Bundesregierung und entfalteten eine rechtliche Bindungswirkung für ihre Mitglieder. Sie seien als verbindlicher Staatsakt mit Innenwirkung zu qualifizieren.

Nach den allgemeinen Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung und aufgrund Vertrauensschutzes aus tatsächlichem Handeln sei eine Außenwirkung des Klimaschutzzieles 2020 anzunehmen. Zumindest bedürfe ein plötzliches Abweichen von der bisherigen Praxis einer nachvollziehbaren Begründung.

Klimaschutzprogramme seien Handlungsformen der Verwaltung und als solche den Programm- bzw. Lenkungsplänen zuzuordnen. Das Klimaschutzziel 2020 stelle für die Beklagte eine "verwaltungslenkende Handlungsdirektive" dar, die sie in der ansonsten bestehenden politischen Freiheit beschränke. Die Beklagte habe durch das Klimaschutzziel 2020 ein verbindliches Emissionsniveau für das Jahr 2020 festgelegt und über 11 Jahre lang verfolgt, wiederholt Maßnahmen ergriffen, um es zu erreichen, und habe es zugleich als Grundlage für Gesetzesvorhaben und Grundrechtseingriffe herangezogen. So sei bei der Einführung des § 13 g des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf das nationale Klimaschutzziel 2020 Bezug genommen worden, um einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Betreiber von Braunkohlekraftwerken zu rechtfertigen.

Das Klimaschutzziel 2020 diene der Umsetzung der Schutzpflicht des Staates im Kontext des Völker- und Unionsrechts und der eigenen Verfassung und damit von höherrangigem Recht. Grundsätzlich werde durch Art. 20 a Grundgesetz (GG) der Umweltschutz dem Gesetzgeber überantwortet, weshalb diesem eine Handlungspflicht und die Definition angemessenen Schutzniveaus oblägen. Diese aktive Handlungspflicht aus Art. 20 a GG werde aber auf Bundesebene bislang lediglich durch Regierungshandeln in Form von Klimaschutzprogrammen bzw. durch Kabinettsbeschlüsse umgesetzt. Indem der Staat seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zu einem effektiven Schutzkonzept zum Schutz vor globalen Klimaänderungen lediglich auf der Ebene von Kabinettsbeschlüssen nachkomme, würden das Ziel und die Klimaschutzprogramme der Beklagten im Umkehrschluss verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen. Nur der Gesetzgeber könne das Klimaschutzziel 2020 ändern.

Das Klimaschutzziel 2020 sei auch jetzt noch erreichbar (Studie des Fraunhofer-Instituts für Greenpeace, Wie Deutschland sein Klimaziel 2020 noch erreichen kann, August 2018).

Die Grundrechte der Kläger zu 1) bis 13) aus Art. 2 Abs. 2 GG (Leben und körperliche Unversehrtheit), Art. 12 (Berufsfreiheit) und Art. 14 GG (Eigentum) seien verletzt. Es lägen mittelbare, faktische Eingriffe in diese Grundrechte vor. Die Kläger zu 1) bis 9) und 11) bis 13) seien zwar aktuell nicht in ihrer Gesundheit beeinträchtigt, ihnen drohten aber die gesundheitsschädlichen Folgen des Klimawandels und insbesondere der häufigeren Hitzeperioden. Die Kläger zu 1) bis 13) als gegenwärtige bzw. künftige Eigentümer und Betreiber von landwirtschaftlichen Betrieben seien aus ihrem durch Art. 14 GG geschütztes Recht auf Fortsetzung des Betriebs im bisherigen Umfang betroffen. Die Beklagte greife mittelbar und faktisch durch den Nichtvollzug des Klimaschutzziels 2020 in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ein. Denn dadurch könnten Dritte deutlich mehr Treibhausgasemissionen emittieren als seit 2014 fortlaufend durch das Klimaschutzziel 2020 festgelegt. Hierdurch würden der anthropogene Klimawandel und damit auch die regionale Umweltbeeinträchtigung verstärkt und weiter vorangetrieben. Dieser komplexe Geschehensablauf sei der Beklagten bekannt. Die Beklagte sei sich der sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen der Freiheitsrechte der Kläger bewusst, würde dies aber billigend in Kauf nehmen.

Es sei kein naturwissenschaftlicher Kausalitätsnachweis zwischen den konkreten CO2-Emissionen durch die Nichterfüllung des Klimaschutzziels 2020 und der konkreten Grundrechtsgefährdung der Kläger darzulegen. Denn die rechtliche Möglichkeit einer Grundrechtsgefährdung reiche für die Geltendmachung der faktischen Beeinträchtigung aus dem Nichtvollzug des Klimaschutzziels 2020 aus. Für die Grundrechtseingriffe liege zudem keine Rechtfertigung vor. Diese scheitere am Nichtvorliegen eines legitimen Zweckes für die Aufgabe des bisherigen Reduzierungsziels.

Hilfsweise berufen sich die Kläger auf eine aus den Grundrechten folgende Schutzpflicht des Staates. Art. 2 GG gewähre nicht nur ein subjektives Abwehrrecht auf Schutz vor staatlichen Eingriffen, sondern habe auch einen objektivrechtlichen Gehalt. Daraus ergebe sich die Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor die genannten Rechtsgüter zu stellen. Dieser zu Art. 2 Abs. 2 GG zum Schutz des Lebens entwickelte allgemeine verfassungsrechtliche Grundsatz sei auch auf den Schutz des Eigentums in Art. 14 GG übertragbar. Die Schutzpflicht des Staates gegen den Klimawandel ergebe sich auch aus Art. 20 a GG, auf den sich die Kläger in diesem Zusammenhang berufen könnten. Es gelte ein Untermaßverbot, gegen das mit der Aufgabe des Klimaschutzziels 2020 verstoßen werde. Der in einem mehrpoligen Verfassungsverhältnis erforderliche Ausgleich zwischen den Rechtsgütern der Betroffenen, hier der Freiheitsausübung der Umweltbeeinträchtiger einerseits und des Schutzes der Kläger als Umweltbeeinträchtigte andererseits, bleibe zulasten der Kläger hinter den Anforderungen des Untermaßverbotes zurück. Das 40%-Ziel sei auf der Grundlage des 4. Sachstandsberichts des Weltklimarates (Intergovernmental Panel on Climate Change - IPCC) bereits 2007 beschlossen worden und beruhe auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Deutschland genehmige sich nach wissenschaftlichen Stellungnahmen deutlich mehr vom verbleibenden globalen Treibhausgas-Budget, als gerechtfertigt sei. Das Klimaschutzziel 2020 werde nach einem Kurzgutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung für Greenpeace (Wann Deutschland sein Klimaschutzziel 2020 tatsächlich erreicht, Oktober 2019) frühestens im Jahre 2025 erreicht. Die Kläger berufen sich auf verschiedene Szenarien zur gerechten Verteilung des Treibhausgas-Budgets, nach denen selbst das 40%-Ziel für 2020 noch zu viele Treibhausgasemissionen erlaube. Art. 4 Abs. 3 des Übereinkommens von Paris 2015 verpflichte die Staaten, größtmögliche Ambition zu zeigen. Um zu belegen, dass das Klimaschutzziel von 40 % im Jahr 2020 das verfassungsrechtlich gebotene Minimum an Klimaschutz darstelle, regen die Kläger die Einholung weiterer Sachverständigengutachten an. Jedenfalls sei die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch Unterschreitung des Untermaßes nicht von der Hand zu weisen.

Die Kläger verweisen auf die stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts vom 9. Oktober 2018 in der Klimaklage der Urgenda in den Niederlanden (ECLI:NL: GHDHA: 2018:2610). Dieses Urteil stütze sich auf Pflichten aus Art. 2 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), die ergänzend auch in Deutschland heranzuziehen seien. Die Schutzpflichten der EMRK räumten den Staaten im Vergleich zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen engeren Gestaltungsspielraum ein.

Auch auf der Grundlage der wichtigsten UN-Menschenrechtsverträge bestehe eine rechtliche Verpflichtung der Staaten, Treibhausgasemissionen mit höchstmöglicher Ambition zu reduzieren (vgl. Office of the High Commissioner for Human Rights, Five UN human rights treaty bodies issue a joint statement on human rights and climate change, 19. September 2019).

Für den Kläger zu 14) ergebe sich ein Klagerecht als Umweltschutzverband in Form eines prokuratorisches Klagerechts, die subjektiven Rechtspositionen einzelner geltend zu machen, sowie aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der sogenannten Protect-Entscheidung zur Wirkung von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Danach könnten Umweltvereinigungen die Beachtung der umweltrechtlichen Vorschriften der Europäischen Union begehren. Die fehlende Anerkennung des Klägers zu 14) nach § 3 UmwRG stehe dem nicht entgegen. Denn der Zugang zu Gericht auf Grundlage von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention stehe nicht nur den nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltvereinigungen offen. Hilfsweise sei die Anerkennungsfähigkeit des Klägers zu 14) nach dem UmwRG anzunehmen, denn dieser habe die Nichterteilung der Anerkennung nicht zu vertreten (§ 2 Abs. 2 UmwRG). Da es sich bei dem Klimaschutzziel 2020 um objektives Umweltrecht mit unionsrechtlichem Hintergrund handele, könne der Kläger zu 14) die Einhaltung der Klimaschutzziele, jedenfalls aber der Entscheidung Nr. 406/2009/EG voll gerichtlich überprüfen lassen.

Bei der Lastenteilungsentscheidung Nr. 406/2009/EG handle es sich um eine rechtlich verbindliche Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates. Derartige Entscheidungen seien gemäß Art. 288 Abs. 4 Satz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in allen ihren Teilen verbindlich. Sie könnten auch Außenwirkung entfalten. Deutschland müsse bis 2020 eine Reduzierung um 14 % gegenüber 2005 erbringen. In der Entscheidung seien zwar einige Spielräume für diese Zielerreichung vorhanden. Diese könnten aber nur unter der Voraussetzung genutzt werden, dass der betroffene Mitgliedstaat ansonsten die nach der Entscheidung notwendigen Schritte unternommen habe. Seit 2016 habe Deutschland keine quantifizierbaren Reduktionen mehr erbracht. Es widerspreche der Lastenteilungsentscheidung, wenn ein Mitgliedstaat seine Reduktionsanstrengungen komplett einstelle. Die Lastenteilungsentscheidung sehe neben der Erfolgspflicht eine Handlungspflicht zu kontinuierlichen Emissionsminderungen vor. Anderenfalls sei der vorgesehene jährliche Minderungsplan rechtlich irrelevant. Gegebenenfalls sei eine Vorlage an den EuGH erforderlich. Deutschland werde möglicherweise auch unter Ausnutzung der Spielräume der Lastenteilungsentscheidung nicht in der Lage sein, seine Verpflichtungen für die Jahre ab 2017 zu erfüllen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer einen dazu gestellten Beweisantrag der Kläger abgelehnt.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, das nationale Klimaschutzprogramm 2020 in Gestalt des Kabinettsbeschlusses der Beklagten vom 3. Dezember 2014 (Aktionsprogramm Klimaschutz 2020) um geeignete Maßnahmen so fortzuschreiben oder zu ergänzen, dass es alle erforderlichen Maßnahmen enthält, um zu gewährleisten, dass das verbindliche Ziel des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020, die Treibhausgasimmissionen in Deutschland bis 2020 um 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren, eingehalten werden kann,

die Beklagte zu verurteilen, das nationale Klimaschutzprogramm 2020 in Gestalt des Kabinettsbeschlusses der Beklagten vom 3. Dezember 2014 (Aktionsprogramm Klimaschutz 2020) um geeignete Maßnahmen so zu ergänzen, dass es alle erforderlichen Maßnahmen enthält, um den CO2-Ausstoß soweit zu reduzieren, dass die im Verhältnis zum verbindlichen Klimaschutzziel 2020 bis zum Erlass des Urteils bereits zu viel emittierten ca. 650 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent eingespart werden können,

hilfsweisedie Beklagte zu verurteilen, das nationale Klimaschutzprogramm 2020 in Gestalt des Kabinettsbeschlusses der Beklagten vom 3. Dezember 2014 (Aktionsprogramm Klimaschutz 2020) um geeignete Maßnahmen so zu ergänzen, dass die Reduktionsvorgaben des Artikels 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der Entscheidung Nr. 406/2019/EG bis 2020 eingehalten werden,

hilfsweisedie Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Ergänzungsmaßnahmen sicherzustellen, dass die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020, die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren, schnellstmöglich geschlossen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei, da sie ein Handeln der Exekutive betreffe, das nicht justiziabel sei. Die Kläger wollten der Bundesregierung bestimmte politische Ziele vorzuschreiben. Dies greife in den Kernbereich der politischen Gestaltungsbefugnisse der Bundesregierung ein. Das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 sei als politisches Programm der Gesetzgebung sowie dem Regierungs- und Verwaltungshandeln vorgelagert, ohne Rechte und Pflichten von Bürgern und Unternehmen zu begründen. Von der Klage betroffen sei die staatsleitende, nicht die administrative Tätigkeit der Bundesregierung. Die Kläger versuchten, der Bundesregierung deren staatsleitenden Gestaltungsspielraum zu entziehen und durch eine gerichtliche Zielfestlegung zu ersetzen. Die Klage greife in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung ein. Dieser Bereich sei durch den Gewaltenteilungsgrundsatz gegenüber beiden anderen Staatsgewalten geschützt. Die von den Klägern angestrebte Verlagerung einer politischen Grundsatzentscheidung von der Bundesregierung auf die Gerichtsbarkeit sei auch mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes unvereinbar. Auch soweit das Verwaltungsprozessrecht die fehlende Justiziabilität einer Klage wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip nicht ausdrücklich vorsehe, sei diese Regelungslücke gegebenenfalls durch Analogie zu schließen.

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass die vorliegende Streitsache als verfassungsrechtliche Streitigkeit zu qualifizieren und somit der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei.

Die Klage sei zudem unzulässig, weil die Kläger nicht klagebefugt seien. Sie könnten keine subjektiven Rechte aus dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 herleiten. Bei diesem Programm handele es sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern um einen einfachen Kabinettsbeschluss, dem die Außenwirkung fehle. Das Klimaschutzprogramm habe zu keiner Selbstbindung der Verwaltung geführt. Es liege auch kein Verstoß gegen den Vertrauensschutzgrundsatz vor.

Auch die in Art. 20 a Grundgesetz verfassungsrechtlich festgelegte Staatszielbestimmung, die den Klimaschutz umfasse, begründe keine subjektive Berechtigung einzelner. Daraus ergebe sich nur eine objektivrechtliche Verpflichtung des Staates, wobei es dem Gesetzgeber obliege, die Definition des angemessenen Schutzniveaus vorzunehmen.

Die Kläger befänden sich in der gleichen Situation wie alle anderen in Deutschland lebenden Personen.

Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, derzeit sei keine konkrete Aussage darüber möglich, wann das Zwischenziel von 40 % Reduzierung der Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 erreicht werde.

Die Möglichkeit einer Verletzung der Grundrechte der Kläger durch einen faktischen Eingriff des Staates sei nicht gegeben. Hinsichtlich derjenigen Kläger, die gegenwärtig nicht Inhaber der fraglichen landwirtschaftlichen Betriebe seien, bestünden schon erhebliche Bedenken gegen die Eröffnung des Schutzbereichs der geltend gemachten Grundrechte. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzungen von Art. 12 GG und Art. 14 GG liege kein faktischer, mittelbarer Grundrechtseingriff vor. Es fehle die hierfür notwendige Zurechnung der Treibhausgasemissionen zum Staat. Wenn jede Verletzung einer Schutzpflicht zugleich das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs zur Folge hätte, würde die Unterscheidung zwischen Eingriff und Schutzpflicht aufgelöst.

Eine mögliche Rechtsverletzung der Kläger ergebe sich auch nicht aus der Schutzpflichtdimension der Grundrechte. Denn die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts sei Sache des Gesetzgebers, dem grundsätzlich ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukomme. Das Schutzniveau sei verfassungsrechtlich nicht vollständig determiniert. Bei der Festlegung einer bestimmten Klimapolitik handele sich um eine politische Richtungsentscheidung innerhalb der Bundesregierung mit Grundsatzcharakter. Die Umsetzung der Politik könne Auswirkungen auf eine große Bandbreite von Lebensbereichen haben und damit eine Vielzahl potentiell gegenläufiger Gemeinwohlbelange einschließlich der Grundrechte Dritter berühren. Aus grundrechtlicher Perspektive führe dies zu einer komplexen Gemengelage, bei der es neben der Bundesregierung die Aufgabe des Gesetzgebers sei, die notwendigen Abwägungen zu treffen und darauf aufbauend ein Schutzkonzept festzulegen. Angesichts der Komplexität dieser Entscheidungssituation sei es keinesfalls evident, dass allein die geforderte Festlegung der Bundesregierung auf das in den Klageanträgen genannte Klimaschutzziel verfassungsrechtlich zulässig sei. Das Mindestschutzniveau beim Klimaschutz könne nicht mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 gleichgesetzt werden.

Den Klägern fehle zudem das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Selbst ein Erfolg der Klage würde die subjektive Rechtsstellung der Kläger nicht verbessern.

Der Kläger zu 14) sei schon deswegen nicht klagebefugt, weil ihm eine Anerkennung nach § 3 UmwRG fehle. Dies könne vorliegend auch nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 UmwRG überwunden werden, da der Kläger zu 14) nicht anerkennungsfähig sei (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 UmwRG). In der Sache fehle die erforderliche demokratische Binnenstruktur.

Auch die Lastenteilungsentscheidung Nr. 406/2019/EG begründe keine subjektiven Rechte einzelner, sondern diene allein dem Schutz des Allgemeininteresses. Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, dass die Bundesregierung ihren politischen Handlungsspielraum nutze, um die Minderungsziele des Art. 3 Abs. 1 der Lastenteilungsentscheidung zu erreichen. Sollten diese Minderungsziele nicht erreicht werden, gehe die Beklagte davon aus, dass ein Verstoß gegen die Lastenteilungsentscheidung durch Ankauf von Emissionszuweisungen gemäß Art. 3 Abs. 4 oder 5 und/oder Art. 5 der Entscheidung vermieden werden könne.

Der zweite Hilfsantrag sei in zeitlicher Hinsicht zu unbestimmt, weil er nicht angebe, bis wann das 40%-Reduktionsziel erreicht werden solle.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2019 hat der Berichterstatter den Antrag des Klägers zu 14) abgelehnt, 220 natürliche Personen und eine Genossenschaft beizuladen. Mit Beschluss vom 5. September 2019 ist der Beiladungsantrag der Gemeinde Pellworm abgelehnt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat und, soweit erheblich, bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden ist.

Gründe

Die Klage ist mangels Klagebefugnis unzulässig. Der zweite Hilfsantrag ist zudem zu unbestimmt.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet. Dieser ist grundsätzlich in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben. Die Klage betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Verhältnis zwischen Bürger und Staat.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Klagebegehren justiziabel. Zwar gibt es justizfreie Hoheitsakte, die einer gerichtlichen Überprüfung entzogen sind. Schulbeispiel sind ablehnende Gnadenentscheidungen (BVerfG, Beschluss mit 4 zu 4 Stimmen vom 23. April 1969 - 2 BvR 552/63 -, BVerfGE 25, 352-366, Rn. 34, Sondervotum Rn. 46). Auch Regierungsakte (staatsleitende Hoheitsakte) werden in der Literatur teilweise als justizfreie Hoheitsakte angesehen. Diese Meinung geht auf eine kurze Erwägung in einem Aufsatz von 1950 zurück (Klein, VVDStRL 8, 67, 111). Ob diese Meinung heute noch vertreten wird, erscheint fraglich. Nach zutreffender Ansicht können staatsleitende Hoheitsakte aber gemäß Art. 19 Abs. 4 GG nicht allgemein von einer gerichtlichen Überprüfung ausgenommen werden, da auch solche Akte trotz ihrer politischen Bedeutung rechtlichen Bindungen nach Art. 1 Abs. 3 GG unterliegen (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 40 Rn. 5b). Dem Prinzip der Gewaltenteilung kann das Verwaltungsgericht dadurch ausreichend Rechnung tragen, dass der Regierung ein weit bemessener Spielraum eingeräumt wird (zum Bereich der Außenpolitik vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2001 - 2 BvE 6/99 -, BVerfGE 104, 151-214, juris Rn. 158).

Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Regierung berufen. Die Regierung ist für die politische Gestaltung zuständig und parlamentarisch verantwortlich (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2015 - 2 BvR 1282/11 -, BVerfGE 139, 321-378, juris Rn. 126). Dabei setzt die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk notwendigerweise einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung voraus, der einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt (BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 BvE 1/15 -, BVerfGE 146, 1-70, juris Rn. 92). Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bezieht sich in erster Linie auf laufende Verfahren. Im Einzelfall ist auch der Zugang zu Unterlagen über abgeschlossene Vorgänge zu versagen. Dies dient dem Schutz der Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19/17 -, juris Rn. 18). Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht im Verhältnis der Regierung zum Fragerecht von Bundestagsabgeordneten und zu den Rechten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG entwickelt; sie findet auch Anwendung auf Auskunftsbegehren nach Presserecht und nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Im Verhältnis zu den Verwaltungsgerichten ist die Verweigerung des Zugangs zu Unterlagen spezialgesetzlich geregelt: § 99 Abs. 2 VwGO sieht ein in-camera-Verfahren vor, wenn eine oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Akten oder Auskünfte verweigert. In der Sache geht es aber allein um den Zugang zu Informationen und nicht um die Frage einer gerichtlichen Kontrolle des Handelns der Regierung.

Für eine von der Beklagten geforderten Analogie aus dem Demokratieprinzip und dem Prinzip der Gewaltenteilung fehlt es an einer Regelungslücke. Der besonderen Rolle staatsleitender Tätigkeiten wird durch die Einräumung entsprechender Gestaltungsspielräume Rechnung getragen, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Ein vollständiger Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung des Handelns der Regierung wäre weder mit dem Rechtsstaatsprinzip noch mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Zur Frage der Justiziabilität eines Klimaschutzprogramms kommt der irische High Court in seinem Urteil vom 19. September 2019 (Friends of the Irish Environment v. Ireland - 2017 No. 793 JR) zu einem vergleichbaren Ergebnis.

Es handelt sich auch um einen Rechtsstreit nicht-verfassungsrechtlicher Art. Die herrschende Meinung vertritt die Theorie der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit: Danach ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit verfassungsunmittelbarer Art, wenn sich unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte über Rechtsbeziehungen streiten, die ausschließlich dem Verfassungsrecht angehören (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 40 Rn. 32 m.w.N.). Deshalb gehören Prozesse zwischen Bürger und Staat einschließlich solcher, bei denen Verfassungs-, insbesondere Grundrechtsnormen streitentscheidend sind, grundsätzlich vor die Verwaltungs- und nicht vor die Verfassungsgerichte (BVerwG, Urteil vom 3. November 1988 - 7 C 115/86 -, BVerwGE 80, 355-373, juris Rn. 13 f.). Davon ausgenommen ist die Klage eines Bürgers auf Erlass eines förmlichen Gesetzes. Der Anspruch eines Bürgers auf Erlass eines förmlichen Gesetzes, soweit ein solcher Anspruch besteht, kann nur vor den Verfassungsgerichten durchgesetzt werden (BVerwG, Urteil vom 15. Januar 1987 - BVerwG 3 C 19.85 -, BVerwGE 75, 330, 334, juris Rn. 33).

Hier haben die Kläger nicht näher präzisiert, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen soll, um das Klimaschutzziel 2020 noch rechtzeitig zu erreichen. Sie haben Förderprogramme, Maßnahmen im Bereich des Staates und auch Selbstverpflichtungsabsprachen mit der Industrie erwähnt, die keine förmliche Gesetzgebung erfordern. Allerdings sieht das von den Klägern vorgelegte Gutachten des Fraunhofer Instituts für Greenpeace vom August 2018 als zentrale Maßnahme die Abschaltung von Braunkohlekraftwerken vor. Dies wäre ohne förmliches Gesetz kaum durchsetzbar. Die Einschränkung, dass das Verwaltungsgericht den Gesetzgeber nicht zum Erlass förmlicher Gesetze verpflichten kann, führt aber nicht insgesamt zur Unzulässigkeit der Klage. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt der Generalanwalt beim Obersten Gerichtshof der Niederlande (Hoge Raad) in seiner Stellungnahme vom 13. September 2019 zur Klimaklage von Urgenda (ECLI: NL:PHR:2019: 887; Az.: 19/00135, Rn. 5.43); auch dort können die Fachgerichte den Gesetzgeber nicht zum Erlass von Gesetzen verpflichten.

Statthafte Klageart ist für sämtliche Anträge die allgemeine Leistungsklage. Die beiden Hauptanträge und der erste Hilfsantrag sind auch hinreichend bestimmt. Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet; ihm muss aber mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden. In einem bestimmten Antrag, der aus sich selbst heraus verständlich sein muss, sind Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu benennen. Die Angabe allein des Ziels - der Einhaltung des nationalen Klimaschutzprogramms 2020 - ist im vorliegenden Fall angesichts des Gestaltungsspielraums der Regierung ausreichend (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, BVerwGE 147, 312-329, juris Rn. 54 - 55 zu Klagen auf Erlass von Luftreinhalteplänen).

A. Für die beiden Hauptanträge sind die Kläger aber nicht klagebefugt.

I. Hinsichtlich der Individualkläger, der Kläger zu 1) bis 13), wird nach ständiger Rechtsprechung die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis entsprechend auch auf die allgemeine Leistungsklage angewendet (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, BVerwGE 147, 312-329, juris Rn. 18). Hiernach ist die Klage nur dann zulässig, wenn die Kläger geltend machen, durch ein Verwaltungshandeln oder dessen Unterlassung in ihren Rechten verletzt zu sein. Erforderlich aber auch hinreichend ist, dass unter Zugrundelegung der Darlegungen der Kläger die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts möglich erscheint (BVerwG, Urteil vom 5. April 2016 - 1 C 3/15 -, BVerwGE 154, 328-351, juris Rn. 16). Daran fehlt es, wenn die von den Klägern geltend gemachte Rechtsposition offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise bestehen oder ihnen zustehen kann (BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 A 6/13 -, BVerwGE 153, 246-254, juris Rn. 15 m.w.N.). Die Klagebefugnis ist davon abhängig, dass sich die Kläger auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen können, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm (zumindest auch) sie als Dritte schützt. Insoweit ist entscheidend, dass sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich hinreichend von der Allgemeinheit unterscheidet (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 - 6 C 42/06 -, BVerwGE 130, 39-52, juris Rn. 11 zur Verpflichtungsklage, die einen Unterfall der Leistungsklage bildet).

Erforderlich ist damit eine öffentlich-rechtliche Norm oder Rechtsgrundlage, aus der sich eine entsprechende Pflicht der Bundesregierung zum Handeln ergeben kann. Durch die Untätigkeit der Beklagten muss die Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts möglich sein. Das ist hier im Ergebnis nicht der Fall.

1. Die Kläger zu 1) bis 13) können ihr Begehren nicht auf den Beschluss des Bundeskabinetts vom 3. Dezember 2014 - das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 - stützen. Dieser Kabinettsbeschluss stellt eine politische Absichtserklärung dar, enthält aber keine rechtsverbindliche Regelung mit Außenwirkung, auf die sich die Kläger berufen könnten. Zudem hat die Bundesregierung das Klimaschutzziel 2020 durch den mit Kabinettsbeschluss vom 9. Oktober 2019 verabschiedeten Regierungsentwurf zum Bundes-Klimaschutzgesetz in zulässiger Weise auf das Jahr 2023 hinausgeschoben.

a) Ein Kabinettsbeschluss wird gemäß § 24 Abs. 2 GOBReg mit Stimmenmehrheit beschlossen. Dieser Beschluss bindet die Bundesminister und stellt Binnenrecht dar (vgl. zum Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 Wegener, ZUR 2019, 3, 9; Voland, NVwZ 2019, 114, 116 - "politische Leitlinie" - und zum Klimaschutzplan 2050 Saurer, NuR 2018, 581). Auch die Geschäftsordnung der Bundesregierung selbst stellt nur Regierungsinnenrecht dar und berechtigt und verpflichtet als solches nur die Mitglieder der Bundesregierung; das rechtliche Verhältnis zu anderen Bundesorganen oder zum Bürger betrifft sie nicht (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19/17 -, juris Rn. 30).

Aus dem Umstand, dass es sich um ein Aktionsprogramm handelt, lässt sich für eine verbindliche Außenwirkung im Verhältnis zum Bürger nichts herleiten. Das Aktionsprogramm ist spezifischen Maßnahmen vorgelagert. Die Kläger sprechen insoweit von einer "verwaltungslenkenden Handlungsdirektive", ohne dass deutlich wird, welche Rechtsfolgen dies zeitigen soll. Ein "Plan" oder "Programm" ist keine einheitliche Rechtsform, sondern kann sehr unterschiedliche Gestalt annehmen (vgl. Saurer, NVwZ 2017, 1574, 1578). Bestimmte umweltrechtliche Pläne und Programme unterliegen gemäß § 33 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) einer strategischen Umweltprüfung. Darunter fallen beispielweise Raumordnungsplanungen, Bauleitplanungen, Luftreinhaltepläne und Abfallwirtschaftspläne. Die Rechtswirkungen dieser Pläne und Programme sind unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen, dass sie jeweils - anders als das Aktionsprogramm Klimaschutz - auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die auch Schlussfolgerungen für die Rechtsverbindlichkeit zulässt.

Kontext und Wortlaut des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 sprechen gegen eine verbindliche Regelung mit Außenwirkung. Veröffentlicht ist der Kabinettsbeschluss in einer bunten Broschüre, vom Bundesumweltministerium (BMU) mit einem Vorwort der damaligen Bundesumweltministerin herausgegeben und mit vielen Fotos, Abbildungen und Tabellen versehen. Die Gliederung des Aktionsprogramms benennt als Hauptgliederungspunkt "Zentrale politische Maßnahmen" (Seite 24 bis 71). Zum Klimaschutzziel 2020 heißt es wörtlich: "Unser nächstes Etappenziel im Klimaschutz ist es, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Damit wollen wir die Basis dafür schaffen, auch die nachfolgenden Zielsetzungen für die Jahre 2030, 2040 und 2050 zu erreichen und das europäische Klimaziel zu realisieren." (S. 9) Die Verwendung der 1. Person Plural passt zu einer politischen Absichtserklärung, wäre aber heutzutage für eine rechtsverbindliche Regelung des Staates im Verhältnis zum Bürger äußerst ungewöhnlich (vgl. dagegen die Formulierungen von Klimazielen in § 4 des Klimaschutzgesetzes Baden-Württemberg von 23. Juli 2013 und § 3 des Regierungsentwurfs für ein Bundes-Klimaschutzgesetz vom 9. Oktober 2019).

Die Kläger dringen auch mit den weiteren Argumenten für eine rechtsverbindliche Außenwirkung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 nicht durch.

Die Kläger berufen sich auf eine Selbstbindung der Verwaltung. Diese Rechtsfigur führt u.a. dazu, dass Verwaltungsvorschriften, die Binnenrecht der Verwaltung darstellen, eine Außenwirkung entfalten können. Sie beruht auf einer Verwaltungspraxis im Verhältnis zum Bürger, auf die sich andere Bürger nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung in Art. 3 GG berufen können. Außenwirkung kommt einer internen Regelung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, wenn und soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis tatsächlich herausgebildet hat (sog. Selbstbindung der Verwaltung) (BVerwG, Urteil vom 15. November 2011 - 1 C 21/10 -, BVerwGE 141, 151-161, juris Rn. 15). Das Klimaschutzziel 2020 war zwar die Grundlage für zahlreiche Maßnahmen der Bundesregierung. Eine Verwaltungspraxis unmittelbar gegenüber dem Bürger, auf die sich die Kläger nach Art. 3 GG berufen könnten, ist aber nicht ersichtlich.

Eine Außenwirkung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes kommt nicht in Betracht. Vertrauensschutz spielt eine wichtige Rolle etwa in Fällen einer unechten Rückwirkung von Gesetzen und beim Schutz des Eigentums. Voraussetzung ist, dass der Betroffene im Vertrauen auf den Bestand der Rechtslage Vermögensdispositionen getroffen hat, die nunmehr durch eine Änderung der Rechtslage frustriert werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246-396, juris Rn. 372 zum Atomausstieg). Die Kläger haben nicht behauptet, dass sie Investitionen im Vertrauen auf den Bestand des Klimaschutzziels 2020 getätigt hätten.

Auch aus der Wesentlichkeitstheorie folgt keine Außenwirkung des Kabinettsbeschlusses. Die Kläger sind der Ansicht, es hätte einer gesetzlichen Festlegung der Klimaschutzziele bedurft (vgl. Saurer, NuR 2018, 581). Da dies nicht geschehen sei, erlange der Beschluss der Bundesregierung "verfassungsrechtliche Bedeutung". Die Wesentlichkeitstheorie bzw. der Parlamentsvorbehalt besagt, dass im Bereich der untergesetzlichen Normsetzung wesentliche Fragen der Grundrechtsausübung und -eingriffe durch das Parlament selbst geregelt werden müssen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. August 1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49, 89-147; Leitsatz 2 - Kalkar I). Rechtsfolge ist, dass eine entsprechende untergesetzliche Norm wegen Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes verfassungswidrig ist. Die Schlussfolgerung, dass ein entsprechender Beschluss der Bundesregierung beim Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt verfassungsrechtlich aufgewertet würde, lässt sich daraus nicht ziehen.

Schließlich machen die Kläger geltend, dass das Klimaschutzziel 2020 der Bundesregierung in einigen Gesetzen als Rechtfertigung für Grundrechtseingriffe diene und deshalb Außenwirkung haben müsse, so in § 13 g EnWG über die Stilllegung von Braunkohlekraftwerken. Diese Regelung stellt für die Betreiber einen Grundrechtseingriff dar. Dieser ist aber bereits durch den in Art. 20 a GG verfassungsrechtlich verankerten Klimaschutz gerechtfertigt, ohne dass es darauf ankäme, ob der Beschluss der Bundesregierung Außenwirkung hat oder nicht. Nach Art. 20 a GG ist der Gesetzgeber gerade in Bezug auf das Nachhaltigkeitsprinzip gehalten, weitere Reduktionen beim Treibhausgasausstoß zu erreichen (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 -, BVerfGE 118, 79-111, juris Rn. 110).

b) Die Bundesregierung hat darüber hinaus das Klimaschutzziel 2020 durch den mit Kabinettsbeschluss vom 9. Oktober 2019 verabschiedeten Regierungsentwurf zum Bundes-Klimaschutzgesetz in zulässiger Weise auf das Jahr 2023 hinausgeschoben. Ein Kabinettsbeschluss kann grundsätzlich durch einen späteren Kabinettsbeschluss geändert oder aufgehoben werden (actus contrarius). In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es, dass Deutschland das Klimaschutzziel für 2020 deutlich verfehlen wird. Der Zielwert der 40%-Reduzierung gegenüber 1990 beträgt 750 Mio t CO2-Äq. (Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, S. 11). Der Regierungsentwurf des Bundes-Klimaschutzgesetzes sieht sektorspezifische Reduzierungsziele vor, die in Anlage 2 zu § 4 (zulässige Jahresemissionsmengen) in einer Tabelle nach Jahren und Sektoren aufgeschlüsselt sind. Zählt man die verschiedenen sektorbezogenen Werte zusammen, so ergibt sich für 2020 eine Gesamtmenge von 813 Mio t CO2-Äq. und für 2022 von 756 Mio t CO2-Äq. Dies bedeutet, dass nach dem Regierungsentwurf eine Reduzierung von 40 % erst 2023 erreicht werden soll. Die Bundesregierung hat diesen Umstand nicht gerade offensiv kommuniziert. Der objektive Erklärungswert der Tabelle lässt aber keine andere Deutung zu.

2. Die Kläger zu 1) bis 13) können keinen Anspruch aus einer Beeinträchtigung ihrer Grundrechte durch einen mittelbaren, faktischen Eingriff des Staates herleiten. Als Abwehrrechte schützen Grundrechte vor nicht gerechtfertigten Eingriffen des Staates. Eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und/oder Art. 14 Abs. 1 GG setzt dabei einen der Bundesrepublik Deutschland zurechenbaren Eingriff voraus. Zwar ist der Grundrechtsschutz dabei nicht auf imperative Eingriffe beschränkt, das heißt auf Maßnahmen, die unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes Ge- oder Verbot zu einer Verkürzung grundrechtlich geschützter Interessen führen. Grundrechte können vielmehr auch bei mittelbaren und faktischen Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in Zielsetzung und Wirkung imperativen Eingriffen gleichkommen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 -, juris Rn. 29 m.w.N.). Hier sind die Treibhausgasemissionen, auch soweit sie von deutschem Boden ausgehen, nicht dem Staat zurechenbar. Insoweit gilt für den Klimaschutz, was das Bundesverfassungsgericht zu den Waldschäden entschieden hat: Die staatliche Präventivkontrolle der mit dem Ausstoß von Luftschadstoffen verbundenen Techniknutzung kann nicht als Anknüpfungspunkt für eine eingriffsrechtliche Mitverantwortung des Staates für die Folgen der allgemeinen Luftverunreinigung dienen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. Mai 1998 - 1 BvR 180/88 -, juris Rn. 17).

Die Ansicht der Kläger, die Abgrenzung zwischen grundrechtlicher Abwehrdimension und grundrechtlicher Schutzdimension sei nur zum Teil geklärt, führt nicht weiter. Die Kläger berufen sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kernkraftwerk Mühlheim-Kärlich. Danach übernimmt der Staat eine eigene Mitverantwortung für die Gefährdungen durch die friedliche Nutzung der Atomenergie (BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1979 - 1 BvR 385/77 -, BVerfGE 53, 30-96, juris Rn. 54). Diese Entscheidung bezieht sich ausdrücklich auf die Besonderheiten des Atomrechts und ist fast zwei Jahrzehnte älter als die Waldschadens-Entscheidung. In der von den Klägern zitierten Entscheidung zur Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen auf dem Fliegerhorst Büchel prüft das Bundesverfassungsgericht sowohl einen faktischen Eingriff als auch eine Schutzpflicht des Staates und verneint beides (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 -, juris Rn. 29, 31 f.). Schließlich verweisen die Kläger auf ein stattgebendes Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zur Nutzung der Air Base Ramstein für bewaffnete US-Dohneneinsätze im Jemen. Diese Entscheidung verneint einen Eingriff des deutschen Staates (Urteil vom 19. März 2019 - 4 A 1361/15 -, juris Rn. 134) und stützt sich auf die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 GG (ebenda Rn. 182). Ansätze für eine erweiterte Auslegung des dem Staat zurechenbaren Eingriffs sind nicht erkennbar. Die dogmatisch bedeutsame Unterscheidung zwischen Eingriffen in Grundrechte, die einer Rechtfertigung bedürfen, und grundrechtlich begründeten Schutzpflichten des Staates würde ansonsten verwischt.

3. Auch aus den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates folgt nicht die Möglichkeit, dass die Kläger zu 1) bis 13) in ihren Grundrechten verletzt sein könnten. Sie haben nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Staat das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Klimaschutz unterschritten haben könnte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Grundrechte nicht nur Abwehrrechte gegen Eingriffe des Staates, sondern erzeugen in ihrem objektiven Gehalt auch Schutzpflichten des Staates. Die öffentliche Gewalt ist verpflichtet, die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter gegen Beeinträchtigungen insbesondere durch private Dritte zu schützen. Darüber hinaus wird eine Schutzpflicht auch befürwortet, wenn sich sonstige Gefahren wie etwa Naturgewalten nur mit staatlicher Hilfe abwehren lassen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. September 2008 - 2 BvR 1720/03 -, juris Rn. 36 m.w.N.). Die öffentliche Gewalt muss sich "schützend und fördernd vor die Grundrechte" stellen (BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975 - 1 BvF 1/74 -, BVerfGE 39, 1-95, juris Rn. 153, Schwangerschaftsabbruch I).

Die Kläger zu 1) bis 9) und 11) bis 13) berufen sich auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Sie haben aufgrund des Klimawandels keine akuten Beschwerden, fürchten aber langfristige Gesundheitsgefahren insbesondere durch häufigere Hitzeperioden. Zwar liegen bloße Grundrechtsgefährdungen im Allgemeinen noch im Vorfeld verfassungsrechtlich relevanter Grundrechtsbeeinträchtigungen. Sie können jedoch unter besonderen Voraussetzungen Grundrechtsverletzungen gleichzuachten sein (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 1979 - 2 BvR 1060/78 -, BVerfGE 51, 324-351, juris Rn. 72). Eine auf Grundrechtsgefährdungen bezogene Risikovorsorge kann von der Schutzpflicht der staatlichen Organe umfasst werden (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 1981 - 1 BvR 612/72 -, BVerfGE 56, 54-87, juris Rn. 60).

Das Eigentum an den landwirtschaftlichen Betrieben fällt in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb im Rahmen der Berufsfreiheit in Art. 12 GG spielt neben Art. 14 GG keine eigenständige Rolle. Erfasst ist nur der konkrete Bestand an Rechten und Gütern; bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder tatsächliche Gegebenheiten werden demgegenüber auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246-396, juris Rn. 240). Die Kinder und Erben der derzeitigen Betriebsinhaber - die Kläger zu 3) bis 6), 12) und 13) - können sich dagegen nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Art 14 Abs. 1 GG schützt nur Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen (BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1997 - 2 BvR 1915/91 -, BVerfGE 95, 173-188, juris Rn. 66).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger die erforderliche unmittelbare Betroffenheit durch das Handeln und/oder Unterlassen der Bundesregierung hinreichend dargelegt haben. Das Europäische Gericht erster Instanz (EuG) hat eine Klimaklage gegen das EU-Parlament und den Rat wegen fehlender Klagebefugnis gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV abgewiesen (Urteil vom 8. Mai 2019 - T-330/18 -, Rn. 50). Jedes Individuum sei auf die eine oder andere Weise vom Klimawandel betroffen. Der Umstand, dass sich der Klimawandel für einzelne Personen anders auswirken könne als für andere, begründe keine Klagebefugnis gegen allgemein anwendbare Maßnahmen (dazu kritisch Winter, ZUR 2019, 259, 266 ff.). Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Nichtannahmebeschluss zur Stationierung US-amerikanischer Atomwaffen die unmittelbare Betroffenheit verneint. Die Beschwerdeführerin unterscheide sich insoweit nicht von der unüberschaubar großen Zahl von Anwohnern; gesellschaftliches Engagement führe nicht zu einer (verfassungs-)rechtlichen Privilegierung bei der Durchsetzung der eigenen Interessen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 -, juris Rn. 47).

Im vorliegenden Fall unterscheiden sich die Kläger zu 1) bis 9) und 11) bis 13) hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsgefahren nicht von der übrigen Bevölkerung. Demgegenüber werden die Inhaber der drei Betriebe mit ökologischer Landwirtschaft in besonderer Weise vom Klimawandel in Mitleidenschaft gezogen. Allein der Umstand, dass eine sehr große Zahl von Personen von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen ist, schließt eine individuelle Betroffenheit nicht von vorneherein aus.

Dahingestellt bleiben kann ferner die Frage, ob die Kläger die Kausalität zwischen dem Unterlassen weitergehender Maßnahmen des Klimaschutzes durch die Bundesregierung und einer Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Position der Kläger hinreichend dargelegt haben. In Deutschland lebt etwa 1,1 % der Erdbevölkerung und von hier gehen etwa 2 % der weltweiten Treibhausgasemissionen aus (vgl. Rahmstorf, Emissionsbudget, Spiegel-online vom 20. Oktober 2019). Der Prozentsatz, um den das Klimaschutzziel 2020 verfehlt wird, hat einen vergleichsweise geringen Anteil an den jährlichen Emissionen. Gleichwohl steht der Staat in einer gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit für die Abschwächung des Klimawandels (vgl. Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens von Paris). Ein Vertragsstaat kann sich der eigenen Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen. Ein Individualrechtsschutz in Bezug auf den Klimaschutz ist nur denkbar, wenn die Anforderungen an die Kausalität zwischen den unterlassenen nationalen Maßnahmen des Klimaschutzes und der Auswirkungen auf die geschützten Rechtspositionen der Betroffenen nicht überspannt werden.

Dahingestellt bleiben kann schließlich die Frage, ob sich Kläger im Rahmen ihrer Grundrechte auf Art. 20 a GG berufen können (ausdrücklich offen gelassen in BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. November 2009 - 1 BvR 1178/07 -, Schacht Konrad, juris Rn. 32). Nach Art. 20 a GG schützt der Staat auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen. Hierzu zählt auch der Klimaschutz (BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 -, BVerfGE 118, 79-111, Rn. 110). Der Staat muss insoweit ein geeignetes und wirksames Schutzkonzept entwickeln (Callies, ZUR 2019, 385, 386 unter Hinweis auf das Untermaßverbot). Wird die Berufung auf Art. 20 a GG im Rahmen der Grundrechte zugelassen, so wäre der Klimaschutz nicht allein objektiv-rechtlich geboten, sondern würde auch grundrechtlich verankert (vgl. die von den Klägern zitierte Erklärung vom 19. September 2019, Office of the High Commissioner for Human Rights, Five UN human rights treaty bodies issue a joint statement on human rights and climate change).

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, das Begehren der Kläger liefe auf einen gerichtlich durchzusetzenden Anspruch auf Sicherung konstanter klimatischer Rahmenbedingungen hinaus, den die Beklagte ohnehin nicht gewährleisten könne (Wegener, ZUR 2019, 3, 9). Einen solchen Anspruch kann es in der Tat nicht geben. Nach Einschätzung der Kammer beschränkt sich das Anliegen der Kläger allerdings allein darauf, dass die Bundesregierung auf der Grundlage der grundrechtlichen Schutzpflichten verurteilt werden soll, das selbst gesteckte Klimaschutzziel 2020 noch fristgerecht zu erreichen.

Dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt kommt bei der Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Diese weite Gestaltungsfreiheit kann von den Gerichten je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden. Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist im Blick auf diese Gestaltungsfreiheit nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 1987 - 2 BvR 624/83 -, BVerfGE 77, 170-240, juris Rn. 101). Soweit sich nicht in seltenen Ausnahmefällen der Verfassung eine konkrete Schutzpflicht entnehmen lässt, die zu einem bestimmten Tätigwerden zwingt, bleibt die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts dem Gesetzgeber als dem dafür zuständigen staatlichen Organ überlassen (BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 -, BVerfGE 121, 317-388, juris Rn. 120).

Der Staat muss zur Erfüllung seiner Schutzpflicht allerdings ausreichende Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art ergreifen, die dazu führen, dass ein - unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter - angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird (Untermaßverbot). Die Vorkehrungen, die der Gesetzgeber trifft, müssen für einen angemessenen und wirksamen Schutz ausreichend sein und zudem auf sorgfältigen Tatsachenermittlungen und vertretbaren Einschätzungen beruhen (BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 -, BVerfGE 88, 203-366, Schwangerschaftsabbruch II, juris Rn. 166).

Das Bundesverfassungsgericht wendet beide Maßstäbe - einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum einerseits und das Untermaßverbot andererseits - nebeneinander an. Es greift ein, wenn die Staatsgewalt die Schutzpflicht evident verletzt. Hinsichtlich des Untermaßverbotes prüft das Gericht, ob die Staatsgewalt ihren Einschätzungsspielraum vertretbar gehandhabt hat (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2011 − 1 BvR 1502/08 -, Fluglärm, juris Rn. 38).

Die Kläger müssen die Verletzung der Schutzpflicht zur Begründung ihrer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO schlüssig darlegen (BVerwG, Urteil vom 5. April 2016 - 1 C 3/15 -, BVerwGE 154, 328-351, juris Rn. 23). Dies stellt eine hohe Hürde für die Annahme der Klagebefugnis dar (anderer Ansicht offenbar Voland, NVwZ 2019, 114, 117).

Nach diesen Maßstäben haben die Kläger eine Verletzung der grundrechtlichen Schutzpflicht der Bundesregierung zum Klimaschutz nicht schlüssig dargelegt. Die bisherigen Maßnahmen des Klimaschutzes sind nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich. Auch das Untermaßverbot ist nicht evident verletzt. Das Klimaschutzziel 2020 stellt nicht das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß an Klimaschutz dar.

Art. 3 Abs. 1 der Klimarahmenkonvention von 1992 sieht vor, dass die Vertragsparteien auf der Grundlage der Gerechtigkeit und entsprechend ihren gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihren jeweiligen Fähigkeiten das Klimasystem zum Wohl heutiger und künftiger Generationen schützen sollen. Die entwickelten Länder sollen bei der Bekämpfung der Klimaänderungen und ihrer nachteiligen Auswirkungen die Führung übernehmen. Das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten wird in Art. 10 Abs. 1 des Kyoto-Protokolls von 1997 bekräftigt und findet sich auch in Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens von Paris von 2015. Nach Art. 4 Abs. 3 des Übereinkommens von Paris sollen die Vertragsparteien bei ihren Reduzierungsbeiträgen "größtmögliche Ambition" zeigen. Mit der Operationalisierung dieser Verantwortlichkeit und ihrer Zuordnung zu den einzelnen Staaten ist die Weltgemeinschaft in drei Jahrzehnten nicht weit gekommen. Im Kyoto-Protokoll von 1997 verpflichteten sich die teilnehmenden Industrieländer, ihren jährlichen Treibhausgas-Ausstoß innerhalb der sogenannten ersten Verpflichtungsperiode (2008 bis 2012) um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren. Diese Emissionsminderungen wurden erreicht. In den Verhandlungen für den zweiten Verpflichtungszeitraum des Kyoto-Protokolls von 2013 bis 2020 haben insgesamt 38 Staaten quantitative Emissionsminderungen zugesagt, die insgesamt etwa 18 % betragen würden. Diese Fortführung des Kyoto-Protokolls ist bis heute nicht in Kraft getreten (vgl. Wikipedia, Kyoto-Protokoll). Die Europäische Union hat dabei bis 2020 eine Reduzierung um 20 % gegenüber 1990 zugesagt (https://ec. europa.eu/ clima /policies /strategies/progress/kyoto_2_de) und wird dieses Ziel auch erreichen. In der von den Klägern ausführlich zitierten niederländischen Rechtsprechung (Urgenda) haben die beiden Gerichte erster und zweiter Instanz die niederländische Regierung zu einer Reduzierung um 25 % gegenüber 1990 verurteilt (vgl. Wegener, ZUR 2019, 3 und Voland, NVwZ 2019, 114 m.w.N.). Im Rahmen des Übereinkommens von Paris hat sich die Europäische Union erst bis zum Jahr 2030 zu einer Reduzierung um 40 % gegenüber 1990 verpflichtet (https://ec.europa.eu/ clima/policies/international/negotiations/paris_de). Im Jahr 2007, als die Bundesregierung das Klimaschutzziel 2020 erstmals beschlossen hat, hat der Weltklimarat (IPCC) für die entwickelten Staaten als Gruppe "nach den meisten Interpretationen des Prinzips der Gerechtigkeit" ("under most equity interpretations") eine signifikante Reduzierung der Emissionen bis 2020 um 10 % bis 40 % gegenüber 1990 empfohlen (Contribution of Working Group III to the Fourth Assessment Report of IPCC, S. 90). Bei der UN-Klimakonferenz in Bali 2007 wurde ein Aktionsplan verabschiedet, in dem die Empfehlung, dass die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um 10 % bis 40 % reduzieren sollten, übernommen wurde (Wikipedia, Bali Road Map). Das Klimaschutzziel 2020 mit einer Reduzierung von 40 % gegenüber 1990 stellt damit im internationalen Vergleich ein ambitioniertes Ziel am oberen Ende der Empfehlungen dar. Die Auffassung der Kläger, es handle sich dabei um das verfassungsrechtlich gebotene Minimum, ist vor diesem Hintergrund nur schwer nachvollziehbar. Auch wenn Deutschland bis 2020 eine Reduzierung nur um 32 % erreichen sollte und die Reduzierung um 40 % sich um drei oder fünf Jahre verzögern sollte, so ist auch damit das verfassungsrechtlich zwingende Mindestmaß an Klimaschutz nicht evident unterschritten. Die Bundesregierung ist nicht völlig untätig geblieben. Sie hat, wie die Kläger selbst einräumen, Maßnahmen aus dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 umgesetzt und hat in diesem Jahr zahlreiche weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht, um das Klimaziel einer Reduzierung um 55 % gegenüber 1990 bis 2030 zu erreichen.

Die Kläger stützen ihre Ansicht, dass das Klimaschutzziel 2020 das verfassungsrechtlich gebotene Minimum an Klimaschutz darstelle, auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Frage, wieweit der Gestaltungsspielraum der Bundesregierung reicht und ab wann das Untermaßverbot eindeutig weitere Maßnahmen erfordert, ist eine Rechtsfrage, die die Gerichte unter Anwendung verfassungsrechtlicher Maßstäbe zu entscheiden haben. Diese rechtliche Frage lässt sich auch in Bezug auf den Klimaschutz nicht durch Einholung von Sachverständigengutachten klären, die allein dazu dienen können, Tatsachen aufzuklären. Der Weltklimarat (IPCC) gibt das globale CO2-Restbudget in seinem Sonderbericht vom 8. Oktober 2018 mit 800 Gigatonnen an, wenn das 1,75-Grad-Ziel (bezüglich der mittleren globalen Oberflächentemperatur) mit 67 % Wahrscheinlichkeit erreicht werden soll (vgl. dazu Art. 2 Abs. 1 a) des Übereinkommens von Paris). Dieses Emissionsbudget ergibt sich aus dem Umstand, dass ein annähernd linearer Zusammenhang zwischen der kumulierten Gesamtmenge an emittierten Treibhausgasen und der dadurch verursachen Temperaturerhöhung besteht. Nach Angaben des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) in einem offenen Brief an das Klimakabinett vom 16. September 2019 folgt daraus für Deutschland unter Vernachlässigung der historischen Emissionen und bei gleichmäßiger Aufteilung auf die Weltbevölkerung ein verbleibendes nationales Kohlenstoffbudget von 6.600 Millionen Tonnen CO2 ab 2020. Bei fortdauernden Emissionen auf heutigem Niveau wäre dieses Budget in weniger als 9 Jahren (2028) verbraucht, bei einer linearen Reduktion nach etwas mehr als 17 Jahren (2037). Die Kläger haben hierzu eine Berechnung vorgelegt, die unter www.paris-equity-check.org, equity map abrufbar ist. Diese soll deutlich machen, dass das 40 %-Ziel für 2020 für das globale Budget das Untermaß darstelle. Die verschiedenen Verteilungsmethoden seien mit dem Übereinkommen von Paris kompatibel und fänden sich auch im 5. Sachstandsbericht des Weltklimarates (IPCC). Der "Verteilungsalgorithmus" habe einen peer review durchlaufen. Die Kläger messen dieser Berechnung eine höhere wissenschaftliche Stringenz und Verbindlichkeit zu, als ihr in Bezug auf die Bestimmung des verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes an Klimaschutz für die verbleibenden 14 Monate bis Ende 2020 zukommt. Die Frage der Verteilung des globalen CO2-Restbudgets ist nicht Gegenstand deskriptiver Naturwissenschaft, sondern es geht um einen normativen und ethischen Diskurs zu Fragen der Gerechtigkeit und Billigkeit (equity) und um das Thema eines wichtigen politischen Verhandlungsprozesses. Es spricht viel dafür, das weltweit verbleibende CO2-Restbudget zumindest gleichmäßig pro Kopf der Weltbevölkerung aufzuteilen. Soweit ersichtlich, gibt es aber bislang weltweit wohl keinen einzigen Industriestaat, der sich daran hält. Und es steht dem angerufenen Verwaltungsgericht unter Beachtung des Gestaltungs- und Einschätzungsspielraums der Exekutive nicht zu, diesen Maßstab der Bundesregierung als zwingendes und verpflichtendes Mindestmaß an Klimaschutz vorzuschreiben.

Dieses Ergebnis wird auch unter Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht in Frage gestellt. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes (BVerfG, Beschluss vom 26. März 1987 - 2 BvR 589/79 -, BVerfGE 74, 358-380, juris Rn. 35; stRspr). Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR erfasst Art. 2 EMRK die positive Verpflichtung des Staates, angemessene Maßnahmen zu treffen, um das Leben der Personen unter seiner Hoheitsgewalt zu schützen (EGMR (I. Sektion), Urteil vom 28. Februar 2012 - 17423/05, 20534/05, 20678/05, 23263/05, 24283/05, 35673/05 -, Kolyadenko/Russland, Rn. 151, deutsche Übersetzung in NVwZ 2013, 993). Wo ein Konventionsstaat praktische Schutzmaßnahmen ergreifen muss, hat er bei ihrer Wahl nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs grundsätzlich einen Ermessensspielraum ("a wide margin of appreciation"). Insoweit darf den Behörden keine unmögliche oder unverhältnismäßige Bürde auferlegt werden (ebenda, Rn. 160). Das niederländische Berufungsgericht in der Rechtssache Urgenda hat sein stattgebendes Urteil vom 9. Oktober 2018 hierauf gestützt. Aus den Urteilsgründen lässt sich entgegen der Ansicht der Kläger aber nicht entnehmen, wie der Begriff des weiten Ermessensspielraums näher zu definieren ist. Das Ergebnis - eine Verurteilung zu einer Reduzierung von 25 % bis 2020 - liegt unter dem Wert von 32 %, der in Deutschland 2020 voraussichtlich erreicht wird. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Ermessensspielraum nach der Rechtsprechung des EGMR enger zu verstehen ist als nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den grundrechtlichen Schutzpflichten. Dessen Rechtsprechung erscheint dogmatisch ausgefeilter und steht nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR.

II. Auch der Kläger zu 14) ist hinsichtlich der beiden Hauptanträge nicht klagebefugt.

Es ergibt sich keine Verbandsklagebefugnis aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Greenpeace ist keine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung und die Klage betrifft keinen der in § 1 Abs. 1 UmwRG genannten Klagegegenstände.

Es besteht auch kein so genanntes prokuratorisches Klagerecht. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsfigur geschaffen, weil die durch Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention gestellten Anforderungen hinsichtlich des Zugangs von Umweltverbänden zu verwaltungsbehördlichen sowie gerichtlichen Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den nationalen Gesetzgeber noch nicht umgesetzt waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, juris Rn. 31, 34 f., 48). Ein prokuratorisches Klagerecht eines Umweltverbands setzt voraus, dass einer natürlichen Person hinsichtlich der betroffenen Entscheidung ein Klagerecht zukommt, etwaige einschlägige Normen ihr also ein subjektives Recht vermitteln (vgl. BVerwG, Urteile vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, juris Rn. 41, vom 12. November 2014 - 4 C 34/13 -, juris Rn. 23 und vom 18. Dezember 2014 - 4 C 35/13 -, juris Rn. 57). Das ist in Bezug auf die beiden Hauptanträge, wie oben dargestellt, nicht der Fall.

Eine direkte Berufung auf Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention scheidet aus, weil diese Vorschrift nicht unmittelbar anwendbar ist (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, BVerwGE 147, 312-329, juris Rn. 21 unter Verweis auf den EuGH, Urteil vom 8. März 2011 - C 240/08 -).

Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH im Fall "Protect" (Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-664/15 -). Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Umweltverband auf dieser Grundlage eine objektive Rechtskontrolle der Einhaltung europäischen Umweltrechts verlangen kann (vgl. Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 18. April 2018 - 11 K 216.17 -, Gigaliner, juris Rn. 26 - 27), so begründet dies in Bezug auf die beiden Hauptanträge keine Klagebefugnis des Klägers zu 14). Denn das Klimaschutzziel 2020 beruht nicht auf europarechtlichen Vorgaben.

Selbst wenn die Kläger in Bezug auf eine mögliche Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten des Staates klagebefugt wären, wäre die Klage jedenfalls aus den oben genannten Gründen unbegründet.

B. Auch der erste Hilfsantrag ist mangels Klagebefugnis unzulässig.

I. Die Individualkläger zu 1) bis 13) müssten darlegen, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der Lastenteilungsentscheidung eine Pflicht der Bundesregierung ergibt, zusätzliche Maßnahmen zum Klimaschutz in Deutschland zu ergreifen. Das ist nicht der Fall. Die Vorschrift enthält keine unbedingte Verpflichtung zu einer bestimmten Verringerung der Treibhausgasemissionen im eigenen Land.

Bei der sog. "Lastenteilungsentscheidung" des EU-Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (406/2009/EU) handelt es sich um eine Entscheidung, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen in Wirtschaftssektoren, die nicht dem EU-Emissionshandel unterliegen, in der Europäischen Union gegenüber 2005 um insgesamt 10 % bis 2020 zu vermindern. Deutschland muss gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der Entscheidung seine Emissionen in den Nicht-EU-ETS-Sektoren zwischen 2005 und 2020 um 14 % mindern. Die Begrenzung soll jedes Jahr linear erfolgten (Art. 3 Abs. 2 2. Unterabsatz). Art. 3 und 5 der Entscheidung sehen allerdings gewisse "Spielräume" vor (so der Wortlaut in Art. 3 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1). Die Mitgliedstaaten können Überschüsse aus früheren Jahren in späteren Jahren verrechnen und Mengen aus dem Folgejahr in Höhe von 5 % ihrer jährlichen Emissionszuweisung vorweg in Anspruch nehmen (Art. 3 Abs. 3). Ferner können Staaten, wenn sie ihre Ziele übererfüllen, bis zu 5 % ihrer Emissionszuweisungen an andere Staaten übertragen (Art. 3 Abs. 4). Darüber hinaus können die Staaten Gutschriften aus Projektmaßnahmen gemäß Art. 5 Abs. 4 im Umfang von bis zu 3 % der Treibhausgasemissionen des betreffenden Mitgliedstaates im Jahr 2005 verwenden. Erst wenn die Treibhausgasemissionen eines Mitgliedstaates unter Berücksichtigung dieser Spielräume die jährlichen Emissionszuweisungen übersteigen, sieht Art. 7 Abhilfemaßnahmen unter Beteiligung des Ausschusses zum Klimawandel (Art. 13 Abs. 1) vor.

Die Entscheidung richtet sich gemäß Art. 16 an die Mitgliedstaaten. Gleichwohl ist es unter bestimmten Voraussetzungen denkbar, dass Umweltverbände oder einzelne Bürger die Einhaltung dieser objektiven Norm des EU-Umweltrechts einklagen können, wie die Rechtsprechung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien zeigt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 1986 - Rs. 152/84 -, Slg. 1986, 723 - Marshall). Dies setzt aber eine unbedingte Verpflichtung des Mitgliedstaates voraus. Da die Beklagte ihre Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der Lastenteilungsentscheidung auch durch Verrechnung mit Vorjahren oder durch Zukauf überschüssiger Emissionszuweisungen von anderen Mitgliedstaaten erfüllen kann, kommt eine Verurteilung der Bundesregierung zu zusätzlichen Maßnahmen im eigenen Land nicht in Betracht.

Deutschland gehört zu den Ländern, die das 2020-Klimaziel für die Nicht-ETS-Sektoren ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich nicht erreichen werden (BMU, Klimaschutz in Zahlen 2018, S. 23). Die Emissionen sind in Deutschland bis 2017 lediglich um 3 % gesunken (Regierungsentwurf für ein Bundes-Klimaschutzgesetz vom 9. Oktober 2019, A. Problem und Ziel). Allerdings hat Deutschland seine Verpflichtungen aus der Lastenteilungsentscheidung nach Angaben der EU-Kommission bis einschließlich 2016 erfüllt (EU-Kommission, European Union Transaction Log, ESD Compliance Dashboard). Die Jahre 2017 und 2018 sind auf EU-Ebene noch nicht abgerechnet. Auf Anfrage des Gerichts hat die Beklagte mitgeteilt, sie gehe davon aus, dass ein Verstoß gegen die Lastenteilungsentscheidung durch Ankauf von Emissionszuweisungen gemäß Art. 3 Abs. 4 oder 5 und/oder Art. 5 der Entscheidung vermieden werden könne, falls die Minderungsziele nicht erreicht würden. In der mündlichen Verhandlung zeigten sich die Vertreter des Bundesumweltministeriums erstaunlich uninformiert über die Daten zu den Jahren 2017 und 2018. Daraufhin stellten die Kläger sinngemäß einen Beweisantrag, durch Sachverständigengutachten festzustellen, dass Deutschland seine Verpflichtungen aus der Lastenteilungsentscheidung ab 2017 möglicherweise auch durch Zukauf von Emissionsberechtigungen nicht wird einhalten können. Die Kammer hat den Beweisantrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Entscheidung keine unmittelbar anwendbare unbedingte Verpflichtung zu einer bestimmten Verringerung der Treibhausgasemissionen im eigenen Land enthält. Anderenfalls würde eine Verurteilung der Beklagten im Ergebnis davon abhängen, ob es der Bundesregierung gelingt, ausreichend Emissionsberechtigungen von anderen Mitgliedstaaten zu erwerben, was sich erst mit einer Zeitverzögerung von etwa zwei Jahren endgültig feststellen lässt.

Soweit die Kläger geltend machen, die Lastenteilungsentscheidung enthalte neben der Erfolgspflicht eine Verhaltenspflicht und verlange eine kontinuierliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Spielräume, die die Entscheidung den Mitgliedstaaten einräumt, gelten auch in zeitlicher Hinsicht, wenn beispielsweise die Anrechnung von Überschüssen in Folgejahren unbegrenzt zugelassen wird. Entgegen der Behauptung der Kläger ist Deutschland seit 2017 nicht völlig untätig geblieben, wie das "Klimapaket" aus diesem Herbst zeigt, das insbesondere auf eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den Bereichen Gebäude und Verkehr abzielt.

Die Regelung der Lastenteilungsentscheidung ist hinsichtlich der vorgesehenen Spielräume klar und eindeutig. Es besteht insoweit kein Anlass für eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV, zu der das Verwaltungsgericht als Gericht erster Instanz ohnehin nicht verpflichtet ist.

II. Der Kläger zu 14) ist ebenfalls nicht klagebefugt. Zwar geht es um die Einhaltung europäischen Umweltrechts, so dass eine Verbandsklagebefugnis in Betracht kommt. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der Lastenteilungsentscheidung gilt aber nicht unbedingt und gibt damit nicht das her, was die Kläger begehren.

Selbst wenn die Klage in Bezug auf den ersten Hilfsantrag zulässig wäre, wäre sie aus den dargelegten Gründen unbegründet.

C. Auch der zweite Hilfsantrag ist unzulässig. Er ist zu unbestimmt.

Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Ergänzungsmaßnahmen sicherzustellen, dass die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 schnellstmöglich geschlossen wird. Dieser Antrag nennt wie die übrigen Anträge nur das zu erreichende Ziel, allerdings ohne konkrete zeitliche Vorgaben. Um dem Bestimmtheitserfordernis zu genügen, muss ein Antrag so gestellt werden, dass ein stattgebendes Urteil einen vollstreckbaren Inhalt hat. Dabei soll das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet werden (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 7 C 21/12 -, BVerwGE 147, 312-329, juris Rn. 54 m.w.N.). Wenn aber weder die erforderlichen Maßnahmen noch ein bestimmter Zeitpunkt genannt sind, wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Fortsetzung des Rechtsstreits im Vollstreckungsverfahren kommen. Wesentliche Fragen werden ins Vollstreckungsverfahren verlagert, obwohl dieses kein neues Erkenntnisverfahren darstellt.

Jedenfalls fehlt den Klägern auch insoweit die Klagebefugnis. Selbst wenn der zweite Hilfsantrag zulässig wäre, wäre er unbegründet.

Die Kammer hat die Berufung gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil der Frage der Klagebefugnis der Individualkläger wegen Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten und der Verbandsklagebefugnis im Hinblick auf eine objektive Rechtskontrolle des europäischen Umweltrechts grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

BESCHLUSSDer Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 95.000,00 Euro festgesetzt (Kläger 1) bis 13) je 5.000 Euro, Kläger zu 14) 30.000 Euro).