OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.02.2017 - 1 B 11687/16
Fundstelle
openJur 2020, 24299
  • Rkr:
Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. November 2016 wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 14. September 2016 abgelehnt, soweit Gegenstand der Genehmigung das Wohnhaus und der Stellplatz P1 sind.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen für beide Rechtszüge die Antragstellerin zu 1/2, der Antragsgegner zu 1/4 und die Beigeladenen zu je 1/8. Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners und der Beigeladenen beider Rechtszüge trägt zur Hälfte die Antragstellerin und im Übrigen der jeweilige Beteiligte selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für beide Rechtszüge auf 6.000 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2016, durch den dieses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die den Beigeladenen im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses vom 14. September 2016 in vollem Umfang angeordnet hat, ist teilweise begründet.

Unter Zugrundelegung des vom Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) allein zu berücksichtigenden Vorbringens in der Beschwerdebegründung ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Hinblick auf die Genehmigung der insgesamt 16 Stellplätze P2 - P17 (vgl. dazu den Freiflächenplan Bl. 123 der Bauakte - BA) zu Recht erfolgt, nicht jedoch in Bezug auf das genehmigte Wohnhaus selbst sowie den Stellplatz P1.

1. Der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Genehmigung der Stellplätze P2 - P17 und eine eventuelle Klage in der Hauptsache sind voraussichtlich begründet, so dass im Rahmen der nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ein schutzwürdiges Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes nicht besteht und mithin die Beschwerde vorliegend keinen Erfolg haben kann.

Die angefochtene Baugenehmigung verstößt insoweit aller Voraussicht nach gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung- BauNVO).

Nach § 12 Abs. 1 BauNVO sind zwar Stellplätze grundsätzlich in allen Baugebieten zulässig und damit vom Nachbarn hinzunehmen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sie diesem ausnahmsweise unzumutbar sind, weil sie durch ihre Lage, Zahl, Zuwegung und sonstige Besonderheiten des Einzelfalles zu Beeinträchtigungen führen, die über das als sozialadäquat hinzunehmende Maß hinausgehen (vgl. zum Ganzen etwa BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3/00 - sowie OVG Koblenz, Urteile vom 27. Juni 2002 - 1 A 11669/99.OVG - und vom 13. September 2016 - 8 A 10490/16.OVG -, alle in juris).

Dies ist hier der Fall.

a. Der Bebauungsplan "U... II" der Stadt N... setzt für das zu bebauende Grundstück ebenso wie für das Grundstück der Antragstellerin eine Nutzung als allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) fest. Zwar vertritt die Antragstellerin die Auffassung, dass der Bebauungsplan wegen Unbestimmtheit unwirksam sei, jedoch bedarf diese Frage im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keiner Vertiefung, da - insbesondere auch unter Berücksichtigung der von den Beteiligten eingereichten Luftbilder (vgl. etwa Bl. 197 der Gerichtsakte - GA) keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass bei einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans die dann gemäß § 34 Baugesetzbuch (BauGB) maßgebliche Umgebungsbebauung einem anderen Gebietstyp als einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung entspräche.

b. Die 16 Parkplätze P2 - P17 sollen ausweislich des genehmigten Freiflächenplans (Bl. 123 BA) in der von der G... Straße aus gesehen hinteren Hälfte des insgesamt etwa 63 Meter tiefen Baugrundstücks angelegt werden, d. h. in "zweiter Bautiefe" in einer Entfernung von mehr als 30 Metern zur Straße. Dieser Bereich wird nach den vorliegenden Luftbildern (vgl. insb. Bl. 197 GA) im gesamten südwestlichen Teil des Plangebiets, welches im Süden mit einem Abstand von ca. 30 Metern parallel zur S... Straße verläuft und im Westen an der G... Straße endet, als Gartenfläche oder Grünland genutzt und stellt einen rückwärtigen Ruhebereich dar. Dieser Ruhebereich ist zwar nicht völlig ungestört, jedoch derzeit allenfalls durch geringe Störungen vorbelastet.

Zum einen existiert nach der Liegenschaftskarte (Bl. 112 BA) und den vorliegenden Luftbildern auf den benachbarten Grundstücken in einer Entfernung von mehr als 30 Metern zur Straße keinerlei Bebauung. Eine solche findet sich in vom Baugrundstück aus gesehen südlicher Richtung erst in einer Entfernung von mehr als 50 Metern (G... Straße 26), wobei es sich um ein Ein- oder Zweifamilienhaus handeln dürfte, und nach Norden hin in einer Entfernung von rund 70 Metern (G... Straße 12).

Für die Existenz von Stellplätzen - und erst recht von genehmigten Stellplätzen - im fraglichen Bereich ist ebenfalls nichts erkennbar. Insbesondere befanden sich die Stellplätze, die nach Angaben der Beschwerdeführer auf dem Baugrundstück selbst hinter dem zwischenzeitlich abgerissenen Wohnhaus bestanden haben sollen (Luftbild Bl. 171 GA), in einer Entfernung von weniger als 30 Metern zur Straße und auch für eine Nutzung durch andere Fahrzeuge als die der Bewohner des ehemaligen Wohnhauses G... Str. 22 - maximal eines Zweifamilienhauses (vgl. Lichtbild Bl. 142 BA) - ist nichts ersichtlich. Zudem könnten zwei bis drei Stellplätze hinter dem Wohnhaus G... Straße 18 gelegen sein, jedoch innerhalb einer Entfernung von maximal 25 Metern zur Straße und zum Grundstück der Antragstellerin hin zudem weitgehend abgeschirmt durch Baulichkeiten.

Nach alledem würde mit der geplanten Errichtung von insgesamt 16 Stellplätzen erstmalig massiv in den vorhandenen rückwärtigen Ruhebereich eingegriffen.

c. Bestehen bereits danach gewichtige Anhaltspunkte für eine Rücksichtslosigkeit der genehmigten Stellplatznutzung, so verdichten diese sich nochmals erheblich angesichts der Besonderheiten der geplanten Zufahrt dorthin.

Die genehmigten Bauunterlagen (vgl. Freiflächenplan Bl. 123 BA) sehen eine 3,25 Meter breite, unmittelbar entlang der Grenze zwischen den Grundstücken der Antragstellerin und der Beigeladenen verlaufende, gepflasterte Zufahrt zu den Stellplätzen P2 - P17 vor. Diese beginnt an der G... Straße, erreicht nach rund 6 Metern das zu errichtende Mehrfamilienhaus und verläuft sodann auf einer Länge von rund 25 Metern an diesem vorbei. Nach weiteren etwa 15 Metern mündet sie in den Stellplatz P10. Unmittelbar zuvor, d. h. in einer Entfernung von insgesamt rund 44 Metern zur G... Straße, knickt die weitere Zufahrt zu den Stellplätzen P3 - P17 - der Stellplatz P2 wird bereits nach ca. 34 Metern erreicht - in eine 6 Meter breite "Gasse" nach Süden hin ab.

Nach der Baugenehmigung (vgl. Ansicht Nord - "gepl. Gelände Hausanschnitt", Bl. 119 BA) steigt die geplante Zufahrt allein auf der ca. 25 Meter langen, an dem zu errichtenden Mehrfamilienhaus vorbei führenden Teilstrecke um etwa 2,5 Meter an, weist also dort eine Steigung von rund 10 Prozent auf.

Innerhalb dieses 25 Meter langen Anstieges verläuft die Zufahrt zugleich auf einer Länge von etwa 10 Metern entlang des auf dem Nachbargrundstück stehenden Wohnhauses der Antragstellerin.

Der Eingangsbereich des geplanten Mehrfamilienhauses liegt an dessen Südseite; einen unmittelbaren Zugang von den rückwärtig gelegenen Stellplätzen P2 - P17 nach dort sehen die genehmigten Bauunterlagen nicht vor.

Neben der absoluten Länge von rund 44 Metern (P3 - P17) bzw. 34 Metern (P2) der unmittelbar an der Grundstücksgrenze entlang verlaufenden Zufahrt lassen danach sowohl die topographischen Verhältnisse wie auch die Anordnung der Baulichkeiten erhebliche Beeinträchtigungen der Wohnruhe auf dem Grundstück der Antragstellerin erwarten. Aufgrund des Anstieges im vorderen Bereich ist dort mit entsprechend erhöhten Fahrgeräuschen durch Beschleunigen, Bremsen und Schaltvorgänge zu rechnen. Diese werden durch das geplante Wohnhaus überdies auf einer Länge von 25 Metern reflektiert und in Richtung des Grundstückes der Antragstellerin zurückgeworfen. In dem etwa 10 Meter langen Bereich zwischen dem streitgegenständlichen Mehrfamilienhaus und dem Wohnhaus der Antragstellerin ist zudem aufgrund der entstehenden "Hoflage" mit zusätzlich erhöhten Schallreflexionen zu rechnen. Weitere Beeinträchtigungen lässt der Umstand befürchten, dass die Entfernung zwischen dem Hauseingangsbereich und diesen 16 Stellplätzen rund 80 Meter beträgt, weil das Haus fast vollständig "umrundet" werden muss (vgl. dazu insb. den Freiflächenplan Bl. 123 BA). Von daher steht zu erwarten, dass Beifahrer schon am straßenseitigen Beginn der Zufahrt aussteigen bzw. dort erst zusteigen werden und auch ein Großteil der Be- und Entladungsvorgänge in diesem Bereich stattfinden wird. Dies lässt erhebliche weitere Immissionen etwa durch Türenschlagen und dem Zwischenhalt zurechenbaren zusätzliche Fahrvorgänge in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus der Antragstellerin erwarten.

d. Die sich nach alledem angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles ergebende Bewertung der Stellplätze P2 - P17 nebst Zufahrt als rücksichtslos wird auch nicht durch die im Baugenehmigungsverfahren vorgelegte Immissionsprognose Nr. 3521a des Schalltechnischen Büros P. und S. GbR, Ehringshausen, vom 4. August 2016 (Bl. 145 ff. BA) erschüttert.

Zwar gelangt diese auf der Grundlage der 6. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm - TA Lärm) zu dem Ergebnis, dass am Wohnhaus der Antragstellerin tagsüber mit einem Beurteilungspegel von 42,7 dB(A) und nachts mit einem solchen von 37,2 dB(A) die Immissionsrichtwerte gemäß der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete von 55 bzw. 40 dB(A) eingehalten würden.

aa. Die Einhaltung der - im Übrigen nicht schematisch, sondern nur als Anhaltspunkte (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 27. Juni 2002 - 1 A 11669/99.OVG - und BVerwG, Urteil vom 20. März 2003 - 4 B 59/02 -, beide in juris) heranziehbaren -Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm am Immissionsort IO 4, dem zur G... Straße hin orientierten Wohnhaus der Antragstellerin, ändert indessen zum einen bereits nichts an dem Umstand, dass das Vorhaben mit der Errichtung von 16 Stellplätzen massiv in den rückwärtigen Ruhebereich eingreift. Dieser Bereich beginnt für das Grundstück der Antragstellerin im Bereich der geplanten Stellfläche unmittelbar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze, d. h. in einer Entfernung von weniger als einem Meter zu den Stellplätzen und dem letzten Teil der Zufahrt dorthin. Davon, dass die Immissionsbelastung dort auch bei Errichtung der 16 Stellplätze P2 - P17 weiterhin verhältnismäßig gering sein und demgemäß die Nutzbarkeit als Ruhebereich nicht wesentlich beeinträchtigt wird, kann im Rahmen der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anzustellenden summarischen Prüfung schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil in Bezug auf diesen Bereich Beurteilungspegel gar nicht ermittelt worden sind. Ganz abgesehen davon beläuft sich nach der Prognose (vgl. dort insb. S. 11 und 14) die Immissionsbelastung selbst an den immerhin etwa zwischen 30 und 40 Meter entfernt gelegenen Immissionsorten IO 1 - 3 (Wohngrundstücke G... Graben 43, 45 und 47), an denen überdies die Zufahrt nicht vorbeiführt, immer noch auf zwischen 35,5 und 37,1 dB(A) tagsüber und zwischen 30 und 31,6 dB(A) nachts, so dass auch keineswegs ausgehend von diesen Werten auf eine nur unwesentliche Beeinträchtigung des rückwärtigen Ruhebereiches auf dem Grundstück der Antragstellerin geschlossen werden kann.

bb. Abgesehen davon unterliegen bei summarischer Betrachtung aber auch die in der Immissionsprognose für den Immissionsort IO 4, das Wohnhaus der Antragstellerin, ermittelten Beurteilungspegel erheblichen Richtigkeitszweifeln.

Die Ermittlung der Beurteilungspegel beruht auf einer Schallausbreitungsrechnung, deren Grundlage wiederum die Anzahl der Stellflächen auf dem Parkplatz sowie Emissionsansätze für den Fahrzeugverkehr sind (vgl. Seite 3 der Prognose). Die Emissionsansätze werden auf Seite 9 f. der Prognose näher umschrieben; danach werden dem Berechnungsansatz im Wesentlichen die Zahl der Stellplätze und die Bewegungen je Stunde und Stellplatz zugrunde gelegt. Die eingangs im Einzelnen dargestellten, zu einer erhöhten Lärmbelastung des Nachbargrundstückes führenden Besonderheiten der streitgegenständlichen Zufahrt bleiben hingegen völlig außer Betracht.

Nimmt man sodann noch zusätzlich mit in den Blick, dass als Anhaltspunkt für die mögliche Unzumutbarkeit eines Vorhabens im allgemeinen Wohngebiet ein Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts dienen kann und nach der Prognose bereits ohne Berücksichtigung der besonderen Einzelfallumstände am Wohnhaus der Antragstellerin ein Beurteilungspegel von 37,2 dB(A) erreicht wird, ergeben sich ganz erhebliche Zweifel an der Aussagekraft der eine Unterschreitung der Immissionsrichtwerte feststellenden Immissionsprognose. Nach der Lebenserfahrung dürfte vielmehr Überwiegendes dafür sprechen, dass die Errichtung der Stellplätze P2 - P17 am vorgesehenen Ort nicht nur wegen des Vordringens in den rückwärtigen Ruhebereich, sondern auch aufgrund der zu erwartenden Lärmbelastung am Wohnhaus der Antragstellerin rücksichtslos und damit die erteilte Baugenehmigung insoweit rechtswidrig ist.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen, soweit sie die Genehmigung der Stellplätze P2 - P17 nebst der dorthin führenden Zufahrt betrifft.

2. Erfolg hat die Beschwerde demgegenüber, soweit sie sich gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin in Bezug auf das genehmigte Mehrfamilienhaus selbst richtet.

Da der Bauantrag der Beigeladenen ausdrücklich im vereinfachten Verfahren gemäß § 66 Landesbauordnung - LBauO - genehmigt worden ist, können Widerspruch und Klage der Antragstellerin nur dann Erfolg haben, wenn Vorschriften des Baugesetzbuches oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 66 Abs. 4 Satz 1 LBauO verletzt sind, welche - zumindest auch - dem Schutz der Antragstellerin dienen.

Dies ist hier indessen nicht der Fall.

a. Nach summarischer Prüfung verletzt das Vorhaben keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts. Anhaltspunkte dafür, dass den Festsetzungen des Bebauungsplans, von denen das Gebäude dem Beschluss des Verwaltungsgerichts zufolge abweicht - zulässige Anzahl von Vollgeschossen, Dachform und Kniestöcke - vorliegend ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung zukommen könnte, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

b. Die angefochtene Baugenehmigung ist auch nicht etwa aufzuheben, weil sie zu Unrecht im vereinfachten Verfahren gemäß § 66 LBauO erteilt worden ist.

Dabei kann offen bleiben, ob das geplante Mehrfamilienhaus tatsächlich - wie es das Verwaltungsgericht festgestellt hat und durch die Beigeladenen mit der Beschwerde bestritten wird - nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 LBauO der Gebäudeklasse 4 zuzurechnen ist und daher die Voraussetzungen für die erteilte Genehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO nicht vorliegen.Allein die Wahl des unzutreffenden Baugenehmigungsverfahrens verletzt den Nachbarn nicht in eigenen Rechten.

Bestimmungen über die Genehmigungsbedürftigkeit baulicher Anlagen sind grundsätzlich nicht drittschützend. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 5. Oktober 1990 - 7 C 55/89 - (juris) ausgeführt:

" ... Das Verfahren dient dem Schutz Dritter nur insofern, als es gewährleisten soll, daß die materiellrechtlichen Schutzvorschriften eingehalten werden.21 Der erkennende Senat (Urteil vom 17. Juli 1980 - BVerwG 7 C 101.78 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 6, S. 10, 12 = DVBl. 1980, 1001 = DöV 1981, 262 = NJW 1981, 359; Urteil vom 22. Dezember 1980 - BVerwG 7 C 84.78 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 9, S. 43 = BVerwGE 61, 256 <275>; Beschluß vom 28. Mai 1985 - BVerwG 7 B 116.85 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 14; Urteil vom 17. Dezember 1986 - BVerwG 7 C 29.85 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 17, S. 72 = BVerwGE 75, 285 <291>) hat in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 20. Dezember 1979 - 1 BvR 385/77 - BVerfGE 53, 30 <59 f.>; vgl. ferner BVerfGE 77, 381 <406>) zwar - worauf auch das Berufungsgericht Bezug nimmt - im Atomrecht Verfahrensvorschriften als drittschützend angesehen, nämlich insofern, "als sie im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes den potentiell von dem Vorhaben betroffenen Dritten die Möglichkeit eröffnen, ihre Belange schon im Genehmigungsverfahren vorzubringen und sich damit - wenn nötig - schon frühzeitig gegen die Anlage zur Wehr zu setzen" (BVerwG, Beschluß vom 28. Mai 1985, a.a.O.). Auch im Immissionsschutzrecht hat der Senat (Urteil vom 22. Oktober 1982 - BVerwG 7 C 50.78 - Buchholz 406.25 § 5 BImSchG Nr. 6 = NJW 1983, 1507 = DVBl. 1983, 183) Verfahrensvorschriften als drittschützend angesehen, nämlich § 10 Abs. 2 Satz 2 BImSchG, wonach der Inhalt von Unterlagen, die geheimhaltungsbedürftig sind, so ausführlich dargestellt sein muß, daß es Dritten möglich ist, zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der Anlage betroffen werden können.22 Dieser Ansatz kann jedoch nicht ohne weiteres verallgemeinernd auf jegliche Vorschriften über Genehmigungsverfahren übertragen werden, die auch dazu dienen, die Einhaltung von drittschützenden materiellrechtlichen Anforderungen an Anlagen zu gewährleisten. Insbesondere kann er nicht auf das vereinfachte immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG übertragen werden. Der "vorgezogene Grundrechtsschutz durch behördliches Verfahren" ist in bezug auf das atomrechtliche Genehmigungsverfahren begründet worden aus dem im Kernkraftwerk "verkörperten außerordentlichen Gefährdungspotential" (BVerfGE 53, 30 <58>). Das schließt nicht aus, daß der Gesetzgeber auch in weiteren Genehmigungsverfahren, wie im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in § 10 Abs. 2 bis 4, 6, 8 und 9 BImSchG, "vorgezogenen Rechtsschutz" einräumt; für das vereinfachte immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren hat er das aber gerade nicht getan. Er hat nämlich in § 19 BImSchG ausdrücklich den § 10 Abs. 2 bis 4, 6, 8 und 9 BImSchG für nicht anwendbar erklärt. Der Gesetzgeber hat also darauf verzichtet, potentiell Drittbetroffenen einen vorgezogenen Rechtsschutz durch Beteiligung am Verwaltungsverfahren einzuräumen. Er hat diese Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens durch Verzicht auf Beteiligung von Drittbetroffenen vorgesehen für die Genehmigung von Anlagen, die nach Art und Umfang ein geringeres Gefährdungspotential für die Nachbarschaft haben als die dem üblichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren unterliegenden Anlagen. Es besteht deshalb kein Anlaß, den bloßen Genehmigungsvorbehalt für diese Anlagen als solchen schon als drittschützend in der Weise anzusehen, daß eine Verletzung des Genehmigungsvorbehalts unabhängig von der materiellrechtlichen Betroffenheit zur Aufhebung der - statt einer erforderlichen Vollgenehmigung - erteilten Änderungsgenehmigung führt. Selbst in den Fällen, in denen der erkennende Senat bisher Verfahrensvorschriften Drittschutz zuerkannt hat, nämlich Vorschriften, die eine Beteiligung von Dritten am Verwaltungsverfahren vorsehen, hat er stets betont, daß die verfahrensrechtliche Rechtsposition dem Dritten Schutz gewähre "nur im Hinblick auf eine bestmögliche Verwirklichung seiner materiellrechtlichen Rechtsposition". Bei einer auf die Verletzung solcher Verfahrensvorschriften gestützten Klage müsse sich für die Klagebefugnis aus dem Vorbringen des Klägers ergeben, "daß sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiellrechtliche Position ausgewirkt haben könnte" (Urteil vom 17. Dezember 1986, a.a.O., unter Bezugnahme auf Urteil vom 22. Dezember 1980, a.a.O.)."

Nach Maßgabe dieser Grundsätze besteht auch in Bezug auf § 66 LBauO kein Anlass, allein das Erfordernis eines umfassenden, auch die Vorschriften der LBauO umfassenden Genehmigungsverfahrens ohne Rücksicht auf eine materiell-rechtliche Betroffenheit als drittschützend mit der Folge anzusehen, dass bereits die unzutreffende Entscheidung für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens zur Aufhebung der in diesem Verfahren erteilten Baugenehmigung führt. Weder besteht bei den üblicherweise im bauaufsichtlichen Verfahren zu genehmigenden baulichen Anlagen ein außerordentliches Gefährdungspotential im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, noch lassen sich der LBauO irgendwelche Hinweise darauf entnehmen, dass der Gesetzgeber potentiell Drittbetroffenen einen vorgezogenen Rechtsschutz durch Beteiligung am Verwaltungsverfahren hat einräumen wollen. Diese erscheinen vielmehr in einem derartigen Fall ausreichend dadurch geschützt, dass sie bei materiellen Verstößen gegen nachbarschützende Vorschriften der LBauO ein behördliches Einschreiten gemäß § 81 LBauO verlangen können.

c. Anlass für eine gerichtliche Anordnung in Bezug auf die Errichtung des Mehrfamilienhauses als solchem ergibt sich im Übrigen auch nicht etwa aus dem weiteren Antrag der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 25. Oktober 2016, "den Antragsgegner zu verpflichten, im Rahmen seines ihm zustehenden Ermessens bauaufsichtlich gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen gemäߧ 81 LBauO einzuschreiten", über den das Verwaltungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - nach dem Erfolg des auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichteten "Hauptantrages" nicht mehr entschieden hat.

Für die Verletzung von materiell-rechtlichen Vorschriften der LBauO, namentlich des insoweit allein konkret angesprochenen § 15 Abs. 4 LBauO, durch das Gebäude selbst bestehen keine Anhaltspunkte. Gegen einen nachbarschützenden Charakter des § 15 Abs. 4 LBauO spricht bereits der Umstand, dass die Vorschrift das Erfordernis eines zweiten Rettungsweges regelt und von daher allein dem Schutz der Bewohner des Gebäudes zu dienen bestimmt sein dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 159 Satz 1 VwGO und § 100 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Angesichts der Größenordnung des streitgegenständlichen Bauvorhabens erscheint für die Hauptsache ein Streitwert im mittleren Bereich des in Ziffer 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 vorgesehenen Rahmens von 7.500 bis 15.000 €, konkret ein solcher in Höhe von 12.000 € angemessen, wovon für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hälfte in Ansatz zu bringen war (vgl. Ziffer 1.5 des Katalogs).