AG Speyer, Urteil vom 11.09.2017 - 32 C 23/17
Fundstelle
openJur 2020, 21469
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass in dem Inkassoverfahren Az.../BBJE kein Verzugsschadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger bezüglich der folgenden in der Forderungsaufstellung vom 18.10.2016 enthaltenden Positionen entstanden ist:

1

21.07.2011

Inkassokosten VB 6744262

55,10 €

2

21.07.2011

Inkassokosten VB 6747331

55,10 €

3

25.07.2011

Inkassokosten VB 6744262

37,50 €

4

25.07.2011

Inkassokosten VB 6747331

67,50 €

5

20.12.2011

Inkassokosten VB 4399903

55,10 €

6

28.12.2011

Inkassokosten VB 4449590

55,10 €

7

05.03.2012

Kontoführungskosten VB 6747331

44,00 €

8

05.03.2012

Kontoführungskosten VB 6744626

44,00 €

9

05.03.2012

Kontoführungskosten VB 4399903

28,00 €

10

05.03.2012

Kontoführungskosten VB 4449590

28,00 €

11

01.10.2013

Kontoführungskosten 05/12-10/13

72,00 €

12

18.10.2016

Kontoführungskosten 11/13 -10/16

75,60 €

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Geschäftszweck der Beklagten ist der Ankauf, Handel und das Verwerten von Forderungen aller Art, wobei mit der Einziehung der Forderungen regelmäßig das unter derselben Geschäftsadresse ansässige Inkassounternehmen ... GmbH beauftragt wird. Der Kläger ist der Schuldner der Beklagten.

Die Beklagte erwirkte gegen den Kläger beim Amtsgericht M. vier Vollstreckungsbescheide: Aktz.: ...903 mit einer verzinslichen Hauptforderung in Höhe von 45,90 €; Aktz.: ...404 mit einer verzinslichen Hauptforderung in Höhe von 131,80 €; Aktz. ...007 mit einer verzinslichen Hauptforderung in Höhe von 185,10 € sowie Aktz.: ...103 mit einer verzinslichen Hauptforderung in Höhe von 238,40 €. Tituliert sind mit verzinslichen und unverzinslichen Kosten insgesamt 966,28 €; die Zinshöhe beträgt 13,25 %. Die ... GmbH war bereits vor Titulierung mit der Einziehung der Forderung beauftragt und entfaltete nach Titulierung weitere Beitreibungsmaßnahmen, insbesondere wurde der Kläger nach Titulierung angeschrieben, ab 2011 wurden vorläufige Zahlungsverbote nach § 845 ZPO zugestellt. Bis zum 24.10.2014 leistete der Kläger Zahlungen in Höhe von insgesamt 1050 €.

Am 31.10.2014 unterzeichnete der Kläger eine mit Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleich überschriebene Erklärung, GA Bl.36 über eine Forderung in Höhe von insgesamt 1554,02 €(Forderungsstand 24.10.2014) einschließlich der Kosten der Vereinbarung in Höhe von 192,50 € und zuzüglich gegebenenfalls weiter anfallenden laufenden Zinsen, Kontoführungskosten usw., wobei er nach dem vorgefertigten Text der Vereinbarung ausdrücklich auf alle Einwendungen und Einreden gegen den Grund oder die Höhe der Forderung verzichtete und sich verpflichtete, die Forderung in Raten in Höhe von 50 € auf das Konto der ... GmbH zu zahlen.

Aus einer Forderungsaufstellung vom 18.10.2016, die dem Beklagten mit einem Anwaltsschreiben vom 18.10.2016 übersandt worden ist, ergibt sich ein Forderungstand in Höhe von 1686,81 €. In dieser Forderungsaufstellung sind die im Tenor genannten Kostenpositionen enthalten.

Der Kläger trägt vor,ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage sei gegeben, insbesondere stehe der Erhebung der Feststellungsklage nicht die Erhebung einer Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO als einfacherer Weg entgegen. Es gehe nicht um die Frage, ob die streitbefangenen Nebenforderungen zusammen mit der Hauptforderung beigetrieben werden dürften. Die Beklagte berühme sich außergerichtlich einer Forderung, die keine nach § 788 ZPO ersatzfähigen Kosten betreffe. Die Beklagte fertige zwei Arten von Forderungsaufstellungen:

Eine abgespeckte Version für die Zwecke der Durchführung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme. Dort seien weder Inkassokosten noch Kontoführungskosten aufgeführt. Die Forderungsaufstellung mit den Positionen Inkassokosten und Kontoführungskosten sei nur für den Schuldner bestimmt.

Die von ihm beanstandeten Positionen seien keine notwendigen Kosten im Sinne des § 788 ZPO. Inkassokosten seien dem Grunde nach nur erstattungsfähig, wenn der Gläubiger die Maßnahme aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Menschen für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Dies sei hier nicht der Fall, da für den Gläubiger erkennbar gewesen sei, dass die Hauptforderung mangels Liquidität nicht erfüllbar sei. Inkassokosten seien zudem mit der bereits in den Vollstreckungsbescheiden titulierten 1,3 Gebühr vollständig abgegolten. Die ...- GmbH dürfe auch nicht außerhalb der Zwangsvollstreckung zusätzlich einen Rechtsanwalt zulasten des zahlungsunfähigen Schuldners mit der Führung von Verhandlungen beauftragen. Kontoführungskosten seien nicht ersatzfähig. Dem Anerkenntnis sei die Forderungsaufstellung mit Stand zum 24. 10. 2014 nicht beigefügt gewesen, dies behaupte die Beklagte auch nicht. Das Anerkenntnis sei sittenwidrig nach § 138 Abs. 1 BGB. Die von der Beklagten verwendete Formularklausel nach § 307 BGB unwirksam.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass in dem Inkassoverfahren Az.../BBJE kein Verzugsschadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger bezüglich der folgenden in der Forderungsaufstellung vom 18.10.2016 enthaltenden Positionen entstanden ist:

121.07.2011Inkassokosten VB 674426255,10 €221.07.2011Inkassokosten VB 674733155,10 €325.07.2011Inkassokosten VB 674426237,50 €425.07.2011Inkassokosten VB 674733167,50 €520.12.2011Inkassokosten VB 439990355,10 €628.12.2011Inkassokosten VB 444959055,10 €705.03.2012Kontoführungskosten VB 674733144,00 €805.03.2012Kontoführungskosten VB 674462644,00 €905.03.2012Kontoführungskosten VB 439990328,00 €1005.03.2012Kontoführungskosten VB 444959028,00 €1101.10.2013Kontoführungskosten 05/12-10/1372,00 €1218.10.2016Kontoführungskosten 11/13-10/1675,60 €

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor,die Klage sei mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die Frage der Notwendigkeit von in der Zwangsvollstreckung angemeldeten Kosten sei ausschließlich in der Zwangsvollstreckung zu überprüfen. Aufgrund des Anerkenntnis vom 31.10.2014 sei der Kläger verpflichtet, den dort genannten Betrag in Höhe von 1554,02 zuzüglich der weiter aufgelaufenen Zinsen und Kontoführungskosten zu zahlen. Die Höhe der Kontoführungskosten sei dem Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen, da ihm in einer später einbezogenen Forderungsangelegenheit am 23. 02. 2012 eine Forderungsaufstellung übersandt worden sei. In Rechnung gestellt werde seit 1.10.2014 Kontoführungskosten in Höhe von monatlich 2,10 €. Eine Kontoführungsgebühr sei im Bereich des Inkassowesens üblich und gegebenenfalls gesondert zu titulieren. Die weiteren Inkassokosten seien geschuldet, der Mitverschuldenseinwand greife nicht. Das Forderungsmandat des Inkassounternehmens sei mit Einleitung gerichtlicher Maßnahmen beendet. Danach werde die Angelegenheit von der von der Beklagten beauftragten Anwaltskanzlei bearbeitet. Nach der erfolgten Titulierung werde dann wieder das Inkassounternehmen beauftragt, das berechtigt sei, die üblichen Inkassokosten, begrenzt auf die entsprechenden Gebühren eines Rechtsanwalts zu verlangen.

Zur Darstellung des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte mit der Übersendung der Forderungsaufstellung außerhalb der Zwangsvollstreckung Kosten im Zusammenhang mit der Beitreibung der Forderung geltend macht.

Der Kläger kann nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, Vollstreckungserinnerung zu erheben. Die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO ist ein Rechtsbehelf gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers oder des Vollstreckungsgerichts.

Gerichtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind vom Auftrag der Beklagten als Gläubigerin an die Zwangsvollstreckungsorgane abhängig. Nachdem keine gerichtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahme ansteht, in der die Kostenpositionen und die Forderungsaufstellung der Beklagten zur Überprüfung durch die Vollstreckungsorgane gestellt werden, kann eine Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO mit dem Ziel, Kostenpositionen aus der Forderungsaufstellung als nicht notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung auszuscheiden, durch den Kläger nicht erhoben werden.

Die Klage ist begründet.

Die mit der außergerichtlichen Forderungsaufstellung der Beklagten vom 18.10.2016 geltend gemachten Inkassokosten und Kontoführungsgebühren stehen dieser im Ergebnis nicht zu. Diese sind nicht schon deshalb geschuldet, weil der Kläger am 31.10.2014 ein darauf bezogenes Schuldanerkenntnis abgegeben und dabei ausdrücklich auf alle Einwendungen und Einreden gegen den Grund und die Höhe der Forderung verzichtet hat.

Die vorformulierte Anerkenntniserklärung ist unwirksam.

Bei dem dem Kläger übersandten Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvergleichsformular handelt es sich um eine vorformulierte Vertragserklärung, die der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff BGB unterliegt. Die darin enthaltene Klausel, dass der Kläger den Forderungsstand zum 24.10.2014 mit sämtlichen, auch möglicherweise überhöhten oder gar nicht geschuldeten Kostenpositionen nach Titulierung der Forderung anerkennt und zudem auf alle Einwendungen und Einreden gegen den Grund oder die Höhe der Forderung verzichtet, verstößt gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und ist damit gem. § 307 Abs.2 Nr.1 BGB unwirksam. Nach dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung sind nach Titulierung einer Forderung nur notwendige Vollstreckungskosten nach § 788 ZPO erstattungsfähig. Das Schuldanerkenntnis bezieht sich aber auch auf nicht notwendige Kosten und schließt den Schuldner darüber hinaus mit Einwendungen aus. Damit ist diese vorformulierte Klausel nicht mit dem Grundgedanken aus § 788 ZPO, § 4 RDGEG vereinbar und benachteiligt den Kläger als Vertragspartner der Beklagten bei Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung unangemessen.

Die von Klägerseite beanstandeten Kostenpositionen in der Forderungsaufstellung vom 18.10.2016 sind keine notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO. Inkassokosten:

Der Kläger geht fehl in der Annahme, den geltend gemachten Inkassokosten stehe bereits entgegen, dass diese tituliert seien.

Nach der Systematik des RDGEG können Inkassogebühren grundsätzlich sowohl vor Titulierung als auch nach der Titulierung anfallen. Vor Titulierung sind die Inkassokosten von Personen, die Inkassodienstleistungen erbringen (registrierte Personen nach § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes) grundsätzlich nur bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehenden Vergütung erstattungsfähig, § 4 Abs.5 RDGEG. Nach der Titulierung richten sich die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten nach § 788 ZPO, § 4 Abs.4 RDGEG.

Kosten von Beitreibungsmaßnahmen und damit auch damit einhergehende gesetzliche Gebühren und Auslagen, die der Gläubiger im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten objektiv für notwendig halten konnte, sind nach § 788 ZPO ersatzfähig. Kosten offenbar aussichtsloser, mutwilliger oder vom Gläubiger zu vertretender verfehlter Zwangsvollstreckungsmaßnahmen trägt der Gläubiger selbst. Das Gericht ist nicht der Auffassung, dass nach Titulierung einer Forderung gegenüber einem beschränkt zahlungsfähigen Schuldner Maßnahmen eines Inkassobüros von vornherein aussichtslos und damit nicht erstattungsfähig sind. Auch gegenüber einem letztlich zahlungsunfähigen Schuldner sind Beitreibungsmaßnahmen nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig, insbesondere zur Erreichung der Abgabe der Vermögensauskunft bzw. Eintragung in das zentrale Schuldnerregister. Daher darf es der Beklagten als Gläubigerin nicht verwehrt sein, Beitreibungsmaßnahmen zu ergreifen und dazu auch ein Inkassobüro zu beauftragen.

Der Höhe nach gilt aber auch insoweit das RVG. Die von der Beklagten geforderten Inkassokosten sind jedoch vom RVG nicht gedeckt und daher nicht erstattungsfähig. Die Beklagte macht in der Forderungsaufstellung vom 18.10.2016 offenbar 1,3 Geschäftsgebühren analog Nummer 2300 VV RVG für dem Kläger zu jedem Vollstreckungsbescheid übersandten "1. Brief titulierte Forderung" geltend. Eine solche Gebühr fällt aber für eine Androhung einer Vollstreckung nach Titulierung der Forderung nicht an, vgl. das vom Kläger vorgelegte Schreiben der Präsidentin des Landgerichts M. vom 13.4.2017. Die Ansicht der Beklagten, es gebe nach Titulierung einer Forderung Tätigkeiten eines Inkassobüros, die nicht der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung dienen und daher eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslösen können, ist mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. Kontoführungskosten:

Kontoführungskosten können nicht verlangt werden, da eine gesonderte Kontoführungsgebühr auch bei Forderungsbeitreibung durch Rechtsanwälte im RVG nicht vorgesehen ist und daher auch von einem Inkassobüro nicht geltend gemacht werden kann.

Nach alledem war die Feststellungsklage begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 11,711 ZPO.

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