LG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 03.11.2010 - 6 O 101/10
Fundstelle
openJur 2020, 20086
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beteiligung des Klägers an der Beklagten mit der Nr. 9622 durch Erklärung vom 29. Juli 2009 beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die Höhe des dem Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Abfindungsguthabens zu erteilen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000.- € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Erklärung des Klägers vom 29. Juli 2009, mit der dieser seine Beteiligung an der Beklagten mit sofortiger Wirkung zu beenden beabsichtigt hat.

Der Kläger beauftragte am 17. August 1993 einen als Finanzvermittler tätigen F. einen auf Beitritt zur Beklagten gerichteten Treuhandvertrag mit Vollmacht zu vermitteln (Bl. 21 d.A.). Am gleichen Tag erteilte der Kläger der als Treuhänderin auftretenden H... Steuerberatungsgesellschaft mbH aus H. einen notariell beurkundete Geschäftsbesorgungsauftrag mit Vollmacht (Bl. 26 ff. d.A.). Gemäß Ziffer II. der notariellen Urkunde umfasst die unwiderruflich erteilte Vollmacht u.a. den Abschluss aller Rechtsgeschäfte, die Abgabe und Entgegennahme aller Willenserklärungen und die Vornahme aller Handlungen, insbesondere solcher im Zuge und zum Zwecke der Realisierung des Gegenstands der Treuhandtätigkeit, darunter den Abschluss und die Änderung von Verträgen, die auf den Erwerb eines Anteils an der Beklagten oder einer weiteren Gesellschaft sowie die Vermittlung der erforderlichen Finanzierungsmittel, einschließlich der in diesem Zusammenhang erforderlichen Bestellung von Sicherheiten (Verpfändung des Gesellschaftsanteils, Abtretung von Gewinn- und Auseinandersetzungsansprüchen, Belastung des Grundeigentums der Gesellschaft) sowie die Vertretung des Klägers gegenüber Gerichten jedweder Art und Behörden, ebenso wie die Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten.

Die Treuhänderin erklärte für den Kläger in der Folge den Beitritt zur Beklagten per 30. Dezember 1993. Die Gesamtinvestitionssumme betrug 30.000.- DM; die eigentliche Gesellschaftseinlage belief sich auf 17.428.- DM, wobei die Kapitalanlage überwiegend von Seiten der Stadtsparkasse M. kreditfinanziert und als Sicherheit eine kapitalbildende Lebensversicherung abgeschlossen und eingebracht wurde (vgl. Bl. 23 ff. d.A.).

Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 29. Juli 2009 erklärte der Kläger Widerruf und Anfechtung der auf den Abschluss der Beteiligung an der Beklagten gerichteten Willenserklärungen sowie die außerordentliche Kündigung der Beteiligung (Bl. 39 f. d.A.). Dem hat die Beklagte mit Schreiben ihrer Geschäftsführerin vom 1. September 2009 widersprochen und mitgeteilt, die ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2014 vermerkt zu haben (Bl. 41 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht,

dass die erklärte außerordentliche Kündigung aufgrund des Vorliegens wichtiger Gründe gerechtfertigt sei. So sei er u.a. vor Abschluss der Beteiligung unzureichend aufgeklärt und arglistig getäuscht worden. Zudem sei das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört und ihm die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen der wirtschaftlichen Schieflage, in die die Beklagte geraten sei, nicht zumutbar.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Beteiligung an der Beklagten mit der Nummer 9622 wirksam durch Kündigung vom 29. Juli 2009 beendet worden ist;

sowie (für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags)

die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über die Höhe des dem Kläger nach § 13 Abs. 6 des Gesellschaftsvertrages zustehenden Abfindungsguthabens zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung,

dass die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt sei. Eine unzureichende Aufklärung liege nicht vor. Ihre schwierige wirtschaftliche Situation sei dem Kläger spätestens seit 2003 bekannt, so dass er die Kündigung hierauf wegen eingetretener Verwirkung nicht (mehr) stützen könne.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Gründe

I.

1. Die Klage ist zulässig; insbesondere ergibt sich das erforderliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung aus dem Umstand, dass die Beklagte das Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft in Abrede stellt und ihn nach wie vor als ihr Mitglied behandelt.

2. Der Feststellungsantrag ist überdies begründet, ohne dass es auf das Vorliegen und die Möglichkeit der Geltendmachung der vom Kläger angeführten wichtigen, möglicherweise eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Gründe ankommt, weil bereits der mit der H. Steuerberatungsgesellschaft mbH geschlossene Treuhandvertrag wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz in der bei Abschluss des Vertrages geltenden Fassung nichtig ist (Art. 1 § 1 RBerG iVm § 134 BGB).

a) Nach gefestigter höchstrichterlichen Rechtsprechung bedarf derjenige, der - wie hier die Treuhänderin - im Rahmen eines Immobilienfondsprojekts nicht nur die wirtschaftlichen Belange der Anleger wahrzunehmen, sondern für sie auch die erforderlichen Verträge abzuschließen hat, einer hier nicht vorliegenden Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (vgl. statt vieler BGH NJW 2003, 1252; DStR 2004, 1346 sowie zuletzt etwa NJW-RR 2010, 1402, 1404/1405 jew. mwN).

Im vorliegenden Fall oblag der Treuhänderin gerade nicht die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange für den Kläger wie zum Beispiel die Prüfung der Zweckmäßigkeit der Investitionsentscheidung. Vielmehr gehen Auftrag und Vollmacht weit darüber hinaus. Die der Treuhänderin eingeräumte Befugnis, zahlreiche Verträge für den Kläger abzuschließen oder durch selbst gewählte Unterbevollmächtigte abschließen zu lassen und diese gegebenenfalls auch wieder zu ändern, zu ergänzen oder aufzuheben stellt eine gewichtige rechtsbesorgende Tätigkeit dar. Dies gilt umso mehr, als die Vollmacht hier so weitgehende Befugnisse wie die Beschaffung und Absicherung von Kreditmitteln sowie die umfassende Vertretung in außergerichtlichen und gerichtlichen Verfahren durch die Treuhänderin erfasst (vgl. etwa BGH NJW-RR 2010, 1402, 1404; NJW-RR 2008, 66, 67). Eine so weitreichende Geschäftsbesorgung erforderte eine fundierte Rechtsberatung des treugebenden Gesellschafters. Um diese Aufgabe verantwortungsvoll wahrzunehmen, bedarf es guter Rechtskenntnisse, weshalb sie im Interesse des Gemeinwohls Rechtsanwälten oder Personen vorbehalten werden muss, denen die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erteilt worden ist (BGH NJW 2003, 1252, 1253).

b) Die Nichtigkeit des Treuhandvertrags erfasst auch die dem Treuhänder erteilte Vollmacht (BGH DStR 2004, 1346, 1347 mwN). Denn das Verbot unerlaubter Rechtsbesorgung soll in erster Linie die Rechtsuchenden vor unsachgemäßer Erledigung ihrer rechtlichen Angelegenheiten schützen, was insbesondere die Beratung und Vertretung umfasst. Mit dieser Zweckrichtung wäre es unvereinbar, den unbefugten Rechtsberater gleichwohl rechtlich - bei Wirksamkeit der Ausführungsvollmacht - in den Stand zu setzen, seine gesetzlich missbilligte Tätigkeit zu Ende zu führen, indem er Rechtsgeschäfte zu Lasten des Geschützten abschließt (BGH NJW 2003, 1252, 1254).

c) Auf den trotz Nichtigkeit von Auftrag und Vollmacht vollzogenen, fehlerhaften Beitritt zur Gesellschaft finden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die zur fehlerhaften Gesellschaft entwickelten Grundsätze auch dann Anwendung, wenn der Beitretende oder die übrigen Beteiligten in Unkenntnis des Mangels den Beitritt für wirksam gehalten und vollzogen haben oder wenn die Frage, ob der Beitretende rechtswirksam Gesellschafter geworden ist, erst später aufgetreten ist (BGH NJW 2003, 1252, 1254 mwN). Der fehlerhaft vollzogene Beitritt ist damit regelmäßig nicht von Anfang an nichtig, sondern wegen des Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrunds nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar. Bis zur Geltendmachung des Fehlers ist der vollzogene Beitritt grundsätzlich voll wirksam.

Danach ist der Kläger hier (erst) mit der mit Schreiben vom 29. Juli 2009 erfolgten Geltendmachung des Fehlers ex nunc aus der Gesellschaft ausgeschieden. Dazu reicht die Erklärung, er fechte seinen Beitritt zu der Gesellschaft wegen arglistiger Täuschung an, ebenso aus, wie der gleichfalls erfolgte Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund, weil und soweit diese Erklärungen eindeutig dahin aufzufassen sind, dass das Gesellschaftsverhältnis aus wichtigem Grund und mit sofortiger Wirkung beendet sein soll (vgl. BGH NJW 2003, 1252, 1254).

3. Ebenso begründet ist nach den obigen Ausführungen der Eventualklageantrag, den der Kläger für den Fall des Erfolges des Hauptantrages und damit in zulässiger Weise (vgl. Zöller/Greger, ZPO 27. Aufl. § 260 Rn. 4) gestellt hat, wobei der Anspruch des Klägers aus § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Feststellung eines Abfindungsguthabens und Auskunft über dessen Höhe hier in § 13 Nr. 6 f. des Gesellschaftsvertrages konkretisiert ist.

II.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 13.271,01 € festgesetzt, wobei auf den Klageantrag zu 1. 12.271,01 € (vom Kläger im Zuge der Beteiligung an der Beklagten investierter Betrag abzgl. 20%, da es sich insoweit um eine positive Feststellungsklage handelt) und auf den (Auskunfts-)Antrag zu 2. weitere 1.000.- € entfallen.