LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2016 - 2 Sa 467/14
Fundstelle
openJur 2020, 18354
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11.06.2014 - 4 Ca 114/14 - abgeändert, soweit es den Kündigungsschutzantrag zu 1. abgewiesen hat:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 10.02.2014 nicht aufgelöst ist.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen die Klägerin zu ¼ und die Beklagte zu ¾.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren zuletzt noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen für Anlagenbau und Automatisierungstechnik und beschäftigt in ihrem Betrieb in C-Stadt in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer. Dort befindet sich neben den Verwaltungsräumlichkeiten auch ein gewerblicher Bereich, in dem die Fertigung der Komponenten erfolgt. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem Jahr 2000 als Reinigungskraft mit einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 400,00 EUR geringfügig beschäftigt. Sie reinigte seit Beginn des Arbeitsverhältnisses nach Arbeitsende der übrigen Mitarbeiter die Verwaltungsräume in der Zeit von 19.00 Uhr bis 21.00 Uhr, während der gewerbliche Bereich seit Jahren von der Firma G. Gebäudereinigung gereinigt wird.

Der Ehemann der Klägerin, der bei der Beklagten seit Januar 1996 als Energieelektroniker Anlagentechnik ebenfalls beschäftigt war, kündigte sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten selbst zum 31. Januar 2014. Die Beklagte wechselte die Schlösser zu ihren Betriebsräumen aus und kündigte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10. Februar 2014 (Bl. 8 d. A.) zum 28. Februar 2014.

Gegen die Kündigung vom 10. Februar 2014 wendet sich die Klägerin mit ihrer am 14. Februar 2014 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Februar 2014 (Bl. 20, 21 d.A.) teilte die Beklagte im Hinblick auf die von der Klägerin gerügte Kündigungsfrist mit, dass der Beendigungszeitpunkt im Kündigungsschreiben vom 10. Februar 2014 auf den 30. Juni 2014 zu korrigieren sei. Gleichzeitig forderte sie die Klägerin auf, künftig die von ihr geschuldeten Reinigungstätigkeiten jeweils von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr an den üblichen Arbeitstagen (Montag bis Freitag) zu erbringen. Weiterhin wies sie daraufhin, dass die Kündigung unabhängig vom veränderten Beendigungszeitpunkt im Übrigen aufrechterhalten bleibe und maßgeblich hierfür die Entscheidung sei, künftig auch die Reinigung der Verwaltungsbereiche des Unternehmens der bereits jetzt mit der Reinigung der gewerblichen Räume beauftragten Firma G. Gebäudereinigung zu übertragen. Gegen die im Schreiben vom 24. Februar 2014 angeordnete Arbeitszeitverteilung hat sich die Klägerin mit ihrer Klageerweiterung vom 05. März 2014 gewandt.

Wegen des wechselseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11. Juni 2014 - 4 Ca 114/14 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 10. Februar 2014, ihr zugegangen am 13. Februar 2014, ausgesprochene Kündigung nicht beendet worden ist,

2. festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, der Forderung der Beklagten im Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei D. vom 24. Februar 2014, die von ihr geschuldeten Reinigungstätigkeiten montags bis freitags jeweils von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr zu erbringen, nachzukommen sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr eine vertragsgemäße Beschäftigung als Reinigungskraft zuzuweisen, die sie montags bis freitags jeweils zwischen 19.00 Uhr und 21.00 Uhr ausüben kann.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - hat mit Urteil vom 11. Juni 2014 - 4 Ca 114/14 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung sei aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, die sich hier durch das Outsourcing ergeben würden, sozial gerechtfertigt. Die Fremdvergabe von Reinigungstätigkeiten sei ein klassischer Fall von Arbeiten, die relativ problemlos fremd vergeben werden könnten, zumal sich die Beklagte nicht einmal einen neuen Vertragspartner suchen, sondern lediglich den vorhandenen Vertrag mit der Firma G. Gebäudereinigung erweitern müsse. Maßgeblich sei nicht, ob die Entscheidung der Gesellschafterversammlung gesellschaftsrechtlich zutreffend ergangen sei, sondern nur, dass die Fremdvergabe zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich umgesetzt werde. Auf Nachfrage im Kammertermin habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, dass nicht die Richtigkeit des Protokolls der Gesellschafterversammlung bestritten werde, sondern die Umstände der Entscheidung wie Einladung etc. und ob die notwendigen Teilnehmer an der Gesellschafterversammlung teilgenommen hätten. Die Unternehmerentscheidung der Fremdvergabe der Reinigungstätigkeit mit dem damit verbundenen Wegfall der Tätigkeitsmöglichkeit für die Klägerin sei auch nicht offensichtlich unsachlich, willkürlich oder unvernünftig. Auch wenn der Weggang des Ehemannes ebenfalls ein Motiv für die Änderung gewesen sein möge, mache das die Entscheidung nicht insgesamt willkürlich. Mit den Fällen, in denen reguläre Arbeitsplätze durch Leiharbeitnehmer ersetzt würden, sei der Fall der Fremdvergabe von Reinigungsleistungen nicht vergleichbar. Die von der Klägerin angesprochene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der Produktion würde nur dann eine Rolle spielen, wenn dort ein Arbeitsplatz frei wäre, weil dann der Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung gelte. Die Klägerin habe aber nicht behauptet, dass in der Produktion Arbeitsplätze frei seien. In die Sozialauswahl seien nur Arbeitnehmer einzubeziehen, die austauschbar seien. Auch wenn Arbeitnehmer in der Produktion als Ungelernte tätig seien und auch nur geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ausübten, seien sie arbeitsvertraglich nicht austauschbar. Die Zuweisung der Arbeitszeit von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr sei nicht zu beanstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 10. Juli 2014 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08. August 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 08. September 2014, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet. Im Termin vom 25. Februar 2016 hat die Klägerin die Berufung auf den weiterverfolgten Kündigungsschutzantrag zu 1. beschränkt und die Berufung im Übrigen zurückgenommen.

Sie trägt vor, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass es uneingeschränkt nachzuprüfen habe, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliege und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für sie entfallen sei. Weiterhin unterliege der gerichtlichen Kontrolle die Frage, ob die unternehmerische Entscheidung unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sei, was jedenfalls dann der Fall sei, wenn sie nicht durch die vermeintliche Betriebsänderung, sondern die Betriebsänderung durch den Wunsch des Arbeitgebers bedingt sei, sich von missliebigen Arbeitnehmern zu trennen. Schon der zeitliche Zusammenhang zwischen der von ihrem Ehemann Ende Dezember 2013 zum 31. Januar 2014 ausgesprochenen Kündigung und der vermeintlich am 13. Januar 2014 von der Beklagten durchgeführten Gesellschafterversammlung belege, dass die streitgegenständliche Kündigung nicht durch eine Betriebsänderung, sondern die Betriebsänderung durch den Wunsch der Beklagten bedingt sei, sich von ihr zu trennen. In Bezug auf das Vorhandensein einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit habe das Arbeitsgericht die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast verkannt. Es komme nicht darauf an, ob sie behauptet habe, dass in der Produktion Arbeitsplätze frei seien, was tatsächlich der Fall sei. Sie habe nämlich unverschuldet keinerlei Kenntnis über den Arbeitskräftebedarf der Beklagten, weshalb eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast bestehe, aufgrund derer die Beklagte hierzu hätte Vortrag halten müssen. Da in der Produktion der Beklagten ungelernte Arbeitskräfte eingesetzt würden, hätte sie ohne weiteres nach kurzer Anlernphase dort arbeiten können. Soweit hierfür eine Änderungskündigung erforderlich gewesen wäre, wäre diese gegenüber der von der Beklagten ausgesprochenen Beendigungskündigung vorrangig gewesen. Die Beklagte verschweige, dass sie für die Firma H. Standard-Schaltschränke baue, für die unter anderem Verbindungsstücke hergestellt werden müssten, die die Beklagte in Behindertenwerkstätten von nicht qualifizierten Mitarbeitern herstellen lasse. Diese Arbeiten könnte sie ohne weiteres leisten. Des Weiteren habe die Beklagte stets Mitarbeiter ohne Qualifikation in der Fertigung und als Kurierfahrer beschäftigt und die Pflege der Grünanlagen und Hausmeistertätigkeiten von nicht qualifizierten Mitarbeitern ausführen lassen. Auch diese Arbeiten könnte sie bewältigen. Soweit die Beklagte darauf verweise, dass sie die von ihr angeführten einfachen Arbeiten seit Ende des Jahres 2011 nicht mehr an die K.-Stiftung vergebe, mache sie sich dieses Vorbringen hilfsweise zu eigen, womit das Vorhandensein einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit für sie belegt sei. Vergebe die Beklagte die Arbeiten, die nach wie vor anfallen würden, nicht mehr an die K.-Stiftung, lasse sie diese nämlich durch eigene Mitarbeiter erledigen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf ihre zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 11. Juni 2014 - 4 Ca 114/14 - abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Februar 2014 nicht beendet wurde.

Im Übrigen hat sie im Termin vom 25. Februar 2016 erklärt, dass sie die Berufung auf den weiterverfolgten Kündigungsschutzantrag beschränke und die Berufung im Übrigen zurücknehme.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, entgegen der Auffassung der Klägerin sei ihr Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen weggefallen. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 13. Januar 2014, der die Fremdvergabe der Reinigungsarbeiten im Verwaltungsbereich sowie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zum Gegenstand habe, sei nicht zu beanstanden. Die Angriffe der Klägerin gegen die Beschlussfassung würden rein gesellschaftsrechtliche Aspekte betreffen und seien mithin im arbeitsgerichtlichen Verfahren unerheblich. Tatsächlich sei der Beschluss vom 13. Januar 2014 zwischenzeitlich umgesetzt worden. Ihre Entscheidung erweise sich auch nicht als offensichtlich unsachlich, willkürlich oder unvernünftig. Allein der Umstand, dass der Ehemann der Klägerin zum 31. Januar 2014 ihr Unternehmen verlassen habe, vermöge eine derartige Annahme nicht zu stützen. Vielmehr habe es für sie nahegelegen, den seit mehreren Jahren an die Firma G. Gebäudereinigung erteilten Auftrag auch auf den Verwaltungsbereich zu erstrecken. Auch der Einwand der Klägerin, sie könne als ungelernte Arbeitskraft in der Produktion eingesetzt werden, sei unerheblich. In ihrer Produktion sei weder zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist ein freier Arbeitsplatz vorhanden gewesen. Sie habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ausschließlich Mitarbeiter mit technischer oder kaufmännischer Qualifikation beschäftigt, die sie in ihrem Schriftsatz vom 06. März 2015 (Seiten 2 und 3 = Bl. 162, 163 d. A.) im Einzelnen aufgeführt habe. Im Übrigen seien freie Arbeitsplätze weder im gewerblichen noch im kaufmännischen Bereich ihres Betriebes vorhanden gewesen. Im Hinblick auf die fehlende Qualifikation der Klägerin und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass ein freier Arbeitsplatz in einem anderen Betriebsbereich nicht vorhanden gewesen sei, habe sie den Ausspruch einer Änderungskündigung gegenüber der Klägerin nicht in Betracht ziehen können. Sofern sie in der Vergangenheit Teile von Schaltschränken in Behindertenwerkstätten habe fertigen lassen, belege dies noch keine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin. Abgesehen davon, dass diese Arbeiten seit Ende 2011 nicht mehr vergeben würden, müsse es ihr überlassen bleiben, ob sie einen bestimmten Beschäftigungsbedarf mit eigenen Arbeitnehmern oder über Fremdkräfte abdecke. Die ehedem an die K.-Stiftung, eine Einrichtung für die Beschäftigung von behinderten Menschen, vergebenen einfachen Arbeiten würden in ihrem Betrieb nicht mehr in dem früheren Umfang anfallen, so dass auch insoweit eine Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin in ihrem Fertigungsbereich nicht gegeben sei. Im Übrigen habe sie noch nie einen Kurierfahrer beschäftigt. Die Pflege der Grünanlagen habe ihr zu keinem Zeitpunkt oblegen, weil hierfür ausschließlich der Hauseigentümer verantwortlich sei. Eine Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin im Bereich der Hauswartung, der Fahrdienste bzw. der Pflege der Grünanlagen habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf ihre zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Kündigungsschutzklage ist begründet. Die Kündigung vom 10. Februar 2014 ist nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt und damit gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam. Im Streitfall kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass infolge der von ihr angeführten unternehmerischen Entscheidung zur Fremdvergabe der Reinigungstätigkeit die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin entfallen ist. Die gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat aber den ihr obliegenden Beweis für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht erbracht.

1. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist eine ordentliche Beendigungskündigung ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz auch zu geänderten (gleichwertigen oder schlechteren) Bedingungen weiterzubeschäftigen. Diese in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b, Satz 3 KSchG konkretisierte Kündigungsschranke gilt unabhängig davon, ob in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und dieser der Kündigung widersprochen hat (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 417/14 - Rn. 26, NZA 2015, 1083; BAG 01. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164). Darlegungs- und beweisbelastet für das Fehlen anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG der Arbeitgeber (BAG 26. März 2015 - 2 AZR 417/14 - Rn. 29, NZA 2015, 1083). Dabei gilt eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Auf nähere Darlegungen des Arbeitnehmers, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, muss der Arbeitgeber dann eingehend erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei. Dabei genügt es für die Darlegungen des Arbeitnehmers, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist. Der Arbeitnehmer muss im Allgemeinen keinen konkreten freien Arbeitsplatz benennen (BAG 01. März 2007 - 2 AZR 650/05 - Rn. 21, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164). Es genügt z. B. der Vortrag des Arbeitnehmers, er würde auch im Außendienst, als Fahrer oder als Lagerverwalter arbeiten. Sodann hat der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht zur Verfügung steht (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Oetker, 16. Aufl. § 1 KSchG Rnr. 264 m.w.N.).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, dass ihr die von der Klägerin geltend gemachte anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Produktionsbereich nicht zur Verfügung stand.

Die Klägerin hat sich bereits erstinstanzlich darauf berufen, dass die Beklagte im Bereich ihrer Produktion auch ungelernte Arbeitskräfte, u.a. im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse, beschäftige und eine solche anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für sie bestehe. In ihrer Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, dass es entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht darauf ankomme, ob sie behauptet habe, dass in der Produktion Arbeitsplätze frei seien, dies tatsächlich aber der Fall sei. Sie habe nämlich unverschuldet keine Kenntnis über den Arbeitskräftebedarf der Beklagten, weshalb eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast bestehe, aufgrund derer die Beklagte hierzu hätte Vortrag halten müssen. Im Hinblick darauf, dass in der Produktion der Beklagten ungelernte Arbeitskräfte eingesetzt würden, hätte sie ohne weiteres nach kurzer Anlernphase dort arbeiten können. Weiterhin hat sie sich hilfsweise den Vortrag der Beklagten zu eigen gemacht, dass die vormals an eine Werkstatt für behinderte Menschen (K.-Stiftung) vergebenen einfachen Arbeiten seit Ende des Jahres 2011 nicht mehr an die K.-Stiftung vergeben würden, und darauf verwiesen, dass diese nach wie vor anfallenden Arbeiten eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für sie belegen würden. Die Klägerin hat mithin - ihrer sekundären Darlegungslast entsprechend - dargelegt, wie sie sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, ohne dabei einen konkreten freien Arbeitsplatz aufzeigen zu müssen. Vielmehr wäre es nunmehr Sache der Beklagten gewesen, darzulegen und zu beweisen, dass eine geeignete Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin nicht bestand. Dies ist ihr nicht gelungen.

Die Beklagte hat vorgetragen, die vormals an die K.-Stiftung vergebenen Arbeiten würden nach Beendigung des Auftrages von den bei ihr beschäftigten qualifizierten Mitarbeitern jeweils miterledigt. Diese würden die Kabelsätze für die elektronische Steuerung selbst herstellen und verdrahten. Einen Arbeitsplatz nur zur Herstellung der Kabelsätze habe es bei ihr selbst nicht gegeben. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe sie nur Mitarbeiter mit technischer oder kaufmännischer Qualifikation beschäftigt, während im Übrigen keine freien Arbeitsplätze vorhanden gewesen seien. Als Beweis für ihre Behauptung, dass freie Arbeitsplätze weder im gewerblichen noch im kaufmännischen Bereich ihres Betriebes vorhanden gewesen seien, hat die Beklagte die Zeugin E. benannt und darauf verwiesen, dass die Zeugin E. bis Oktober 2014 ihre Prokuristin und insbesondere auch mit der Personalplanung betraut gewesen sei.

In der daraufhin durchgeführten Beweisaufnahme konnte die Zeugin zu den Beschäftigungsmöglichkeiten im Produktionsbereich keine Angaben machen. Vielmehr hat sie bekundet, dass sie mit der Personalplanung selbst nicht betraut gewesen sei und das nur als Vertretung mal gemacht habe. Zu ihrer Einschätzung, dass sie zum damaligen Zeitpunkt kein weiteres Personal gebraucht hätten, konnte sie auf Nachfrage keine näheren Angaben machen. Vielmehr hat sie sogleich eingeräumt, dass sie nur sporadisch zur Vertretung mit der Personalplanung betraut gewesen sei. Zu den im Produktionsbereich anfallenden Arbeiten konnte sie ebenso wenig Angaben machen wie zu den vormals an die K.-Stiftung vergebenen Arbeiten. Auf Nachfrage hat sie darauf verwiesen, dass die Personalplanung vom Geschäftsführer der Beklagten, Herrn L. K., gemeinsam mit seiner Frau gemacht worden sei. Sie sei nur im Vertretungsfalle damit betraut gewesen. Ab dem 08. März 2014 sei sie bis Juni krank und überhaupt nicht in der Firma gewesen. Vor ihrer Erkrankung seien Herr und Frau K. da gewesen. Sie könne nicht genau sagen, ob Mitarbeiter ohne besondere Qualifikation in der Produktion eingesetzt gewesen seien.

Aufgrund der Aussage der Zeugin lässt sich nicht zur Überzeugung des Gerichts feststellen, dass im Kündigungszeitpunkt tatsächlich keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin auf einem freien Arbeitsplatz im Bereich der Produktion vorhanden gewesen war. Im Hinblick darauf, dass die Zeugin zu den im Produktionsbereich anfallenden Arbeiten und zu den vormals an die K. Stiftung vergebenen Arbeiten überhaupt keine Angaben machen konnte, steht auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die im Produktionsbereich anfallenden einfachen Arbeiten tatsächlich von den bei der Beklagten beschäftigten qualifizierten Mitarbeitern jeweils miterledigt wurden und im Übrigen kein freier Arbeitsplatz vorhanden war. Im Übrigen lässt sich auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten auch nicht nachvollziehen, ob und inwieweit die vormals an die K.-Stiftung vergebenen Arbeiten tatsächlich derart zurückgegangen sein sollen, dass selbst eine geringfügige Beschäftigung der Klägerin in der Produktion nicht mehr hätte erfolgen können. Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, ob und ggf. aus welchen Gründen die Klägerin die von ihr angeführten einfachen Arbeiten im Bereich der Produktion aufgrund bestimmter Qualifikationsanforderungen nicht hätte übernehmen können. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte den ihr obliegenden Beweis des Fehlens einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht geführt hat, ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Beklagte die Klägerin auf einem anderen Arbeitsplatz i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b, Satz 3 KSchG hätte beschäftigen können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin mit ihrem Kündigungsschutzantrag obsiegt hat, während sie im Übrigen die Berufung zurückgenommen hat, so dass sie insoweit die Kosten zu tragen hat. Bei der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung sind deshalb der Klägerin ¼ und der Beklagten ¾ der Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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