VG Hannover, Urteil vom 26.11.2019 - 4 A 12592/17
Fundstelle
openJur 2020, 9550
  • Rkr:

1. Großflächige Kiesflächen im Außenbereich stellen bauliche Anlagen im Sinne von § 29 BauGB dar, deren Beseitigung wegen einer Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB verlangt werden kann.

2. Auch Terrassen aus Holz oder (großflächige) Kies- bzw. Schotterflächen sind bei der Ermittlung der nach § 19 BauNVO zulässigen Grundflächenzahl (GRZ) zu berücksichtigen, da sie den Boden überdecken und eine bodenrechtliche Relevanz (im Sinne erheblicher Auswirkungen auf Bodenflora und -fauna) besitzen.

Tenor

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung der Beseitigungs- und Rückbauanordnung der Beklagten hinsichtlich baulicher Anlagen auf seinem Grundstück.

Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke „C. 8 B und 10 A, (Flurstücke 8/35, 8/37, 11/7, Flur 10, D.). Die Grundstücke sind in ihrem nördlichen Teil (Flurstücke 8/35 und 8/37), den die Beteiligten als „Baugrundstück“ bezeichnen, mit Wohnhäusern, einer Sauna, einem Pool und einem Carport bebaut und weisen Kiesflächen und Flächen mit Rasengittersteinen auf. Im südlichen Grundstücksbereich (Flurstück 11/7), den die Beteiligten als „Gartengrundstück“ bezeichnen, befinden sich ein Gartenhaus, ein Pavillon, Kinderspielgeräte, Platten, Rasenkantensteine sowie Beete mit Kies und Rindenmulch. Zum östlich gelegenen Weg ist eine Einfriedung errichtet.

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Die Flurstücke 8/35 und 8/37 liegen im Geltungsbereich des seit 2006 rechtswirksamen Bebauungsplanes Nr. 2-34 der Beklagten. Dieser setzt dort unter anderem ein allgemeines Wohngebiet fest und trifft die Festsetzung offene Bauweise mit einer Grundflächenzahl (GRZ) von 0,3. In der Begründung des Bebauungsplanes unter Nr. 6.1 „Art und Maß der baulichen Nutzung“ heißt es, dass für die südliche Baufläche eine GRZ von 0,3 festgelegt wird, da die Baufläche in zwei Tiefen bebaut werden soll und die Privaterschließungen nicht angerechnet werden sollen. In der örtlichen Bauvorschrift über die Gestaltung heißt es unter Nr. 4, dass entlang der beiden von der neuen Erschließungsstraße ausgehenden Fuß-/Radwege nur durchlässige Zäune (zum Beispiel Maschendrahtzäune oder Stahlgitterzäune) bis maximal 1,5 Meter Höhe und Hecken bis 1,8 Meter Höhe zulässig sind. Das Flurstück 11/7 liegt außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes Nr. 2-34.

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Nach Durchführung eines Ortstermins wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 15.02.2016 darauf hin, dass eine Nutzung des Flurstücks 11/7 als Gartengrundstück wegen der Lage im Außenbereich unzulässig sei und das Baugrundstück einen Grad an Versiegelung aufweise, der die im Bebauungsplan 2-34 festgesetzte maximale Grundflächenzahl überschreite. Es fand dann ein weiterer Ortstermin zur Klärung der Sachlage und des weiteren Vorgehens statt, welcher zur Vorlage eines neuen Planungskonzepts des Klägers hinsichtlich der Versiegelung und der Einfriedung führte. Darin rechnete der Kläger bei einer gepflasterten Fläche mit 100 % Versiegelung, für das Terrassenholz mit 60 %, für die Dachbegrünung mit 40 %, für die Kiesfläche mit 20 % und für die Rasengittersteine ebenfalls mit 20 % Versiegelungsgrad. Darüber hinaus plante er, eine Befreiung hinsichtlich der örtlichen Bauvorschrift bezüglich seiner Mauer zu beantragen, und bat mit Schreiben vom 23.03.2017 um eine Fristverlängerung zur Erstellung eines Änderungskonzepts für die Mauer.

Nach Anhörung ordnete die Beklagte gegen den Kläger mit Bescheid vom 06.06.2017 an, dass dieser bis zum 31.08.2017 im südlichen Bereich des Grundstücks (Außenbereichsgrundstück) alle baulichen Anlagen zu entfernen habe, im nördlichen Bereich des Grundstücks (Baugrundstück) die Freiflächen in dem Maße zu entsiegeln habe, dass die versiegelten Flächen insgesamt das Maß von 0,45 GRZ nicht überschreiten sowie die Mauer zum Fahr/Radweg bis auf eine Höhe von 1,50 m zurückzubauen und transparent zu gestalten habe. Für den Fall, dass der Kläger dieser Verfügung nicht nachkommen sollte, drohte die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1000,00 € an. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass es sich bei Gartenhaus, Pavillon, Mauer, Kinderspielturm, Rasenkantensteine, Platten, Pflanzenkübel, Gartengestaltungselementen und Kiesflächen um bauliche Anlagen handele, die im Außenbereich nicht zulässig seien und der südliche Bereich des Grundstücks ein Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB sei. Was den Grad der Versiegelung betreffe, überschreite die tatsächlich versiegelte Fläche die zulässige Grundflächenzahl – selbst unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 19 Abs. 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO), der in Überschreiten der Grundfläche durch Garagen, Stellplätze und Nebenanlagen um 50% erlaube – deutlich, da es keine Abschläge für die Berechnung von Terrassenholz, Dachbegrünung, Kiesbeeten oder Rasengittersteinen gebe. Zudem müsse diese Fläche als nicht überbaute Flächen nach § 9 Abs. 2 NBauO eine Grünfläche sein. Die Anforderungen an die Gestaltung der Einfriedung ergäben sich aus dem Bebauungsplan.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 13.07.2017, welcher bei der Beklagten am 18.07.2017 eingegangen ist, wies die Region B-Stadt mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2017 zurück.

Der Kläger hat am 15.12.2017 Klage erhoben. Er hält den Bescheid in Hinblick auf die Beseitigung von Anlagen im Außenbereich für unbestimmt. Die im Bescheid erwähnten Pflanzenkübel, Gartengestaltungselemente und Kiesflächen seien keine baulichen Anlagen. Anstelle des Gartenhauses habe sich in der Vergangenheit eine vergleichbar große Holzhütte befunden, die nun weiter in den Außenbereich verschoben sei. Hinsichtlich der Rückbauanordnung für das Baugrundstück ist er der Auffassung, dass Kiesflächen und die hölzerne Terrasse keine relevante Beeinträchtigung der Bodenfunktionen bedeuteten und § 9 Abs. 2 NBauO den Kiesflächen nicht entgegengehalten werden könne; es bestehe kein grundsätzliches Pflanzgebot. Für den Rückbau der Mauer hätte ihm eine Fristverlängerung für einen Befreiungsantrag bzgl. der Einfriedung hätte gewährt werden können anstatt der bauaufsichtlichen Anordnung; diese sei nicht erforderlich.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hob die Beklagte Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids (Zwangsgeldandrohung) auf und die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit insofern in der Hauptsache für erledigt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 06.06.2017 zu Ziffer 1 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Region B-Stadt vom 04.12.2017 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und verweist auf ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Gründe

Soweit den Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache wegen der Androhung eines Zwangsgelds übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in sinngemäßer Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Beseitigungs- bzw. Rückbauanordnung in Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 06.06.2017 ist hinsichtlich der Anordnung der Beseitigung von Anlagen im Außenbereich (1.), der Anordnung des Rückbaus des Baugrundstücks auf das zulässige Maß der Versiegelung (2.) und des Rückbaus der Mauer (3.) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBauO. Danach kann die Beseitigung von baulichen Anlagen angeordnet werden, wenn Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Baumaßnahmen sind nach § 2 Abs. 3 NBauO unter anderem die Errichtung oder Änderung einer baulichen Anlage oder eines Teils einer baulichen Anlage.

Die Kammer geht davon aus, dass die von der Beklagten im Bescheid vom 06.06.2017 aufgezählten Anlagen bauliche Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 1 NBauO darstellen, deren Errichtung dem öffentlichen Baurecht (Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht) widerspricht. Maßgeblich dafür ist die Einschätzung, dass sämtliche Anlagen auf dem Flurstück 11/7 aufgrund der Ausgestaltung des Grundstücks als eine Gesamtanlage zu betrachten sind, die aus verschiedenen Einzelelementen besteht, die im Außenbereich unzulässig sind.

Eine bauliche Anlage ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO eine mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende, aus Bauprodukten hergestellte Anlage. Dazu zählen unter anderem Gebäude (§ 2 Abs. 2 NBauO), aber auch andere aus Bauprodukten hergestellte Anlagen, wobei Bauprodukte nach § 2 Abs. 13 NBauO Baustoffe, Bauteile und Anlagen sind, die hergestellt werden, um dauerhaft in baulichen Anlagen eingebaut zu werden (Nr.1), oder aus Baustoffen und Bauteilen vorgefertigte Anlagen, die hergestellt werden, um mit dem Erdboden verbunden zu werden, wie Fertighäuser, Fertiggaragen und Silos. Mit dem Erdboden verbunden ist eine Anlage, wenn sie ein Fundament hat, wenn sie sonst im Erdboden verankert ist oder wenn sie ganz oder teilweise in den Erdboden versenkt worden ist (Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 2 Rn. 7). Eine Anlage ruht auf dem Erdboden, wenn sie nur kraft ihrer Schwere mit dem Boden verbunden ist, selbst wenn sie sich unzerlegt abheben oder fortbewegen lässt, (Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 2 Rn. 7). Die bauliche Anlage braucht kein irgendwie gebäudeähnlicher Baukörper zu sein. So entsteht z.B. auch dann eine bauliche Anlage, wenn auf dem gewachsenen Boden ein Sand- und Kiesgemisch aufgebracht und einplaniert wird, um auf dieser Fläche Containerpflanzen aufzuziehen. Dies ergibt sich daraus, dass Kies und Sand Baustoffe sind, die durch ihre eigene Schwere auf dem Boden ruhen und zwar mit einer verfestigten Beziehung zum Boden (VGH Bad.-Würt., Beschl. v. 25.10.1988 – 8 S 2639/88 – BRS 49 Seite 371 ff.). Auch ein mit einer Kiesschüttung befestigter und mit einer Umwehrung aus Kanthölzern versehener Dressurplatz ist eine genehmigungsbedürftige bauliche Anlage, (Nds. OVG, Urt. v. 06.02.1984 – 6 A 40/83 –, BRS 42, Seite 342 f.). Ebenso stellt ein mit Kies befestigter Weg eine bauliche Anlage dar (OVG Lüneburg, Urteil vom 10. Juni 1977 – I A 101/76 –, juris).

Das Gartenhaus und der Pavillon sind unzweifelhaft bauliche Anlagen im Sinne von § 2 Abs. 2 NBauO. Auch der Kinderspielturm, der Zaun und die Mauer stellen unproblematisch bauliche Anlagen dar, da es sich um aus Baustoffen bestehende Anlagen handelt, die kraft ihrer Schwere bzw. die über das Fundament fest mit dem Boden verbunden. Entsprechendes gilt für die Rasenkantensteine und die Platten, die durch ihre Schwere auf dem Boden ruhen und dadurch eine Verbindung mit dem Boden erlangen.

Auch die großflächigen Kiesbeete auf dem Grundstück des Klägers stellen bauliche Anlagen dar. Der Umstand, dass Kies ein natürlicher Baustoff ist, spricht nicht gegen die Annahme, dass es sich um ein Bauprodukt im Sinne dieser Vorschrift handelt; insofern ist es ausreichend, dass er gewonnen und aufbereitet wird, bevor er Verwendung findet (vgl. nur Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 2 Rn. 155 m.w.N.). Die Kiesbeete sind in der Weise hergestellt worden, dass zunächst der Erdboden begradigt werden musste, um ein Vlies auszurollen, auf dem dann wiederum der Kies aufgeschüttet worden ist. Damit die Kiesbeete die ursprünglich geplante und angelegte Form beibehalten, wurden darüber hinaus Rasenkantensteine gesetzt und Platten verlegt. Hierfür musste der Erdboden in geringem Maße abgetragen werden, um in die kleinen Löcher die Rasenkantensteine, ungefähr bis zur Hälfte, in den Boden einzusetzen. In diesem Sinne hat der Kläger mit den befestigten Kiesbeeten eine künstlich angelegte Parklandschaft geschaffen, die klar abgrenzbar ist zur Rasenfläche bzw. naturbelassenen Bodenfläche. Zudem dienen die Kiesbeete dazu, das Wachsen von sog. Unkraut zu verhindern.

Schließlich ist es aus Sicht der Kammer auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte unter den Begriff der baulichen Anlagen auch die Beseitigung der Gartengestaltungselemente und der Pflanzkübel angeordnet hat. Zwar setzt der bauordnungsrechtliche Begriff eine gewisse Schwere und Unbeweglichkeit voraus. In diesem Sinne sind kleinere Gegenstände, die sich von einem oder zwei Menschen wegtragen lassen wie Tische, Stühle, Bänke und andere Möbel, leichte Maschinen, Geräte und Behälter nach dem üblichen Sprachgebrauch keine Anlagen, die auf dem Erdboden ruhen und daher auch nach Bauordnungsrecht grundsätzlich keine baulichen Anlagen, einerlei, ob sie in Gebäuden oder im Freien aufgestellt sind, (Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 2 Rn. 8.). Anders ist nach Auffassung der Kammer jedoch der vorliegende Fall zu beurteilen, in dem die vorgenannten Gegenstände Teil der parkähnlichen Gartengestaltung des Flurstücks 11/7 sind. Die Pflanzkübel und Gartengestaltungselemente bilden in diesem Einzelfall eine Einheit mit den Kiesbeeten, den Platten und den Rasenkantensteinen, da sie ersichtlich Teil der Gestaltung des Gartens sind und eine dekorative Funktion erfüllen. Dabei berücksichtigt die Kammer auch, dass der Begriff der baulichen Anlage in der NBauO weit ausgedehnt worden ist. Dieses Bestreben, alles zu erfassen, was für die Zwecke des öffentlichen Baurechts bedeutsam sein kann, ist auch bei der Klärung offen gebliebener Zweifelsfragen zu berücksichtigen (Mann in Große-Suchsdorf, NBauO, 9. Auflage, § 2 Rn. 6 m.w.N.).

Die baulichen Anlagen widersprechen dem öffentlichen Baurecht, hier dem Bauplanungsrecht.

Zwar dürfte wohl nur die Mauer/Einfriedung im Außenbereich formell illegal sein, da alle anderen baulichen Anlagen genehmigungsfrei sind. Die Einfriedung im Außenbereich liegt teilweise mehr als 50 Meter von den Wohngebäuden entfernt, so dass sie gemäß Ziffer 6.1 der Anlage zu § 60 Abs. 1 NBauO nicht mehr genehmigungsfrei ist. Demgegenüber ist das Gartenhaus mit weniger als 20 m³ Brutto-Rauminhalt nach Ziffer 1.1. der Anlage zu § 60 Abs. 1 NBauO genehmigungsfrei, genau wie der Kinderspielturm und der Pavillon, die nach Ziffer 9.1 als Anlagen zur Gartennutzung genehmigungsfrei sind. Die Kiesflächen sind als Aufschüttung nach Ziffer 7.1 des Anhangs zu § 60 Abs. 1 NBauO genehmigungsfrei, weil sie nicht mehr als drei Meter Höhe aufweisen und nicht mehr als 300 m² Fläche haben.

Allerdings sind sämtliche bauliche Anlagen auf dem Flurstück 11/7 bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB widersprechen.

Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage gemäß § 29 BauGB, der nicht identisch ist mit dem bauordnungsrechtlichen Begriff, setzt sich aus drei Elementen zusammen. Es muss sich um ein Vorhaben handeln, das - erstens - den verhältnismäßig weiten Begriff des "Bauens" erfüllt, das - zweitens - mit dem Boden fest verbunden ist und das - drittens - von (möglicher) bauplanungsrechtlicher Relevanz ist (BVerwG, Urt. v. 31.08.1973 – IV C 33.71 –, juris Rn. 20; Nds. OVG, Urt. v. 12.12.1986 - 6 OVG A 112/85 -, ZfBR 1987, 217 = BRS 46 Nr. 132 sowie Urt. v. 16.02.1995 – 1 L 6044/92 –, juris Rn. 23).

Als Bauen in diesem weiten Sinne muss das Schaffen von Anlagen angesehen werden, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind (BVerwG, Urt. v. 31.08.1973 – IV C 33.71 –, Rn. 20, juris). Auf welche Art eine bauliche Anlage mit dem Erdboden verbunden ist, ist unerheblich; auch eine mittelbare Verbindung mit dem Erdboden reicht aus (BVerwG, Urt. v. 16.03.1995 – 4 C 3/94 - NVwZ 1995, 899). Auch ein aus dem Baustoff Splitt bestehender geschotterter Platz stellt im bauplanungsrechtlichen Sinne eine bauliche Anlage dar (BVerwG, Urt. v. 14.01.1993 – 4 C 33/90NVwZ 1994, 293). Es ist weder entscheidend, aus welchen Materialien die Anlage beschaffen ist, noch ist es maßgeblich, ob die bauliche Anlage von Menschen betreten werden kann. Für das Merkmal der Dauerhaftigkeit kommt es wesentlich auf die der Anlage zugedachte Funktion und die beabsichtigte Dauerhaftigkeit der Anlage an, nicht auf die beabsichtigte oder tatsächliche Dauer ihrer Nutzung, (BVerwG, Urt. v. 31.08.1973 – IV C 33.71 –, juris Rn. 20). Die notwendige bodenrechtliche bzw. planungsrechtliche Relevanz ist gegeben, wenn das Vorhaben die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berührt oder berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen, (BVerwG, a.a.O., juris Rn. 20).

Unproblematisch stellen das Gartenhaus, die Mauer, der Kinderspielturm und der Pavillon bauliche Anlagen im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB dar. Gleiches gilt für die Kiesbeete mit den Rasenkantensteinen, Platten, Gartengestaltungselementen und Pflanzkübeln. Bereits die auf Dauer angelegte Befestigung eines Parkplatzbodens mit Hackschnitzeln reicht aus, um von einer baulichen Anlage im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB auszugehen (BayVGH, Beschl. v. 05.10.2010 – 1 CS 10.1793BeckRS 2010, 33356). In diesem Sinne ist es für die Annahme einer baulichen Anlage ausreichend, dass die Kiesfläche mit den Platten und Rasenkantensteinen in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind. Darüber hinaus haben diese Flächen eine bodenrechtliche Relevanz, da sie von ganz beträchtlicher Größe sind und in ihrer konkreten Gestaltung (gemeinsam mit den Pflanzkübeln und Gartengestaltungselementen) unmittelbar der Gartengestaltung und damit auch den Zweck dienen, sich dort aufzuhalten. Vergleichbar mit öffentlichen Parkanlagen nutzt der Kläger die Gestaltung seines Gartens als Ruhe- und Rückzugsort und verlagert sein Wohnen nach draußen, um die selbst geschaffene Umgebung zu genießen und anzuschauen.

Die Zulässigkeit der vorgenannten baulichen Anlagen beurteilt sich nach § 35 BauGB, da das Flurstück im Außenbereich liegt. Der Außenbereich soll grundsätzlich vor einer Bebauung geschützt werden, (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 35 Rn. 13). Durch das nichtprivilegierte Vorhaben im Außenbereich werden Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung dieser öffentlichen Belange führt zur Unzulässigkeit des Vorhabens nach § 35 Abs. 2 und 3 Nr. 5 BauGB.

Die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB ist geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung. Die baulichen Anlagen sind dieser Landschaft wesensfremd. Bereits die Einfriedung des Außenbereichsgrundstück führt dazu, dass dieser Teil des Grünstreifens aus der freien Landschaft herausgenommen wurde und in der Folge weitere Schritte der intensiven baulichen Nutzung ermöglichte. Durch das Gartenhaus sowie die weiteren Anlagen der Freizeitgestaltung (Pavillon, Kinderspielgeräte) dringt eine wesensfremde Bebauung in den Außenbereich vor, der der naturgebenden Bodennutzung und den Erholungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit vorbehalten ist, (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 09.03.2012 – 1 LA 254/09 –, juris Rn. 78). Eine Berufung auf Bestandsschutz wegen des ursprünglich im Außenbereich vorhandenen Gebäudes ist ebenfalls nicht möglich, da dieses Gebäude gerade nicht mehr an dieser Stelle vorhanden ist und ein (jedenfalls theoretisch denkbarer) Bestandsschutz damit entfallen wäre.

Ob die baulichen Anlagen darüber hinaus auch dem Gebot des § 9 Abs. 2 NBauO widersprechen, demzufolge die nicht überbauten Flächen der Baugrundstücke Grünflächen sein müssen, also im Wesentlichen mit Rasen oder Gras, Gehölzen, anderen Zier- oder Nutzpflanzen bedeckt zu sein haben und Plattenbelege, Pflasterungen und dergleichen nur im geringen Umfang zulässig sind, kann angesichts des Verstoßes gegen das Bauplanungsrecht offenbleiben.

Die Anordnung zur Beseitigung der Anlagen ist auch ermessensfehlerfrei. Ein anderes milderes Mittel als die Beseitigung der Anlagen ist nicht ersichtlich.

2. Rechtsgrundlage für die Anordnung der teilweisen Entsiegelung der Freiflächen des nördlichen Grundstücks (Baugrundstücks) bis zu einem Maß von maximal 0,45 GRZ ist § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NBauO. Danach kann die Behörde die Ausführung erforderlicher Arbeiten verlangen, wenn Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Bauplanungsrechtlich richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des rechtswirksamen Bebauungsplans Nr. 2-34, der für das Grundstück des Klägers eine Grundflächenzahl von 0,3 vorsieht.

Die auf dem Baugrundstück befindlichen Anlagen (Wohngebäude, Sauna, Gerätehaus, Carport mit Zufahrt, Swimmingpool, Terrasse, Kiesbeete) stellen bauliche Anlagen dar, welche die zulässige Grundflächenzahl für das Grundstück des Klägers ganz erheblich überschreiten.

Nach § 19 Abs. 1 BauNVO gibt die Grundflächenzahl an, wieviel Quadratmeter Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche zulässig sind. Die zulässige Grundfläche ist gemäß § 19 Abs. 2 BauNVO der nach Absatz 1 errechnete Anteil des Baugrundstücks, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf. Rechnerisch geschieht dies dadurch, indem die maßgebliche Grundstücksfläche mit der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl multipliziert wird. Dabei sind bei der Ermittlung der Grundfläche nach § 19 Abs. 4 BauNVO auch die Grundflächen von Garagen und Stellplätzen mit ihren Zufahrten (Nr. 1), Nebenanlagen im Sinne von § 14 (Nr.2) und bauliche Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche (Nr. 3) mitzurechnen, wobei die zulässige Grundfläche durch diese Anlagen bis zu 50 vom Hundert überschritten werden darf.

§ 19 Abs. 2 BauNVO erfasst damit für die Errechnung der zulässigen Grundfläche diejenigen baulichen Anlagen, die als „Hauptanlagen“ bezeichnet werden können, in Abgrenzung zu den in § 19 Abs. 4 BauNVO geregelten Anlagen, die für die Zwecke des § 19 auch als „Nebenanlagen“ im weiteren Sinne bezeichnet werden können, (ZBK/Söfker, 134. EL, BauNVO, § 19 Rn. 13a). Für die Größe der Grundfläche sind die Außenmaße der jeweiligen baulichen Anlagen zu bestimmen. Soweit bestimmte bauliche Anlagen Bestandteil der von § 19 Abs. 2 erfassten „Hauptanlagen“ sind, sind sie unter § 19 Abs. 2 zu berücksichtigen. Demgegenüber können Nebenanlagen nur Anlagen sein, die nicht Bestandteil des (Haupt-)Gebäudes sind (BVerwG, Beschl. v. 14.02.1994 - 4 B 18.94 - Buchholz 406.12 § 23 BauNVO Nr. 1 S. 1; BVerwG, Urt. v. 14.12.2017 – 4 C 9/16 –, juris Rn. 8). Zur Abgrenzung einer Nebenanlage vom Teil einer Hauptanlage können funktionelle und räumliche Gesichtspunkte herangezogen werden (BVerwG, Beschl. v. 13.06.2005 - 4 B 27.05 - Buchholz 406.12 § 14 BauNVO Nr. 17 S. 8). Zu den Wesensmerkmalen einer untergeordneten Nebenanlage gehört, dass die Anlage sowohl in ihrer Funktion als auch räumlich-gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke (oder des Baugebiets selbst) sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zu- und untergeordnet ist (BVerwG, Urt. v. 14.12. 2017 – 4 C 9/16 –, Rn. 9, juris.). Für die räumlich-gegenständliche Unterordnung sind optische Kriterien maßgeblich (Arnold, in: Bönker/Bischopink, BauNVO, 1. Aufl. 2014, § 14 Rn. 18; Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 14 Rn. 18), welche die Nebenanlage als "Anhängsel" erscheinen lassen (Stange, BauNVO, 3. Aufl. 2015, § 14 Rn. 15; ebenso Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 14 BauNVO Rn. 28 zur funktionellen Unterordnung).

Die von der Beklagten festgesetzte Grenze von maximal 0,45 GRZ ist nicht zu beanstanden. Der für die Flurstücke geltende Bebauungsplan 2-34 sieht eine GRZ von 0,3 vor, die für Nebenanlagen um 50% überschritten werden kann. Der so von der Beklagten gebildete Mittelwert von 0,45 GRZ für Haupt- und Nebenanlagen liegt damit nicht unter dem Wert, bis zu dem der Bebauungsplan eine Bebauung zulässt.

Die Flurstücke 8/35 und 8/37 weisen eine Grundstücksfläche von 1.176,00 m² auf. Bei einer GRZ von 0,45 beträgt die zulässige Grundfläche 529,20 m² (Grundstücksfläche 1.176,00 m² multipliziert mit der GRZ 0,45).

Der Kläger erreicht bereits mit seinen „Hauptanlagen“ und den Bestandteilen (Wohnhaus im Bestand 144,00 m², Wohnhaus-Erweiterung 74,00 m², Wohnhaus neu 94,28 m², Terrasse gepflastert 21,28 m² und aus Holz 90,22 m²) eine Gesamtfläche von 423,78 m². Bei der Terrasse handelt es sich nicht um eine Nebenanlage, sondern um einen Bestandteil der Hauptanlage, da sie Bestandteilseigenschaft hat. Die Terrasse schließt sich unmittelbar an das Hauptgebäude an und dient der Wohnnutzung, indem sie das Wohnen auf der Terrasse draußen ermöglicht. Sie erweitert das Hauptgebäude und deren Wohnnutzung nach draußen mit einer Fläche von insgesamt 111,5 m² (21,28 m² gepflastert + 90,22 m² Holz). Die Raumgröße von 111,5 m² entspricht der einer eigenen Wohnung, entspricht dem Nutzungszweck des Baugebietes und nimmt bei der Größe nicht bloß eine untergeordnete Funktion ein.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass die Terrasse aus Holz nicht bzw. nur zu einem geringeren Anteil von 60% als Versiegelung im Sinne von § 19 BauNVO anzusehen ist und entsprechendes auch für die Dachbegrünung und die Kiesflächen vorschlägt, teilt das Gericht diese Einschätzung nicht. Zum einen gibt es für die vom Kläger vorgeschlagene anteilige Berechnung des Versiegelungsfaktors keine rechtliche Grundlage, zum anderen widerspricht diese Vorgehensweise sowohl dem Wortlaut der Norm, als auch dem Gesetzeszweck und der Begründung des Bebauungsplanes Nr. 2-34.

Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 BauNVO spricht zunächst von einer Überdeckung und nicht von einer Versiegelung und setzt nicht voraus, dass alle in Betracht kommenden Teile der baulichen Anlage eine unmittelbare Verbindung mit Grund und Boden haben müssen (BVerwG, Urt. v. 21.10.2004 – 4 C 3/04 –, juris Rn. 32). Maßgebend ist vielmehr der Gesichtspunkt, eine übermäßige Nutzung zugunsten des Bodenschutzes insgesamt zu vermeiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1995 - BVerwG 4 NB 36.95 - ZfBR 1996, 172 und v. 29.071999 - BVerwG 4 BN 24.99 - BRS 62 Nr. 96). Durch eine Begrenzung der zulässigen Grundflächen soll der Boden insbesondere vor Versiegelung geschützt werden (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., § 19 Rn. 4.2; König, a.a.O., § 19 Rn. 8; BVerwG, Urt. v. 21.10.2004 – 4 C 3/04 –, juris Rn. 33). Der Schutzzweck der Norm greift damit noch weiter, die Überdeckung soll zwar insbesondere vor einer Versiegelung schützen, darüber hinaus jedoch auch insgesamt eine übermäßige Nutzung des Bodens vermeiden.

Eine nur anteilige Berechnung widerspricht dem Sinn und Zweck, welcher der Änderungsverordnung (ÄndVO) von 1990 zu Grunde lag. Der § 19 Abs. 4 BauNVO wurde durch die ÄndVO von 1990 reformiert, bis dahin wurden Nebenanlagen nicht bei der GRZ mitberechnet. Hinter dieser Umkehrung der bis dahin geltenden „Nicht-Anrechnungs-“ in eine „Mitrechnungsregelung“ steht das legislative Ziel, einen Beitrag zur Umsetzung der Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 2 Satz 1 BauGB zu leisten und eine „Begrenzung der Bodenversiegelung durch Nebenanlagen“ zu erreichen (vgl. BR-Drs. 354/89 S. 35 f.; so auch BayVGH, Urt. v. 10.08.2006 – 1 N 04.1371 –, juris).

Das Vermeiden einer übermäßigen Nutzung des Bodens entspricht auch den Gedanken der Stadt Wunstorf bei Erlass des Bebauungsplanes. Nach Nr. 6.1 der Begründung des Bebauungsplanes Nr. 2-34, setzte diese die Grundflächenzahl auf 0,3 fest, da die Zufahrten bereits aus der Anrechnung der GRZ herauszurechnen ist. Unausgesprochen, aber letztlich erkennbar steht hinter diesen Gedanken, dass dadurch der Boden bereits übermäßig belastet ist und folglich die GRZ für die südlichen Baugrundstücke herabgesetzt wurde. Dies zeigt im Einklang mit dem Schutzzweck des § 19 Abs. 2 BauNVO, dass eine übermäßige Nutzung des Bodens vermieden werden soll.

Zudem ergibt sich aus § 19 Abs. 4 Satz 4 BauNVO, dass von der Einhaltung der Grenzen bei Überschreitungen mit geringfügigen Auswirkungen im Einzelfall abgesehen werden kann. Das bedeutet, dass bei geringfügigen Auswirkungen Flächen gar nicht mitberechnet werden, nicht aber, dass derartige Flächen mit einem anderen Berechnungsfaktor gewertet werden können. Insofern bietet auch diese Regelung keine Ermächtigung zur Anwendung unterschiedlicher Bewertungsfaktoren, wie sie der Kläger für richtig hält.

Mit den Nebenanlagen des Klägers wird die zulässige Grundflächenzahl überschritten. Die Sauna (25,54 m²), das Carport (71,72 m²), die dazugehörige Zufahrt (160,33 m²), der Swimmingpool (46,38 m²), die Einfriedung (6,60 m²) sowie die Kiesbeete (346,70 m²) stellen Nebenanlagen dar, die von § 19 Abs. 4 BauNVO erfasst werden und bei der zulässigen Grundflächenzahl anzurechnen sind. Für den Carport und die Zufahrten ergibt sich die Zuordnung aus § 19 Abs. 4 Nr. 1 BauNVO. Die übrigen Anlagen stellen Nebenanlagen im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 14 BauNVO dar, da es sich um bodenrechtlich relevante bauliche Anlagen handelt, die sowohl in ihrer Funktion als auch räumlich gegenständlich dem primären Nutzungszweck der in dem Baugebiet liegenden Baugrundstücke oder des Baugebiets selbst sowie der diesem Nutzungszweck entsprechenden Bebauung dienend zu- und untergeordnet sind, (BVerwG, Urt. v. 18.02.1983 - 4 C 18.81 -, juris Rn. 17; vgl. auch Urt. v. 17.12.1976 - 4 C 6.75 -, juris Rn. 28). Der Pool, die Einfriedung und die Kiesbeete dienen dem primären Wohnzweck auf dem Baugrundstück und sind nur von untergeordneter Bedeutung. Der Pool ist ebenfalls von bodenrechtlicher Relevanz, da er ein Bedürfnis nach einem ihre Zulässigkeit regelnden Bebauungsplan hervorruft (BVerwG, Urt. v. 07.05.2001 - 6 C 18.00 -, juris Rn. 18, Nds.OVG, Urteil v. 28.04.2005 - 1 LB 29/04 -, juris Rn. 37). Die bodenrechtliche Relevanz der Kiesbeete ergibt sich daraus, dass diese durch die erheblichen Auswirkungen auf die Bodenflora- und fauna, die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege berühren. Das Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz antwortete namens der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage bzgl. der Frage, welche Auswirkungen Stein-, Kies- und Schotterflächen auf die Bodengesundheit, den Wasserhaushalt und die Biodiversität haben, Folgendes (Nds. Landtag, Drucksache 18/3486):

„Der Begriff „Bodengesundheit“ wird in der öffentlichen Diskussion häufig verwendet, um den Boden als Ökosystem zu verstehen. Dem liegt die Kenntnis zugrunde, dass insbesondere humose Oberböden als Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Bodenorganismen wichtige Bestandteile des Naturhaushalts sind, mit ihren natürlichen Funktionen eigene Ökosysteme bilden und gleichzeitig grundlegende Leistungen für weitere Ökosysteme erbringen. Zu nennen sind beispielsweise Filter-, Puffer- und Stoffumwandlungseigenschaften von humosen Oberböden, ihre Rolle in den Wasser- und Nährstoffkreisläufen und nicht zuletzt ihre Fähigkeit, Wasser zu speichern. Insbesondere durch die mit der Wasserspeicherfähigkeit einhergehende Kühlfunktion sind Böden mitbestimmend für das lokale Klein- und Stadtklima.

Bei einem Ersatz von humosen Oberböden durch Stein-, Kies- und Schotterflächen können diese Funktionen nicht mehr in einem vergleichbaren Umfang erbracht werden. Bezüglich des Klimaaspektes kommt hinzu, dass Stein-, Kies- und Schotterflächen im Sommer eher zu einer zusätzlichen Erwärmung beitragen, statt temperaturausgleichend zu wirken.

Was den Wasserhaushalt betrifft, kann, in Abhängigkeit von der Art und dem Aufbau des Untergrundes und mit der verminderten Speicherkapazität einhergehend, die Versickerungsrate erhöht werden. Das kann zur erhöhten Schadstoffanreicherung im Grundwasser, etwa mit Nährstoffen oder Pflanzenschutzmitteln, beitragen.

Im Übrigen wird mit der Anlage von Stein-, Kies- und Schotterflächen i. d. R. das Ziel verfolgt, unerwünschten Bewuchs zu verhindern. Entsprechend sind solche Flächen nicht oder nur spärlich mit Vegetation bestanden. Derartige Flächen sind in Bezug auf ihre Biodiversität in aller Regel arten- und individuenarm.“

Daraus ergibt sich, dass Schotter/- Kiesflächen weitgehend ökologisch wertlos sind. Stein-, Schotter- und Kiesflächen stellen einen Lebensraumverlust für Insekten dar, die wiederum eine Nahrungsbasis für Amphibien, Reptilien, Vögel und Kleinsäuger sind. Pflanzen können aufgrund des Vlieses und der Schotterflächen kaum bis gar nicht wachsen. Zwar sind die Kiesflächen nach dem Vortrag des Klägers wasserdurchlässig, sie haben jedoch den oben beschriebenen Einfluss auf das örtliche Mikroklima. Die Kiesflächen sind auch von den Flächen mit Rindenmulch im Garten des Klägers zu unterscheiden. Bei Rindenmulch handelt es sich um zerkleinerte, unfermentierte Baumrinde ohne weitere Zusätze. Auch die Rindenmulchauflage wird dazu benutzt, um das Wachstum unerwünschter sog. Unkräuter zu erschweren. Jedoch hat der Rindenmulch andere Folgen und Eigenschaften als die Steinflächen, denn der Boden unter dem Rindenmulch trocknet nicht so schnell aus und bleibt länger feucht. Zudem siedeln sich vermehrt Kleinstlebewesen an, die die Fruchtbarkeit des Bodens auf Dauer erhöhen (https://www.ndr.de/ratgeber/garten/Rindenmulch-Vergleich-Cadmium,rindenmulch113.html; https://www.plantopedia.de/rindenmulch-vorteile-und-nachteile/)

Die Fläche der Nebenanlagen mit 657,27 m² ergibt mit den Hauptanlagen bei einer Fläche von 1.081,05 m² sogar eine GRZ von 0,91. Bis auf eine kleine Rasenfläche ist das gesamte Grundstück überbaut.

Die Flächen werden vollständig angerechnet, es findet aus den oben dargestellten Gründen keine anteilige Berechnung statt. Zudem liegen auch die Voraussetzungen für die Zulassung einer Überschreitung im Einzelfall nach § 19 Abs. 4 Satz 4 BauNVO nicht vor.

Nach § 19 Abs. 4 S. 4 Nr. 1 BauNVO können Überschreitungen mit geringfügigen Auswirkungen auf die natürlichen Funktionen des Bodens zulässig sein. Derartig geringfügige Auswirkungen haben nur Überschreitungen der GRZ durch bauliche Anlagen, die den Boden nicht versiegeln, sondern Oberflächenwasser einsickern lassen, den Luftaustausch mit dem Boden gewährleisten sowie die Bodenflora und –fauna nicht wesentlich beeinträchtigen (Fickert/Fieseler, BauNVO § 19 Rn. 26.)

Bereits die große Fläche der Kiesbeete von insgesamt 346,70 m² spricht gegen die Annahme, dass die Überschreitung nur geringfügige Auswirkungen auf die natürliche Funktion des Bodens hat. Darüber hinaus haben Stein- und Kiesflächen – wie dargelegt – ganz erhebliche Auswirkungen auf die Bodenflora und -fauna. Zwar sind die Kiesbeete wasserdurchlässig, beeinträchtigen jedoch die weiteren Bodenfunktionen. Die Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen sind mit dem Sinn und Zweck der Mitberechnungsklausel des § 19 Abs. 4 S. 1 BauNVO nicht zu vereinbaren. Dieser dient, wie bereits dargestellt, u.a. dem Ziel die Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 2 Satz 1 BauGB umzusetzen.

Die Anordnung der Entsiegelung der Freiflächen in dem Maße, dass die Grundfläche das Maß von 0,45 nicht überschritten wird, ist eine erforderliche Maßnahme zur Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände. Ermessensfehler nach § 114 VwGO sind nicht ersichtlich.

3. Rechtsgrundlage für die Anordnung des Rückbaus und der Umgestaltung der Mauer ist ebenfalls § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NBauO.

Die Mauer stellt eine bauliche Anlage dar, die gegen das öffentliche Baurecht verstößt. Nach der örtlichen Bauvorschrift Nr. 4 des Bebauungsplans Nr. 2-34 sind nur durchlässige Zäune bis maximal 1,50 Meter Höhe und Hecken bis 1,80 Meter zulässig. Die Mauer des Klägers ist nur teilweise durchlässig / transparent und überragt die maximal zulässige Höhe von 1,50 Meter.

Anhaltspunkte dafür, dass die örtliche Bauvorschrift unwirksam sein könnte, liegen nicht vor. Nach § 84 Abs. 3 Nr. 3 NBauO können die Gemeinden durch örtliche Bauvorschriften für bestimmte Teile des Gemeindegebiets die Gestaltung, Art und Höhe von Einfriedungen wie Mauern, Zäunen und Hecken bestimmen sowie die Einfriedung von Vorgärten vorschreiben oder ausschließen, um bestimmte städtebauliche oder baugestalterische Absichten zu verwirklichen oder um die Eigenart oder den Eindruck von Baudenkmalen zu erhalten oder hervorzuheben. § 84 Abs. 3 Nr. 3 NBauO lässt die durch eine örtliche Bauvorschrift erhöhten Gestaltungsvorstellungen nur "für bestimmte Teile des Gemeindegebietes" zu. Daraus ist von der Rechtsprechung abgeleitet worden, dass stets ein Konzept oder eine Idee eigens für die Ausgestaltung eines konkreten, überschaubaren Ortsteils bzw. eines Straßenzuges vorhanden sein und sich die örtliche Bauvorschrift daraus folgerichtig ableiten lassen muss (Nds. OVG, Urt. v. 29.04.1986 - 6 OVG A 147/84 -, BRS 46 Nr. 120 = dng 1986, 381; BayVGH, Urt. v. 25.06.1990 - 15 N 88.629 -, BRS 50 Nr. 133). Die städtebauliche Gestaltungsabsicht muss also an die Besonderheiten des zu schützenden Gebietes anknüpfen (Nds. OVG, Urt. v. 11.03.1983 - 6 OVG A 47/81 - NdsRpfl 1983, 256 = BauR 1983, 563 = NVwZ 1984, 252 = BRS 40 Nr. 151; Urt. v.09.01.1987 - 6 OVG A 148/84 -, NdsRpfl 1987, 266; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.09.1988 - 1 A 82/86 -, BauR 1987, 68 = BRS 48 Nr. 111 = DÖV 1989, 727). Diesen Anforderungen genügt die örtliche Bauvorschrift Nr. 4. Die Bauvorschrift bezieht sich lediglich auf Flächen entlang der Nordseite der Grundstücke, die im Norden an öffentliche Verkehrsflächen grenzen und die entlang der beiden von der neuen Erschließungsstraße ausgehenden Fuß-/Radwege.

Der Tatbestand des § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 NBauO ist damit gegeben. Der Rückbau/die Umgestaltung der Mauer in der Weise, dass sie den Anforderungen der örtlichen Bauvorschrift Nr. 4 des Bebauungsplanes entspricht, stellt eine erforderliche Maßnahme dar.

Ermessensfehler nach § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Die Anordnung war auch verhältnismäßig. Die Anordnung war erforderlich, da der Beklagten kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung stand. Soweit der Kläger meint, ihm hätte eine weitere Fristverlängerung zur Vorlage eines Befreiungsantrags gewährt werden müssen, folgt die Kammer dem nicht. Der Kläger reichte mit dem Schreiben vom 29.11.2016 bei der Beklagten ein Konzept zur Neugestaltung des Baugrundstücks ein. Diese umfasste auch eine Änderung der Mauer. Mit dem Schreiben vom 23.03.2017 bat der Kläger gegenüber der Beklagten um eine Fristverlängerung zur Erstellung eines Änderungskonzeptes für die Mauer, um einen Befreiungsantrag zu stellen. Die Beklagte gewährte stillschweigend dem Kläger eine Fristverlängerung, um einen Befreiungsantrag einzureichen. Bis zum Erlass des Ausgangsbescheides lag weder ein Befreiungsantrag vor noch war das vom 29.11.2016 ausgearbeitete Konzept umgesetzt worden. Vor diesem Hintergrund bestand für die Beklagte keine Veranlassung, dem Kläger eine (weitere) Fristverlängerung zu gewähren. Im Übrigen steht die Entscheidung über die Befreiung im Ermessen der Beklagten, sodass der Kläger auch keinen Anspruch auf eine positive Bescheidung gehabt hätte. Es ist damit vollkommen ungewiss, ob durch eine Fristverlängerung und der Einreichung eines Befreiungsantrages dann überhaupt eine positive Bescheidung erfolgt wäre, mit der Rechtsfolge einen ordnungsgemäßen Zustand herzustellen. Eine Fristverlängerung zur Stellung eines Befreiungsantrages ist mithin kein gleich effektives Mittel zur Einhaltung des öffentlichen Baurechts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

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