BVerfG, Beschluss vom 03.04.2020 - 2 BvR 1838/15
Fundstelle
openJur 2020, 5811
  • Rkr:
Rubrum

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

des Herrn N ...,

- Bevollmächtigter:

-

gegen

a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2015 - BVerwG 1 B 40.15 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. April 2015 - A 3 S 1923/14 -,

c) den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2012 - 5472083 - 439 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Präsidenten Voßkuhle,

die Richterin Kessal-Wulf

und den Richter Maidowski

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 3. April 2020 einstimmig beschlossen:

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte 2011 einen Asylantrag, den er mit Problemen wegen Wehrdienstentziehung begründete. Außerdem habe er nach den Präsidentschaftswahlen 2009 mit seinem Bruder an einer Demonstration teilgenommen. Sein Bruder sei festgenommen worden, er selbst sei bis zu seiner Ausreise ein Jahr lang untergetaucht.

2. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 19. Dezember 2012 ab, weil der Beschwerdeführer eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe.

3. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer Klage, mit der er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beantragte und die er zunächst mit der Teilnahme an einer Demonstration im Iran begründete. Während des Klageverfahrens trug er ergänzend vor, dass er im Mai 2013 getauft worden sei und regelmäßig an kirchlichen Veranstaltungen in der Gemeinde teilnehme. Er verwies auf ein Schreiben der Pfarrerin seiner evangelischen Kirchengemeinde vom 24. Juli 2013.

4. Nach Anhörung des Beschwerdeführers verpflichtete das Verwaltungsgericht die Bundesrepublik Deutschland mit Urteil vom 20. September 2013, dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Zwar sei das Gericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Konversion auf einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel mit einer identitätsprägenden festen Überzeugung beruhe. Denn die Kenntnisse des Beschwerdeführers über Inhalte der Bibel und christlicher Glaubensgrundsätze hätten angelernt gewirkt. Auf die Frage, welche Auswirkungen der Glaubenswechsel auf seine Lebensführung habe, habe er keine schlüssigen Angaben machen können. Dennoch sei der Beschwerdeführer als Flüchtling anzuerkennen, weil er wegen seines Wechsels zum christlichen Glauben Gefahr laufe, aus religiösen Gründen verfolgt zu werden. Die Taufe gehöre als Aufnahmeakt zum seelsorgerischen Kernbereich einer Religionsgemeinschaft. Deshalb sei das Gericht gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV an die Beurteilung der die Taufe vollziehenden Pfarrerin gebunden, der Glaubensübertritt sei vom Beschwerdeführer ernsthaft gewollt. Im Iran würden zum christlichen Glauben Konvertierte verfolgt, wenn sie ihren neuen Glauben nach außen erkennbar, insbesondere durch Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten lebten.

5. Der Verwaltungsgerichtshof ließ die Berufung gegen das Urteil zu und hörte den Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung nochmals an. Mit Urteil vom 15. April 2015 änderte er das Urteil des Verwaltungsgerichts und wies die Klage ab. Dem Beschwerdeführer drohe bei einer Rückkehr in den Iran keine Verfolgung aus religiösen Gründen.

a) Ein flüchtlingsrechtlich relevanter, hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit des unverfolgt ausgereisten Beschwerdeführers setze unter anderem voraus, dass für den Betroffenen die Befolgung bestimmter gefahrenträchtiger religiöser Praktiken in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sei. Das Gericht habe jedoch auch unter Berücksichtigung der Taufe des Beschwerdeführers nicht mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit feststellen können, dass die von ihm geltend gemachte Hinwendung zur christlichen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruhe. Der christliche Glauben präge die religiöse Identität des Beschwerdeführers nicht in einer Weise, dass dieser die Betätigung seines neuen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfinde, um seine Identität zu wahren.

b) Bei dieser Beurteilung binde der Umstand, dass der Betroffene durch den Amtsträger einer christlichen Kirche getauft worden sei, das Gericht nicht. Es sei ureigene Aufgabe staatlicher Verwaltungsgerichte, zu einer eigenen Einschätzung auch hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts zu gelangen. Aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 1 und 3 WRV ergebe sich nichts anderes. Denn es bleibe der Kirchengemeinde unbenommen, den Beschwerdeführer weiterhin als ihr Mitglied anzusehen. Die Beantwortung der davon zu unterscheidenden Frage, ob die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche eine religiöse Verfolgung nach sich ziehe und deshalb die Flüchtlingsanerkennung begründe, sei allein Aufgabe der staatlichen Gerichte. Die Annahme, dass Gerichte bei der Feststellung der Ernsthaftigkeit der Hinwendung zum Christentum an die Feststellung des taufenden Geistlichen gebunden seien, widerspreche auch dem Prozessrecht, namentlich § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

c) Die Anhörung habe den Senat nicht von einer die religiöse Identität prägenden Hinwendung des Beschwerdeführers zur christlichen Religion überzeugen können. Aus seinen Angaben sei abzuleiten, dass er bisher kein sehr religiöser Mensch gewesen sei. Er habe sich in seinem Heimatland mit Religionsfragen nicht näher auseinandergesetzt und auch nicht aus einem inneren Bedürfnis nach Alternativen gesucht. Seine Angaben zum Islam vermittelten den Eindruck einer nur oberflächlichen Beschäftigung mit dieser Religion. Ebenso habe der Beschwerdeführer eine innere Auseinandersetzung mit dem Christentum nicht darlegen können. Er habe nicht in substantieller Weise seine Beweggründe aufzeigen können, die ihn ausgerechnet zum christlichen Glauben geführt hätten. Ein Taufkurs, der die christlichen Glaubensgrundlagen auch nur grob vermittelt oder vertieft hätte, habe nicht stattgefunden. Es habe nur ein dreistündiges Taufgespräch mit der Pfarrerin gegeben. Auch die Taufe selbst sei ungewöhnlich frühzeitig vorgenommen worden, nämlich bereits eine Woche, nachdem der Beschwerdeführer erstmals einen entsprechenden Wunsch geäußert habe. Zwar habe der Beschwerdeführer sich ein gewisses Grundwissen über das Christentum angeeignet. Es hätten sich aber auch hier nicht unerhebliche Lücken gezeigt. Auch wenn er christliche Glaubensinhalte richtig wiedergegeben habe, habe der Senat nicht den Eindruck gewonnen, der Beschwerdeführer habe sich über das Erlernen christlicher Glaubensinhalte hinaus intensiv mit dem Glauben beschäftigt und diesen für sein weiteres Leben identitätsprägend verinnerlicht. Zwar könne ihm ein Handeln aus reinen Opportunitätsgründen nicht unterstellt werden. Es dränge sich angesichts der sozialen Unterstützung durch die Pfarrerin und die iranische Kirchengemeinde aber der Eindruck auf, dass der Beschwerdeführer sich dem Christentum vornehmlich aus sozialen und integrativen Gründen angeschlossen habe. Diese Einschätzung werde dadurch bestätigt, dass er sich auch mit der Frage nach einem Leben als Christ im Iran nicht näher auseinandergesetzt habe.

6. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der Revision, gestützt auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

7. Mit Beschluss vom 25. August 2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück. Es liege weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Verfahrensmangel vor.

a) Es bedürfe nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass staatliche Behörden und Verwaltungsgerichte bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden seien, der Taufe liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Dies ergebe sich aus der vom Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

aa) Verwaltungsgerichten sei es – von Missbrauchsfällen abgesehen – verwehrt, die von einer Glaubensgemeinschaft bestätigte Mitgliedschaft als solche in Frage zu stellen. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der Flüchtlingsanerkennung nach §§ 3 ff. AsylG hätten die Verwaltungsgerichte bei der Beurteilung der Schwere einer geltend gemachten Verletzung der Religionsfreiheit aber im Wege einer eigenen tatrichterlichen Würdigung zu prüfen, ob die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen Glaubenspraxis für den Schutzsuchenden persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bilde und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar sei. Dass diese Frage in Teilbereichen auch als kirchenrechtliche Voraussetzung für die Taufe bedeutsam und von dem innerkirchlich zuständigen Amtsträger bejaht worden sei, mache sie mit Blick auf die den staatlichen Gerichten obliegende Prüfung der Flüchtlingsanerkennung nicht zu einer „eigenen Angelegenheit“ der Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV, zu denen auch die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, insbesondere die Bestimmungen über die Mitgliedschaft zählten.

bb) Es sei auch nicht klärungsbedürftig, dass die Verwaltungsgerichte mit der eigenständigen Prüfung und Würdigung dieser Frage nicht die sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 und 4, Art. 137 Abs. 1 WRV ergebende Pflicht des Staates zu weltanschaulicher Neutralität verletzten. Denn eine verfassungsrechtlich unzulässige Bewertung der Lehre einer Kirche oder des Glaubens eines Einzelnen sei damit nicht verbunden. Die Verwaltungsgerichte setzten sich weder mit Inhalten von Glaubenssätzen auseinander noch bewerteten sie diese oder formulierten eigene Standpunkte in Glaubensdingen. Sie entschieden auch nicht über die Legitimität religiöser Glaubensüberzeugungen, sondern gingen nur der Stellung des Antragstellers zu seinem Glauben nach, nämlich der Intensität selbst empfundener Verbindlichkeit von Glaubensgeboten für die religiöse Identität der Person.

cc) Es sei auch geklärt, dass die Verwaltungsgerichte sich bei der Prüfung der inneren Tatsache, ob der Betroffene die unterdrückte religiöse Glaubensbetätigung für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfinde, nicht auf eine Plausibilitätsprüfung beschränken dürften, sondern das Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde zu legen hätten. Ein weitergehender Klärungsbedarf ergebe sich nicht daraus, dass die Anlegung des Regelbeweismaßes nach Ansicht der Beschwerde die Religionsfreiheit des Einzelnen und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht verletze. Denn eine Zurücknahme des tatrichterlichen Beweismaßes sowie der gerichtlichen Kontrolldichte sei nur bei der Bestimmung der Reichweite des Schutzbereichs des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch eine extensive Auslegung des Begriffs der „Religionsausübung“ unter Berücksichtigung sowohl des kirchlichen als auch des Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers angezeigt. Die gebotene Berücksichtigung des kirchlichen und individuellen Selbstverständnisses bei der Bestimmung, wie weit der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG im Einzelfall reiche, sei aber nicht auf die der Schutzbereichsbestimmung vorgelagerte tatrichterliche Würdigung zu übertragen, ob und inwieweit eine Person eine bestimmte religiöse Bestätigung ihres Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung der religiösen Identität empfinde.

dd) Der Senat habe bereits entschieden, dass sich die religiöse Identität als innere Tatsache nur aus dem Vorbringen des Schutzsuchenden sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen lasse. Die Glaubensfreiheit eines Schutzsuchenden werde nicht dadurch verletzt, dass es ihm im Rahmen der asylverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten und des prozessrechtlichen Untersuchungsgrundsatzes obliege, staatlichen Stellen über sein religiöses Selbstverständnis Auskunft zu geben. Es unterliege der freien Beweiswürdigung und sei einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, auf welche Weise der Tatrichter versuche, sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der Tatsache der Wahrung der religiösen Identität zu verschaffen. Nicht weiter klärungsbedürftig sei auch, dass es die Glaubensfreiheit nicht verletze und die Beweisanforderungen nicht überspanne, von einem Erwachsenen im Regelfall zu erwarten, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen könne und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition mit den Grundzügen seiner neuen Religion vertraut sei.

b) Die vom Beschwerdeführer erhobene Aufklärungs- und Gehörsrüge, dem Verwaltungsgerichtshof hätte sich eine Begutachtung in psychologischer und religiöser Hinsicht aufdrängen müssen, weil ihm die notwendige Sachkunde zur Beurteilung der religiösen Identität fehle, bleibe ohne Erfolg. Zum einen habe der Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung schon keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Zum anderen sei weder dargelegt noch sonst ersichtlich, aus welchen Gründen der Verwaltungsgerichtshof nicht über ausreichende Sachkunde zur Beurteilung der religiösen Identität des Beschwerdeführers verfügen sollte, da keine Glaubensinhalte einer fremden Religion aufzuklären gewesen seien. Für die Ermittlung und Würdigung des (Nicht-)Vorliegens dieser inneren Tatsache bedürfe es in aller Regel keines nur Experten vorbehaltenen Wissens.

II.

Der Beschwerdeführer hat am 1. Oktober 2015 fristgerecht Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung von Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 sowie – der Sache nach – von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er sei durch die angegriffenen Entscheidungen in erster Linie in seinem Grundrecht auf Glaubens- und Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzt.

1. Mit der Annahme, die Prüfung der Ernsthaftigkeit und identitätsprägenden Bedeutung des Glaubenswechsels sei Aufgabe der staatlichen Gerichte, hätten die Gerichte der in der Taufe dokumentierten Zugehörigkeit zum Christentum die Wirksamkeit abgesprochen und sich eine ihnen nicht zustehende Prüfungsbefugnis angemaßt. Ob jemand getauft werde, liege allein im Verantwortungsbereich der Kirche. Die Überprüfung der Ernsthaftigkeit des Taufbegehrens sei eine innerkirchliche Angelegenheit. Es verbiete sich daher aus staatskirchenrechtlichen Gründen, dass ein staatliches Gericht seinerseits eine solche Überprüfung vornehme und seine Beurteilung an die Stelle derjenige der Kirche setze. Andernfalls greife es in das den Religionsgemeinschaften durch Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht ein. Das Gericht habe bei der Prüfung des Asylantrags die Entscheidung der Kirche, dass die Voraussetzungen für die Taufe – einschließlich des subjektiven Erfordernisses der Ernsthaftigkeit der Hinwendung zum Christentum – vorliegen, zu akzeptieren und seiner Entscheidung als richtig zugrunde zu legen.

2. Darüber hinaus hätten die Gerichte auch sein eigenes Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit verletzt, indem sie sich angemaßt hätten, darüber zu entscheiden, ob er ein „wahrer“ Christ sei. Mit der Verneinung dieser Frage hätten sie ihm außerdem zugemutet, auf eine Betätigung seines Glaubens in seinem Heimatland zu verzichten. Ein Gericht dürfe dem Einzelnen aber nicht vorschreiben, wie er sein Christentum zu leben habe. Insbesondere dürfe es ihm nicht zumuten, auf bestimmte glaubensgeleitete Handlungen zu verzichten.

3. Der Verwaltungsgerichtshof habe ihm vorgeworfen, sich vornehmlich aus sozialen und integrativen Gründen dem Christentum zugewandt zu haben. Die Motive, warum sich ein Mensch einer neuen Glaubensrichtung zuwende, seien jedoch unerheblich. Der Verwaltungsgerichtshof habe zudem allein aus der Unkenntnis einzelner Glaubensinhalte geschlossen, welche religiöse Betätigung ihm wichtig sei. Damit habe er den Glauben auf die bloße Aneignung von Wissen reduziert, die Beziehungsebene sowie das wachsende Vertrauen in Gottes Verheißung vernachlässigt und verkannt, dass der Glaube nach dem von Luther geprägten protestantischen Verständnis eine Gabe Gottes sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe ferner seinen Glauben als „oberflächlich“ bewertet und damit seine Vorstellung vom „wahren“ Glauben an die Stelle seines eigenen Glaubensverständnisses gesetzt. Dies verletze das Gebot staatlicher Neutralität.

4. Eine uneingeschränkte Anwendung von § 108 Abs. 1 VwGO sei ebenfalls grundrechtswidrig. Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Aufspaltung der Prüfung in Schutzbereichsbestimmung und „vorgelagerte“ tatrichterliche Würdigung des Glaubens des Betroffenen als „identitätsprägend“ sei nicht möglich, da die religiöse Identität einheitlich sei. Dies zeige auch die vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommene unzulässige Glaubensprüfung. Es müsse ausreichen, im Sinne einer Plausibilitätsprüfung festzustellen, dass nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung eine religiöse Bindung vorliege.

5. Außerdem fehle den Verwaltungsgerichten generell die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung der religiösen Identität einer Person.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig (dazu 1.) und bleibt auch in der Sache ohne Erfolg. Die Maßstäbe, die das Bundesverwaltungsgericht für die Prüfung, ob eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Religion besteht, entwickelt und in dem angegriffenen Beschluss bestätigt hat, sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (dazu 2.); es ist allerdings hervorzuheben, dass bei ihrer Anwendung der Bedeutung des Grundrechts auf Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 10 GR-Charta und Art. 9 Abs. 1 EMRK) in besonderem Maße Rechnung zu tragen ist (dazu 3.).

1. Soweit der Beschwerdeführer in erster Linie eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG wegen Verkennung der Bedeutung der individuellen Glaubens- und Religionsfreiheit durch den Verwaltungsgerichtshof und das Bundesverwaltungsgericht rügt, entspricht die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungserfordernissen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Der Beschwerdeführer legt schon mehrere für die verfassungsgerichtliche Überprüfung der Grundrechtsrüge wesentliche Unterlagen nicht vor (Protokolle der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht, Schriftsätze aus dem erstinstanzlichen Verfahren, Schreiben der Pfarrerin). Auch wird die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht hinreichend aufgezeigt (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Der Beschwerdeführer setzt sich weder mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 137, 273 <305 Rn. 88>; 138, 296 <329 f. Rn. 85 f.>), des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, C-71/11 und C-99/11, Y und Z) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, Eweida u.a. v. United Kingdom, Urteil vom 15. Januar 2013, Nr. 48420/10 u.a., und Magyar Keresztény Mennonita Egyhaz u.a. v. Ungarn, Urteil vom 8. April 2014, Nr. 70945/11 u.a.) noch mit den angegriffenen Entscheidungen, insbesondere mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, hinreichend substantiiert auseinander.

2. Die rechtlichen Maßstäbe, die das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 = juris, Rn. 25 ff.) im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. Urteil vom 5. September 2012, C-71/11 und C-99/11, Y und Z, NVwZ 2012, 1612, Rn. 56 ff.) im Rahmen der Prüfung, ob gemäß §§ 3 ff. AsylG eine begründete Furcht vor Verfolgung wegen der Religion besteht, entwickelt hat (a), sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (b).

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist in Fällen, in denen nicht schon die bloße Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft als solche die Gefahr einer Verfolgung begründet, bei der Frage, ob ein Eingriff in die Religionsfreiheit eine hinreichend schwere Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 darstellt, – in einem ersten Schritt – in objektiver Hinsicht festzustellen, welche Maßnahmen und Sanktionen gegenüber dem Betroffenen im Herkunftsstaat voraussichtlich ergriffen werden, wenn er eine bestimmte Glaubenspraxis dort ausübt, und wie gravierend diese sind. Die erforderliche Schwere kann insbesondere erreicht sein, wenn ihm durch die Betätigung seines Glaubens – im privaten oder öffentlichen Bereich – die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, (tatsächlich) strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Dabei kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen. Sodann ist – in einem zweiten Schritt – in subjektiver Hinsicht festzustellen, ob die Befolgung einer solchermaßen als verfolgungsträchtig bestimmten Glaubenspraxis ein zentrales Element für die religiöse Identität des Schutzsuchenden und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist. Maßgeblich ist dabei, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Beide Prüfungsschritte unterliegen der eigenständigen tatrichterlichen Würdigung der Verwaltungsgerichte. Die innere Tatsache, dass die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für die religiöse Identität des Betroffenen zentrale Bedeutung hat, muss zur Überzeugung der Gerichte feststehen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

b) Diese im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung für erforderlich erachtete fachgerichtliche Prüfung verletzt weder das in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen oder Religionsgemeinschaften (aa) noch die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Einzelnen (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 10 Abs. 1 GR-Charta und Art. 9 Abs. 1 EMRK, bb).

aa) Die Wirksamkeit einer nach kirchenrechtlichen Vorschriften vollzogenen Taufe und damit die Mitgliedschaft des Schutzsuchenden in der Kirchengemeinschaft, die zum Bereich des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts zählt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2014 - 2 BvR 278/11 -, Rn. 37), darf von den Verwaltungsgerichten nicht in Frage gestellt werden. Vielmehr haben diese die Kirchenmitgliedschaft als Rechtstatsache zu beachten und der flüchtlingsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen. Dies gilt auch dann, wenn der Sachvortrag zur Konversion oder die vorgelegten Unterlagen Anhaltspunkte für eine gewisse Oberflächlichkeit, für Missbräuchlichkeit (insoweit abweichend wohl BVerwG, <angegriffener> Beschluss vom 25. August 2015 - BVerwG 1 B 40.15 -, Rn. 11) oder für eine mitbestimmende taktische Prägung des Übertritts zur christlichen Religion erkennen lassen; derartigen Anhaltspunkten kann jedoch im Rahmen der Verfolgungsprognose Rechnung getragen werden.

Von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob und bejahendenfalls welche Aspekte einer Glaubensüberzeugung oder Glaubensbetätigung in einer die Furcht vor Verfolgung begründenden Intensität für die religiöse Identität des individuellen Schutzsuchenden prägend sind oder nicht. Denn bei der damit angesprochenen Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG vorliegen, handelt es sich nicht um eine eigene Angelegenheit der Kirchen oder Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens der Religionsgemeinschaft im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen (vgl. BVerfGE 137, 273 <307>). Die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft fällt nicht in diesen der Erfüllung des religiösen Auftrags und der religiösen Sendung dienenden Bereich, sondern ist kraft Gesetzes ausschließlich der Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (§§ 5 Abs. 1, 13 Abs.1 AsylG) und – im Fall einer gerichtlichen Überprüfung – den Verwaltungsgerichten zugewiesen (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 74 ff. AsylG). Die Frage, ob die Bundesrepublik Deutschland Personen in ihrem Hoheitsgebiet Schutz vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 und 4 AsylG in Verbindung mit Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 gewährt, obliegt nach Maßgabe der europäischen und nationalen Rechtsvorschriften ausschließlich dieser selbst und nicht der Kirche oder den Religionsgemeinschaften.

bb) Durch die bei Prüfung der Flüchtlingseigenschaft von den Verwaltungsgerichten zu treffenden Feststellung der Bedeutung bestimmter Glaubensbetätigungen für die religiöse Identität des Schutzsuchenden wird auch nicht die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Einzelnen (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 10 Abs. 1 GR-Charta, Art. 9 Abs. 1 EMRK) wegen Missachtung der sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 33 Abs. 3 GG und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1 und 4, Art. 137 Abs. 1 WRV ergebenden weltanschaulich-religiösen Neutralitätspflicht des Staates verletzt. Entgegen der Auffassung der Verfassungsbeschwerde haben die Verwaltungsgerichte nach den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten rechtlichen Maßstäben keine inhaltliche „Glaubensprüfung“ vorzunehmen. Mit der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung wegen geltend gemachter religiöser Verfolgung ist insbesondere keine verfassungsrechtlich unzulässige Bewertung des Glaubens des Einzelnen oder der Lehre der Kirche verbunden (vgl. BVerfGE 33, 23 <29>; 108, 282 <300>; 137, 273 <305 Rn. 88>; 138, 296 <329, Rn. 86, 339 Rn. 110>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 -, Rn. 88). Die Verwaltungsgerichte setzen sich bei der erforderlichen – subjektiven – Prüfung der Schwere der drohenden Verletzung der Religionsfreiheit weder mit Inhalten von Glaubenssätzen auseinander, noch setzen sie ihre eigene Wertung zu Inhalt und Bedeutung eines Glaubenssatzes an die Stelle derjenigen des Einzelnen oder der Kirche oder Glaubensgemeinschaft oder formulieren eigene Standpunkte in Sachen des Glaubens (vgl. BVerfGE 137, 273 <305 f.>). Sie entscheiden auch nicht über die Legitimität religiöser Glaubensüberzeugungen und die Art und Weise ihrer Bekundung (vgl. EGMR, Eweida u.a. v. United Kingdom, Urteil vom 15. Januar 2013, Nr. 48420/10 u.a., § 81, und Magyar Keresztény Mennonita Egyhaz u.a. v. Ungarn, Urteil vom 8. April 2014, Nr. 70945/11 u.a., § 76). Die Verwaltungsgerichte müssen und dürfen lediglich der Stellung des Schutzsuchenden zu seinem Glauben nachgehen, nämlich der Intensität und Bedeutung der von ihm selbst empfundenen Verbindlichkeit von Glaubensgeboten für die eigene religiöse Identität. Darin liegt keine Verletzung der Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität.

3. Die Verwaltungsgerichte haben allerdings bei der Anwendung der vorgenannten Maßstäbe auf den konkreten Fall die Bedeutung des in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 EMRK und Art. 10 GR-Charta verbürgten Grundrechts auf Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit als ein in einer demokratischen Gesellschaft zentrales Grundrecht und grundlegendes Menschenrecht (vgl. EuGH, Urteil vom 5. September 2012, C-71/11 und C-99/11, Y und Z, Rn. 57) in besonderem Maße zu berücksichtigen.

a) Dem hohen Wert des betroffenen Grundrechts hat die Sachverhaltsaufklärung Rechnung zu tragen (vgl. zu den Anforderungen an einen wirkungsvollen Rechtsschutz im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 2 GG: BVerfGE 117, 71 <106 f.>; zur EMRK vgl. BVerfGE 111, 307 <323 ff.>). Ihr Gegenstand ist zunächst die Frage, ob im Herkunftsstaat des Schutzsuchenden ein bestimmtes Verhalten – etwa die Abwendung von einer (Staats-) Religion, die Hinwendung zu einem anderen Glauben, eine bestimmte, als religiös verstandene Betätigung der Betroffenen – Maßnahmen nach sich ziehen kann, die als Verfolgung oder unmenschliche Behandlung einzustufen sind. Erst vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob für den im konkreten Fall betroffenen Schutzsuchenden ein solches Verhalten festzustellen oder im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat voraussichtlich zu erwarten sein wird, ob insbesondere die Hinwendung zu dem neuen Glauben identitätsprägendes Gewicht hat. In Fällen, in denen es um die Bedeutung einer bestimmten Glaubenspraxis für die religiöse Identität des Schutzsuchenden und die Intensität der selbst empfundenen Verpflichtung eines bestimmten Glaubensgebotes geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) deshalb verfassungsrechtliches Gewicht zu. Die fachgerichtliche Beurteilung muss daher auf einer hinreichend verlässlichen und auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. zur Beurteilung der Aufnahmebedingungen in einem Drittstaat als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK: BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 -, Rn. 16). Dabei ist nicht nur das Vorbringen des Schutzsuchenden im Rahmen der in aller Regel gebotenen informatorischen gerichtlichen Anhörung zu berücksichtigen, sondern es sind auch äußere Anknüpfungstatsachen heranzuziehen, die Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Betroffenen erlauben (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - BVerwG 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67, juris, Rn. 31, und angegriffener Beschluss vom 25. August 2015 - BVerwG 1 B 40.15 -, juris, Rn. 14).

b) Auch im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung ist die besondere Bedeutung des Grundrechts auf Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu beachten. Zwar unterliegt es im Ausgangspunkt der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, auf welche Weise das Tatsachengericht sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsache verschafft, ob der Schutzsuchende eine verfolgungsträchtige religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - BVerwG 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67, juris, Rn. 30, und angegriffener Beschluss vom 25. August 2015 - BVerwG 1 B 40.15 -, juris, Rn. 14). Auch sind die Umstände, unter denen das Gericht die Überzeugung von dieser inneren Tatsache gewinnt, grundsätzlich einer abstrakt-generellen Verallgemeinerung nicht zugänglich. Es handelt sich stets um eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.

aa) Es bedarf im Rahmen der Beweiswürdigung jedoch in aller Regel der Gesamtschau einer Vielzahl von Gesichtspunkten, die Aufschluss über die religiöse Identität des Schutzsuchenden geben können, wie etwa die religiöse Vorprägung des Betroffenen und seiner Familie, eine Glaubensbetätigung bereits im Herkunftsland, der äußere Anstoß für den Konversionsprozess sowie dessen Dauer oder Intensität, die inneren Beweggründe für die Abwendung vom bisherigen Glauben, die Vorbereitung auf die Konversion und deren Vollzug, die Information und Reaktion des familiären und sozialen Umfeldes, das Wissen über die neue Religion und die Konversionskirche, die Bedeutung und Auswirkungen des neuen Glaubens für beziehungsweise auf das eigene Leben sowie Art und Umfang der Betätigung des neuen Glaubens wie zum Beispiel die Teilnahme an Gottesdiensten, an Gebeten und am kirchlichen Leben (vgl. Berlit/Dörig/Storey, Glaubhaftigkeitsprüfung bei Asylklagen aufgrund religiöser Konversion oder Homosexualität: Ein Ansatz von Praktikern (Teil 1), ZAR 2016, 281 <284 ff.>).

Die Ermittlung und Bewertung solcher Gesichtspunkte ist auch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderlich (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, C-56/17, Bahtiyar Fathi, NVwZ 2019, 634 <639> Rn. 88). Dabei werden die Beweisanforderungen auch im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 10 Abs. 1 GR-Charta und Art. 9 Abs. 1 EMRK nicht überspannt, wenn von einem volljährigen Antragsteller im Regelfall erwartet wird, dass er schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und mit den Grundzügen seiner neuen Religion hinreichend vertraut ist, um die von ihm behauptete Gefahr der Verfolgung aus religiösen Gründen gebührend zu substantiieren (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2018, C-56/17, Bahtiyar Fathi, NVwZ 2019, 634 <639> Rn. 84 und 90). Allerdings wird der Umfang des Wissens über die neue Religion maßgeblich von der individuellen Geschichte des Antragstellers, seiner Persönlichkeit, seinem Bildungsniveau und seiner intellektuellen Disposition abhängen, die bei der Beweiswürdigung daher angemessen Berücksichtigung finden müssen (vgl. BVerwG, angegriffener Beschluss vom 25. August 2015 - BVerwG 1 B 40.15 -, juris, Rn. 14; Berlit/ Dörig/Storey, Glaubhaftigkeitsprüfung bei Asylklagen aufgrund religiöser Konversion oder Homosexualität: Ein Ansatz von Praktikern (Teil 1), ZAR 2016, 281 <284>).

bb) Bei alledem haben die Tatsachengerichte jedoch zu beachten, dass Gesichtspunkten der vorerwähnten Art stets nur die Bedeutung von Indizien zukommt, und dass sie sich im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung jeglicher inhaltlicher Bewertung des Glaubens des Einzelnen und der Kirchen zu enthalten haben. Eine inhaltliche „Glaubensprüfung“ – etwa eine eigene Auslegung oder Priorisierung einzelner Glaubensinhalte gegenüber anderen Aspekten der jeweils betroffenen Religion – ist ihnen verschlossen, weil dies die verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit, das eigene Verhalten an den Lehren des Glaubens auszurichten und innerer Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, entleeren würde.

cc) Zudem gilt, dass die Vertrautheit des Schutzsuchenden mit den Lehraussagen einer Religionsgemeinschaft zwar ein Indiz für die identitätsprägende Bedeutung eines Übertritts zu dieser Religion darstellen kann – wenn auch nicht zwingend muss –, dass indes der Umkehrschluss nicht in jedem Fall zulässig ist. Eine identitätsprägende Hinwendung zu einem Glauben kann vielmehr auch ohne eine derartige Vertrautheit vorliegen, wenn aussagekräftige und gewichtige Umstände des Einzelfalles festzustellen sind, die die Prognose rechtfertigen, dass der Schutzsuchende sich den Verhaltensleitlinien seines neu gewonnenen Glaubens derart verpflichtet sieht, dass er ihnen auch nach Rückkehr in seinen Heimatstaat folgen und sich damit der Gefahr von Verfolgung oder menschenunwürdiger Behandlung aussetzen wird. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV gebieten es, auch derartige Fallkonstellationen zutreffend zu erfassen.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Voßkuhle

Kessal-Wulf

Maidowski