AG Düsseldorf, Beschluss vom 08.10.2019 - 513 IK 220/17
Fundstelle
openJur 2020, 5701
  • Rkr:
Tenor

wird die Bestätigung des Insolvenzplans vom 17.07.2019 versagt.

Gründe

Der Insolvenzplan, über den im Termin vom 17.09.2019 abgestimmt worden ist, hat nicht die erforderlichen Mehrheiten des § 244 InsO gefunden.

Der vom Schuldner vorgelegte Insolvenzplan sieht eine Gruppe vor, die wie folgt ausgestaltet ist:

Gläubiger lfd. Nr. Tabelle Forderung Quote 7,127 %

RA I als IV d. K- GmbH & Co. KG

129,904,87 EUR

9.258,10 EUR

X1-Bank eG

385.017,77 EUR

27.439,57 EUR

2.601,03 EUR

185,37 EUR

2.705,07 EUR

192,79 EUR

X2-Bank AG Hamburg

60.966,06 EUR

4.344,24 EUR

Im Abstimmungstermin vom 17.09.2019 haben die Gläubiger Nr. 1, 3, 4 und 5 für den Plan gestimmt. Die Gläubigerin Nr. 2 hat gegen den Plan gestimmt. Damit hat zwar die Kopfmehrheit dem Plan zugestimmt (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 InsO), nicht jedoch die gleichfalls erforderliche Summenmehrheit (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

Vorliegend war in Abstimmungstermin auch lediglich über dem Plan in der Fassung vom 17.07.2019 abzustimmen.

Zwar hat der Schuldner im Erörterungstermin den Plan vom 17.07.2019 zu Protokoll dahingehend geändert, dass zwei weitere neue Gruppen gebildet werden, wobei die Gläubigerin Nr. 3 auf 100 % ihrer Forderung bei Annahme des Plans und der Gläubiger Nr. 4 auf 50 % seiner Forderung bei Annahme des Plans verzichte. Beide Gläubiger haben ihren jeweiligen Verzicht ausdrücklich zu Protokoll erklärt.

Über den geänderten Plan war jedoch im Abstimmungstermin nicht abzustimmen.

Zwar ist es grundsätzlich zulässig, eine Änderung des Plans auch zu Protokoll zu erklären (HambKomm/Thies, InsO, 7. Aufl. 2018, § 240 Rn. 6).

Die Planänderung war jedoch nicht zuzulassen, sodass nur der unveränderte Plan in der Fassung vom 17.07.2019 zur Abstimmung gestellt werden konnte (vgl. Jaffé In FK-InsO, 9. Aufl. 2018, § 240 Rn. 14; Haas in Kayser/Thole, Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 9. Aufl. 2018 Rn. 9).

Die vom Schuldner vorgenommene Änderung des Plans im Erörterungstermin fällt jedoch nicht mehr unter die Vorschrift des § 240 InsO. Danach ist zwar der Vorlegende berechtigt, einzelne Regelungen des Insolvenzplans aufgrund der Erörterung im Termin inhaltlich zu ändern. Die vom Schuldner als Vorlegenden vorgenommene Änderung des Plans geht jedoch über den Regelungsgehalt des § 240 InsO hinaus. In welchem Umfang im einzelnen noch Änderungen des Plans im Erörterungstermin vorgenommen werden können, ist streitig und bislang höchstrichterlich nicht abschließend geklärt. Einigkeit besteht dahingehend, dass lediglich "einzelne Regelungen" geändert werden können, wobei der Kern des ursprünglichen Insolvenzplans erhalten bleiben müsse, ohne dass jedoch hinreichend Klarheit besteht, was hierunter zu verstehen ist (Lüer/Streit in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 15. Aufl. 2019 § 240 Rn. 4; Haas, a.a.O., § 240 Rn. 5; Bähr in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch Insolvenzverwaltung, 9. Aufl. 2015, Kapitel 14 Rn. 183 unter Verweis BT-Drucks. 12/7302, S. 183; Hintzen in MüKo-InsO, Band 3, 3. Aufl. 2014 Rn. 8).

Für die vorliegend gegebene Situation der Erweiterung des Plans um zwei neue Gruppen werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Dabei kann dahingestellt bleiben, welcher Auffassung im Endergebnis zu folgen ist, da nach sämtlich vertretenen Auffassungen die vorgenommene Änderung unzulässig ist.

Nach hiesiger Auffassung fällt die Gruppenbildung unter den Kernbereich des Plans, die insoweit im Erörterungstermin nicht mehr abänderbar ist. Denn die Gruppenbildung ist in Verbindung mit dem Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) das maßgebliche Instrument, um die Annahme eines Insolvenzplans beeinflussen zu können. Bereits im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf einer Insolvenzordnung (BT-Drucks 12/2443 S. 199) wird zutreffend darauf verwiesen, dass durch eine sachgerechte Gruppenbildung verhindert werden solle, Manipulationen zur Beschaffung von Mehrheiten zu vermeiden. Ist insoweit eine Gruppenbildung von Gericht zugelassen und damit für sachgerecht erklärt worden, so können die Gläubiger darauf vertrauen, dass es bei dieser Gruppenbildung bleibt und es nicht deswegen zu Veränderungen kommt, um mangelnde Mehrheiten für den Plan durch eine Abänderung der Gruppenbildung auszugleichen. Dementsprechend wird von der Rechtsprechung (vgl. AG Hamburg, Beschluss v. 19.04.2016, 67c IN 232/13, ZInsO 2016, 2209, vollst. abgedruckt unter juris, Rn. 26) und einem Teil der Literatur (Jaffé, a.a.O., § 240 Rn. 8) eine Änderung der Gruppenstruktur, insbesondere eine solche von einem "Ein-Gruppen-Plan" zu einem "Drei-Gruppen-Plan" als eine Änderung angesehen, die nicht mehr unter den Regelungsgehalt des § 240 InsO fällt.

Nach einer anderen Meinung in der Literatur soll eine Planänderung der Gruppenstruktur insbesondere dann zulässig sein, wenn diese sachgerecht ist, etwa weil dadurch eine unzulässige Gruppenstruktur behoben wird (HambKomm/Thies, a.a.O., § 240 Rn. 4).

Nach weiterer in der Literatur vertretenen Auffassung soll § 240 InsO weit auszulegen sein, so dass in den Grenzen eines fairen Verfahrens und unter Einhaltung der erforderlichen Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit auch Umbildungen der Abstimmungsgruppen erfolgen können, ohne dass dies jedoch größtenteils näher differenziert wird (Pleister in Kübler/Prütting/Bork, InsO 80. Lieferung, § 240 Rn. 15; Haas, a.a.O., § 240 Rn. 5; K. Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 240 Rn. 3; Laroche in Brünkmanns/Thole, Handbuch Insolvenzplan, § 16 Rn. 35; Bähr, a.a.O., Rn. 185).

Auch nach dieser Ansicht handelt es sich jedoch bei der Änderungen der Gruppenstruktur um eine unzulässige Änderung des vorgelegten Insolvenzplans. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass eine Änderung der Gruppenstruktur zulässig ist, ist weiter bei der Bildung fakultativer Gruppen die Regelung des § 222 Abs. 2 InsO zu beachten (Haas, a.a.O., § 240 Rn. 5; Pleister, a.a.aO., § 240 Rn. 15; Laroche, a.a.O., § 16 Rn.35). Die Kontrolle der Bildung fakultativer Gruppen erstreckt sich darauf, ob Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung und mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst und die Gruppen sachgerecht voneinander abgegrenzt sind, es also für die Unterscheidung zwischen zwei oder mehr gebildeten Gruppen einen sachlich gerechtfertigten Grund gibt BGH, Beschluss v. 07.05.2015, IX ZB 75/14, ZInsO 2015, 1398 Rn. 9). Prüfungsgrundlage hinsichtlich der Gruppenbildung ist die Tragfähigkeit der im Plan angegebenen Kriterien (BGH, a.a.O., Rn. 9). insoweit muss im Insolvenzplan dargelegt werden, aufgrund welcher gleichartiger insolvenzbezogener wirtschaftlicher Interessen eine bestimmte Gruppe gebildet wurde und ob alle Beteiligten, deren wichtigsten insolvenzbezogenen wirtschaftlichen Interessen übereinstimmen, derselben Gruppe zugeordnet wurden. Fehlen solche Erläuterungen, verstößt ein Plan gegen § 222 Abs. 2 InsO und ist im Rahmen der Vorprüfung nach § 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzuweisen (BGH, a. a.O., Rn. 10). Nichts anderes kann dann im Erörterungstermin gelten, wenn ein entsprechender geänderter, aber unzulässiger Plan, zu Protokoll erklärt wird.

Auf diese Grundsätze ist der Schuldner vor Anberaumung des Erörterungstermins mehrfach hingewiesen worden. Denn die von diesen eingereichten Planentwürfe vom 28.05.2019 sowie vom 01.07.2019 sahen jeweils vor, dass in drei Gruppen über den Plan abgestimmt werden sollte. Hierbei ist der Schuldner jeweils darauf hingewiesen worden, dass die vorgenommene Gestaltung der Gruppenbildung gegen die dargestellten Grundsätze verstoße. Erst der zur Abstimmung vorgelegte Plan vom 17.07.2019 sah die Bildung lediglich einer Gruppe vor. Eine ausreichende sachliche Differenzierung enthalten weder die vorgelegten Planentwürfe, der Plan vom 17.07.2019 noch die Änderung des Plans im Termin vom 17.09.2019. Allein der Umstand, dass die neu gebildeten Gruppen 2 (Ehefrau des Schuldners) sowie 3 (Bruder des Schuldners) ihren Verzicht auf 100 % bzw. 50 % der Quote zu Protokoll erklärt haben, stellt keinen ausreichenden Differenzierungsgrund zu der verbliebenen Gruppe 1 dar. Denn insoweit hätte dargelegt werden müssen, weshalb das insolvenzbezogene wirtschaftliche Interesse der Gruppen 2 und 3 ein anderes als der der Gruppe 1 ist. Selbst wenn jedoch die Ehefrau des Schuldners sowie dessen Bruder anders einzugruppieren wären als die weiteren drei Gläubiger, wären diese beiden Gläubiger zumindest in einer Gruppe einzuordnen. Der Umstand, dass diese beiden Gläubiger in unterschiedlichem Maße auf die ihnen zustehende Quote nach Annahme des Plans verzichten, ist bei der Einordnung in die Gruppenbildung unbeachtlich. Die Einordnung in eine bestimmte Gruppe wird unter Berücksichtigung der aufgezeigten Kriterien hiervon nicht davon berührt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 4 InsO, § 569 ZPO gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.

Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes erklärt werden.

Die sofortige Beschwerde muss innerhalb von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Düsseldorf eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde.

Die Frist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung. Zum Nachweis der Zustellung genügt auch die öffentliche Bekanntmachung. Diese gilt als bewirkt, sobald nach dem Tag der unter www.insolvenzbekanntmachungen.de erfolgten Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Maßgeblich für den Beginn der Beschwerdefrist ist der frühere Zeitpunkt.

Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie soll begründet werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.

Düsseldorf, 08.10.2019

Amtsgericht

Richter am Amtsgericht

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