AG Wiesbaden, Urteil vom 16.06.2017 - 92 C 4323/16
Fundstelle
openJur 2020, 44478
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine in A ansässige Firma, die nach britischem Recht als Zahlungsdienstleister registriert ist und ein Online-Bezahlsystem betreibt. Nach Anmeldung bei der Klägerin erhält der Kunde ein sog. A-Konto. Auf dieses A-Konto lädt der Kunde per Überweisung oder per Kreditkarte ein Guthaben und kann dann mit diesem Guthaben Waren oder Dienstleistungen bei Internethändlern bezahlen. Wegen der Gestaltung der Homepage der Klägerin wird auf Bl. 105 ff d.A. Bezug genommen. Seit dem 01.04.2015 unterhält die Beklagte bei der Klägerin ein A-Konto. Bei Vertragsschluss akzeptierte die Beklagte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. Gemäß Nr. 8.6 der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist der Kunde verpflichtet, einen etwaigen Negativsaldo des A-Kontos unverzüglich auszugleichen. Wegen des genauen Wortlauts dieser Regelung wird auf Bl. 29 d.A. Bezug genommen. Am 26.06.2015 führte die Beklagte mittels des Online-Überweisungsdienstes OBT drei Aufladungen ihres A-Kontos im Wert von insgesamt 620,-- € aus. Die Klägerin stellte der Beklagten den Betrag von 620,-- € sofort zur Verfügung, obwohl sie das Geld von der Bank der Beklagten noch nicht erhalten hatte. Die Beklagte führte mit dem Guthaben auf ihrem Krill-Konto drei Zahlungen an den Wettanbieter "x.com" aus. Danach stornierte die Beklagte die drei Überweisungen bei ihrer Bank, so dass das Geld nie bei der Klägerin ankam und das A-Konto der Beklagten einen Negativsaldo von 620,-- € aufweist.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten den Ausgleich des Negativsaldos. Die Klägerin ist der Auffassung, auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien finde britisches Recht Anwendung. Daher sei die Beklagte zum Ausgleich des Kontos verpflichtet, da die Durchführung von Wetten nach britischem Recht nicht verboten und die vorgenommen Transaktionen daher wirksam gewesen seien. Im Übrigen ist die Klägerin der Auffassung, dass es von der Beklagten rechtsmissbräuchlich sei, sich auf die Nichtigkeit zu berufen, da sich die Beklagte in Kenntnis der deutschen Rechtslage bewusst einen ausländischen Finanzdienstleister für die Abwicklung ihrer Wetten gesucht habe.

Die Klägerin beantragt,

der Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 894,-- € nebst Zinsen in Höhevon 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 620,-- € seit dem 10.07. 2015, aus 10,-- € seit dem 14.07.2015, aus 140,-- € seit dem 06.01.2016 undaus 124,-- € seit dem 20.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung auf das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien finde deutsches Recht Anwendung. Daher sei die Beklagte nicht zum Ausgleich des Kontos verpflichtet, da die Durchführung von Wetten nach den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages unzulässig seien, so dass die vorgenommen Transaktionen gemäß § 134 BGB nichtig seien. Darüber hinaus behauptet die Beklagte, sie sei spielsüchtig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Das Amtsgericht Wiesbaden ist örtlich zuständig, da die Beklagte Verbraucherin ist ( Art. 3 Abs. 1, Art. 18 Abs. 2 EuGVVO ).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin besitzt gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Ausglich des Negativsaldos des Kontos der Beklagten (§ 675 f BGB i.V.m. Ziff. 8.6. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ), da die von der Klägerin zu Gunsten der Fa. "x.com" ausgeführten Überweisungen gemäß § 134 BGB unwirksam sind.

Auf die Vertragsverhältnisse zwischen der Beklagten und der Klägerin und der Beklagten und der Fa. X findet deutsches Recht Anwendung. Gemäß Art. 6 Abs. 1 b) Rom-I-Verordnung ist im Falle von Verbraucherverträgen das Recht des Staates anwendbar, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche Tätigkeit in irgendeiner Weise auf diesen Staat ausrichtet. Die Beklagte ist zweifelsfrei eine Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Die Fa. X und die Klägerin haben ihren Sitz auf im EU-Ausland. Die Klägerin und die Fa. X haben ihre berufliche Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet. Beide sind online-Dienstleiter, die Ihr Angebot über das Internet anbieten. Ein Unternehmer der für sein Angebot über das weltweit wirkendes Medium Internet nutzt, richtet sich grundsätzlich an den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers; es sei denn, es würden keine Verträge mit Verbrauchern aus Deutschland geschlossen werden ( s. Palandt "BGB" 73. Aufl. München 2014 Rom I 6 (IPR) Rdnr. 6 ). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Vielmehr hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass X auf seiner Homepage explizit auf deutsche Normen hinweist.

Somit ist das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und X nach deutschem Recht zu beurteilen und daher ist der Wettvertrag zwischen der Fa. X und der Beklagten gemäß § 134 BGB nichtig. Der Wettvertrag verstößt gegen § 4 Abs. 1 S. 2 2. Alt. Glücksspielstaatsvertrag (nachfolgend "GlüStV"). § 4 Abs. 1 S. 2 2. Alt. GlüStV ist ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB. Als Gesetz kommt gemäß Art. 2 EGBGB jede Rechtsnorm in Betracht. Eine Rechtsnorm stellt ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB dar, wenn durch sie die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte verhindert werden soll. Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GlüStV ist die "Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten". Insofern bezieht sich das Verbot des § 4 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GlüStV explizit auf Zahlungsvorgänge. Dabei dient es der Verhinderung von Zahlungsgeschäften, die im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel stehen. Durch die entsprechenden Verbote im Zahlungsfluss kann unerlaubtes Glücksspiel verhindert oder zumindest eingedämmt werden. Danach soll explizit die Vornahme von den entsprechenden Zahlungsgeschäften verhindert werden.

Diese Nichtigkeit des Wettvertrags zwischen der Beklagten und der X schlägt durch auf das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin. Dabei konnte dahin gestellt bleiben, ob die Nichtigkeit des Wettvertrags grundsätzlich zu einer Nichtigkeit des Vertrags mit dem durchführenden Finanzdienstleister führt (so Philipp Rock/Mareike Seifert "Spiel ohne Reue - Widerrufsmöglichkeiten bei Online-Glücksspielen" ZBB-Report 2008 S. 259 ff); Im vorliegenden Fall jedenfalls ergreift die Nichtigkeit des Wettvertrags auch das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin. Die Klägerin ist nicht einfach irgendein Zahlungsdienstleister, der Zahlungen zwischen allen möglichen denkbaren Parteien durchführt. Ausweislich der vorgelegten Ausdrucke der Internetseite der Klägerin weist diese auf eine Vielzahl von Wettanbietern hin und ist mit diesen verlinkt; so auch mit der Fa. X. Daher muss das Gericht davon ausgehen, dass die Klägerin ihre Finanzdienstleistungen bewusst für den Markt der Online-Wetten und Online-Glücksspiele anbietet und potentiellen Spielern eine einfache Möglichkeit bietet, Online-Spiele zu finanzieren. Das Gericht hat daher keinen Zweifel daran, dass die Klägerin als Kennerin der Branche weiß, dass Glücksspiele außerhalb des Vereinigen Königreiches anders bewertet werden und z.B. in Deutschland strafbar sind. Somit handelte die Klägerin im Wissen der Nichtigkeit der Zahlungsaufträge der Beklagten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Beklagte auf die Nichtigkeit beruft. Aufgrund eines früheren Verfahrens weiß das Gericht, dass sich die Beklagte in der Vergangenheit auch eines deutschen Finanzdienstleisters zur Finanzierung von Wetten genutzt hat. Somit kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie sich bewusst einen ausländischen Finanzdienstleister für die Abwicklung ihrer Wetten gesucht habe.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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