OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.02.2020 - 6 B 11/20
Fundstelle
openJur 2020, 2943
  • Rkr:
Verfahrensgang

Erfolglose Beschwerde in einem Konkurrentenstreit um eine Beförderungsstelle an einer Gesamtschule

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 16.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Soweit die Antragstellerin zur Begründung der Beschwerde auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verweist, genügt dies nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, da sie sich insoweit nicht mit den entscheidungstragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auseinandersetzt und nicht darlegt, aus welchen Gründen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist.

Das übrige Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Beförderungsplanstelle A 13 (Az.: 47.6.12-A 13/36) an der Gesamtschule I. mit der Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Mit dem Beschwerdevorbringen wird die Richtigkeit der hierfür im Einzelnen angeführten Erwägungen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen.

1. Das Vorbringen, der Antragsgegner habe die beiden im Gesamturteil gleichlautenden dienstlichen Beurteilungen von Antragstellerin und Beigeladener nicht im Wege einer Gesamtwürdigung inhaltlich ausgewertet und ausdifferenziert, greift nicht durch.

Die Antragstellerin moniert, im Auswahlvermerk finde sich lediglich der Satz, ein Vergleich der beiden besten dienstlichen Beurteilungen (beide 5 Punkte) von Frau T. und Frau X. - in ihren einzelnen Bausteinen - habe keinen signifikanten Leistungsvorsprung einer der Bewerberinnen ergeben; diese Floskel reiche zur erforderlichen Gesamtwürdigung nicht aus. Sollte die Antragstellerin damit eine Verletzung der aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Dokumentationspflicht hinsichtlich der Auswahlerwägungen rügen wollen, greift dies nicht durch.

Das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und gegebenenfalls durch das Gericht zu ermöglichen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen - deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber durch Akteneinsicht verschaffen kann - wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG.

Vgl. zum Ganzen etwa BVerfG, Beschlüsse vom 25. November 2015 - 2 BvR 1461/15 -, NJW 2016, 309 = juris Rn. 14, 17, und vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, NVwZ 2007, 1178 = juris Rn. 19 ff.; BVerwG, Beschluss vom 20. November 2012 - 1 WB 4.12 -, BVerwGE 145, 102 = juris Rn. 27; OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Februar 2016 - 6 B 1357/15 -, juris Rn. 7, und vom 10. Februar 2016 - 6 B 33/16 -, NVwZ 2016, 868 = juris Rn. 8.

Dies zugrunde gelegt, hat der Antragsgegner hinreichend schriftlich fixiert, dass er die Antragstellerin und die Beigeladene für im Wesentlichen gleich geeignet hält, weil sich aus den Einzelbewertungen der im Gesamturteil jeweils auf 5 Punkte lautenden dienstlichen Beurteilungen kein signifikanter Leistungsvorsprung herleiten lässt. Im Auswahlvermerk ist im Übrigen weiter festgehalten, dass mangels Vergleichbarkeit nicht auf die Vorbeurteilungen zurückgegriffen werden könne und deshalb anhand des Hilfskriteriums Beförderungsdienstalter zu entscheiden sei. Diese Informationen genügten, um der Antragstellerin die Entscheidung zu ermöglichen, ob sie gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen soll.

Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Annahme eines Qualifikationsgleichstandes nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen gerechtfertigt ist. Es hat insoweit nicht anstelle des Dienstherrn eine eigene Gesamtwürdigung vorgenommen, wie die Antragstellerin meint, sondern lediglich anhand der Punktvergabe in den beiden Beurteilungen und den Vorgaben in den Beurteilungsrichtlinien (vgl. Nr. 7.6 der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Leiterinnen und Leiter an öffentlichen Schulen und Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung des für Schule zuständigen Ministeriums, RdErl. d. Ministeriums für Schule und Bildung vom 19. Juli 2017 - 213-1.18.07.03-6214) die Annahme des Antragsgegners nachvollzogen. Die Antragstellerin legt zudem nicht dar, dass und inwiefern die Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu einem anderen Ergebnis mit der Folge eines Leistungsvorsprungs gegenüber der Beigeladenen hätte führen können.

2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin musste der Antragsgegner ihre dienstliche Erfahrung im Bereich des Sozialpraktikums nicht im Sinne eines Erfahrungsvorsprungs berücksichtigen.

Mit der Beschwerde wird nicht dargelegt, aus welchen Gründen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts mit der "Aufgabenbeschreibung" in der Stellenausschreibung ein konstitutives Anforderungsprofil festgelegt sein sollte, das für den Dienstherrn bindend und damit von Bewerbern zwingend zu erfüllen ist. Im Übrigen erscheint zweifelhaft, ob ein solches Anforderungsprofil zulässig wäre. Bezugspunkt der Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts näher ausgeführt hat, grundsätzlich nicht die Funktionsbeschreibung des konkreten Dienstpostens, sondern das angestrebte Statusamt. Es ist nicht erkennbar, dass hier ein Ausnahmefall vorliegt, dass also die Wahrnehmung der Aufgaben des Dienstpostens zwingend Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich des Sozialpraktikums voraussetzt.

Die Antragstellerin stellt ferner die Ergebnisrichtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht in Frage, dass ihre Tätigkeit im Bereich des Sozialpraktikums nicht zu ihren Gunsten in die Auswahlentscheidung eingebunden werden musste. Ob und inwieweit der Dienstherr bei im Übrigen im Wesentlichen gleich geeigneten Bewerbern auf in der Stellenausschreibung genannte fakultative Anforderungen oder auf dienstliche Erfahrungen in Bezug auf den konkreten Dienstposten zurückgreifen darf,

vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschlüsse vom 19. Dezember 2014 - 2 VR 1.14 -, IÖD 2015, 38 = juris Rn. 37, und vom 22. November 2012 - 2 VR 5.12 -, BVerwGE 145, 112 = juris Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 7. Juni 2018 - 1 B 1381/17 -, juris Rn. 23 ff., 35 und 47; Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Auflage 2018, Anhang 1, Rn. 25; siehe aber andererseits BVerwG, Beschlüsse vom 2. Juni 2013 - 2 VR 1.13 -, juris Rn. 18, 28; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. November 2016 - 6 B 1092/16 -, juris Rn. 6 ff., und vom 11. September 2014 - 6 B 880/14 -, juris Rn. 7 ff.,

ist im Streitfall unerheblich. Die Antragstellerin legt jedenfalls nicht dar, dass und warum der Antragsgegner trotz des ihm insoweit zustehenden Gewichtungs- und Wertungsspielraums zwingend verpflichtet gewesen sein soll, ihre Erfahrung im Bereich des Sozialpraktikums als maßgebend zu erachten.

Entsprechendes ergibt sich auch nicht aus den von der Antragstellerin angeführten gerichtlichen Entscheidungen. Zu den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts hat das Verwaltungsgericht bereits das Erforderliche ausgeführt. Die von der Antragstellerin erwähnte Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts stützt ihre Rechtsauffassung ebenfalls nicht, sondern betont den Statusamtsbezug dienstlicher Beurteilungen (OVG NRW, Beschluss vom 21. Juni 2016 - 1 B 201/16 -, IÖD 2016, 164 = juris) bzw. betrifft eine reine Dienstpostenkonkurrenz (OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Juli 2016 - 6 B 487/16 -, NWVBl. 2016, 499 = juris, und vom 14. Juli 2016 - 6 B 653/16 -, IÖD 2016, 223 = juris). Dass nach diesen Beschlüssen auf einem konkreten Dienstposten ein Erfahrungs- bzw. Bewährungsvorsprung erzielt werden kann (und deshalb ein Anordnungsgrund bejaht worden ist), bedeutet nicht, dass ein solcher bei einer Auswahlentscheidung in Bezug auf eine Beförderungsstelle zwingend zu berücksichtigen ist.

3. Die Antragstellerin legt nicht dar, dass und wie der Antragsgegner die vorherigen dienstlichen Beurteilungen zur Grundlage des Qualifikationsvergleichs hätte machen müssen. Sie trägt lediglich vor, es hätte geprüft werden müssen, ob die Beurteilungen nicht hätten vergleichbar gemacht werden können. Dies hat der Antragsgegner ausweislich des Auswahlvermerks aber getan. Auch das Verwaltungsgericht hat die Vergleichbarkeit aus verschiedenen Gründen (Alter der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin, Probezeitbeurteilung vs. Anlassbeurteilung, Auseinanderfallen der jeweiligen Endstichtage) verneint. Damit setzt sich die Antragstellerin in der Beschwerde schon nicht auseinander. Im Übrigen ist es nicht ersichtlich, dass und wie es möglich sein sollte, dienstliche Beurteilungen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Aktualität als Grundlage für einen Leistungsvergleich ungeeignet sind, miteinander kompatibel zu machen.

4. Ohne Erfolg wendet die Antragstellerin ein, der Antragsgegner habe ausweislich des Schreibens vom 20. Dezember 2018 an den Bewerber Q. bereits zu einem Zeitpunkt seine Auswahlentscheidung getroffen, als ihre Beurteilung noch nicht einmal gefertigt gewesen sei. Der Antragsgegner hat hierzu nachvollziehbar erwidert, dass dieses Datum wohl irrtümlich aus einem Vorstück stamme, das Schreiben sei nachweislich erst am 29. April 2019 versandt worden. Dieses Versanddatum ergibt sich in der Tat aus dem Verwaltungsvorgang. Es erscheint auch plausibel, dass die Konkurrentenmitteilung erst kurz zuvor gefertigt worden ist, da ausweislich der Akten die Auswahlentscheidung erst im April 2019 getroffen worden ist. Der Auswahlvermerk datiert aus März/April 2019. Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte sind unter dem 3. April 2019 beteiligt worden. Schließlich ist beim Bewerber Q. die dienstliche Beurteilung auch erst unter dem 16. Januar 2019 erstellt und entsprechend in die Übersicht des Auswahlvermerks aufgenommen worden. Sollte die Konkurrentenmitteilung, wie die Antragstellerin meint, schon am 20. Dezember 2018 erstellt worden sein, ergäbe es im Übrigen keinen Sinn, darin - wie geschehen - anzugeben, dass die bereits am 18. Mai 2018 ausgeschriebene Stelle erst nach dem 24. Mai 2019 besetzt werden soll.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, Sätze 2 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 GKG).

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