SG Düsseldorf, Urteil vom 13.12.2016 - S 7 R 1865/15
Fundstelle
openJur 2020, 2802
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. L 4 R 38/17
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Streitig ist zum einen, ob die letzten Monate vor dem gewünschten Rentenbeginn, in denen sie Arbeitslosengeld bezog, bei der erforderlichen Wartezeit zu berücksichtigen sind und zum anderen, ob sie ggf. aufgrund eines Beratungsfehlers der Beklagten trotz nichterfüllter Wartezeit Anspruch auf die begehrte Rente hat.

Die am 00.00.1951 geborene Klägerin beantragte im Januar 2015 bei der Beklagten die Gewährung einer ungekürzten Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit sofortiger Wirkung und hilfsweise eine Altersrente für Frauen ab Mai 2015. Sie war zuletzt bei einem MC1T-H beschäftigt. Zum 30.06.2014 wurde ihr Arbeitsverhältnis gekündigt. Für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis 29.04.2015 wurde der Klägerin Arbeitslosengeld bewilligt. Außerdem ging sie einer geringfügigen Beschäftigung nach, die sie im Antragsformular auch angab. Am 27.02.2015 führte die Klägerin ein Telefonat mit einem Mitarbeiter der Beklagten. Darin wurde ihr mitgeteilt, dass die Arbeitslosenzeiten ab 08.07.2014 nicht bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte berücksichtigt werden könnten, da die Arbeitslosigkeit nicht durch eine Insolvenz oder eine völlige Geschäftsaufgabe verursacht worden sei. Daher werde die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt mit der Folge, dass kein Anspruch auf die Rente für besonders langjährig Versicherte bestünde. Diese Auskunft wurde der Klägerin auch nochmal schriftlich erteilt. Ihr wurde mitgeteilt, dass 540 Monate Wartezeit erforderlich wären, sie aber nur 532 Monate habe.

Mit Bescheid vom 20.03.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab Mai 2015 Altersrente für Frauen in Höhe von 930,51 EURO netto. Die Rente enthält einen Rentenabschlag in Höhe von 3,3%, da die Rente 11 Monate vorzeitig in Anspruch genommen wurde. Mit weiterem Bescheid vom 13.04.2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab. Bis zum 31.12.2014 enthalte das Konto nur 534 Monate, die auf die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monaten) angerechnet werden könnten.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20.04.2015 Widerspruch. Sie hielt die Regelung, die die Zeiten ihres Arbeitslosengeldbezugs von der Anrechnung bei der Wartezeit ausschließt, für verfassungswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.09.2015 Klage erhoben. Sie trägt vor, seit dem 01.09.2012 beim MC1T-H C2 beschäftigt und für die Bestandsakquise zuständig gewesen zu sein. Außer ihr habe C2 noch eine Sekretärin und eine Auszubildende beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis sei unter anderem auch deshalb zustande gekommen, weil die Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber einen Zuschuss gezahlt hatte, da die Klägerin zuvor arbeitslos gewesen und bei C2im Rahmen eines Minijobs tätig gewesen sei. Nach Ablauf der Förderung und weiteren Monaten der Tragung der vollen Lohnkosten sei eine weitere Beschäftigung der Klägerin für das Büro aus finanziellen Gründen nicht weiter tragbar gewesen. Das Arbeitsfeld der "Bestandsakquise" sei vollständig weggefallen und nach der Kündigung der Klägerin durch einen selbstständigen Versicherungsmakler betreut worden. Dieses Gebiet werde auch in anderen Büros regelmäßig von selbstständigen Versicherungsmaklern bearbeitet. Die Klägerin ist der Auffassung, dass in einem Fall wie bei ihr das Merkmal "vollständige Geschäftsaufgabe" erfüllt sei. Dieses Kriterium werde in keinem anderen Gesetz genannt, an anderen Stellen heiße es beispielsweise "vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland". Es sei nicht klar, wie weit oder auch eng der Begriff zu fassen sei. Nach den Materialien zur Gesetzesbegründung solle die Gefahr des Missbrauchs vermieden werden, es habe kein Fehlanreiz gegeben werden sollen, mit Vollendung des 61. Lebensjahres in die Arbeitslosigkeit und sodann mit 63 in die Altersrente zu gehen. Eine Missbräuchlichkeit liege aber nur vor, wenn tatsächlich eine individuelle Vereinbarung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich sei. Daher sei bei Entscheidungen, in denen eine große Gruppe von Arbeitnehmern betroffen sei, wie zB bei einer Teilbetriebsschließung, davon auszugehen, dass die Voraussetzungen von § 51 Abs. 3a Satz 3 c SGB VI erfüllt seien. Im Fall der Klägerin sei es zu einem kompletten Wegfall des Arbeitsfeldes gekommen, dies sei unter den Begriff der "vollständigen Geschäftsaufgabe" zu fassen. Wenn man dies nicht so sehe, sei zu prü-fen, ob nicht ein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliege, da Fälle der Arbeitslosigkeit wegen Insolvenz oder vollständiger Geschäftsaufgabe anders behandelt würden als sonstige Fälle unverschuldeter Arbeitslosigkeit, ohne das es hierfür eine Rechtfertigung gebe. Die Ungleichbehandlung sei nicht angemessen, da die Gruppe der missbräuchlich beendeten Arbeitsverhältnissen marginal sein dürfte und die Gruppe der durch die Vorschrift belasteten Versicherten, die ohne Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe unverschuldet arbeitslos geworden sind, sehr groß sei. Es sei unverhältnismäßig eine derart große Gruppe von Versicherten zu benachteiligen, indem nur die zweifelsfrei missbrauchsfreien Zeiten der Arbeitslosigkeit berücksichtigt werden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2015 zu verurteilen, der Klägerin anstelle der gewährten Altersrente für Frauen ab 01.01.2015 Altersrente für besonders langjährige Versicherte zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Beteiligten um Mitteilung gebeten, ob die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, durch Verzicht auf die Versicherungsfreiheit im Rahmen ihrer zusätzlich ausgeübten geringfügigen Beschäftigung die ihr fehlenden 6 Monate zu erhalten und wenn ja, ob es eine dahingehende Beratung gegeben hat. Die Klägerin weist darauf hin, dass sie auch weiterhin der bereits damals ausgeübten geringfügigen Beschäftigung im C3 B nachgehe. Diese Beschäftigung sei sowohl der Agentur für Arbeit als auch der Beklagten bekannt gewesen. Die Klägerin habe bereits anlässlich der Aufgabe der Hauptbeschäftigung Kontakt zur Beklagten gehabt, unter anderem wegen der Frage einer etwaigen Schädlichkeit der geringfügigen Beschäftigung bei einer Rentengewährung. Auf die Möglichkeit, das geringfügige Versicherungsverhältnis rentenzuversichern, sei die Klägerin nicht aufmerksam gemacht worden. Sie hätte natürlich bei einem entsprechenden Hinweis von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass es Aufgabe des Arbeitgebers der Klägerin gewesen wäre, diese darüber aufzuklären, dass sie auf die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung verzichten könne. Hätte sie eine entsprechende Erklärung gegenüber ihrem Arbeitgeber abgegeben, wäre sie ab dem Folgetag versicherungspflichtig gewesen. Die Beklagte trägt weiter vor, dass die Klägerin Anfang Juli 2014 bei der Servicestelle in N1 bei T vorgesprochen habe. Dieser sei nunmehr in Rente. T habe über jahrelange Erfahrung verfügt und sei bekannt dafür gewesen, für jeden Versicherten, die für ihn/sie günstigste Lösung zu finden. Aus diesem Grund könne nicht nachvollzogen werden, dass die Klägerin angibt, nicht auf die Möglichkeit einer Versicherungspflicht der geringfügigen Beschäftigung hingewiesen worden zu sein. Von allen Mitarbeitern wurde zu dieser Zeit besonders ausführlich geprüft, ob und wie die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt werden kann, es wurden von N dann Unterlagen zur Kontoklärung eingereicht. Im November 2014 sei erneut über die Rentenanwartschaft gesprochen worden. Im Termin am 13.12.2016 hat das Gericht T als Zeugen vernommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie hinsichtlich des Ergebnisses der Zeugenbefragung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen, die der Kammer vorgelegen haben und deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Der Klägerin hat aufgrund fehlender Wartezeiterfüllung keinen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte (hierzu unter 1.) und sie hat ? trotz einer anzunehmenden Beratungspflichtverletzung der Beklagten ? auch keinen Anspruch auf diese Rente im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (hierzu unter 2.).

1. Gemäß § 236b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) haben Versicherte, die vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, frühestens Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben. Die am 10.03.1951 geborene Klägerin hatte zwar am 01.01.2015 das 63. Lebensjahr vollendet, sie hat jedoch nicht die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt. Auf die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monaten) werden gemäß § 51 Abs. 3a SGB VI Kalendermonate angerechnet mit 1. Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, 2. Berücksichtigungszeiten, 3. Zeiten des Bezugs von a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, b) Leistungen bei Krankheit und c) Übergangsgeld, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt, und 4. freiwilligen Beiträgen, wenn mindestens 18 Jahre mit Zeiten nach Nummer 1 vorhanden sind; dabei werden Zeiten freiwilliger Beitragszahlung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, wenn gleichzeitig Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegen. Die Klägerin hat nur 534 Monate, weitere Monate stünden ihr nur zu, wenn die Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs ab Juli 2014 auf die Wartezeit anzurechnen wären. Dies ist nicht der Fall

Der Bezug des Arbeitslosengelds war weder durch eine Insolvenz noch durch eine vollständige Geschäftsaufgabe bedingt. Der ehemalige Arbeitgeber hat nur einen Teilbereich seiner Arbeiten ausgegliedert und der Klägerin deswegen gekündigt. Dies ist keine "vollständige Geschäftsaufgabe". Es ist auch nicht möglich, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass auch andere Fälle der unverschuldeten Arbeitslosigkeit zu einer Berücksichtigungsfähigkeit des Leistungsbezugs führen. Der Wortlaut gibt eine entsprechende Auslegung nicht her. Sie stünde ferner ganz klar im Gegensatz zum Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber wollte möglichen Missbrauch so gut es geht vermeiden und hat sich ganz bewusst dazu entschieden, nur zwei eng umrissene Fallkonstellationen zu regeln, in denen die Zeiten des Leistungsbezugs auf die Wartezeit anzurechnen sein sollen. So heißt es in der Gesetzesbegründung wörtlich: "Eine Ausnahme gilt für diejenigen Zeiträume des Arbeitslosengeldbezugs, die durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers verursacht wurden, da hier typischerweise nicht von missbräuchlicher Frühverrentung ausgegangen werden kann". (BT- Drucks. 18/3261, S. 20). Es ist nicht zulässig, diese gesetzgeberische Entscheidung über den Weg der Auslegung zu umgehen und einfach weitere Ausnahmetatbestände zu schaffen (so auch Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 90. EL Juni 2016, Rn. 14).

Die Vorschrift ist auch nicht verfassungswidrig. Das LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.2016, L 9 R 695/16) hat hierzu Folgendes ausgeführt:

"Die Regelung der §§ 38, 51, 236b SGB VI verstößt weder zu Lasten des Klägers gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) noch gegen die Garantie des Eigentums (Art. 14 GG) noch sonst gegen höheres Recht. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 117, 272 (300 f.); st. Rspr). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist vom BVerfG nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 68, 287 (301); 81, 108 (117 f.); 84, 348 (359)). Die ab 01.07.2014 in Kraft getretene Bestimmung des § 236b Abs. 1 und 2 SGB VI eröffnet für einen als "besonders langjährig Versicherte" bezeichneten Kreis von Personen, die - wie der Kläger - vor dem 01.01.1953 geboren sind und eine Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben, die Möglichkeit, nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente in einer nicht aufgrund eines verminderten Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI gekürzten Höhe zu beziehen. Hierin liegt eine Besserstellung gegenüber anderen Versicherten desselben Alters, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und eine ungekürzte Altersrente erst mit Erreichung der Regelaltersgrenze (§ 35 Satz 2 i.V.m. § 235 SGB VI) erreichen können bzw. bei vorzeitiger Berentung entsprechende Abschläge in Kauf nehmen müssen. Entsprechendes gilt auch für den Kläger, der zwar über die Bestimmung des § 237 SGB VI eine (vorzeitige) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen konnte, die aber wegen seiner individuellen Altersgrenze von 65 Jahren (§ 237 Abs. 3 SGB i.V.m. Anlage 19) auf Dauer um den Zugangsfaktor 0,072 (24 Monate x 0,03) gekürzt wurde auf den Faktor 0,928 (s. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 u.a., BVerfG (Kammer), Nichtannahmebeschluss vom 05.02.2009, 1 BvR 1631/04; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 77/08 R, Juris). Eine weitere den Kläger treffende Ungleichbehandlung mit anderen Versicherten folgt aus der Regelung des § 51 Abs. 3a SGB VI, wonach Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur unter engen, in seinem Falle nicht vorliegenden Voraussetzungen auf die Wartezeit Anrechnung finden, während etwa frühere Unterbrechungen der Erwerbsbiographie mit Bezug von Arbeitslosengeld unbeachtlich sind bei der Wartezeitberechnung.

Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu Lasten des Klägers ist allerdings mit Blick auf den im Sozialrecht grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, insbesondere was die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (hierzu BVerfGE 106, 166, 175 ff; 111, 160, 169 ff = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 Rdnr. 43 ff; 112, 164, 175 f; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.02.2009 - B 10 KG 2/07 R -, SozR 4-5870 § 1 Nr. 2) und die Bezugsdauer der einzelnen Sozialleistung anbelangt, nicht zu erkennen. Von Verfassungs wegen gefordert ist daher nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung; angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt dem Gesetzgeber im Ergebnis ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn er sich auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (BVerfG, Urteil vom 07.10.2014 ? 2 BvR 1641/11 ?, BVerfGE 137, 108, Rn. 108). Dies ist der Fall.

Vor Inkrafttreten der Novellierung des § 51 Abs. 3a SGB VI bestimmte dessen Nr. 1, dass Pflichtbeiträge wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren nicht berücksichtigt werden konnten, was gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 SGB VI weiterhin für Pflichtbeitragszeiten aufgrund Bezuges von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II gilt. Begründet wird dies gesetzgeberisch damit, dass diese Leistungen von einem Fürsorgecharakter geprägt sind und aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden (BT-Drs. 18/909, S. 20, 21). Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, wie z.B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Eingliederungsgeld, Altersübergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld und Schlechtwettergeld werden demgegenüber grundsätzlich weiterhin für die Wartezeit berücksichtigt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn diese Zeiten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen, es sei denn, es liegt einer der genannten (Rück-)Ausnahmen vor. Mit dieser Regelung sollen nach der gesetzgeberischen Begründung - wie ausgeführt - "Fehlanreize" vermieden werden (BT-Ausschuss-Drs. 18(11)102, S. 2). Zwar ist, worauf das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 03.02.2016, a.a.O., Rdnr. 45) hingewiesen hat, keine tragfähige Grundlage - und erst Recht kein empirischer Beleg - für die Annahme erkennbar, solche "Fehlanreize", wie sie in der Gesetzesbegründung pauschal aufgegriffen werden, prägten das tatsächliche Geschehen in einem solchen Maße, dass andere Gründe für eine Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vor diesem Hintergrund vernachlässigt werden könnten. Auf der anderen Seite entbehrt die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung vermeiden zu wollen, auch nicht eines nachvollziehbaren und vertretbaren Ansatzes. Mit der Einschränkung, Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten bei Arbeitslosigkeit dann nicht für die Erfüllung der Wartezeit zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor dem beabsichtigten Rentenbeginn liegen, sollte verhindert werden, den Eintritt in eine vorzeitige Altersrente im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber weiter nach vorne zu verlagern. Die Erfahrung mit den Frühverrentungsvorhaben der 1990er Jahre hatte gezeigt, dass es regelmä-ßig zu einem dem Rentenbeginn vorgelagerten Bezug von Arbeitslosengeld gekommen war. Nunmehr sollte verhindert oder zumindest erschwert werden, aus der "Rente mit 63" eine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung zu machen (vgl. hierzu Schmidt, Anm. zu dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, jurisPR-SozR 18/2014 Anm. 1; SG Stade, Urteil vom 14.09.2015 - S 9 R 5/15 -, Rdnr. 19, Juris). Soweit diese Regelung daher vor dem Hintergrund der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung als Solidargemeinschaft erfolgt ist, ist sie aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt (vgl. auch BVerfGE 117, 272, 297 Rdnr. 82, Juris). Eines empirischen Nachweises für die befürchteten Fehlanreize und einer dadurch eintretenden konkreten Gefahr von Liquiditätsproblemen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bedarf es mit Blick auf die insoweit bestehende gesetzgeberische Einschätzungsprärogative nicht (BVerfGE 138, 136, Rdnr. 144, Juris).

Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die zum 01.07.2014 eingeführte abschlagfreie "Rente mit 63" nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern eine gesetzliche Privilegierung für einen bestimmten Kreis von Versicherten geschaffen wurde, von der auch andere Versicherte, etwa Personen, die zuvor schon die Altersgrenze erreicht hatten oder eine Altersrente mit Abschlägen bezogen, nicht profitieren konnten (vgl. § 34 Abs. 4 SGB VI). Auch in Bezug auf den Kläger wurde durch die genannte Regelung nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern es wurde ihm - wie anderen Versicherten - lediglich die Teilnahme an einer neu geschaffenen gesetzlichen Vergünstigung verwehrt, was aus den dargestellten Gründen vom weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum umfasst ist. Soweit der Kläger geltend macht, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld in den Jahren 2012 und 2013 auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, verkennt er, dass schon die Vorgängerregelung des § 51 Abs. 3a Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung die Regelung enthielt, dass Zeiten mit Pflichtbeiträgen wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden. Ein Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung konnte daher insoweit nicht begründet werden. Hinzu kommt, dass die in 2012 und 2013 gezahlten Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit nach den allgemeinen rentenrechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Diese sehen ohnehin einen Vorteil für den Versicherten in der Form vor, dass die erfolgten (in Entgeltpunkte umzurechnenden) Beitragszahlungen - ebenso wie alle vorausgegangenen Beiträge - in die Rentenberechnung nach Maßgabe der §§ 64 ff. SGB VI einzustellen sind, so dass diese zu einer entsprechenden Erhöhung der Rentenanwartschaften und -ansprüche führen. Da diese Beitragszahlungen dem Kläger somit rentenrechtlich gut gebracht werden, ist nicht zu erkennen, aus welchem verfassungsrechtlichen oder sonstigen Grund ein Anspruch darauf bestehen sollte, dass der Kläger wegen dieser Sozialleistungen zusätzlich als "besonders langjährig" Versicherter Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente erwirbt, wie sie ansonsten für ihn angesichts seines Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht zugänglich wäre (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Unabhängig davon hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, eine (gegebenenfalls geringfügige) versicherungspflichtige Beschäftigung in den Jahren 2012/2013 aufzunehmen, hieraus Pflichtbeiträge zu entrichten und dadurch die Wartezeit von 45 Jahren bei Vollendung des 63. Lebensjahres zu erfüllen.

Die gesetzliche Regelung ist auch im Lichte des Art. 14 GG nicht zu beanstanden. Zwar ist auch die Anwartschaft auf eine Rente aus eigener Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 117, 272 (292)). Allerdings steht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 53, 257 (293)). Im Hinblick auf die Rentenanwartschaften kann der Gesetzgeber verschiedene Gesichtspunkte wie insbesondere beitragsbezogene und zeitbezogene Kriterien miteinander verschränken, die erst zusammen den realen Wert der Anwartschaft ausmachen. Wenn in bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht (vgl. BVerfGE 116, 96 (125)). Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (vgl. BVerfGE 53, 257 (293); 100, 1 (38); 117, 272 (294); st. Rspr.). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 72, 9 (23); 75, 78 (97 f.)).

Hiervon ausgehend stellen die Vorschriften der §§ 51, 236b SGB VI eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Regelung ist aus den genannten Erwägungen durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und entspricht auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zudem ist (nochmals) darauf hinzuweisen, dass durch die gesetzliche Neuregelung in Bezug auf die 2012 und 2013 erworbenen Rentenanwartschaften aus dem Bezug von Arbeitslosengeld keine nachträgliche Änderung eingetreten ist, da diese - wie ausgeführt - schon im Zeitpunkt ihrer Begründung nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen waren - und auf der anderen Seite die in dieser Zeit gezahlten Pflichtbeiträge auch nach der Neuregelung zum 01.07.2014 weiterhin ungeschmälert bei der Rentenhöhe berücksichtigt werden."

Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an.

Soweit das LSG Niedersachen-Bremen (Urteil vom 02.03.2016, L 2 R 517/15) in Hinblick auf die begrenzte Ausnahme für Insolvenzen und vollständige Geschäftsaufgaben verfassungsrechtliche Bedenken hatte, muss hierauf nicht näher eingegangen werden. Denn auch das LSG Niedersachen-Bremen kam nicht zu einem Leistungsanspruch für den Fall einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit, da es davon ausging, dass die Regelungen zur abschlagsfreien Rente mit 63 für besonders langjährig Versicherte ebenso verfassungsrechtlich bedenklich in Hinblick auf eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung seien. Wörtlich heißt es hierzu:

"Mithin ist festzuhalten, dass ein strengerer Maßstab an die Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit der den Regelungen der §§ 38, 236b und 51 Abs. 3a SGB VI zugrunde liegenden gesetzgeberischen Privilegierungsentscheidungen durchgreifende Zweifel an der pauschalen Nichtberücksichtigung von Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn begründen dürfte, zugleich aber auch im Ausgangspunkt gleichermaßen durchgreifende Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der mit der besonderen abschlagsfreien Altersrente gemäß §§ 38, 236b SGB VI verbundenen Privilegierung der besonders langjährig Versicherten nach sich ziehen würde. Im Ergebnis wäre damit für den Kläger nichts gewonnen. Ein dem Gleichbehandlungsgebot widersprechender Ausschluss von einer ihrerseits mit diesem Gebot nicht in Einklang zu bringenden Privilegierung vermag von Verfassungs wegen keinen Anspruch auf eine Einbeziehung in eben diese Privilegierung zu begründen."

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch, über das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die begehrte Rente zugesprochen zu bekommen. Voraussetzung für die Annahme eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist, dass eine sich aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis ergebende Pflicht des Sozialversicherungsträgers besteht, diese dem Sozialversicherungsträger gerade dem Versicherten gegenüber obliegt und dass diese Pflicht objektiv rechtswidrig oder schlecht erfüllt worden ist. Ferner muss die Pflichtverletzung zumindest gleichwertig einen dem Sozialleistungsträger zurechenbaren sozialrechtlichen Nachteil verursacht haben. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist grundsätzlich und soweit notwendig rechtlich und tatsächlich der Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre und der Träger sich rechtmäßig verhalten hätte (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2003, B 4 RA 13/03). Die Kammer ist nach den Äußerungen der Klägerin im Termin und der Aussage des Zeugen T davon überzeugt, dass die Beklagte eine ihr gegenüber der Klägerin obliegende Beratungspflicht verletzt hat. Es steht fest, dass der Klägerin nur 6 Monate Pflichtbeiträge gefehlt hätten, um ab dem 01.01.2015 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu erhalten. Es steht auch fest, dass sie einer geringfügigen Beschäftigung nachging, die ? da sie schon vor 01.01.2013 ausgeübt wurde ? versicherungsfrei war, bei der sie aber auf die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung hätte verzichten können. Die geringfügige Beschäftigung war bei der Beklagten auch aktenkundig, sie ergibt sich zB aus dem Versicherungsverlauf der Klägerin. Als die Klägerin im Juli 2014 bei T vorgesprochen hatte, um sich über ihre Rentenanwartschaft zu informieren, hätte man angesichts des Alters der Klägerin (sie war zu diesem Zeitpunkt schon 63 Jahre alt) und der seit Juli 2014 bestehenden Arbeitslosigkeit darauf hinweisen müssen, dass ihr bisher noch ein paar Monate fehlen, um eine abschlagsfreie Altersrente mit 63 Jahren beziehen zu können, dass sie aber die fehlenden Monate durch Verzicht auf die Versicherungsfreiheit in ihrer geringfügigen Beschäftigung noch hätte erwerben können. Bei Verzicht auf die Versicherungsfreiheit hätte die Klägerin im Jahr 2014 einen Beitrag von 18,9 %, mindestens auf Basis eines Gehalts von 175 EURO (§ 163 Abs. 8 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2013), entrichten müssen. Dies wären 33,08 EURO monatlich gewesen. Sie bezog aus ihrer Beschäftigung ein Entgelt von rund 100,00 EURO im Monat, 15 % hiervon hätte der Arbeitgeber bezahlt (= 15 EURO), die Klägerin hätte somit etwas unter 20 EURO im Monat selbst zahlen müssen, um weitere Rentenbeiträge zu erwerben. Allein der Abschlag, den die Klägerin bei ihrer zurzeit bezogenen Rente hat, liegt bei über 30 EURO im Monat. Hinzu kommt der Nachteil, den sie durch den längeren Bezug des (um mehrere hundert Euro niedrigeren) Arbeitslosengelds anstelle der Altersrente erlitten hat. Jeder vernünftig denkende Versicherte hätte in dieser Situation bei entsprechender Kenntnis den Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit in der geringfügigen Beschäftigung erklärt. Dies gilt auch für den Fall, dass der Klägerin nach Aktenlage Stand Juli 2014 ggf. noch mehr Monate gefehlt hätten (vorher standen mal 8 im Raum), denn auch in diesem Fall hätte der Verzicht auf die Versicherungsfreiheit nur Vorteile für die Klägerin gehabt. Die Klägerin machte auf die Kammer einen glaubwürdigen und sehr vernünftigen Eindruck, außerdem war die Kammer aufgrund der Aktenlage und der Schilderungen im Termin davon überzeugt, dass die Klägerin sich in der Vergangenheit sehr gewissenhaft um ihre Versicherungsangelegenheiten gekümmert hat, dafür spricht auch die vorausschauende Vorsprache beim Rentenversicherungsträger im Juli 2014 und somit mehrere Monate vor einem etwaigen Rentenbezug. Die Kammer war angesichts dieser Umstände davon überzeugt, dass die Klägerin den erforderlichen Verzicht erklärt hätte, wenn sie von der Beklagten über die hieraus resultierenden Vorteile aufgeklärt worden wäre. Aus diesem Grund sprechen alle Umstände dafür, dass die Klägerin genau diesen Hinweis ? wie sie auch selbst angegeben hat ? nicht bekommen hat. Der Zeuge T, der das Beratungsgespräch mit der Klägerin geführt hatte, konnte sich an die Klägerin nicht erinnern. Er konnte daher keine Umstände anführen, die Zweifel an der Überzeugung der Kammer an der Wahrheitsgemäßheit der Angaben der Klägerin hätten wecken können. Der von ihm aufgenommene Vermerk ist sehr kurz und lässt ebenfalls nicht erkennen, dass über die Möglichkeit des Beitragserwerbs durch Verzicht auf die Versicherungsfreiheit gesprochen worden wäre. Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, es wäre Aufgabe des Arbeitgebers und nicht der Beklagten gewesen, die Klägerin über die Möglichkeit des Verzichts aufzuklä-ren, folgt die Kammer dem nicht. Der Arbeitgeber der Klägerin hätte nur allgemein dar-über aufklären können, dass es die Möglichkeit des Verzichts gibt. Das hat er vielleicht sogar getan. Aber nur die Beklagte hatte angesichts der bei ihr gespeicherten Daten die Möglichkeit, zu erkennen, dass es sich im Fall der Klägerin geradezu aufdrängte, diesen Verzicht angesichts der Arbeitslosigkeit ab Juli 2014 auch tatsächlich zu erklären. Aufgrund dessen ist es der Beklagten zuzurechnen, dass es diesen Hinweis trotz eines durchgeführten Beratungsgesprächs, in welchem es u.a. um die Rente ab 63 ging (siehe Vermerk "LEAT 63" im Beratungsprotokoll vom 02.07.2014, der laut der Aussage von T bedeutet, dass über eine Rente ab 63 gesprochen wurde), nicht gegeben hat. Der Klägerin ist aufgrund dieses Beratungsfehlers auch kausal ein Schaden entstanden, da sie wegen der fehlenden Beitragsmonate zum einen erst noch rund vier Monate lang das niedrigere Arbeitslosengeld bezogen hat und zum anderen ab 01.05.2015 nur die Altersrente für Frauen mit einem Abschlag von 3,3 % beziehen konnte. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass kein Beratungsfehler im Termin am 02.07.2014 anzunehmen wäre, ein Beratungsfehler anlässlich der Antragstellung im Januar 2015 zu prüfen wäre. Hier wäre die Schadensberechnung etwas anders, da die Klägerin bei Erklärung des Verzichts auf die Versicherungsfreiheit im Januar 2015 erst nach 6 Monaten Anspruch auf die Rente für besonders langjährig Versicherte gehabt hätte mit der Folge, dass sie ggfs. 2 Monate ohne Einkünfte gewesen wäre (wobei ein etwaiger Anspruch nach dem SGB II/SGB XII zu prüfen wäre), aber dies wäre angesichts des für immer bestehenden Abschlags von über 30 EURO monatlich ggf. "das kleinere Übel" gewesen. Dies konnte die Kammer dahinstehen lassen, da sie den Beratungsfehler am 02.07.2014 angenommen hat. Ein Anspruch auf die begehrte Altersrente für besonders langjährig Versicherte scheitert jedoch daran, dass die Beklagte ihren Fehlern nicht durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln beheben kann. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf der Rechtsfolgenseite auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Der Herstellungsanspruch kann einen Versicherungsträger somit nur zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten, das rechtlich zulässig ist. Umgekehrt bedeutet dies: In Fällen, in denen der durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann, bleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R m.w.N). Hätte die Beklagte die Klägerin ordnungsgemäß beraten, hätte diese gegenüber ihrem Arbeitgeber, bei dem sie der geringfügigen Beschäftigung nachging (C3 B), eine Erklärung abgegeben, dass sie auf die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung verzichtet. Mit Eingang dieser Erklärung wäre das geringfügige Beschäftigungsverhältnis ab dem Folgetag sozialversicherungsrechtlich umgestaltet worden. Die Beklagte kann nicht einfach so tun als ob es diese Erklärung mit deren Wirkung tatsächlich gegeben hat. Der Kläger bleibt damit aus Sicht der Kammer nur die Möglichkeit, ihren Schaden im Wege des Amtshaftungsanspruchs geltend zu machen, für den die Sozialgerichtsbarkeit jedoch nicht zuständig ist (vgl. Art. 34 GG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Da die Klage eine wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, kommt es auf den Wert des Streitgegenstandes nicht an (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

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