LG Mönchengladbach, Urteil vom 09.10.2018 - 1 O 27/17
Fundstelle
openJur 2020, 1154
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger, ein selbstständiger Versicherungsvertreter, macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen eines Vorfalls am 29.07.2016 im Haus xxxxxxx in xxxxxxxx Mönchengladbach geltend.

Der Beklagte war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vorfalls der Eigentümer der vorgenannten Immobilie und bot diese zum Kauf an. Bei der Immobilie handelt es sich um eine Doppelhaushälfte mit versetzt angeordneten Teiletagen und einem Pultdach. Der Kläger, der Interesse an der Immobilie hatte, vereinbarte mit der von dem Beklagten beauftragten Maklerin, der Zeugin xxxxxx, einen Besichtigungstermin für den 29.07.2016.

Neben dem Kläger und der Zeugin xxxxxxx nahmen an diesem Termin für den Beklagten, der krankheitsbedingt an der Wahrnehmung gehindert war, der Zeuge xxxxxxx, sowie die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin xxxxxx, teil.

Nachdem alle 4 Personen das Souterrain und die Räume im Erdgeschoss besichtigt hatten, bestiegen der Kläger und der Zeuge xxxxxx über eine Leiter den Dachboden, auf dem sich eine Ausbaureserve für ein Büro befand. Die Zeuginnen xxxxxxx und xxxxxx begaben sich währenddessen wieder ins Souterrain.

Bereits kurz nach dem Betreten des Dachbodens stürzte der Kläger in den darunter befindlichen Raum, wobei die Einzelheiten des Sturzes zwischen den Parteien streitig sind.

Durch den Lärm und den Schrei des Klägers angelockt, rannten die Zeuginnen xxxxx und xxxx zurück ins Erdgeschoss und fanden den Kläger verletzt auf dem Boden. Zudem lagen Holzsplitter auf dem Boden.

Der Kläger wurde ins xxxxxxxxx-Krankenhaus verbracht, wo festgestellt wurde, dass er sich die rechte Schulter ausgekugelt hatte. Zudem hatte er zahlreiche Schürfwunden am Rücken und dem rechten Ellenbogen.

In der Folgezeit wurde er bis zu 30.11.2016 krankgeschrieben, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Krankschreibung unfallbedingt erfolgt ist.

Der Kläger behauptet, dass der Zeuge X1 den Dachboden als Ausbaureserve angepriesen und dem Kläger erklärt habe, dass man in dem Teil des Dachbodens, der eine ausreichende Stehhöhe aufweise, ein kleines Büro einrichten könne. Der Kläger habe nicht von sich aus den Wunsch geäußert, den Dachboden zu besichtigen. Dies sei ihm vom Zeugen xxxxxx angeboten worden. Der Dachboden habe über eine bereits dort befindliche Leiter erreicht werden können, die der Zeuge xxxxxxxx - insoweit unstreitig - zuerst erklomm.

Auf dem Dachgeschoss habe sich sodann ein durchgängiger Boden befunden. Er habe Dachlatten gesehen, aus denen Nägel herausgeragt haben. Hierauf habe er den Zeugen X1 aufmerksam gemacht. Er habe sich sodann vorsichtig ein zwei Schritte auf dem Dachboden bewegt, um nicht in einen der Nägel zu treten. Als er eine Stelle des Dachbodens in der Nähe der Luke betreten habe, habe der dort befindliche Boden unter seinem Gewicht nachgegeben und der Kläger sei eine Etage tiefer in den darunter befindlichen Raum gestürzt. Er sei bei dem Sturz mit der rechten Schulter genau auf einem in dem darunter liegenden Zimmer befindlichen Schreibtisch gelandet und von dort auf den Boden gefallen. Bei einem Blick nach oben sei erkennbar gewesen, dass der Kläger durch eine vergleichsweise dünne Holzplatte durchgebrochen sei, die auf dem Boden des Dachbodens über eine dort an sich vorhandene Öffnung im Dachboden verlegt worden sei. Dies sei bei der Besichtigung des Erdgeschosses weder aufgefallen, noch - dies ist insoweit unstreitig - wurde der Kläger hierauf vor der Besichtigung des Dachbodens hingewiesen. Auch vom Dachboden aus sei die Öffnung nicht erkennbar gewesen.

Des Weiteren behauptet der Kläger, dass der Zeuge xxxxx, der unstreitig ins Krankenhaus nachkam, ihm gegenüber mehrfach erklärt habe: "Ich hätte sie da nicht hochgehen lassen dürfen."

Der Kläger behauptet weiter - was seitens des Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird - dass er zunächst unter starken Schmerzen gelitten habe und für einen Zeitraum von ca. 8 Wochen eine Manschette habe tragen müssen, die das wieder eingekugelte Schultergelenk fixiert habe. Im Anschluss hieran habe für weitere 4 Wochen stundenweise auf das Tragen der Manschette verzichtet werden können. Erst danach sei das Tragen der Manschette entbehrlich gewesen.

Selbstständiges Fahren mit einem Fahrzeug sei aufgrund der Verletzung für ca. 12 Wochen ausgeschlossen gewesen. Aus diesem Grund habe die Zeugin xxxxxx den Kläger zu seinen Arztterminen und einzelnen Kundenterminen begleitet und währenddessen im Auto gewartet. In der Zeit vom 29.07.2016 bis 28.08.2016 seien hierfür insgesamt 46 Stunden, und in der Zeit vom 30.08.2016 bis zum 30.09.2016 weitere 42 Stunden angefallen.

Da der Kläger unstreitig Rechtshänder ist, habe er sämtliche Dinge des täglichen Lebens wie Anziehen von Kleidung, Duschen, Essen usw. über einen Zeitraum von 12 Wochen nicht selbstständig erledigen können. Dies habe zur Folge gehabt, dass die Zeugin xxxxxxx ihn über den ganzen Tag verteilt habe unterstützen müssen. Innerhalb der ersten 8 Wochen nach dem Vorfall seien hierfür 4 Stunden pro Tag erforderlich gewesen. Insgesamt sei für die Unterstützungsleistungen der Zeugin xxxxxx in den ersten 8 Wochen nach dem Vorfall daher ein Gesamtaufwand von 120 Stunden angefallen.

Auch die Arbeiten im Haushalt, die er sich mit seiner Lebensgefährtin geteilt habe, habe er über 8 Wochen nicht ausführen können. Hierunter seien Kochen, Waschen, Aufräumen, Putzen, kleinere handwerkliche Tätigkeiten und ähnliches zu verstehen, wobei die wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden betrage. Ferner habe er die Gartenarbeit im etwa 500 m2 großen Garten, die wöchentlich 4 Stunden in Anspruch nehme, bis zu dem Vorfall allein erledigt. Aufgrund seiner Verletzung habe er 70 % der Haus- und Gartenarbeit nicht mehr erledigen können, was einem Zeitaufwand von 17 Stunden wöchentlich entspreche. Diese Arbeiten seien von der Zeugin xxxxxx kompensiert worden, woraus sich ein zusätzlicher Arbeitsaufwand in den ersten 8 Wochen nach dem Vorfall von 136 Stunden ergebe. In den darauf folgenden 4 Wochen habe sich der zusätzliche Aufwand um 50 % reduziert, sodass sich in dieser Zeit lediglich ein Zeitaufwand von 64 Stunden ergebe.

Für die zusätzlichen Pflegeleistungen, Fahrdienste und Zusatzarbeiten im Haushalt und Garten sei ein Stundensatz von 15,00 € üblich und angemessen. Insgesamt sei dem Kläger daher ein Schaden in Höhe von 4.800,00 € entstanden.

Darüber hinaus habe er seine Tätigkeit als selbstständiger Versicherungsvertreter nicht vollumfänglich wahrnehmen können, da ihm Kundenbesuche, von denen er vor seinem Unfall täglich 5 -7 erledigt habe, nicht mehr möglich gewesen seien. Der konkrete Verdienstausfall sei aufgrund der zeitlich versetzten Zahlung von Provisionen noch nicht abschließend bezifferbar.

Ferner behauptet der Kläger, dass die Beweglichkeit seines rechten Arms gegenüber der Zeit vor dem Unfall dauerhaft eingeschränkt sein werde.

Der Kläger habe darüber hinaus seit dem Vorfall kein Golf mehr spielen können, sodass er die monatlichen Beiträge für seinen Golfclub in Höhe von 125,00 € nutzlos aufgewendet habe. In der Zeit von August bis Dezember 2016 sei ihm daher ein Schaden von 625,00 € entstanden.

Zudem habe er einen geplanten Urlaub mit einem Motorboot stornieren müssen, wobei ein Teilbetrag in Höhe von 64,48 € nicht zurückgezahlt worden sei.

Schließlich habe er bei der Krankenversicherung für sturzbedingte Behandlungen eine Selbstbeteiligung von 70,00 € zahlen müssen.

Für die vorgerichtliche Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten und dessen Haftpflichtversicherung habe er Kosten in Höhe von 1.029,35 € gehabt.

Der Kläger beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2016, mindestens jedoch 9.000,00 € zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.559,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung sowie 1.029,35 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

3. Es wird festgestellt. dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den im Klageantrag zu 2.) geltend gemachten Betrag hinaus sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Vorfall vom 29.07.2016 künftig entstehen, zu ersetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, was seitens des Klägers mit Nichtwissen bestritten wird, dass der Dachboden zum einen über eine Luke über dem Essbereich und zum anderen über eine Luke in einem kleinen Flur zum Schlaf- bzw. Badezimmer erreichbar sei. Die Luke im Essbereich verfüge über eine feste deckengleiche Klappe, während die Luke im Flur mit einer Spanplatte, die mit einer Stoffbahn bespannt sei, abgedeckt gewesen sei. Die Öffnung habe eine Größe von 0,6 m x 1,5 m und verfüge nicht über eine eigene Treppenkonstruktion, sondern sei über eine Anlegeleiter, die nur bis zur Laibung der Bodenluke rage, erreichbar.

Das Betreten des Dachbodens gehöre normalerweise nicht zum Besichtigungsprogramm. Als der Kläger jedoch den Wunsch geäußert habe, den Dachboden zu besichtigen, habe der Zeuge xxxxxxx die Leiter geholt und angelegt. Er habe die mit Stoff umwickelte Holzplatte beiseitegeschoben und - dies ist insoweit unstreitig - stieg die Leiter zuerst herauf, um das Licht anzuschalten. Der Zeuge xxxxxx habe sich dann umgedreht, um dem Kläger Bescheid zu geben, dass er nun die Leiter hochsteigen könne. Hierbei habe er gemerkt, dass ihm der Kläger bereits auf den Dachboden gefolgt sei. Die Stehhöhe in diesem Bereich habe 1,20 m betragen. Der Zeuge habe dann gesehen, wie der Kläger durch die soeben durchkletterte Bodenluke an der Leiter vorbei in den Zwischenflur und den dort befindlichen Sessel gefallen sei und dann auf dem Fußboden zwischen dem Sessel und einem Beistellschrank liegen geblieben sei. Der Kläger habe sich beim Aufrichten auf dem Dachboden keinen sicheren Halt verschafft und einen Schritt zurück gemacht, weshalb er durch die Öffnung nach unten gefallen sei. Er sei insbesondere nicht durch irgendeinen Bodenbereich durchgebrochen.

Darüber hinaus sei es für eine Besichtigung des Dachbodens ausreichend gewesen, nur so weit die Leiter zu besteigen, bis er mit dem Kopf ausreichende Sichtmöglichkeiten gehabt hätte. Ein Betreten des Dachbodens sei nicht erforderlich gewesen. Hierzu sei er nicht aufgefordert worden.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass ihm keine Verkehrssicherungspflichtverletzung zur Last gelegt werden könne. Der Zeuge X1 hat unstreitig das Licht eingeschaltet, sodass der Dachboden beleuchtet gewesen ist. Auch draußen sei es hell gewesen. Auch versteckte Stolperfallen habe es nicht gegeben. Schließlich habe dem Kläger nicht verborgen bleiben können, dass es keine Sicherungen an der Leiter und der Öffnung gegeben habe.

Jedenfalls sei dem Kläger aber ein erhebliches Mitverschulden anzurechnen, welches ein etwaiges Verschulden des Beklagten vollständig verdränge.

Der Beklagte behauptet ferner, dass die Einschränkungen des Klägers durch das ausgekugelte Schultergelenk nach 2- 3 Wochen soweit abgeklungen seien, dass er keine Hilfe bei den alltäglichen Verrichtungen mehr gebraucht habe. Auch hätte er spätestens nach 3 Wochen mit einem Automatikwagen wieder Autofahren können. Zudem sei der geltend gemachte zusätzliche Pflege- und Betreuungsaufwand nicht erforderlich gewesen.

Da der Kläger seinen Urlaub unstreitig bereits vor dem Sturz gebucht und bezahlt hatte, sei sein Vermögen durch den Nichtantritt der Reise aufgrund des Vorfalls nicht gemindert worden. Vielmehr habe er eine Erstattung erhalten, die sein Vermögen noch gemehrt habe. Es handele sich insoweit um eine frustrierte Aufwendung, die keinen Schadenscharakter besitze.

Dass die gezahlte Selbstbeteiligung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Sturz stehe, sei nicht erkennbar.

Schließlich bestreitet die Beklagte, dass der Kläger die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten beglichen habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 07.08.2018 (Bl. 88 GA) durch Vernehmung der Zeugen xxxxx und xxxxxx, sowie durch Inaugenscheinnahme der Lichtbilder auf Bl. 41, 42, 45 GA und der Skizze auf Bl. 44 GA.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.559,48 € und auf Schmerzensgeld in Höhe von 9.000,00 € zu.

1.

Ein solcher Anspruch folgt zunächst nicht aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 2, 249, 253 Abs. 2 BGB.

a)

Vorliegend bestand zwischen den Parteien zwar ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB, da der Besichtigungstermin eines Kaufinteressenten mit dem Verkäufer bzw. von diesem beauftragten Personen der Anbahnung eines Kaufvertrages dient.

Für die Annahme einer Vertragsanbahnung reicht nämlich bereits die Aufnahme von Vorgesprächen, durch die die Möglichkeit späterer vertraglicher Beziehungen ausgelotet werden soll, aus (vgl. BGH, Beschluss vom 04. März 2009 - XII ZR 198/08 -, juris; MüKoBGB/Emmerich BGB § 311 Rn. 45-47, beckonline).

b)

Jedoch hat weder der Beklagte selbst, noch der für ihn als Erfüllungsgehilfe i.S.d. § 278 BGB handelnde Zeuge X1 eine Pflicht dieses vorvertraglichen Schuldverhältnisses verletzt.

In Betracht kommt hier allein ein Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht des Beklagten zur Absicherung des Dachbodens bzw. das Unterlassen eines gebotenen Sicherheitshinweises.

Nach einer stehenden Formulierung der Rechtsprechung umfasst die rechtlich gebotene Verkehrssicherung diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Danach bestehen Verkehrspflichten immer nur im Rahmen der dem Sicherungspflichtigen in der konkreten Handlungssituation ex ante zur Verfügung stehenden faktischen und rechtlichen Handlungsmöglichkeiten (MüKoBGB/Wagner BGB § 823 Rn. 421-423, beckonline). Die Sorgfaltspflichten enden hierbei nicht erst am empirischtechnisch und rechtlich Möglichen, sondern bereits an der Grenze des Zumutbaren. Soweit sich die vom Geschädigten erlittene Rechtsgutsverletzung nicht durch zumutbare Sorgfaltsmaßnahmen hätte verhindern lassen, kann sie dem Schädiger nicht als "Unrecht" vorgeworfen werden, sondern ist vom Geschädigten als "Unglück" hinzunehmen (vgl. MüKoBGB/Wagner BGB § 823 Rn. 421-423, beckonline). Dabei muss der Sicherungspflichtige allerdings nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen. Eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist praktisch nicht erreichbar. Vielmehr sind Vorsorgemaßnahmen nur dann geboten, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung anderer ergibt (OLG Hamm, NZV 1997, 43 m. w. Nachw.). Dies ist dann zu bejahen, wenn eine Gefahrenquelle trotz Anwendung der von den Verkehrsteilnehmern zu erwartenden eigenen Sorgfalt nicht rechtzeitig erkennbar ist oder diese sich auf die Gefahrenlage nicht rechtzeitig einstellen können (vgl. BGH, VersR 1979, 1055). Dabei wird die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von den Benutzern hinzunehmenden Erschwernissen ganz maßgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt, die sich wesentlich an dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche und der Verkehrsbedeutung orientieren (OLG Hamm, Urteil vom 13. Januar 2006 - 9 U 143/05 -, Rn. 9, juris).

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Maßstäbe steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit, die vernünftigen Zweifel Schweigen gebietet, ohne diese gänzlich auszuschließen, fest, dass der Beklagte gebotene Vorsorgemaßnahmen unterlassen hat. Denn bereits aus den übereinstimmenden Bekundungen des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung und des Zeugen X1, sowie der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder und Skizzen der Örtlichkeit, ergibt sich für das erkennende Gericht eine Situation, in der die vorhandene Gefahrenquelle für den Kläger bei Anwendung der zu erwartenden eigenen Sorgfalt rechtzeitig erkennbar war und er sich auf die Gefahrenlage zudem rechtzeitig hätte einstellen können.

Dies ergibt sich zunächst daraus, dass der Kläger im Rahmen seiner Anhörung angegeben hat, dass ihm der Dachboden als "Ausbaureserve" beschrieben worden sei. Ihm war daher bereits vor dem Betreten des Dachbodens bekannt oder jedenfalls ohne weiteres erkennbar, dass der Dachboden gerade nicht ausgebaut und zum Zeitpunkt der Besichtigung - jedenfalls nicht zu Wohnzwecken - genutzt wurde. Dieser Eindruck hat sich zudem bestätigt, nachdem er den Dachboden betreten hatte, sodass er spätestens dann die gebotene Vorsicht hätte walten lassen müssen.

Ferner hat er angegeben, dass die Leiter - unabhängig davon, ob sie bereits dort stand, oder - so der Vortrag des Beklagten - noch geholt und angelegt werden musste - an die Luke angelehnt und nirgendwo befestigt gewesen sei. Zudem habe sie nur bis zur Laibung der Luke gereicht. Für den Kläger war vor diesem Hintergrund offensichtlich, dass es keinen fest installierten und, z.B. durch ein Geländer, abgesicherten Zugang zu dem Dachboden gab. Dies verbunden mit dem Umstand, dass die Leiter zudem nur bis zur Laibung der Dachluke reichte und der Dachboden selbst nicht ausgebaut war, musste dem Kläger vor Augen führen, dass die vorhandene Konstruktion lediglich ein Provisorium darstellte und daher besondere Sorgfalt beim Betreten des Dachbodens erforderlich ist.

Die weitere Angabe des Klägers, es sei weder vom Boden noch vom Dachboden aus ersichtlich gewesen, dass die Luke tatsächlich viel größer sei als die vorhandene Öffnung, durch die er und der Zeuge X1 den Dachboden betreten haben, ist durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder widerlegt.

Auf dem Lichtbild auf Bl. 41 GA ist die gesamte Länge der vorhandenen Bodenöffnung ohne weiteres erkennbar, selbst wenn nach dem übereinstimmenden Vortrag des Klägers und der Zeugen xxxx und xxxxxx nur der linke vordere Teil, an den die Leiter angelehnt war, tatsächlich geöffnet und der Rest abgedeckt war. Dem steht auch nicht entgegen, dass dort eine Stoffbahn unter der Abdeckung angebracht war, denn nach den Angaben der Zeugin xxxxx habe es sich um einen gazeartigen Stoff gehandelt, durch den man die Decke darüber habe erkennen können. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts war die bauliche Konstruktion, die auf Bl. 41 GA zu erkennen ist, daher nicht durch den angebrachten Stoff verdeckt, sodass aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittsbürgers, der zudem über die Kenntnisse des Klägers in Bezug auf die Ausbaumöglichkeiten des Dachbodens verfügte, erkennbar war, dass die eigentliche Dachbodenöffnung größer als die tatsächliche Öffnung war.

Darüber hinaus war die provisorische Abdeckung jedenfalls dann erkennbar, wenn man sich auf dem Dachboden befand. Dies ist auf dem Lichtbild Nr. 4 auf Bl. 42 GA erkennbar. Dahingestellt bleiben kann insoweit, ob an dem Schadentag die Abdeckung der Lukenöffnung mittels Spanplatte erfolgte, wie es der Kläger und die Zeugin Haaß bekundeten und auf dem Lichtbild auf Bl. 42 GA erkennbar ist, oder ob dort vielmehr mehrere 30 cm tiefe Holzlatten über die Öffnung gelegt wurden, von denen die vorderen weggeklappt waren, wie es der Zeuge xxxxxx darstellte. Denn jedenfalls ist bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt und unter Berücksichtigung des unstreitigen Umstands, dass der Dachboden beleuchtet war, eindeutig erkennbar, dass etwaige Latten oder Platten lediglich auf die vorhandene Öffnung gelegt wurden und gerade keinen Teil des festen Dachbodenbodens darstellen. Dies folgt zum einen aus der Überlappung der Holzelemente bzw. der Platte, die am linken Lukenrand erkennbar ist und zum anderen daraus, dass die über die Öffnung laufende Kante der Platte bzw. der Holzlatte keine sichtbare Abtrennung zu dem sich anschließenden "Boden" hat, wie es beispielsweise an der linken Kante der Öffnung zu sehen ist.

Vor dem Hintergrund, dass die baulichen Gegebenheiten für den Kläger bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt ohne weiteres erkennbar waren, war auch kein Warnhinweis des Zeugen X1 erforderlich.

c)

Aber selbst dann, wenn man von dem Vorliegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten ausgehen wollte, ist dem Kläger ein Mitverschulden anzurechnen, welches ein etwaiges Verschulden des Beklagten vollständig verdrängt, § 254 Abs. 1 BGB.

Weder nach dem eigenen Vortrag des Klägers, noch nach den Angaben der Zeugen xxxxxx und xxxxxxx, wurde der Kläger dazu aufgefordert, den Dachboden zu betreten, Vielmehr ist ihm eine Besichtigung des Dachbodens angeboten worden, die ohne weiteres auch auf der Leiter stehend hätte durchgeführt werden können. Die Entscheidung den Dachboden zu betreten hat der Kläger mithin eigenverantwortlich getroffen und zwar obwohl für ihn, wie bereits ausgeführt, erkennbar war, dass der Dachboden nicht fertiggestellt und die vorhandene Konstruktion ein Provisorium war.

Dass er dennoch die gebotene Sorgfalt nicht eingehalten hat, sich die örtlichen Gegebenheiten nicht ausreichend angeschaut hat und ohne weitere Nachfrage an den Zeugen davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Abdeckung um einen festen Boden handelt (vgl. Bl. 87 GA), führt zu einem Mitverschulden, welches ein etwaiges Verschulden des Beklagten vollständig verdrängt.

2.

a)

Ferner folgt ein Anspruch des Klägers auch nicht aus §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB, da auch insoweit Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten ist. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden, wonach eine solche nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen wurde.

b)

Auch für den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB würden für den Fall der Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung die obigen Ausführungen zu einem Mitverschulden des Klägers entsprechend geltend, sodass auch in diesem Fall ein Anspruch des Klägers aufgrund seines überwiegenden Mitverschuldens ausscheiden würde.

3.

Ein Anspruch aus §§ 831, 249, 253 Abs. 2 BGB scheitert bereits daran, dass der Zeuge X1 mangels Weisungsgebundenheit kein Verrichtungsgehilfe des Beklagten war. Jedenfalls kann ihm jedoch vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen auch keine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden.

4.

Schließlich folgt ein Anspruch auch nicht aus §§ 836 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB.

Gemäß § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Besitzer eines Grundstücks verpflichtet, dem Verletzten denjenigen Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstück verbundenen Werkes oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des Werkes ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, sofern der Einsturz oder die Ablösung die Folge fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung ist.

Gebäudeteile, deren Herabfallen die Haftung auslösen kann, sind hierbei solche Sachen, die mit dem Gebäude oder Werk baulich verbunden, also zu dessen Herstellung eingefügt oder an ihm angebracht worden sind. Schon mit dem Vorgang der Verbindung wird die Sache zum Gebäudeteil, nicht erst mit deren Fertigstellung, und auch eine vorübergehende Verbindung reicht aus. Auf das Mittel der Verbindung kommt es nicht an, so dass auch nur durch ihre eigene Schwerkraft ruhende Sachen Gebäudeteile sein können. Entscheidend ist die Zweckbestimmung des Teils für die Nutzung des Gebäudes oder Werks (MüKoBGB/Wagner BGB § 836 Rn. 10-11, beckonline).

Für die Ablösung reicht es aus, wenn sich ein Bauteil bloß aus dem Gesamtgefüge lockert oder nur in seinem inneren Zusammenhalt beeinträchtigt wird, wenn etwa ein Brett oder Blech beim Betreten durchbricht (MüKoBGB/Wagner BGB § 836 Rn. 12, beckonline).

Legt man diese Voraussetzungen zu Grunde, ist bereits fraglich, ob in der Abdeckung der Dachbodenöffnung ein dem Tatbestand des § 836 BGB unterfallendes Gebäudeteil zu sehen ist, da diese weder der Herstellung, noch der Nutzung des Gebäudes dient, insbesondere nicht zum Betreten gedacht war, sondern lediglich ein Provisorium darstellt.

Jedenfalls ist die Ersatzpflicht des Beklagten vorliegend jedoch gemäß § 836 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Besitzer zum Zwecke der Abwendung der Gefahr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat.

Hierbei lässt sich die Intensität der zu fordernden Sorgfalt nicht isoliert für den Grundstücksbesitzer feststellen, sondern ist abhängig von den Möglichkeiten und Kosten von Selbstschutzmaßnahmen auf Seiten des Opfers, die ihrerseits maßgebend von der Erkennbarkeit der Gefahrenquelle und darüber hinaus auch von der Befugnis zum Aufenthalt im Gefahrenbereich abhängen (MüKoBGB/Wagner BGB § 836 Rn. 19-23, beckonline). Wie oben bereits ausgeführt, hat der Beklagte die in der konkreten Situation erforderliche Sorgfalt beachtet, insbesondere keine notwendigen Schutzvorkehrungen unterlassen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

II.

Mangels Hauptanspruchs steht dem Kläger kein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu.

III.

Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 19.559,48 EUR festgesetzt.