OLG Hamm, Urteil vom 01.10.2018 - 3 U 6/17
Fundstelle
openJur 2020, 308
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 O 43/14
Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 10.11.2016 verkündete Urteil der

1. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.Die ursprüngliche Klägerin Frau S K (im Folgenden: die Patientin) hat gegen die Beklagten Haftungsansprüche - ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 100.000,00 € sowie die Feststellung der Ersatzpflicht betreffend alle weiteren materiellen und zukünftig nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zuzüglich Nebenforderungen - in Zusammenhang mit einer am 17.02.2011 durchgeführten Nierentransplantation geltend gemacht, bei der die Patientin eine Niere von ihrem Ehemann, dem jetzigen Kläger zu 2., erhalten hat. Die Kläger zu 1. und 2. führen den Rechtsstreit als Erbengemeinschaft fort, nachdem die Patientin am 12.10.2017 verstorben ist. Wegen des weitergehenden erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass trotz einer Hochrisikosituation betreffend das Cytomegalievirus (im Folgenden: CMV) sowie der aufgrund der Teilnahme der Patientin an einer Studie erfolgten Gabe von Antithymozytenglobulin keine Kontraindikation für die Transplantation des Organs des Klägers zu 2. bestanden habe. Behandlungsfehler bei der nach der Transplantation eingeleiteten Prophylaxe und der nach Feststellen des CMV erfolgten Therapie mit dem Medikament Valcyte seien nicht festzustellen. Dass der Sachverständige die Anfangsdosis im Rahmen der Prophylaxe höher gewählt hätte, belege nicht, dass das Vorgehen der Beklagten behandlungsfehlerhaft gewesen sei. Die Prophylaxe mit Valcyte werde in den verschiedenen Transplantationszentren unterschiedlich gehandhabt. Auch die Dosierung von Valcyte im Rahmen der Therapie sei vertretbar gewesen. Das Unterlassen einer Therapie mit Foscavir stelle ebenfalls keinen Behandlungsfehler dar. Zwar werde das Medikament bei CMV-Infektionen mit Resistenzbildung, wie sie bei der Patientin bestätigt worden sei, als Therapie der ersten Wahl empfohlen. Dies sei jedoch nach Aktenlage von der Patientin wegen der potentiell nierenschädigenden Wirkung abgelehnt worden. Dementsprechend sei die Alternativbehandlung mit Valcyte in Kombination mit Cytotect zulässig gewesen. Im Übrigen sei auch nicht feststellbar, dass es durch das Unterlassen einer Medikation mit Foscavir zu

Gesundheitsschäden gekommen sei. Behandlungsfehler seien auch nicht im Hinblick auf das Polyomavirus anzunehmen. Soweit man zur Bekämpfung des Virus nur die Immunsuppression reduzieren könne, sei das Immunsuppressivum Cellcept bereits im Hinblick auf die CMV-Belastung reduziert und sogar teilweise pausiert worden. In der Folgezeit Anfang 2012 sei entsprechend den erhöhten Polyomaviruszahlen die Immunsuppression mit Cellcept zeitgerecht reduziert worden. Auch wenn der Sachverständige aufgrund der am 02.03.2012 durch eine Nierenbiopsie gesicherten Polyomanephropathie bereits zu diesem Zeitpunkt Cellcept pausiert hätte, sei es vor dem Hintergrund der im Oktober 2011 stattgehabten Abstoßungsreaktion vertretbar gewesen, es zunächst bei einer Reduktion von Cellcept zu belassen. Vor dem Hintergrund der Befunde der Nierenbiopsie im Oktober 2011 sei die Nichtvornahme früherer Kontrollen des Polyomavirus nicht fehlerhaft. Weitere Befunderhebungen hätten auch keine therapeutischen Konsequenzen gehabt, da es im Oktober 2011 darum gegangen sei, die Abstoßungsreaktion in den Griff zu bekommen. Bei einer geringeren Immunsuppression mit Cellcept hätte es durch eine Abstoßungsreaktion zum Verlust der Niere kommen können. Die klägerseits erhobenen Beanstandungen im Hinblick auf Abweichungen zwischen der vorgerichtlich übersandten und der zu den Gerichtsakten gereichten Dokumentation beträfen die Person des Behandlers, nicht aber die erfolgte Behandlung. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die vom Sachverständigen berücksichtigten Anknüpfungstatsachen, insbesondere Laborwerte und erfolgte Medikation, unzutreffend seien. Die Nierentransplantation sei auch durch eine wirksame Aufklärung gedeckt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung des Landgerichts fest, dass die Patientin am 30.09.2010 von den Beklagten zu 2. und 3. über die bestehende CMV-Risikokonstellation aufgeklärt worden sei. Für die ordnungsgemäße Aufklärung spreche bereits der in dem von den Beklagten zu 2. und 3. unterzeichneten Formular unter der Rubrik "infektiologische Besonderheiten" enthaltene handschriftliche Eintrag "CMV-Hochrisiko", auch wenn das von der Zeugin B (später L) gefertigte Protokoll keinen Hinweis auf eine entsprechende Aufklärung enthalte. Zweifel ergäben sich nicht durch die Angaben der Patientin und des Klägers zu 2., nach denen die CMV-Problematik nicht angesprochen worden sei.

Für die Patientin, bei der es andere Probleme gegeben habe, die der Transplantation zunächst entgegengestanden hätten, sei die Information betreffend CMV und die Einnahme eines weiteren Medikaments nicht von besonderem Gewicht gewesen. Mit der von dem Beklagten zu 3. abgegebenen Erklärung sei auch inhaltlich ausreichend aufgeklärt worden. Einer ausführlicheren Aufklärung habe es auch nicht im Hinblick darauf bedurft, dass die Patientin dann die Möglichkeit gehabt hätte, einen "besseren" Spender zu suchen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, mit der die Kläger die erstinstanzlich gestellten Anträge mit entsprechenden Modifikationen nach dem Tod der Patientin unter Beibehaltung der Schmerzensgeldforderung aus übergegangenem Recht in Höhe von mindestens 100.000,00 € weiter verfolgen. Sie rügen weiterhin, dass die nach der Transplantation durchgeführte Prophylaxe und Therapie mit Valcyte in einer viel zu niedrigen Dosierung erfolgt sei. Soweit laut Sachverständigem in seinem Zentrum bei der bestehenden Hochrisikosituation eine deutlich höhere prophylaktische Valcytegabe von 450 mg täglich gegeben worden wäre, er jedoch andererseits erklärt habe, es gebe keinen entsprechenden Standard, werde dies bestritten. Nach Angaben des Sachverständigen habe es jedenfalls Empfehlungen der Fachgesellschaften gegeben, an die sich die Beklagten offensichtlich nicht gehalten hätten. Zudem gehe der Sachverständige nicht darauf ein, dass der Hersteller das Medikament bei Patienten einer Nierentransplantation mit einer Dosis von 900 mg täglich (2 Tabletten à 450 mg) empfehle. Soweit der Sachverständige erklärt habe, einige Zentren machten eine prophylaktische Behandlung mit Valcyte, andere nicht, sei unklar, worauf diese Erkenntnisse des Sachverständigen beruhten und welchen Zeitraum sie beträfen. Auf Anfrage der Kläger hätten sämtliche kontaktierten Transplantationszentren mitgeteilt, dass in der Regel eine 6 -monatige Prophylaxe mit Valcyte durchgeführt werde. Da es bereits 2010 diverse Veröffentlichungen über entsprechende Studien gegeben habe, sei davon auszugehen, dass im Jahr 2011 ein entsprechender Standard bereits existiert habe. Die von den Beklagten vorgenommene Dosierung von 2 x wöchentlich 450 mg Valcyte habe auch nicht der damals vorgegebenen Medikation für eine

Prophylaxebehandlung entsprochen. Auch die bei der Patientin vorhandene gute Funktion der transplantierten Niere habe eine Herabsetzung auf diese Dosierung nicht gerechtfertigt. Die laut Aussage des Sachverständigen teilweise vertretene Auffassung, dass gar keine CMV-Prophylaxe erfolgen müsse, stelle allenfalls eine medizinische Mindermeinung dar. Jedenfalls hätten die Beklagten nach dem ersten Virusnachweis am 31.03.2011 unverzüglich mit einer Dosiserhöhung auf 2 x 450 mg pro Tag reagieren müssen. Auch die weitere Anpassung der Medikation sei nicht vertretbar gewesen. So sei es verfrüht gewesen, Valcyte bereits am 23.05.2011 auf nur noch 450 mg täglich zu reduzieren. Durch die wiederholt zu niedrige Dosierung von Valcyte sei es dann zur Resistenzbildung gekommen. Die zu späte Reduzierung bzw. Pausierung mit Cellcept erst am 19.04.2012 habe sich negativ auf das Polyomavirus ausgewirkt. Auch hier sei nicht nachvollziehbar, warum der Sachverständige darauf hinweise, dass in seinem Zentrum eher pausiert worden wäre, das Vorgehen der Beklagten allerdings dennoch nicht als behandlungsfehlerhaft werte. Ferner rügen die Kläger erneut, dass die Dokumentation der Beklagten unvollständig und teilweise fehlerhaft sei. Sie behaupten weiterhin, dass die Anlage B 2 zur Klageerwiderung (Bl. 46 d.A. - "LSP-Gespräch bei Prof. I") nicht bei den Krankenunterlagen gewesen sei, die die Patientin vorgerichtlich von den Beklagten erhalten habe. Aus diesem Grund könnten sich die Beklagten nicht auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Dokumentation berufen. Angesichts dessen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Patientin ausreichend über das CMV-Risiko aufgeklärt worden sei. Da der Hinweis auf die CMV-Hochrisikosituation nicht in dem ausführlichen Gesprächsprotokoll erwähnt sei, liege es keineswegs nahe, dass die in dem Vorblatt (Bl. 46 d.A.) erwähnte CMV-Hochrisikosituation tatsächlich angesprochen worden sei. Es sei vielmehr sehr wahrscheinlich, dass dieser Hinweis vergessen worden sei. Im Übrigen hätten sowohl die Patientin als auch der Kläger zu 2. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich bestätigt, dass keine Aufklärung über die CMV-Erkrankung des Klägers zu 2. erfolgt sei. Die Annahme des Landgerichts, dass die Information betreffend CMV für die Patientin nicht von besonderer Wichtigkeit gewesen sei, sei spekulativ. Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus,

dass sich die Patientin einen "besseren Spender" hätte suchen müssen, da auch die Klägerin zu 1. als Tochter als Spenderin zur Verfügung gestanden habe. Im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung hätte sich die Patientin über eine geeignete Prophylaxebehandlung informieren können, da offensichtlich bereits 2011 ein anderen Standard bei der prophylaktischen Behandlung bestanden habe, als er im Haus der Beklagten zu 1. erfolgt sei. Der Vorwurf, dass die Transplantation mit der Niere des Klägers zu 2. wegen der unstreitig bestehenden CMV-Hochrisikosituation kontraindiziert gewesen sei, wird mit der Berufung nicht weiter verfolgt. Ebensowenig werden die Feststellungen des Landgerichts betreffend die unterlassene Gabe von Foscavir zur Behandlung der CMV-Infektion bei Resistenzbildung angegriffen. Gleiches gilt für den erstinstanzlich erhobenen Vorwurf, dass es frühere bzw. weitere Kontrollen im Hinblick das Vorhandensein des Polyomavirus hätte geben müssen.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Essen vom 10.11.2016

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Kläger zu 1. und 2. als Erbengemeinschaft der verstorbenen S K aufgrund der Ereignisse der Behandlungsmaßnahmen der Verstorbenen in der Zeit von August 2010 bis März 2013 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 05.11.2013;

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, den Klägern zu 1. und 2. als Erbengemeinschaft der verstorbenen S K sämtlichen weiteren zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der durch die Behandlung der Verstorbenen in der Zeit von August 2010 bis März 2013 entstanden ist und entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. noch übergehen werden.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, wonach weder Behandlungsfehler noch Aufklärungsdefizite bestünden. Zudem machen sie geltend, die in der Berufungsinstanz aufgestellte Behauptung der Kläger, dass in einer Vielzahl von Transplantationszentren eine Prophylaxe über 6 Monate erfolge, sei bereits unsubstantiiert und werde zudem bestritten. Im Übrigen, so meinen die Beklagten, begründe das Vorgehen einzelner Zentren nicht den allein maßgeblichen medizinischen Standard.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien angehört und Beweis erhoben durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin am 01.10.2018 Bezug genommen

B.Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist unbegründet. Den Klägern stehen gegen die Beklagten zu 1. bis 3. weder vertragliche noch deliktische Haftungsansprüche aus dem streitgegenständlichen Behandlungsgeschehen zu.

1.Die Behandlungsfehlervorwürfe der Kläger, die sich in II. Instanz auf die Dosierung bzw. Pausierung im Rahmen der medikamentöse Behandlung mit dem Virostatikum Valcyte und dem Immunsuppressivum Cellcept beschränken, greifen nicht durch. Dabei ist zugrunde zu legen, dass die von dem Sachverständigen berücksichtigten Anknüpfungstatsachen betreffend die Behandlung der Patientin - insbesondere Kontrolltermine, Laborwerte sowie die erfolgte Medikation einschließlich Dosierung - zutreffend und zwischen den Parteien nicht streitig sind.

a)Dass die Beklagten die CMV-Prophylaxe mit Valcyte in einer Dosierung von 2 x 450 mg wöchentlich eingeleitet haben, stellt keinen Behandlungsfehler dar. Der Sachverständige hat bereits im Verhandlungstermin vor dem Landgericht und erneut im Senatstermin nachvollziehbar erläutert, dass es weder zum maßgeblichen Behandlungszeitpunkt im Jahr 2011 noch aktuell einen fest definierten medizinischen Standard gab bzw. gibt, der eine bestimmte Dosierung im Rahmen der Prophylaxe mit Valcyte festlegt. Die Fachinformation " Valcyte® Filmtabletten" des Herstellers Roche enthält entgegen der Auffassung der Kläger keine bindenden Vorgaben zur Dosierung im Rahmen der Prophylaxe, sondern weist lediglich eine empfohlene Dosis von 900 mg täglich aus, die (z.B.) bei Nierenfunktionsstörungen anzupassen ist. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige nachvollziehbar erklärt, dass bei einer transplantierten Niere jedenfalls zunächst stets eine verminderte Funktion vorliegt, die bei der Medikation mit Valcyte Berücksichtigung finden muss. Verbindliche Dosierungsvorgaben im Rahmen der Prophylaxe lassen sich auch nicht aus Leitlinien entnehmen, wobei zu ergänzen ist, dass eine spezielle Leitlinie zu CMV bei Immunsuppression im Jahr 2011 ohnehin nicht existierte. Auch die im Februar 2010 publizierte KDIGO-Leitlinie zur Betreuung von Nierentransplantatempfängern (Bl. 38 ff.d.A.) weist keine Dosierungsvorgaben für die CMV-Prophylaxe aus. Dementsprechend wurde und wird die Prophylaxe, wie der Sachverständige eingehend und nachvollziehbar erläutert hat, in den verschiedenen Transplantationszentren nicht nur im Hinblick auf die Höhe der Dosierung, sondern auch bezüglich der Frage, ob überhaupt eine prophylaktische Medikation erfolgt, unterschiedlich gehandhabt. Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, jedenfalls letzteres stelle allenfalls eine medizinische Mindermeinung dar, geht diese Auffassung fehl. So verweisen z.B. auch die Guidelines "CMV-Infektion bei Immunsuppression" (guidelines.ch . Medizinische Leitlinien für Diagnostik und Therapie) darauf hin, dass bei Vorliegen einer CMV-Risikokonstellation in einigen Zentren eine medikamentöse Prophylaxe über einen gewissen Zeitraum durchgeführt werde, in anderen Zentren hingegen zunächst nur eine Kontrolle mittels Monitoring erfolge. Soweit die Kläger in der Berufungsinstanz behaupten, dass auf Anfrage bei

diversen Transplantationszentren diese sämtlich mitgeteilt hätten, bei einer Transplantation werde in der Regel 6 Monate lang eine Prophylaxe durchgeführt, mag dahinstehen, ob dieser Vortrag hinreichend substantiiert ist, zumal die KIäger keine der auf klägerisches Anschreiben hin erfolgten Mitteilungen vorgelegt haben. Jedenfalls ergibt sich aus einer solchen Information, die bereits die Einschränkung auf den Regelfall beinhaltet und keinen Hinweis auf die Höhe der Dosierung im Rahmen der Prophylaxe enthält, kein Anhaltspunkt dafür, dass das Vorgehen der Beklagten behandlungsfehlerhaft war oder die vom Sachverständigen getroffene medizinische Bewertung unzutreffend ist. Nach den insoweit unwidersprochenen Angaben des Beklagten zu 3. im Verhandlungstermin vor dem Landgericht sollte die Prophylaxe über einen Zeitraum von 200 Tagen, mithin ca. 6 Monaten, erfolgen. Schließlich hat der Sachverständige im Senatstermin erneut erläutert, dass die in dem schriftlichen Gutachten enthaltene Bewertung, die Anfangsdosis im Rahmen der Prophylaxe sei "zu niedrig verabreicht" worden, nicht bedeutet, dass das Vorgehen der Beklagten aus medizinischer Sicht nicht vertretbar und damit behandlungsfehlerhaft war. Vielmehr hat er - wie auch bereits im Verhandlungstermin vor dem Landgericht - klargestellt, dass die von den Beklagten gewählte Behandlungsstrategie, die eine niedrigere Dosierung von Valcyte mit einem engmaschigen Monitoring kombiniert hat, gleichwertig zu der in seinem Zentrum üblichen Vorgehensweise mit höheren Dosierungen bei deutlich selteneren Kontrollen war.

Ebensowenig liegen Behandlungsfehler bei der Dosierung von Valcyte nach Auftreten des CMV vor. Wie auch bereits in I. Instanz hat der Sachverständige im Senatstermin bekräftigt, dass auf den erstmaligen Virusnachweis am 31.03.2011 mit einer Kopienzahl von 118/ml noch nicht mit einer Erhöhung der Medikation reagiert werden musste, weil ein Wert in einer dreistelligen Größenordnung noch nicht sicher das tatsächliche Vorliegen einer Infektion belegt. Dass im Zentrum des Sachverständigen bereits auf diesen Wert mit einer Dosiserhöhung reagiert worden wäre, lässt mithin nicht den Schluss auf einen Behandlungsfehler zu, zumal die

Beklagten auch hier die weitere Entwicklung durch fortgesetzte engmaschige Kontrollen überwacht und zeitnah am 12.04.2011 die Viruslast erneut bestimmt haben. Nach Vorliegen des endgültigen Ergebnisses dieser Kontrolle am 13.04.2011 haben die Beklagten ordnungsgemäß ab dem 14.04.2011 eine therapeutische Dosis von 2 x 450 mg Valcyte täglich angeordnet. Dass die ab dem 23.05.2011 vorübergehend erfolgte Reduktion von Valcyte auch vor dem Hintergrund der ohnehin bestehenden Gefahr eine Resistenzbildung vertretbar war, hat der Sachverständige bereits in I. Instanz angesichts einer zu diesem Zeitpunkt sinkenden Viruslast unter Hinweis auf die verschlechterten Laborwerte, die eine Leukopenie und erhöhte Leberwerte belegten, bestätigt.

b)Soweit die Kläger betreffend die Gabe von Cellcept mit der Berufung weiterhin geltend machen, dass die erst am 19.04.2012 erfolgte Pausierung behandlungsfehlerhaft zu spät erfolgt sei, greift auch dieser Vorwurf nicht durch. Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass er bereits am 02.03.2012, als durch die erfolgte Transplantatnierenbiopsie die Polyomanephropathie gesichert werden konnte, das Immunsuppressivum Cellcept pausiert hätte, weil das Herunterfahren der Immunsuppression die einzige Möglichkeit ist, das Polyomavirus, gegen das es kein Medikament gibt, zu bekämpfen. Allerdings hat er vor dem Hintergrund dessen, dass die Patientin im Oktober 2011 eine Abstoßungsreaktion erlitten hatte, das vorsichtigere Vorgehen der Beklagten, die Cellcept ab dem 01.03.2012 zunächst lediglich um 500 mg auf 750 mg reduziert und erst bei weiterem Anstieg der Viruskopienzahl am 19.04.2012 pausiert haben, als ausdrücklich nicht behandlungsfehlerhaft bezeichnet. Anschaulich hat der Sachverständige seine Bewertung, dass es auch hier kein festes Behandlungsschema im Sinne eines Einmaleins gebe, damit verdeutlicht, dass der Behandler wie bei einer Wippe durch vorsichtige Anpassung der Dosierungen und Beobachtung der Reaktionen des Patienten auf diese Veränderungen den Ausgleich zwischen der Infektion mit dem Polyomavirus einerseits und dem Risiko einer Abstoßung des transplantierten Organs andererseits finden müsse.

c)Selbst wenn man aber zugunsten der Kläger unterstellte, dass das unter a) und b) geschilderte Vorgehen der Beklagten - allenfalls einfach - behandlungsfehlerhaft gewesen wäre, können die Kläger den mit dem Beweismaßstab des § 286 ZPO zu führenden Nachweis, dass der Verlauf für die Patientin bei behandlungsfehlerfreiem Vorgehen günstiger gewesen wäre, nicht führen. Der Sachverständige hat im Senatstermin klargestellt, dass auch bei einer höheren Dosierung der Prophylaxe eine Infektion mit dem CMV hätte auftreten können, die Annahme eines günstigeren Verlaufs mithin rein spekulativ sei. In Bezug auf die Cellceptgabe hat er betont, dass die Polyomanephropathie, die laut Sachverständigem wahrscheinlich wesentlich zu einer Verschlechterung der Transplantatnierenfunktion beigetragen hat, bereits am 02.03.2012 bestand und mithin auch bei einer sofortigen Pausierung mit Cellcept nicht zu vermeiden gewesen wäre.

2.Auch die von den Klägern in der Berufungsinstanz weiter verfolgte Aufklärungsrüge greift nicht durch. Die Nierentransplantation vom 17.02.2011 war durch eine wirksame Einwilligung gedeckt. Nach dem Ergebnis der Anhörung der Beklagten zu 2. und 3. im Senatstermin in Verbindung mit dem von beiden Beklagten unterzeichneten Vorblatt "LSP-Gespräch bei Prof. I" sowie der medizinischen Einschätzung des Sachverständigen zu den inhaltlichen Anforderungen an eine solche Aufklärung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Patientin am 30.09.2010 in inhaltlich ausreichender Weise über die unstreitig bei ihr bestehende CMV-Hochrisikosituation und die daraus resultierenden Konsequenzen aufgeklärt worden ist.

a)Zwar vermochte der Beklagte zu 3. sich nicht konkret an das mit der Patientin geführte Aufklärungsgespräch zu erinnern. Die Beklagten zu 2. und 3. haben anhand des zu den Akten gereichten Vorblattes allerdings plausibel und nachvollziehbar geschildert, dass sie im Wege einer "Immerso- Aufklärung" stets und ausnahmslos die auf dem Vorblatt notierten Punkte ansprechen. Das erscheint vor dem

Hintergrund, dass es sich um individuell den jeweiligen Spender bzw. Empfänger betreffende Punkte handelt, ohne weiteres nachvollziehbar. Der Beklagte zu 3. hat bestätigt, dass er inhaltlich so aufklärt, wie er es bereits vor dem Landgericht geschildert hat. Danach erfolgt eine Aufklärung sowohl über die Viruskonstellation als auch die erforderliche Medikation. Anhaltspunkte, an den Angaben der Beklagten zu 2. und 3. zu zweifeln, bestehen nicht. Insbesondere haben die Beklagten plausibel dargelegt, dass das Vorblatt zum Zeitpunkt des mit der Patientin geführten Gesprächs vorlag, ausgefüllt wurde und im unmittelbaren Anschluss von beiden Beklagten unterzeichnet worden ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann sich die Beklagtenseite zu Beweiszwecken sehr wohl auf dieses Vorblatt stützen. Soweit die Kläger behaupten, dass sich das Vorblatt nicht bei den von den Beklagten vorprozessual an die Patientin in Kopie übersandten Krankenunterlagen befunden habe, und hieraus den Schluss auf unvollständige oder erst nachträglich erstellte Krankenunterlagen ziehen, greift dieser Einwand nicht durch. Selbst wenn man zugunsten der Kläger als zutreffend unterstellt, dass die Patientin das Vorblatt vorprozessual nicht erhalten hat, lässt dies nicht den sicheren Rückschluss auf eine nachträgliche Manipulation der Krankenunterlagen zu. Vielmehr kann bereits ein schlichtes Kopierversehen ursächlich dafür sein, dass eine Seite der Krankenunterlagen nicht übersandt wird. Soweit die Patientin und der Kläger zu 2. - letzterer in I. Instanz im Rahmen seiner Zeugenvernehmung - erklärt haben, die CMV-Risikosituation sei mit ihnen mit keinem Wort besprochen worden, vermögen diese Äußerungen nicht die auf die Dokumentation gestützten Angaben der Beklagten zu 2. und 3. zu entkräften. Die Angaben des Klägers zu 2. im Senatstermin, nach denen es im Aufklärungsgespräch vom 30.09.2010 nur um ihn betreffende Gesundheitsrisiken (Diabetes, Bluthochdruck) sowie um den Hinweis gegangen sei, dass die Dialysepflicht der Patientin nach der Transplantation entfalle, vermögen insbesondere auch vor dem Hintergrund des von der Zeugin B (jetzt L) geführten Protokolls zum Gespräch vom 30.09.2010 nicht zu überzeugen. Auch wenn die Aussage der Zeugin zu einer erfolgten Aufklärung über die CMV-Hochrisikosituation unergiebig war, belegt das von ihr geführte Protokoll in Verbindung mit ihrer Zeugenaussage, dass sowohl Spender als auch Empfänger über Nachsorgeuntersuchungen, Risiken pp. aufgeklärt worden sind.

b)Der Sachverständige hat - auch unter Verweis auf die von ihm selbst praktizierte Vorgehensweise bei einer Aufklärung über eine CMV-Risikokonstellation - betont, dass die von den Beklagten geschilderte Aufklärung zur CMV-Risikosituation inhaltlich ausreichend ist. Insbesondere bedurfte es nicht einer speziellen Aufklärung über ein durch die Gabe von Antithymozytenglobulin weiter erhöhtes CMV- Risiko. Der Sachverständige hat anschaulich erklärt, dass angesichts dessen, dass mit Valcyte ein wirksames Medikament zur Behandlung einer CMV-Infektion zur Verfügung steht, diese nur noch eine gut behandelbare Infektion unter vielen anderen ist. Dementsprechend besteht kein Anlass zu einer gründlicheren Aufklärung zu der CMV-Risikosituation als sie durch die Beklagten zu 2. und 3. erfolgt ist. Insofern unterscheidet sich die auch bereits im Jahr 2011 bestehende Situation deutlich von der Zeit, in der Valcyte noch nicht zur Verfügung stand und bei einer CMV-Infektion angesichts fehlender wirksamer medikamentöser Therapie der Transplantatverlust drohte. Zu dieser Zeit bedurfte es dementsprechend einer eingehenderen Aufklärung betreffend eine CVM-Risikosituation.

C.Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

D.Die Revision war nicht zuzulassen. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts wegen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 ZPO.

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