AG Hanau, Urteil vom 07.10.2015 - 37 C 44/15 (17)
Fundstelle
openJur 2019, 36893
  • Rkr:

Macht der Vermieter über mehrere Monate neben der Nettomiete weitere Ansprüche wie Betriebskostenvorauszahlungen, Mahnkosten oder Betriebskostennachzahlungen geltend, so ist die Klage unzulässig, wenn er nicht vorträgt, wie die jeweiligen Zahlungen verrechnet wurden und welche Forderungen somit streitgegenständlich sind (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 09.01.2013 - VIII ZR 94/12).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, so der Beklagte nicht seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Vermieterin von dem beklagten Mieter Mietzahlungen.

Zwischen den Parteien besteht ein Wohnraummietverhältnis. Die Miete betrug im Januar 2012 monatlich brutto 587,87 EUR, wobei sich sowohl die Netto-, als auch die Bruttomiete im Nachfolgenden verändert haben sollen.

Die Klägerin macht ausstehende Zahlungen geltend und legt hierfür ein laufendes Mietkonto vor, welches unterschiedliche Forderungsarten beinhaltet (Nettomiete, Betriebskostenvorauszahlungen, Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen und Mahnkosten). Aufgrund von Zahlungseingängen hat sie den jeweiligen Saldo lediglich der Höhe nach korrigiert, ein Vortrag dazu, auf welche Einzelforderungen genau welche Zahlungen verrechnet wurde, erfolgte nicht. Die Klägerin erhebt somit eine sogenannte "Saldoklage".

Die Klägerin ist der Ansicht, die Klage sei zulässig und beruft sich auf die Entscheidung des BGH vom 09.01.2013 (Aktenzeichen VIII ZR 94/12 - Juris). Zudem nimmt sie im laufenden Verfahren Verrechnungen vor, bzw. trägt pauschal vor, die Zahlungen seien auf die jeweiligen monatlichen Mieten oder auf die jeweils ältesten Mietrückstände verrechnet worden. Die laufenden Betriebskostenabrechnungen wurden auf Sollzahlungsbasis erstellt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 600,64 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt unter anderem vor, die Forderungsaufstellung sei nicht nachvollziehbar, zudem seien Zahlungen nicht berücksichtigt worden.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

Sie beginnt mit einem Rückstand in Höhe von 574,58 EUR resultierend aus der Heizkostenabrechnung 2010 abzüglich eines Guthabens in Höhe von 184,36 EUR.

Im Folgenden macht die Klägerin Ausstände aus Netto- und/oder Bruttomieten für den Zeitraum Januar 2012 bis März 2013 in Höhe von 321,70 EUR geltend, denen wiederum Gutschriften in Höhe von 3,56 EUR (Überzahlung Miete), 47,12 EUR (Zahlung), 226,70 EUR (Guthaben Heizkostenabrechnung), sowie 2 x 9,13 EUR (Überzahlungen Miete) gegenüber stehen.

Eine solche Klageerhebung ist unzulässig, da die Klägerin den Streitgegenstand nicht entsprechend den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO bestimmt hat. Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus (Urteil vom 09.01.2013, Aktenzeichen VIII ZR 94/12 - Juris):

"Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich die Grundlage für eine etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt [... ] Werden in einer Klage mehrere Ansprüche erhoben, sind deshalb grundsätzlich die für jeden Anspruch geforderten Teilbeträge anzugeben; insbesondere ist bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige Ansprüche geltend gemacht werden, genau anzugeben, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen "

Es muss sich also aus dem Klagevorbringen ergeben, welche von mehreren dem Klagezeitraum unterfallenden Ansprüchen dem geltend gemachten Betrag zugrunde liegen und worüber das Gericht somit tatsächlich zu entscheiden hat, über welche Arten von Ansprüchen also. So sich die Klägerin auf die weiteren in der vorstehend genannten BGH-Entscheidung enthaltene Grundsätze der sogenannten "Saldoklage" beruft, sind diese nicht anzuwenden. Der Senat führt dazu weiter aus:

"für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es allein darauf an, ob den Klägern, wie von ihnen geltend gemacht, für den streitigen Zeitraum als Nutzungsentschädigung ein Betrag in Höhe von monatlich zusteht und inwieweit die von den Beklagten erbrachten Zahlungen dahinter zurückbleiben."

Daraus meint die Klägerin in sämtlichen Verfahren nach Ergehen der Entscheidung den Schluss zu ziehen, dass sie wie früher auch sämtliche Forderungen und Zahlungen in ein laufendes Mietkonto einstellen und nur den Saldo jeweils korrigieren könne ohne vorzutragen, welche Zahlungen auf welche Ausstände verrechnet wurden, so dass sie letztlich den letzten Saldobetrag in die Klage einsetzt. Dieses ist jedoch unzutreffend, da der BGH hierbei voraussetzt, dass es sich um einen "einheitlichen" Gesamtanspruch handelt (Rz. 14, ebenso deutlich erkennbar in Rz. 15), was bedingt (und so lag der Fall auch in dem dortigen Verfahren), dass die Forderungen gleichartig sind (dort: Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB).

Für die Geltendmachung eines Gesamtbetrages aus - wie hier - mehreren Forderungsarten besteht diese Möglichkeit nicht, da das Gericht in diesem Fall unterschiedliche Prüfungen bzgl. der Forderungsvoraussetzungen oder deren Wegfall (dazu unten) vornehmen muss. Auf diese maßgebliche Unterscheidung zu dem Inhalt der BGH-Entscheidung wurde bereits kurz nach deren Ergehen hingewiesen (Zehelein, Mietsaldoklage auch bei Vorauszahlungsabrede auf Betriebskosten? NZM 2013, 638). Die Instanzrechtsprechung lässt auch nach dem BGH-Urteil in Abgrenzung zu diesem eine Saldoklage nach Art der Klägerin bei unterschiedlichen Forderungen ebenfalls nicht zu, da dieser Fall vom BGH aufgrund der Forderung nach einer "einheitlichen" Anspruchsart nicht der Saldoklage unterstellt wird (LG Dortmund, Beschluss vom 18.05.2015 - Aktenzeichen 1 S 47/15; LG Darmstadt Urt. vom 28.03.2013 - 243 S 54/12; LG Frankfurt/Oder Urt. vom 28.032013 - 15 S 132/11 - "einheitlicher" Gesamtanspruch; AG Dortmund, Urteil vom 19.12.2014- Aktenzeichen 420 C 6682/14; AG Gießen WuM 2014, 216; KG Urteil vom 18.04.2013 - 22 U 129/12; AG Hanau Urteil vom 10.04.2013-37 C 386/12 - BeckOnline). Auch die Literatur verneint eine Saldoklage bei unterschiedlichen Forderungsarten (Bacher in Beck'scher Online-Kommentar ZPO; Hrsg: Vorwerk/Wolf, § 55.2 - Saldoklage nur bei einer Anspruchsart, die unterschiedlich fällig wird; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 543 Rn. 141; ders. in Blank/Börstinghaus, Miete 4. Auflage 2014 § 543 Rn. 181; Börstinghaus IMR 2015, 390; Fischer in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, IX 61/62 - Saldoklage nur als Sonderfall bei reiner Nutzungsentschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB-; Foerste in Musielak/Voit ZPO 12. Aufl. 2015 § 243 Rn. 27 - keine Individualisierung nur bei "einheitlichem Anspruch" erforderlich -; Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl. 2014, J Rn. 88 - dort bzgl. Nettomieten und in der Miete enthaltener Vorauszahlungsanteile).

Die Unzulässigkeit der Klage folgt hier somit daraus, dass die Klägerin vier unterschiedliche Anspruchsarten in das Mietkonto eingestellt hat, welches dem eingeklagten Saldo zugrunde liegt, nämlich Nettomieten und Betriebskostenvorauszahlungen für mehrere Monate, Heizkostennachzahlungen und eine Mahngebühr. Es ist jedoch nicht erkennbar, welche dieser Forderungen überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe sie Teil der Klage sind. Die Differenzierung zwischen der Nettomiete- und den Vorauszahlungen ist deshalb notwendig, weil die Klägerin ausweislich des Kontos offensichtlich die Vorauszahlungen weiter geltend macht, was sich insbesondere daraus ergibt, dass sie die Betriebskosten nach Sollzahlungen abgerechnet hat (Bl. 48 d.A.), so dass sie fehlende Vorauszahlungsanteile überhaupt nur über die (nicht mögliche) Weiterverfolgung des Vorauszahlungsanspruch geltend machen kann (Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 4. Aufl. 2015, Rn. 1771). Wären Vorauszahlungen nicht mehr in dem Mietkonto enthalten, hätten sie nach ihrem Wegfall ausgebucht werden müssen. Denn die Weiterverfolgung des Vorauszahlungsanspruchs ist bereits materiell-rechtlich nicht möglich, da die Vorauszahlungsansprüche mit der Erstellung der Betriebskostenabrechnung, spätestens aber dem Ablauf der jeweiligen Abrechnungsfrist nach § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB (1 Jahr nach Ablauf des Abrechnungszeitraums) wegfallen, wobei es sich um einen materiellen Anspruchsverlust (keine Verjährung) handelt (BGH, Urteil vom 30.03.2011, Aktenzeichen VIII ZR 133/10 - Wohnraum - und Urteil vom 26.09.2012, Aktenzeichen: XII ZR 112/10 - Gewerberaum - Juris; Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 556 Rdn. 266 m.w.N.; Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl. 2014, J Rdn. 16 und G Rdn. 80; v. Brunn/Emmerich in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, III. A Rn. 237; Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 4. Aufl. 2015, Rn. 1631; Zehelein, Noch einmal: Die Einstellung von Sollzahlungen in die Betriebskostenabrechnung, WuM 2014, 3 ff.).

Dass Gericht muss also wissen, ob und inwieweit die Klägerin spätere Zahlungen auf die einzelnen Mieten verrechnet hat (anders, als bei den der BGH-Entscheidung zugrundliegenden Ansprüchen auf Nutzungsentschädigung), um überhaupt prüfen zu können, ob noch Vorauszahlungsanteile dem Klageantrag zugrunde liegen, weil diese nicht zuzusprechen wären (Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl. 2014, J Rn. 88; Zehelein, Mietsaldoklage auch bei Vorauszahlungsabrede auf Betriebskosten? NZM 2013, 638).

Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin, wie sie selbst vorträgt, alle Betriebskostenabrechnungen nach Sollzahlungen erstellt hat (Bl. 48 d.A.). Denn eine solche Abrechnung ist unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2011, Aktenzeichen VIII ZR 240/10: "Der Vermieter hat die Vorauszahlungen anzusetzen, die der Mieter für den Abrechnungszeitraum tatsächlich geleistet hat. [..] Etwaige Fehler - zu hoch oder zu niedrig angesetzte Vorauszahlungen, Ansatz der Soll- statt der Ist-Vorauszahlungen - stellen materielle Fehler dar,"; OLG Rostock, Urteil vom 12.03.2001, Aktenzeichen 3 U 76/06; LG Bonn, Urteil vom 16.01.2014, Aktenzeichen: 6 S 43/13; LG Berlin, Urteil vom 10.06.2002, Aktenzeichen: 62 S 556/01; LG Berlin, Urteil vom 10. Februar 2005 - 62 S 367/04 - juris; Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl. 2014, J Rn. 47; v.Brumm/Emmerich in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, III.A Rn. 219; Lützenkirchen in Lützenkirchen/Dickersbach Mietrecht Kommentar, 1. Aufl. 2013, § 556 Rn. 634; Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 4. Aufl. 2015, Rn. 1771; Zehelein, Noch einmal: Die Einstellung von Sollzahlungen in die Betriebskostenabrechnung, WuM 2014, 3 ff.). Das ist nur ausnahmsweise möglich, wenn -wie hier nicht gegeben - die fehlenden Vorauszahlungen bereits eingeklagt sind (BGH, Urteil vom 27.11.2002, Aktenzeichen VIII ZR 108/02 - Juris; Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl. 2014, J Rn. 16; v.Brumm/Emmerich in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl. 2014, III.A Rn. 219).

Stellt der Vermieter aber Sollzahlungen in die Betriebskostenabrechnung ein, führt das nicht nur dazu, dass er die (um die fiktiv erhöhten Vorauszahlungen) reduzierte Nachzahlung aus ihr nicht geltend machen kann. Er verliert zugleich auch in diesem Fall den Anspruch aus den Vorauszahlungen, da es sich um einen gesetzlichen Anspruchswegfall handelt, der über die Sollabrechnung nicht anders zu behandeln ist. Er muss also, um die fehlenden Vorauszahlungen zu erlangen, die Abrechnung noch vor Ablauf der Abrechnungsfrist auf eine Ist-Zahlung umstellen, andernfalls erhält er die fehlenden Vorauszahlungen aus keinem Rechtsgrund, da er nur noch den Saldo aus der Abrechnung geltend machen kann (KG, Hinweisbeschluss vom 16.06.2014 - 8 U 29/14; AG Frankfurt, Urteil vom 24.02.2014 - 33 C 3112/13 - juris; Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 7. Aufl. 2014, J Rn. 47; Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 4. Aufl. 2015, Rn. 1771; Zehelein, Noch einmal: Die Einstellung von Sollzahlungen in die Betriebskostenabrechnung, WuM 2014, 3 ff.).

Auch die von der Klägerin in diesem Zusammenhang üblicher Weise angeführte Entscheidung des BGH vom 31.10.2007 (VIII ZR 261/06) begründet keine Zulässigkeit der Sollabrechnung und Weiterverfolgung des weggefallenen Vorauszahlungsanspruchs. Dort hat der BGH erklärt, dass der Vermieter, der die Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB versäumt und dem Mieter somit eine verfristete Betriebskostenabrechnung zukommen lässt, gem. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB nur mit solchen Forderungen ausgeschlossen ist, die sich als "Nachforderungen" im Sinne der Norm darstellen. Hierunter falle nicht derjenige Betrag des Abrechnungssaldos, der demjenigen entspricht, den der Mieter als Vorauszahlungen hätte leisten müssen. Das Gericht hat hingegen nicht erklärt, dass der Vermieter die ursprünglichen Vorauszahlungsansprüche bei Einstellung von Sollzahlungen weiter verfolgen könne. Das ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass dem dortigen Verfahren überhaupt keine Abrechnungen nach Sollzahlungen zugrunde lagen. Der Vermieter hatte von Beginn an nicht den Vorauszahlungsanspruch weiter verfolgt, sondern sogleich den Abrechnungssaldo mehrerer Abrechnungen eingeklagt, wie er sich aus der Höhe der gesamten umgelegten Betriebskosten unter Abzug von "Null" Vorauszahlungen in der Abrechnung auch darstellte.

Den Forderungsanteil, den der Senat aus dem Anwendungsbereich des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB herausgenommen hat, ist also ein solcher des Abrechnungssaldo, soweit dieser der Höhe nach den zuvor geschuldeten Vorauszahlungen gleicht (Lützenkirchen in Lützenkirchen/Dickersbach Mietrecht Kommentar, 1. Aufl. 2013, § 566 Rn. 633). Der BGH spricht in der Entscheidung daher auch ausdrücklich von Nebenkosten "bis zum Betrag der geschuldeten Vorauszahlungen" - und nicht von den Vorauszahlungen selbst -, die der Vermieter "aufgrund einer nach Ablauf der Abrechnungsfrist erteilten Abrechnung geltend" macht. Mit einer Weiterverfolgung des ursprünglichen Zahlungsanspruchs bei Abrechnung nach Sollzahlungen hat das nichts zu tun (LG Krefeld WuM 2011, 368 [LG Krefeld 10.11.2010 - 2 S 34/10]; Lützenkirchen in Lützenkirchen/Dickersbach Mietrecht Kommentar, 1. Aufl. 2013, § 566 Rn. 634; umfassend zu der Entscheidung Zehelein Noch einmal: Die Einstellung von Sollzahlungen in die Betriebskostenabrechnung, WuM 2014, 3 (8).

Das bedeutet, dass die Klägerin hier, da sie auf Sollzahlungsbasis abrechnet, nach wie vor Bruttomietanteile dem eingeklagten Saldo zugrunde legt, und zwar aus dem Jahren 2012 und 2013, deren Abrechnungsfrist abgelaufen sind und die somit (trotz Sollzahlungsabrechnung) gesetzlich weggefallen sind. Um zu wissen, ob dem Klageantrag eben diese Vorauszahlungen oder (noch weiter verfolgbare) Nettomieten zugrunde liegen, muss die Klägerin darlegen, auf welche Mietanteile sie ihre Zahlungen verrechnet hat.

Das ist auch deshalb von maßgeblicher Bedeutung, weil sie gehalten gewesen wäre, die geleisteten Zahlungen gem. § 366 Abs. 2 BGB zunächst auf die Vorauszahlungen zu verrechnen, da dieser Anspruch im Hinblick auf den Verlust des Rechts zur Nachforderung nach Ablauf des Abrechnungszeitraums unsicherer ist (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 03.03.2010, Aktenzeichen: 3 U 108/08; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25. 10. 2001, Aktenzeichen 10 U 122/00; LG Bonn, Urteil vom 16.01.2014, Aktenzeichen: 6 S 43/13; LG Berlin, Urteil vom 10.06.2002, Aktenzeichen: 62 S 556/01; AG Frankfurt, Urteil vom 11.02.2010, Aktenzeichen: 33 C 3987/09; AG Hanau, Urteil vom 13.06.2012, Aktenzeichen: 37 C 17/12 - Juris; Schmid in Harz/Riecke/Schmid Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 4. Aufl. 2013, Kap. 5 Rn. 1093).

Was jedoch gesetzlich geboten ist und was die Klägerin tatsächlich einklagt, sind gänzlich unterschiedliche Dinge und einer Prüfung überhaupt erst zugängig, wenn sie erst einmal dargestellt hat, welche Forderungen sie überhaupt in das Verfahren einbringt (Netto- oder Bruttomieten, bzw. deren Anteile). Erst dann kann geprüft und festgestellt werden, ob der Anspruch noch besteht.

Für die hiesige Klage ergibt sich daher folgendes:

Die Klage beginnt mit einer Nachforderung aus der Heizkostenabrechnung in Höhe von 574,58 EUR (nach Abzug des Guthabens von 184,36 EUR). Die Miete Januar 2012 blieb dann nach dem Saldovortrag in Höhe von 6,87 EUR hinter dem Geschuldeten zurück und bereits hier ist nicht mehr erkennbar, was die Klägerin nun einklagt, da nur der Gesamtausstand erhöht wird auf 581,45 EUR. Möglich ist, dass die Klägerin den geleisteten Betrag in Höhe von 581,00 EUR im Umfang von 574,58 EUR auf die Nachforderung aus der Heizkostenabrechnung verrechnet hat, so dass dies überhaupt nicht mehr Gegenstand der Klage, der Mietanteil für Januar hingegen 2012 höher ist. Das würde zugleich bedeutet, dass kein Zahlungsanteil auf die in der Miete 2012 enthaltenen Betriebskostenvorauszahlungen verrechnet worden ist. Diese betrugen jedenfalls ausweislich der Betriebskostenabrechnung 2010 (Bl. 13 d.A.) monatlich 149,00 EUR. Insofern wäre die Klage bereits in dieser Höhe unschlüssig, weil die Vorauszahlungsforderung mit der Erstellung der Abrechnung 2010, spätestens mit Ablauf des 31.12.2011 gem. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB weggefallen ist (Zehelein, Mietsaldoklage auch bei Vorauszahlungsabrede auf Betriebskosten? NZM 2013, 638). Da sie ausweislich des Kontos nie ausgebucht und durch eine Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung ersetzt wurde, muss über diese entschieden werden, was die Kenntnis voraussetzt, ob die Klägerin die im Januar 2012 eingegangenen Zahlungen auf diese, auf die Nettomiete oder auf die noch ausstehende Forderung aus der Heizkostenabrechnung verrechnet hat.

Die Klägerin trägt lediglich gänzlich pauschal vor, sie habe "die Zahlungen der Beklagten zunächst auf die jeweils fällige Mietschuld im jeweils angegebenen Monat verrechnet", was sich aus der Aufstellung ergebe. Das ist bereits in der Allgemeinheit nicht geeignet, konkrete Forderungsverrechnungen nachvollziehbar darzulegen und hierüber den Streitgegenstand ausreichen zu bestimmen. Dieses ergibt sich aber auch gerade nicht aus der Aufstellung, weil diese zu den einzelnen Schicksaalen der jeweiligen Zahlungseingänge gerade nichts ausweist, sondern nur den Gesamtbetrag der Höhe nach anpasst. Zudem ist ohnehin nicht erkennbar, was mit "Mietschuld" gemeint ist, da Betriebskosten, sowohl aus Voraus-, als auch als Nachzahlungen, ebenfalls Miete und damit Mietschulden (BGH, Urteil vom 20. 7. 2005 - VIII ZR 347/04; Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 535 Rdn. 651) und zu diesem Zeitpunkt fällig sind. Zudem ist daraus noch immer nicht erkennbar, ob für die aufgeführten Monate nur Netto- oder auch Bruttomietbeträge geltend gemacht werden, da sämtliche in dem gesamten Klagezeitraum angefallenen und in dem Mietkonto ausdrücklich durch Einstellung der Bruttomiete enthaltenen Vorauszahlungen weggefallen sind. Diese könnten also, wenn sie Teil der Klage sind, in keinem Fall zugesprochen werden. Ob das jedoch so ist, ist mangels konkreter Erklärung welche Zahlungen auf die Netto- und welche auf die Bruttomieten verrechnet wurden, nicht möglich (Zehelein, Mietsaldoklage auch bei Vorauszahlungsabrede auf Betriebskosten? NZM 2013, 638).

Während die klagenden Vermieter wie in diesen Fällen geboten die jeweiligen Zahlungen in der Klage aufführen und konkret darlegen, auf welche von den verschiedenen ausstehenden Forderungen (und somit anders als in der BGH-Entscheidung, der nur eine einzige Forderungsart zugrunde lag) die jeweiligen Zahlungen in welchem Umfang verrechnet wurden (nicht, wie gesetzlich hätte verrechnet werden müssen), was anerkannter Maßen arbeitsintensiv ist, umgeht die hiesige Klägerin dieses regelmäßig, indem sie lediglich den Endsaldo anpasst. Eben das ist bei unterschiedlichen Forderungsarten aber nicht möglich, da der Streitgegenstand dann unbestimmt ist.

Der Hinweis auf eine irgendwie geartete Verrechnung im Hinblick auf aufgeführte Mieten ist auch deswegen nicht geeignet, den Streitgegenstand zu bestimmen, weil die Klägerin bereits mit Klageeinreichung einen Betrag geltend macht, der unter Verrechnung von weiteren Guthaben reduziert wurde, namentlich 3,56 EUR (Überzahlung Miete), 47,12 EUR (Zahlung), 226,70 EUR (Guthaben Heizkostenabrechnung), sowie 2 x 9,13 EUR (Überzahlungen Miete). Wie diese nun wiederum verrechnet wurden, ist völlig unklar. Bekannter Maßen ist eine Klage ohnehin bereits unzulässig, wenn der Kläger einen Gesamtbetrag einklagt, dem eine höhere Forderung zugrunde liegt, welche von ihm selbst im Wege der Verrechnung verringert wurde, ohne, dass dem Gericht konkret mitgeteilt wird, auf welche Einzelforderung verrechnet wurde und über welche noch zu entscheiden ist. Denn nur dann ist der Streitgegenstand bestimmt (zB. OLG Frankfurt, Urteil vom 15. Juni 2000 - 1 U 55/99 - juris). Das hat die Klägerin hier jedoch nicht vorgetragen, so dass die Guthaben theoretisch auf alle Forderungen oder deren Zinsen, etc. hätten verrechnet werden können.

So sie etwa bzgl. des Guthabens in Höhe von 47,12 EUR erklärt, dieses sei mit den ältesten bestehenden Mietforderungen verrechnet worden (Bl. 89 d.A.), ist das eine reine Leerformel, die keinen Aussagegehalt hat. Denn § 366 Abs. 2 BGB (auf den sich das wohl bezieht) gibt nur im rechtlichen Sinne vor, wie der Gläubiger zu verrechnen hat, er muss dann aber vortragen, was tatsächlich worauf verrechnet wurde und welche Ansprüche noch Teil der Klage sind. Dann kann das Gericht prüfen, ob den Anforderungen des § 366 Abs. 2 BGB tatsächlich nachgekommen wurde. Es ist hingegen weder Aufgabe des Gerichts, noch überhaupt möglich, dieses selbst zu eruieren dahingehen, was die Klägerin wohl als "ältesten Mietrückstand" ansieht.

Einzig nachvollziehbar ist jedenfalls zunächst die Verrechnungserklärung bzgl. des Guthabens von 226,70 EUR auf die Ausstände der Miete Januar 2013 (soweit dieser reicht), was aber lediglich dazu führt, dass jedenfalls diese Forderung nicht mehr streitgegenständlich ist und wie die Klägerin dort auch selbst sagt, nicht mehr offen ist. Das hingegen ist wiederum gänzlich widersprüchlich. Denn entweder hat die Klägerin bereits vor Klageerhebung diese Verrechnung vorgenommen, dann hätte sie in die dem Forderungssaldo zugrunde liegende Aufstellung überhaupt nicht aufgenommen werden dürfen. Oder aber, sie verrechnet tatsächlich erst im Verfahren (so das überhaupt noch möglich wäre, siehe nachfolgend), dann hätte sie für erledigt erklären müssen.

Allerdings sind die Aufrechnungserklärungen mit Schriftsatz vom 29.07.2015 (Bl. 71 d.A.) ohnehin ohne jede Relevanz. Denn die Klägerin hat bereits eine um die Gutschriften verminderte Klage eingereicht, so dass bereits vor Klageerhebungen Verrechnungen vorgenommen wurden, deren Inhalt jedoch unbekannt ist. Eine erneute Aufrechnung ist daher aufgrund der gestaltenden Wirkung der damaligen Aufrechnungen nicht möglich.

Insgesamt ist daher nicht feststellbar, welche Forderungsarten (Nettomiete, Betriebskostenvorauszahlungen, Heiz- und Betriebskostennachforderungen, Mahngebühren) überhaupt insgesamt von dem geltend gemachten Betrag erfasst sind. Es ist weiterhin nicht erkennbar, in welcher Höhe diese jeweiligen Forderungsarten im Einzelnen zugrunde liegen. Damit ist nicht feststellbar, worüber genau das Gericht also entscheiden solle.

Ebenso ist es dem Mieter in solchen Fällen nicht möglich, bestimmten Forderungen entgegen zu treten und andere, die er ggf. für rechtmäßig hält, anzuerkennen, weil er überhaupt nicht weiß, was in welchem Umfang gegen ihn geltend gemacht wird. Er kann weder die Verjährung, noch einen gesetzliche Anspruchsverlust prüfen. Ebenso wenig wäre er nach Erlass eines entsprechenden Urteils in der Lage, im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 2 ZPO bestimmte Ansprüche zu erfüllen und dieses geltend zu machen und andere zu bedienen. Das würde den gerade nicht zulässigen Streit zwischen den Parteien eröffnen, worauf denn nach Urteilserlass gezahlt wurde, weil nicht erkennbar ist, welche Forderungen ausgeurteilt wurden, so dass die Klageforderung erneut zu prüfen wäre.

Im Einklang mit der oben zitierten Instanzrechtsprechung und Literatur ist die Klage daher als unzulässig abzuweisen, da sie keine Saldoklage über einen einheitlichen Anspruch iSd. BGH-Entscheidung vom 09.01.2013 darstellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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