LAG Köln, Beschluss vom 28.10.2019 - 9 Ta 158/19
Fundstelle
openJur 2019, 34595
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 Ca 733/19

?1. Kündigt ein Arbeitgeber das vereinbarungsgemäß nach der Bestellung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer ruhende und nach der Abberufung als Geschäftsführer wieder aufgelebte Arbeitsverhältnis, sind die Gerichte für Arbeitssachen für die vom Arbeitnehmer erhobene Kündigungsschutzklage gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG ausschließlich zuständig.

?2. Erweitert der Arbeitnehmer seine Klage gegen eine aus demselben Grund nachfolgende Kündigung des Geschäftsführeranstellungsverhältnisses, steht dieser Klageantrag in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zu der zuvor erhobenen Kündigungsschutzklage. Für ihn ist das Arbeitsgericht gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG ebenfalls zuständig

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der die Zulässigkeit des Rechtswegs teilweise ablehnende Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 18.07.2019 - 1 Ca 733/19 - abgeändert. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist auch für den Klageantrag zu 4. eröffnet.

Gründe

I.

Der Kläger war seit dem 13.01.1992 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 04.11.2008 als Bereichsleiter Personal. Gemäß einem schriftlichen Anstellungsvertrag (Bl. 14-26 der Akte) wurde der Kläger mit Wirkung zum 28.12.2016 für die Dauer von drei Jahren bis zum 27.12.2019 zu einem (Mit-)Geschäftsführer bestellt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 des Geschäftsführeranstellungsvertrages sollte der Arbeitsvertrag des Klägers ruhen und am Folgetag der Beendigung des Anstellungsverhältnisses wieder aufleben.

Mit Schreiben vom 25.03.2019, das vom Vorsitzenden der Geschäftsführung unterzeichnet ist, kündigte die Beklagte das "aktuell ruhende Anstellungsverhältnis" zum nächstmöglichen Termin. Am 04.04.2019 widerrief der Aufsichtsrat die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer zum 15.04.2019. Mit einem vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats unterzeichneten Schreiben vom 08.04.2019 kündigte die Beklagte den Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers zum 31.05.2019. Mit einem weiterem Schreiben vom 12.04.2019, das von dem Vorsitzenden der Geschäftsführung und einem weiteren Geschäftsführer unterzeichnet ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2019. Am 07.05.2019 wurde die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen.

Mit seiner am 12.04.2019 beim Arbeitsgericht Bonn eingereichten, der Beklagten am 25.04.2019 zugestellten und später erweiterten Klage macht der Kläger die Rechtsunwirksamkeit der Kündigungen vom 25.03.2019 und vom 12.04.2019 sowie das ungekündigte Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses geltend. Zudem begehrt er mit dem Klageantrag zu 4. die Feststellung, dass das Geschäftsführeranstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 08.04.2019 weder zum 31.05.2019 noch zu irgendeinem anderen Zeitpunkt aufgelöst wurde, sondern bis zum 27.12.2019 fortbesteht.

Auf die Rechtswegrüge der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18.07.2019 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für die Anträge zu 1. bis 3. für zulässig erachtet, da sie das von dem Geschäftsführeranstellungsverhältnis unabhängige Arbeitsverhältnis beträfen, bezüglich des Antrags zu 4. das Verfahren abgetrennt und den Rechtstreit insoweit an das Landgericht Bonn verwiesen.

Zur Begründung der Verweisung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, eine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergebe sich weder aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b ArbGG noch aus § 2 Abs. 3 ArbGG. Unabhängig davon, ob die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greife, komme eine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht in Betracht, da der Kläger selbst nicht die Auffassung vertrete, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis gewesen sei. Auch eine Zuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG sei nicht geöffnet. Wegen der speziellen Regelung in § 2 Abs. 4 ArbGG, wonach die Rechtswegzuständigkeit durch eine Vereinbarung zwischen einer juristischen Person des Privatrechts und ihren Organen begründet werden könne, komme eine Zusammenhangszuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gemäß § 2Abs. 3 ArbGG nicht in Betracht.

Der Beschluss ist dem Kläger am 26.07.2019 zugestellt worden. Seine dagegen gerichtete Beschwerde ist am 09.08.2019 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangen.

Der Kläger verweist darauf, dass der Antrag zu 4. erst nach seiner Abberufung als Geschäftsführer anhängig gemacht worden sei. Bereits aus diesem Grunde sei der Weg zu den Gerichten für Arbeitssachen für diesen Antrag eröffnet. Es bestehe zudem ein hinreichender Zusammenhang iSd. § 2 Abs. 3 ArbGG zu den anderen Klageanträgen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht für den Klageantrag zu 4. den Rechtsweg verneint und den Rechtsstreit insoweit gemäß § 17 Abs. 1 ZPO, §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG an das zuständige Landgericht Bonn verwiesen.

1.) Zutreffend hat das Arbeitsgericht allerdings eine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a) oder Buchst. b) ArbGG abgelehnt. Bei dem Klageantrag zu 4. geht es weder um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis noch um eine Streitigkeit über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Es geht vielmehr um die Frage, ob noch ein Geschäftsführeranstellungsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Insoweit ist zu unterscheiden.

a) Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer kann der Kläger zwar als Arbeitnehmer der Beklagten iSd. § 5 ArbGG angesehen werden. Dem steht die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, wonach Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten, nicht entgegen. Denn zum einen erfolgte die Abberufung bereits vor Rechtshängigkeit der Klage am 25.04.2019. Zum anderen sind auch nachträgliche zuständigkeitsbegründende Umstände zu berücksichtigen, wenn ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch nicht abberufener Geschäftsführer vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen wird (BAG, Beschluss vom 03. Dezember 2014 - 10 AZB 98/14 -, Rn. 21, juris; BAG, Beschluss vom22. Oktober 2014 - 10 AZB 46/14 -, Rn. 26, juris; aA. noch BAG, Beschluss vom15. November 2013 - 10 AZB 28/13 -, Rn. 23, juris)).

b) § 5 ArbGG bestimmt aber nur, wer als Arbeitnehmer iSd. Arbeitsgerichtsgesetzes anzusehen ist. Voraussetzung für die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchts. a und Buchst. b ArbGG ist darüber hinaus, dass es in dem Rechtsstreit überhaupt um eine Streitigkeit aus dem Arbeitsverhältnis oder über dessen Bestehen geht. Das ist nicht der Fall, wenn der Kläger, wie hier, das Fortbestehen eines Vertragsverhältnisses geltend macht, das, wie der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH, regelmäßig kein Arbeitsverhältnis sondern einen auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichteter freier Dienstvertrag darstellt (BAG, Beschluss vom 15. November 2013 - 10 AZB 28/13 -, Rn. 18, juris). Ein solcher freier Dienstvertrag regelt nachrangig zum gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, die nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers vorgegeben sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2010 - II ZR 70/09 -, Rn. 7, juris). Der rechtliche Charakter dieses Anstellungsverhältnisses als freier Dienstvertrag ändert sich nicht durch die Abberufung. Als körperschaftlicher Rechtsakt hat sie keinen Einfluss auf den Fortbestand und die Rechtsnatur des der Organbestellung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (vgl. BAG, Beschluss vom 15. November 2013 - 10 AZB 28/13 -, Rn. 16, 18,juris), auf dessen ungekündigten Fortbestand sich der Kläger mit dem Klageantrag zu 4 beruft.

2.) Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen folgt jedoch aus § 2Abs. 3 ArbGG. Nach dieser Vorschrift können vor die Gerichte für Arbeitssachen auch nicht unter § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für die Geltendmachung des Anspruchs nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Die Vorschrift will aus prozessökonomischen Gründen verhindern, dass rechtlich oder innerlich zusammengehörende Verfahren in Verfahren vor verschiedenen Gerichten aufgespalten werden (BAG, Beschluss vom 04. September 2018 - 9 AZB 10/18 -, Rn. 24, juris; BAG, Beschluss vom 10. Juni 2010 - 5 AZB 3/10 -, BAGE 134, 367-371, Rn. 12; BAG, Urteil vom 27. Februar 1975 - 3 AZR 136/74 -, Rn. 31, juris; GMP/Schlewing, 9. Aufl. 2017, § 2 ArbGG, Rn. 117).

a) Zwischen dem Klageantrag zu 4. und den übrigen Klageanträgen besteht der von § 2 Abs. 3 ArbGG geforderte Zusammenhang. Der Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages war zwar rechtlich unabhängig von dem bereits zuvor bestehenden Arbeitsverhältnis. Das haben die Parteien unter § 2 Abs. 1 Satz 3 des Geschäftsführeranstellungsvertrages selbst geregelt, indem das Arbeitsverhältnis nur ruhen und am Folgetag der Beendigung des Anstellungsverhältnisses wieder aufleben sollte. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht aber, wenn der Anspruch auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruht oder wirtschaftliche Folge desselben Tatbestands ist. Diese Voraussetzung ist im Interesse der Prozessökonomie weit auszulegen. Ein einheitlicher Lebenssachverhalt reicht aus (Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 2 ArbGG, Rn. 210). Dieser ist etwa gegeben, wenn ein Kläger neben Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis solche Ansprüche geltend macht, die ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer einer GmbH zustehen (Schwab/Weth, ArbGG, 5. Aufl. 2018, § 2 ArbGG, Rn. 211). Vergleichbar damit ist der vorliegende Fall, in dem es um die Beendigung eines Geschäftsführeranstellungsverhältnisses geht, das in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem ruhenden Arbeitsverhältnis steht, und das aus dem, wie die Beklagte ausgeführt hat, selben Grund gekündigt wurde.

b) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist eine Zusammenhangszuständigkeit nicht durch die spezielle Regelung in § 2 Abs. 4 ArbGG ausgeschlossen. Nach § 2 Abs. 4 ArbGG können auf Grund einer Vereinbarung auch bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen und ihren Vertretungsorganen vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden. Daraus wird zwar teilweise gefolgert, dass Zusammenhangsklagen iSd. § 2 Abs. 3 ArbGG nicht vor die Arbeitsgerichte gebracht werden können, soweit die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte iSd. § 2 Abs. 4 ArbGG vereinbart ist (GMP/Schlewing, 9. Aufl. 2017,§ 2 ArbGG, Rn. 136). So liegt der Fall hier aber nicht. Im vorliegenden Rechtsstreit begründet nicht erst eine Vereinbarung nach § 2 Abs. 4 ArbGG die Rechtswegzuständigkeit. Es geht gerade nicht um den Zusammenhang mit einer eigentlich rechtswegfremden Auseinandersetzung, so dass über die Anerkennung einer Zusammenhangszuständigkeit noch mehr rechtswegfremde Streitigkeiten vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden könnten. Vielmehr besteht für die Klageanträge zu 1. bis 3., wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, bereits eine originäre Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen.

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