LAG Köln, Beschluss vom 19.12.2018 - 11 TaBV 21/18
Fundstelle
openJur 2019, 34281
  • Rkr:
Verfahrensgang

Einzelfall

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. wird unter Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 15.02.2018 - 1 BV 22/17 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, die Betriebsvereinbarung vom 13.03.2015 in der Weise durchzuführen, dass die Betriebsrentenanwartschaften der unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarungen vom 26.11.1996 und 13.03.2015 fallenden Beschäftigten zum 01.01.2017 über die vorgenommene Anpassung vom 29,68 % hinaus um weitere 3 %, mithin um insgesamt 32,68 %, seit dem Dezember 1996 angepasst werden.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe der Anpassung von Betriebsrentenanwartschaften.

Der Beteiligte zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2), einem Maschinenbauunternehmen für Systeme zur Herstellung von flexiblen Folienverpackungen, gebildete Betriebsrat.

Die Beteiligten schlossen unter dem 26.11.1996 eine Betriebsvereinbarung zur Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung (BV 1996). Die BV 1996 regelte u. a. Folgendes:

"(...)

§ 2

Anwendungsbereich

1. Die als Anlage 1 beigefügte neue Versorgungsordnung ist anzuwenden auf alle Mitarbeiter, die bei Inkrafttreten dieser Betriebsvereinbarung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Firma stehen, am 31.12.1996 (Neuordnungsstichtag) das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Erteilung einer versorgungszusage gem. § 2 der neuen Versorgungsordnung erfüllen. Diese Versorgungsordnung ersetzt die bis dahin geltende Versorgungsordnung vom 08.06.1976 (alte Versorgungsregelung). Hiervon wird jedoch der Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage nicht berührt.

2. Für Personen, die nach dem Neuordnungsstichtag ein Arbeitsverhältnis zur Firma begründen, ist die als Anlage 2 beigefügte "Leistungsordnung der J - Altersversorgung" in der jeweils gültigen Fassung maßgebend. Zur Zeit gilt die Leistungsordnung von Dezember 1983.

3. Für Personen, die bereits vor dem Neuordnungsstichtag unter Erwerb eines Anspruchs auf Betriebsrente oder unter Aufrechterhaltung einer Anwartschaft auf Betriebsrente ihr Arbeitsverhältnis zu Firma beendet haben, und für deren Hinterbliebene sowie für Versorgungsanwärter, die zum Neuordnungsstichtag das 55. Lebensjahr bereits vollendet haben, und für deren Hinterbliebene bleiben die bisherigen Versorgungsregelungen maßgeblich. Diese Personen bleiben insofern von der Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung unberührt.

§ 3

Anpassung des Ruhegeldes

1. Die Geschäftsleitung ist verpflichtet, erstmals im Jahre 1999 die Höhe des Ruhegeldes nach § 8 der als Anlage 1 beigefügten Versorgungsordnung zu überprüfen und über eine Anpassung unter Beachtung der zum Überprüfungszeitpunkt gegebenen Lage der Gesellschaft und der bis dahin eingetretenen Kaufkraftveränderung zu entscheiden.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft eine Anpassung des Ruhegeldes ermöglicht, sollen die Kriterien Anwendung finden, die die Rechtsprechung zum Begriff der "wirtschaftlichen Lage des Arbeitsgebers" i. S. von § 16 des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) aufgestellt hat.

3. Sollte die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft unter Beachtung dieser Kriterien eine Anpassung des Ruhegeldes ermöglichen, wird eine Anpassung in Höhe des Kaufkraftverlustes vorgenommen, der sich vom Neuordnungsstichtag bis zum Überprüfungsstichtag ergeben hat. Maßstab für die Kaufkraftveränderung ist die Entwicklung des Preisindexes eines 4-Personen- Arbeitnehmer-Haushaltes mit mittlerem Einkommen. Das Entscheidungsergebnis wird die Geschäftsleitung dem Betriebsrat im einzelnen erläutern und begründen.

4. Nach dem ersten Überprüfungszeitpunkt erfolgen in analoger Weise weitere Überprüfungen und Entscheidungen über eine Anpassung des Ruhegeldes im Drei-Jahres-Rhythmus.

(...)"

Wegen der weiteren Einzelheiten der BV 1996 wird auf Bl. 58 f. d. A. verwiesen.

Die Anlage 1 der BV 1996 regelt u.a. Folgendes:

"(...)

§ 8

Höhe des Ruhegeldes

1. Das monatliche Ruhegeld beträgt für jedes anrechenbare Kalenderjahr DM 5,00. Dabei ist ein Kalenderjahr anrechenbar, wenn es mindestens zur Hälfte zur anrechenbaren Dienstzeit (§ 10) gehört.

2. Das Ruhegeld beträgt abweichend von Ziffer 1 mindestens für jedes bis zum 31.12.1996 (Neuordnungsstichtag) abgeleistete rentenfähige Dienstjahr 0,5 % des rentenfähigen Arbeitsverdienstes am Neuordnungsstichtag, höchstens jedoch 12,5 % dieses rentenfähigen Arbeitsverdienstes. Für den Teil des rentenfähigen Arbeitsverdienstes, der die am Neuordnungsstichtag gültige Beitragsbemessungsgrenze für Monatsbezüge in der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten und Arbeiter übersteigt, werden die in Satz 1 genannten Prozentsätze verdoppelt. Das so ermittelte Mindestruhegeld wird jedem Mitarbeiter schriftlich mitgeteilt. Im Falle einer Teilzeitbeschäftigung wird der rentenfähige Arbeitsverdienst auf der Grundlage der vollen tariflichen Arbeitszeit ermittelt.

Die Definitionen der rentenfähigen Dienstjahre und des rentenfähigen Arbeitsverdienstes sind der Versorgungsordnung von 08.06.1976 Abschnitt IX und X zu entnehmen.

(...)"

Wegen der weiteren Einzelheiten der Anlage 1 der BV 1996 wird auf Bl. 60 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 2) passte nach jeweiliger Überprüfung erstmals 1999 und sodann im Dreijahresrhythmus, zuletzt im Jahre 2011, die Betriebsrentenanwartschaften nach Maßgabe der BV 1996 an.

Mit Schreiben vom 19.05.2014 (Bl. 76 f. d. A.) teilte die Beteiligte zu 2) dem Beteiligten zu 1) mit, dass zum 01.07.2014 keine Anpassung der Betriebsrentenanwartschaften erfolge, weil die wirtschaftliche Lage der Beteiligten zu 2) einer Anpassung entgegen stehe. Die Geschäftsjahre 2011 und 2013 seien schwierige Jahre mit hohen Verlusten gewesen, erst im Jahre 2013 habe sich die wirtschaftliche Lage verbessert.

Am 26.08.2014 schlossen die Beteiligten in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren (Arbeitsgericht Siegburg - 1 Bv 52/14 -) einen Vergleich (Bl. 78 d. A.), wonach u. a. der VRLAG Dr. K zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zum Regelungsgenstand "Durchführung des § 3 der Betriebsvereinbarung vom 26.11.1996" bestellt wurde. Die Beteiligte zu 2) hat das im Vergleich vereinbarte Widerrufsrecht nicht ausgeübt.

Die Einigungsstelle tagte erstmals am 06.11.2014. Umstritten zwischen den Beteiligten war die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage, u. a. der Einfluss der Vergabe von Genussscheinen auf die Eigenkapitalquote. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Einigungsstelle vom 06.11.2014 (Bl. 80 f. d. A.) verwiesen.

Nachdem die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 12.01.2015 (Bl. 83 ff. d. A.) ihre Sicht der wirtschaftlichen Lage unter Berücksichtigung der im Jahre 2010 emittierten Genussscheine im Einzelnen dargelegt hatte, erfolgte in der Einigungsstellensitzung vom 14.01.2015 ein Einigungsvorschlag des Vorsitzenden, wonach § 3 BV 1996 nach dem Modell des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG abgeändert werden sollte und ab dem Jahre 2011 eine jährliche Anpassung von 1 % vorzunehmen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle vom 14.01.2015 (Bl. 88 f. d. A.) Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 2) antwortete auf den Vergleichsvorschlag des Vorsitzenden mit einem Schreiben aus dem Februar 2015 (Bl. 91 ff. d. A.) und lehnte u. a. die Anwendung der vorgeschlagenen Anpassungsreglung wegen der Höhe der Pensionsrückstellungen für die Zukunft ab dem Jahre 2014 ab.

In der Sitzung der Einigungsstelle vom 13.03.2015 schlossen die Beteiligten sodann folgende Betriebsvereinbarung (BV 2015):

"(...)

1. Der Arbeitgeber verpflichtet sich, die Höhe des Ruhegeldes nach § 8 der als Anlage 1 der Betriebsvereinbarung vom 26.11.1996 beigefügten Versorgungsordnung mit Wirkung ab dem 01.01.2011 für den Zeitraum vom 01.11.2011 bis zum 31.12.2013 jährlich um eins vom Hundert gegenüber dem jeweiligen Vorjahr anzupassen.

2. Die nächste Anpassungsprüfung zum 01.01.2017 erfolgt wieder nach § 3 der oben genannten Betriebsvereinbarung. Dabei wird die VPI-Entwicklung seit Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung vom 26.11.1996 zugrundegelegt.

(...)"

Nachdem die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 03.05.2017 (Bl. 11 f. d. A.) dem Beteiligten zu 1) mitgeteilt hatte, dass aus ihrer Sicht keine nachholende Anpassung der Betriebsrentenanwartschaften für den Zeitraum 2011 bis 2013 zu erfolgen habe, hat der Beteiligte zu 1) das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.02.2018 (Bl. 122 ff. d. A.) festgestellt, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet ist, die Betriebsvereinbarung vom 13.03.2015 in der Weise durchzuführen, dass die Betriebsrentenanwartschaften der unter den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarungen vom 26.11.1996 und 13.03.2015 fallenden Beschäftigten zum 01.01.2017 über die vorgenommene Anpassung von 29,68 % um weitere 4,49 %, mithin um insgesamt 33,17 % seit November 1996 angepasst werden. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die BV 2015 und § 8 der Anlage 1 zur BV 1996 in Übereinstimmung mit der betrieblichen Vollzugspraxis dahin gehend auszulegen seien, dass sie auch die Anpassung der Betriebsrentenanwartschaften erfassten. Die BV 2015 habe eine nachholende Anpassung nicht ausgeschlossen. Hinreichende wirtschaftliche Gründe, die der Anpassung entgegenstehen würden, seien nicht dargetan. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbingens und der Antragstellung der Beteiligten erster Instanz wird auf I., wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf II. der Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen den ihr am 28.03.2018 zugstellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) am 12.04.2018 Beschwerde eingelegt und diese am 28.05.2018 begründet.

Die Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, die BV 2015 mit dem Verweis auf § 8 der Anlage 1 zur BV 1996 erfasse keine Betriebsrentenanwartschaften. Bei dem bis zum Neuordnungsstichtag 31.12.1996 erworbenen Mindestruhegeld der aktiv im Arbeitsverhältnis stehenden und noch nicht 55 Jahre alten Arbeitnehmer handele es sich nicht um Ruhegeld im Sinne von § 1 der Anlage 1 BV 1996. Diese Versorgungsordnung differenziere zwischen den Begrifflichkeiten Ruhegeld einerseits und Mindestruhegeld andererseits. Die BV 2015 sei dahin gehend auszulegen, dass lediglich die laufenden Leistungen der Betriebsrentner, die vom Anwendungsbereich der BV 1996 nebst Anlage 1 erfasst seien, einer geänderten Anpassung unterzogen werden sollten. Die Erfassung von Anwartschaften auf Versorgungsleistungen finde keinen Rückhalt innerhalb des Wortlauts der betrieblichen Vorschriften. Die betriebliche Praxis sei nicht von Relevanz, weil ein Wille zur Anpassung von Anwartschaften keinen Niederschlag in den betrieblichen Regelungen gefunden habe. Jedenfalls handele es sich bei der Anpassung des Mindestruhegeldes um eine freiwillige Leistung. Da eine gesetzliche Verpflichtung zur Anpassung des Mindestruhegeldes nicht bestehe, bleibe kein Raum zur Anwendung von § 16 BetrAVG. Selbst wenn man § 16 BetrAVG anwenden wolle, würde § 16 Abs. 4 BetrAVG zur Anwendung gelangen, die zu Recht unterbliebene Anpassung für den Zeitraum 2011 bis 2013 sei nicht nachzuholen. Die Bestimmung der Ziffer 2. Satz 2 BV 2015 enthalte keine eigenständige Regelungswirkung. Schließlich rügt die Beteiligte zu 2) die vom Arbeitsgericht angewandte Berechnungsmethodik.

Die Beteiligte zu 2) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 15. Februar 2018, Aktenzeichen 1 BV 22/17, abzuändern und den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 1) verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sinn und Zweck der Regelung des § 8 der Anlage 1 zur BV 1996 sei die Verhinderung der Entwertung von Anwartschaften durch Inflation gewesen. Eine ausnahmslose Entdynamisierung sei nicht durch triftige Gründe gerechtfertigt gewesen, so dass die vereinbarte Anpassung entsprechend der Regelung des § 16 BetrAVG ein Kompromiss gewesen sei. Die Anpassung der Anwartschaften sei auch nicht freiwillig, sondern beruhe auf einer Betriebsvereinbarung. Der Hinweis auf § 16 BetrAVG und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts belege, dass auch ein nachholende Anpassung vereinbart worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten vom 25.05.2018 und 17.12.2018, die Sitzungsniederschrift vom 19.12.2018 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II. 1. Die gemäß §§ 8 Abs. 4, 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht im Sinne von §§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet worden.

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

a) Die Beteiligte zu 2) ist dem Grunde nach aus § 3 BV Nr. 1 BV 1996 verpflichtet, auch die Betriebsrentenanwartschaften anzupassen. Dies gilt auch für die darauf aufbauende Anpassungspflicht aus Ziffer 1. der BV 2015. Zwar ist die Anpassung von Anwartschaften nicht ausdrücklich in den genannten Normen geregelt, folgt aber aus einer Auslegung der Anpassungsregelung.

aa) Betriebsvereinbarungen sind wegen ihres normativen Charakters wie Tarifverträge und diese wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (u. a.: BAG, Urt. v. 08.12.2015 - 3 AZR 267/14 - m. w. N.). Dabei kann auch die von den Betriebsparteien praktizierte Handhabung der Betriebsvereinbarung in der Vergangenheit berücksichtigt werden (BAG, Beschl. v. 18.11.2014 - 1 ABR 18/13 - m. w. N.).

bb) Die Vorschrift des § 3 Nr. 1 BV 1996 regelt die Verpflichtung zur Anpassung des "Ruhegeldes" nach § 8 der Anlage 1 zur BV 1996. Weder § 3 Nr. 1 BV 1996 noch § 8 der Anlage 1 zur BV 1996 regelt explizit, was unter dem Begriff "Ruhegeld" zu verstehen ist. Der Begriff des Ruhegeldes im Sinne der BV 1996, BV 2015 bedarf daher der Auslegung. Für eine Beschränkung der Anpassungspflicht auf laufende Betriebsrentenleistungen könnte sprechen, dass § 1 Nr. 1 der Anlage 1 zur BV 1996 Versorgungsleistungen als Ruhegeld in Form der Altersrente, vorzeitige Altersrente und Invalidenrente bezeichnet. Zudem wird in § 3 Nr. 2 Satz 3 der Anlage 1 zur BV 1996 der Empfänger von Ruhegeld als "Ruhegeldempfänger" bezeichnet, also eine Verknüpfung zwischen tatsächlichem Leistungsbezug und dem Begriff des Ruhegeldes hergestellt. Andererseits spricht für ein weitergehendes Verständnis des Begriffs Ruhegeld, dass als Betriebsrentner nach § 3 Nr. 2 Satz 2 der Anlage 1 zur BV 1996 bereits derjenige bezeichnet, der einen Anspruch auf Betriebsrente nach Ablauf der Wartezeit und Erfüllung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen erworben hat. Zudem werden mit § 1 der Anlage 1 zur BV 1996 inhaltlich lediglich die Arten der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beschrieben.

cc) Für eine Inbezugnahme der Betriebsrentenanwartschaften in die Anpassungsregelung spricht systematisch der Inhalt der Anpassungspflicht nach § 3 Nr. 1 i. V. m. § 3 Nr. 2 BV 1996. Da die Anpassung laufender Betriebsrentenleistungen ohnehin nach Maßgabe des § 16 BetrAVG zu erfolgen hat, macht die ausdrückliche Vereinbarung einer Ruhegeldanpassung nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 16 BetrAVG hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers nur dann einen plausiblen Sinn, wenn über den eigentlichen Anwendungsbereich der genannten gesetzlichen Vorschrift hinaus, also der laufenden Leistungen, ein weiterer Regelungsbereich eröffnet wird. Ein Ausgleich des Wertverlustes für die während der Anwartschaft eingetretene Entwertung unterfällt jedoch grundsätzlich nicht der Regelung des § 16 BetrAVG (BAG, Urt. v. 15.09.1977 - 3 AZR 654/76 - m. w. N.).

dd) Betrachtet man ferner die Verknüpfung zwischen der Verweisung in § 3 Nr. 1 BV 1996 und der Berechnungsvorschrift § 8 der Anlage 1 zur BV 1996, die (lediglich) die Parameter der Berechnung der Höhe des Ruhegeldes im Versorgungsfall enthält, so zeigt sich, dass Sinn und Zweck der Regelung der Schutz des Wertes der Versorgungsanwartschaften gegen die inflationsbedingte Entwertung war. Dies gilt auch für das Mindestruhegeld gemäß § 8 Nr. 2 der Anlage 1 zur BV 1996, denn die Verweisungsnorm des § 3 Nr. 1 BV 1996 ist dem Wortlaut nach nicht auf einzelne Bestandteile des§ 8 der Anlage 1 zur BV 1996 beschränkt. Das Ruhegeld nach § 8 Nr. 2 Satz 1 der Anlage 1 zur BV 1996 war hinsichtlich des Berechnungsfaktors Entgelt auf den maßgebenden Arbeitsverdienst am Neuordnungsstichtag 31.12.1996 festgeschrieben und damit von einem Wertverlust bedroht. Damit war zugleich ein Eingriff in den Besitzstand zum Neuordnungsstichtag verbunden, denn die Festschreibung bedeutete auch mit Wirkung für Dienstzeiten der Vergangenheit eine Entdynamisierung des Berechnungsfaktors Entgelt. Ob hinreichende Gründe für einen rechtswirksamen Eingriff in den bereits erworbenen Besitzstand bei der Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung im Jahre 1996 überhaupt vorlagen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Jedoch erscheint es sachlich plausibel, wenn im Wege des Kompromisses, wie vom Beteiligten zu 1) dargetan, eine Wertsicherungsklausel in Anlehnung an die Schutzvorschrift des § 16 BetrAVG vereinbart wird. Die Regelungsbefugnis der Betriebsparteien ermöglicht nicht jede Änderung bestehender Versorgungsregelungen. Vielmehr sind sie bei Einschnitten in Versorgungsrechte an die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebunden. Nach Maßgabe des dreistufigen Prüfungsschemas kann der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und im Vertrauen auf deren Inhalt Besitzstand nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus variablen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können daher nur aus triftigen Gründen geschmälert werden (BAG, Urt. v. 11.07.2017 - 3 AZR 513/16 - m. w. N.). Zudem verweist der Beteiligte zu 1) zu Recht darauf hin, dass gegen die Annahme einer Beschränkung der vereinbarten Anpassungsregelung auf laufende Betriebsrentenleistungen, mithin auf den Personenkreis der Betriebsrentner, Sinn und Zweck der betrieblichen Mitbestimmung entgegen steht. Das Mitbestimmungsrecht ist belegschaftsbezogen und die Legitimation des Betriebsrats leitet sich von der Belegschaft ab, die ihn gewählt hat und die er gegenüber dem Arbeitgeber repräsentiert (BAG, Beschl. v. 10.02.2009 - 1 ABR 94/07 - m. w. N.). Hinsichtlich von Ruheständlern steht dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu, denn bezüglich diesem Personenkreis fehlt es an einer demokratischen Legitimation des Betriebsrats, da die ausgeschiedenen Betriebsrentner weder aktiv noch passiv wahlberechtigt sind (BAG, Urt. v. 13.05.1997- 1 AZR 75/97 -.; offen gelassen: BAG, Urt. v. 10.02.2009 - 3 AZR 653/07 - jew. m. w. N.). Ein gesetzeskonformes Verständnis spricht daher nicht für eine Regelung laufender Betriebsrentenleistungen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Vorschrift des § 3 Nr. 1 BV 1996, und darauf aufbauend Ziffer 1. der BV 2015, hinsichtlich die Verpflichtung zur Anpassung von Ruhegeld auch Betriebsrentenanwartschaften des Personenkreises des § 2 Nr. 1 BV 1996 erfasst. Dieses Auslegungsergebnisses wird durch die stetige, übereinstimmend gelebte betriebliche Praxis seit dem Jahre 1999 bestätigt.

b) Sind demnach auch die Betriebsrentenanwartschaften der unter den Geltungsbereich der BV 1996 und BV 2015 fallenden Beschäftigten anzupassen, so bestimmt Ziffer 2. Satz 1 der BV 2015, dass zum 01.01.2017 "wieder" nach § 3 BV 1996 zu erfolgen hat. "Dabei" ist gemäß Ziffer 2. Satz 2 der BV 2015 die VPI-Entwicklung seit Inkrafttreten der BV 1996 zugrunde zu legen. Ob für den Zeitraum der Jahre 2011 bis 2013, für die nach Ziffer 1 der BV 2015 die Anpassung auf 1 % gegenüber dem jeweiligen Vorjahr beschränkt war, eine nachholende Anpassung vorzunehmen ist, ist ausdrücklich nicht geregelt und ebenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln.

Betrachtet man den Wortlaut, so enthält Ziffer 2. Satz 1 der BV 2015 durch die Verwendung des Begriffs "wieder" eine Rückkehr zum bestehenden Anpassungssystem des § 3 BV 1996. Diese Rückkehr wird durch Ziffer 2. Satz 2 der BV 2015 modifiziert, indem die ursprüngliche Berechnungsmethode des § 3 Nr. 3. BV 1996 jedenfalls für den Prüfungsstichtag 01.01.2017 abgeändert wurde. Für eine nachholende Anpassung spricht zunächst, dass nach Ziffer 1. der BV 2015 die einprozentige Anpassung auf den Zeitraum 2011 bis 2013 beschränkt ist. Da sich die Beteiligten hinsichtlich der Anpassung der Versorgungsanwartschaften an dem Regelungssystem des § 16 BetrAVG orientiert haben, liegt es nahe, dass zum Zwecke der Vermeidung der Auszehrung die Anpassung grundsätzlich im Ausgleich des Kaufkraftverlustes seit Bestand der Anwartschaft besteht und der Anpassungsbedarf in einem entsprechenden Teuerungsausgleich zum jeweiligen Anpassungsstichtag besteht (vgl. z.B.: BAG, Urt. v. 10.02.2015 - 3 AZR 37/14 - m. w. N.). Es kann dann aber auch der Rechtsgedanken des § 16 Abs. 4 BetrAVG herangezogen werden, wonach eine aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu Recht unterbliebene Anpassung bei späteren Anpassungen nicht mehr nachgeholt werden muss, so dass u.a. der damals zu verzeichnende Anstieg des Verbraucherpreisindexes unberücksichtigt bleiben kann (vgl.: BAG, Urt. v. 17.06.2014 - 3 AZR 298/13 - m. w. N.). Ob die wirtschaftliche Lage der Beteiligten zu 2) eine Anpassung im Jahre 2014 erlaubt hätte, ist im Rahmen der Einigungsstelle nicht abschließend geklärt worden. Diese Frage blieb letztendlich offen, was eher gegen eine Vereinbarung auf der Basis einer zu Recht unterbliebenen Anpassung spricht. Hätten die Betriebsparteien trotz ungeklärter Sachlage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit übereinstimmend dauerhaft eine nachholende Anpassung ausschließen wollen, so hätte es nahe gelegen, dies klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen haben sie jedoch in Ziffer 2. Satz 2 der BV 2015 ausdrücklich geregelt, dass die VPI-Entwicklung seit dem Inkrafttreten der BV 1996 bei der Anpassungsprüfung 01.01.2017 zugrunde zu legen ist, was denklogisch den Zeitraum 2011 bis 2013 mit einschließt. Folglich lässt sich im Wege der Auslegung der BV 2015 nicht entnehmen, dass eine nachholende Anpassung ausgeschlossen ist.

c) Hinsichtlich der Höhe des Anpassungsbedarfs bedurfte die Entscheidung des Arbeitsgerichts teilweise der Abänderung.

Die Verpflichtung zur Überprüfung der Anpassung der Anwartschaften bestand erstmals im Jahre 1999, § 3 Nr. 1 BV 1996. Ausgehend vom Neuordnungsstichtag 31.12.1996 ist der Anpassungsbedarf ab dem 01.01.1997 bis zum 31.12.2016 zu ermitteln. Dabei ist der Verbraucherpreisindex des Vormonats Dezember 1996 von 82,0 und dem Dezember 2016 von 108,8 zugrunde zu legen, so dass sich zum Anpassungsstichtag 01.01.2017 ein Teuerungsausgleich in Höhe von 32,68 % ergibt.

3. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen der §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.

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