OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.08.2019 - 3 Wx 175/17
Fundstelle
openJur 2019, 34084
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 8 Gs 44/17
Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Neuss vom 15. März 2017 - 8 Gs 44/17 - hat den Beteiligten zu 1 in seinen Rechten verletzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 2.

Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren: 5.000 €

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 ist iranischer Staatsangehöriger. Sein Asylantrag vom 13. Sept. 2016 ist mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. Nov. 2016 abgelehnt worden. Der Beteiligte zu 1 ist aufgefordert worden, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Gegen diesen Bescheid hat der Beteiligte zu 1 am 2. Dez. 2016 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben.

Der Beteiligte zu 2 hat zum Auffinden der Personalpapiere des Beteiligten zu 1 am 13. März 2017 beim Amtsgericht Neuss einen Beschluss zum Betreten und Durchsuchen seiner Wohnung beantragt. Der Beteiligte zu 1 habe am gleichen Tage bei dem Beteiligten zu 2 wegen einer Verlängerung seiner Aufenthaltsgestattung vorgesprochen und angegeben, keinen Nationalpass zu besitzen. Da eine Passersatzbeschaffung ohne Sachbeweise nicht möglich sei, sei eine Durchsuchung der Wohnung zur Auffindung von Personalpapieren beabsichtigt. Sie sei erforderlich, um eine Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu beseitigen. Sie bestehe in dem dauerhaften Verstoß gegen die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen. Der Beteiligte zu 1 sei vollziehbar ausreisepflichtig. Ohne Durchsuchung lasse sich ein ordnungsgemäßer Zustand im Sinne ordnungsbehördlicher Gefahrenabwehr nicht wiederherstellen. Es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse, dass Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzen, den Geltungsbereich des Ausländergesetzes unverzüglich verlassen.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Durchsuchung der Wohnung des Beteiligten zu 1 angeordnet. Es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Personalpapieren des Betroffenen führe.

Die Wohnung des Beteiligten zu 1 wurde daraufhin am 23. März 2017 durchsucht. Dabei wurden - nicht näher bezeichnete - Personalurkunden vorgefunden.

Der Beteiligte zu 1 hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt, hilfsweise beantragt, die Rechtswidrigkeit des Beschlusses und der Durchsuchung festzustellen. Das Asylverfahren sei nicht abgeschlossen. Es habe auch kein Anhaltspunkt dafür bestanden, dass er im Besitz eines Nationalpasses sei.

Der Beteiligte zu 2 hält seinen Antrag für rechtmäßig. Er habe keinen Anhaltspunkt für die Klage gegen den Asylbescheid gehabt. Im übrigen sei der Beteiligte zu 1 nach § 15 AsylG auch verpflichtet, Urkunden in seinem Besitz auszuhändigen. Da er offensichtlich falsche Angaben zu seinen Personalpapieren gemacht habe, habe angenommen werden können, dass er noch im Besitz von weiteren Papieren sei, auch wenn er behauptet habe, keinen Pass bei sich zu führen. Bei der Durchsuchung habe sich gezeigt, dass der Beteiligte zu 1 sich im Besitz weiterer Personalurkunden befunden habe, die er entgegen § 15 Abs. 2 AsylG nicht bei den Behörden abgegeben habe.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde des Beteiligten zu 1 nicht abgeholfen und sie dem Landgericht Düsseldorf vorgelegt. Dieses hat die Akten an das Amtsgericht zurückgegeben, das sie dann dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Das Rechtmittel des Beteiligten zu 1 ist dem Oberlandesgericht nach der vom Amtsgericht erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 FamFG. Der Rechtsweg zum Oberlandesgericht Düsseldorf ist zulässig und die Zuständigkeit des Senats zur Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel ist gegeben, denn bei der angefochtenen Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts handelt es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 PolG NW in Verbindung mit §§ 58 ff. FamFG (vgl. Senat, FGPrax 2018, 137).

Das von dem Beteiligten zu 1 eingelegte Rechtsmittel ist als Antrag gemäß § 62 Abs. 1 FamFG, gerichtet auf Feststellung der Verletzung seiner Rechte durch die erstinstanzliche Entscheidung zulässig. Nachdem der angefochtene Beschluss vollstreckt worden ist und eine Durchsuchung der Wohnung des Beteiligten zu 1 stattgefunden hat, hat sich der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in der Hauptsache erledigt. Dies eröffnet den Anwendungsbereich der Vorschrift des § 62 FamFG, die im Interesse des effektiven Rechtsschutzes auch dann eingreift, wenn sich die Maßnahme bereits vor Einlegung der Beschwerde erledigt hat (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 17. Aufl., § 62 Rn. 9).

Das zulässige Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 hat auch in der Sache Erfolg, denn er ist durch den Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt worden und hat ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung durch das Beschwerdegericht.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung nach §§ 41 Abs. 1 Nr. 2, 42, 43 Nr. 1 PolG NW lagen bei Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht vor.

Nach § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW kann die Polizei eine Wohnung nur dann (und nur mit richterlicher Anordnung) betreten und durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Sache befindet, die nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 PolG NW sichergestellt werden darf. Sichergestellt werden dürfen Sachen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren.

Hier fehlte es an diesen Voraussetzungen.

Zwar hätten zur Passersatzbeschaffung erforderliche Dokumente des Beteiligten zu 1 sichergestellt werden dürfen, wenn der Beteiligte zu 1 ausreisepflichtig war und keinen Nationalpass hatte. Allerdings war der Beteiligte zu 1 weder im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Beteiligten zu 2 noch im Zeitpunkt des Erlasses des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses vollziehbar ausreisepflichtig, weil das von ihm gegen den ablehnenden Asylbescheid eingeleitete Klageverfahren noch nicht abgeschlossen war. Daran ändert es nichts, dass der Beteiligte zu 2 glaubte, davon ausgehen zu können, dass der Asylbescheid deutlich nach Ablauf der Klagefrist bestandskräftig geworden sei. Das liegt auf der Hand.

Es kann offenbleiben, ob eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 43 Abs. 1 Nr. 1 PolG NW alleine darin hätte gesehen werden können, dass der Beteiligte zu 1 entgegen seiner Pflicht nach § 15 Abs. 2 Nr. 4 oder 5 AsylG Personalpapiere nicht vorgelegt hat. Hierauf hatte weder der Beteiligte zu 2 seinen Antrag, noch das Amtsgericht seinen Durchsuchungsbeschluss gestützt. Nachgeholt werden kann das - naturgemäß - nicht.

Im übrigen fehlte es bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses an Tatsachen im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NW, die die Annahme zuließen, dass Personalpapiere des Beteiligten zu 1 in dessen Wohnung vorhanden sein könnten, die eine Beschaffung von Passersatzpapieren ermöglichen würden. Die Durchsuchung einer Wohnung eines Ausreisepflichtigen ist nur dann rechtmäßig, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der von der Durchsuchung Betroffene im Besitz von Personaldokumenten oder sonstigen Papieren ist, die eine Passersatzbeschaffung ermöglichen können, und dass sich diese Dokumente in seiner Wohnung befinden. Die Durchsuchung einer Wohnung, um dort gegebenenfalls aufbewahrte Ausweispapiere oder sonstige zur Identifizierung geeignete Dokumente zu finden, ist rechtswidrig; allein die schlichte Möglichkeit, dass Dokumente gefunden werden könnten, genügt für den Erlass einer Durchsuchungsanordnung nicht (Senat, FGPrax 2018, 137 mit Hinweis auf OLG Frankfurt FGPrax 2007, 42; OLG Köln Beschl. v. 31.8.2001 -16 Wx 194/01, juris).Weder der Beteiligte zu 2 (" ... es habe angenommen werden können ... ") noch das Amtsgericht (" ... es ist zu vermuten ... ") haben sich jedoch auf hinreichend konkrete Tatsachen stützen können.

Dem Gesagten steht nicht entgegen, dass sich nach Mitteilung des Beteiligten zu 2 bei der Durchsuchung gezeigt habe, dass der Beteiligte zu 1 sich im Besitz weiterer (nicht näher bezeichneter) Personalurkunden befunden hat. Dies ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Durchsuchungsbeschlusses unmaßgeblich, denn es kommt allein auf den Sachverhalt an, der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Durchsuchungsantrag erkennbar war (Senat, a.a.O., mit Hinweis auf OLG Frankfurt, a.a.O.).

Durch die sich demnach als rechtswidrig erweisende Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts ist der Beteiligte zu 1 in seinen Rechten verletzt worden, nämlich in seinem grundgesetzlich geschützten Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. GG Artikel 13 Abs. GG Artikel 13 Absatz 1 GG. Dass die Verletzung dieses Rechts ein schwerwiegender Grundrechtseingriff ist und ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung einer Rechtsverletzung durch eine erledigte Entscheidung begründet, § 62 Absatz 2 Nr. 1 FamFG, ist unzweifelhaft (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt FGPrax 2018, 137 m.N.; Keidel/Budde, FamFG, 19. Aufl., § 62 Rn. 14).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor,§ 70 FamFG.

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