AG Borken, Beschluss vom 24.07.2019 - 26 Gs 211/19 (91 Js 1717/19)
Fundstelle
openJur 2019, 33711
  • Rkr:

1. Ein Haftantrag kann innerhalb der Hauptverhandlung mündlich, muss außerhalb der Hauptverhandlung aber schriftlich gestellt werden.

2. Ein Haftantrag muss die vorgeworfene Tat konkret bezeichnen und die verwirklichten Delikte einschließlich ihrer Begehungsweise benennen. Die Bezugnahme auf die polizeilichen Ermittlungsakten, deren Inhalt der Staatsanwaltschaft nur durch fernmündliche Zusammenfassung der ermittelnden Polizeibeamten bekannt ist, genügt insofern nicht.

Tenor

wird der fernmündliche Antrag der Staatsanwaltschaft Münster, gegen den Beschuldigten die Untersuchungshaft anzuordnen, wird als unzulässig verworfen.

Gründe

Der durch die Polizeibehörde des Kreises Borken am 24.07.2019 fernmündlich übermittelte und von der Staatsanwaltschaft heute selbst dem erkennenden Richter gegenüber fernmündlich gestellte Antrag der Staatsanwaltschaft Münster, gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft anzuordnen, war zu verwerfen, weil er unzulässig ist.

Es fehlt dem Antrag schon an der erforderlichen Form, denn er ist weder schriftlich gestellt noch in mündlicher Verhandlung zu Protokoll erklärt worden. Die Form eines Antrags der Staatsanwaltschaft auf Anordnung von Untersuchungshaft ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Der Antrag ist jedoch eine Prozesshandlung, für welche mangels abweichender gesetzlicher Bestimmungen die allgemeinen Regelungen für Prozesshandlungen gelten (vgl. Schellenberg MDR 1991,210,211). Für Prozesshandlungen gilt indes allgemein, dass sie in der Hauptverhandlung mündlich und außerhalb der Hauptverhandlung schriftlich zu erfolgen haben (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmidt, StPO, 60. Auflage, München 2017, Einl. Rn. 124).

Überdies fehlt es dem Antrag der Staatsanwaltschaft an der hinreichend konkreten Bezeichnung der Tat, wegen derer die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten angeordnet werden soll. Allein die Bezugnahme auf die polizeilichen Ermittlungsakten, deren Inhalt dem zuständigen Staatsanwalt/der zuständigen Staatsanwältin nur durch fernmündliche Zusammenfassung der ermittelnden Polizeibeamten bekannt ist, genügt insofern nicht. Mit dem gesetzlichen Antragserfordernis gem. § 125 Abs. 1 StPO ist unvereinbar, dass das Gericht den Sachverhalt, dessentwegen Untersuchungshaft angeordnet werden soll, und die Delikte, die dem Beschuldigten vorgeworfen werden, einschließlich deren Begehungsweise (z.B. Raub oder räuberische Erpressung, Täterschaft oder Teilnahme, Versuch oder Vollendung) durch Auswertung der polizeilichen Ermittlungsakten selbst festlegt (wie hier AG Frankfurt, Beschl. v. 12.04.2000, 931 Gs 477/00, StV 2001,684, zitiert nach JURIS). Durch eine wie hier nach telefonischer Rücksprache mit den Ermittlungsbeamten unter Bezugnahme auf die polizeilichen Ermittlungsakten lediglich fernmündlich übermittelte Antragstellung wird die Staatsanwaltschaft ihrer Aufgabe, den Sachverhalt - auch zum Schutz des Beschuldigten - vor einer richterlichen Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gründlich zu prüfen, in keiner Weise gerecht. Dementsprechend ordnet Ziff. 46 Abs. 1 RiStBV an:

"Der Staatsanwalt hat alle Anträge und Erklärungen, welche die Anordnung, Fortdauer und Aufhebung der Untersuchungshaft betreffen, zu begründen. Dabei die Tatsachen anzuführen, aus denen sich

a) der dringende Tatverdacht,

b) der Haftgrund

ergeben."

In dem vorliegenden Verfahren ist bereits unklar, wegen welcher Tat/en der Haftbefehl beantragt werden soll. Der fernmündliche Antrag der Staatsanwaltschaft nimmt Bezug auf "die Tat von heute Morgen". In der polizeilichen Anregung auf Beantragung eines Untersuchungshaftbefehls ist jedoch davon die Rede, dass in der Tatnacht noch drei weitere Einbruchsdiebstahlsversuche stattgefunden haben sollen (Eiscafé Venezia, Café Klatsch und Gaststätte Am alten Rathaus). Sofern sich der Antrag auf einen versuchten Einbruch im Café Küsschen (Markt 2, XXX) beziehen sollte, ergibt sich dies nicht eindeutig aus der fernmündlichen Antragstellung. Darüber hinaus wurde bei diesem Einbruch(sversuch?) der Beschuldigte entgegen der Darstellung bei mündlichen Antrag nicht auf frischer Tat betroffen, sondern im näheren Umkreis (insbesondere der anderen drei Einbruchs-Tatorte) angetroffen und vorläufig festgenommen.

Die Staatsanwaltschaft hat weiter Bezug genommen auf drei weitere Taten, die Gegenstand eines Durchsuchungsbeschlusses seien. Der Durchsuchungsbeschluss wurde wieder von der Staatsanwaltschaft vorgelegt (Aktenzeichen, erlassenes Gericht und Datum sind nicht bekannt), noch ergibt sich der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses aus der von der Polizei elektronisch übermittelten Akte von 42 Blatt.

Ob und gegebenenfalls wie sich der Beschuldigte zu den Vorwürfen einlässt, ist weder fernmündlich mitgeteilt worden noch ergibt es sich aus der von der Polizei elektronisch übermittelten Akte (von 42 Blatt).

Zu den Haftgründen sei angemerkt:

Sofern die (mündliche) Haftbefehlsantrags-Begründung sich auf Wiederholungsgefahr stützt, ist keineswegs nachgewiesen, inwieweit der Beschuldigte mehrere Taten begangen hat. Aus dem polizeilichen Bericht zur "Anregung auf Beantragung U-Haftbef." vom 24.07.2019 ergibt sich wohl, dass es seit April 2019 zu einer "Häufung von versuchten und vollendeten schweren Diebstählen [im besonders schweren Fall] zum Nachteil der XXX Geschäftswelt" gekommen sei. Aus den Unterlagen ergibt sich aber nicht, warum auch diese Taten (zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit) ebenfalls dem Beschuldigten zur Last fallen sollen. Mitgeteilt wurde lediglich, dass es sich um "baugleiche Taten", also Taten mit ähnlicher Begehungsweise (von Hebeltätigkeiten zwecks gewaltsamen Eindringens), handele. Inwieweit auch dort der Verdacht auf den Beschuldigten fällt, ergibt sich aus dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht, so dass auch die Begründung für eine Wiederholungsgefahr noch nicht ausreichend ist.

Hinsichtlich einer Fluchtgefahr ist mitgeteilt worden, dass der Beschuldigte über eine Meldeanschrift und einen Ausbildungsvertrag verfüge. Er ist - soweit sich aus der elektronisch übersandten Akte ergibt - bislang auch nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Sofern für den Beschuldigten (nach Aktenlage) ein dringender Tatverdacht nur für eine einzelne Tat nachgewiesen werden kann, mindert dies eine den Fluchtanreiz erhöhende Straferwartung.

Die hiesige Entscheidung bedeutet nicht, dass bei fortschreitendem Ermittlungsstand und Nachweis der Haftgründe erneut - gegebenenfalls auf geordnetem, schriftlichem Wege - der Erlass eines Untersuchungshaftbefehls gegen den Beschuldigten beantragt werden kann. Dies ist je nach Sachlage jederzeit möglich.

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