BGH, Urteil vom 20.08.2019 - 1 StR 209/19
Fundstelle
openJur 2019, 33077
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 28. Januar 2019 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 690 € als Gesamtschuldner angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Seine Revision hat im Strafausspruch Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarten der Angeklagte und sein Bekannter T. , Betäubungsmittel aus der Tschechischen Republik nach Deutschland einzuführen, gewinnbringend zu veräußern und die Erlöse hälftig aufzuteilen. Der Angeklagte sollte jeweils das Fahrzeug für die Einfuhrfahrten zur Verfügung stellen und führen.

a) Am 13. Juli 2018 erwarben der Angeklagte und T. auf einem "Vietnamesenmarkt" in C. (Tschechische Republik) zwölf Gramm Crystal-Speed mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 70 % Methamphetaminbase zu einem Kaufpreis von 500 € und führten es nach Deutschland ein. 7,5 Gramm verkauften sie an F. zu 70 € je Gramm. F. blieb 150 € des Kaufpreises von 525 € schuldig. 4,5 Gramm veräußerten sie in kleinen Mengen zu 70 € je Gramm an weitere Abnehmer. Insgesamt erlösten sie 690 € (Fall II.2a).

b) Am 18. Juli 2018 verbrachten sie 20,33 Gramm Crystal-Speed mit einer Wirkstoffmenge von 7,97 Gramm Methamphetaminbase in das Bundesgebiet. Die Betäubungsmittel hatten sie für 800 € an einem "Vietnamesenmarkt" in C. erworben, aber bereits vorab den Weiterverkauf zu 1.200 € an G. ver- einbart. Auf der Bundesstraße B wurden sie festgenommen und die Betäu- bungsmittel sichergestellt (Fall II.2b).

2. Die Strafkammer hat im Rahmen der Strafzumessung in Fall II.2a jeweils einen minder schweren Fall der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 2 BtMG) und des tateinheitlich verwirklichten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 2 BtMG) angenommen; in Fall II.2b hat sie einen minder schweren Fall verneint.

Bei beiden Taten hat sie im Rahmen der Prüfung minder schwerer Fälle in ihre Gesamtwürdigung als allgemeine Strafmilderungsgründe das umfassende Geständnis des Angeklagten unmittelbar nach seiner Festnahme, seine strafrechtliche Unbescholtenheit, die erheblichen Auswirkungen der erstmaligen Untersuchungshaft und seine selbstunsichere und daher leicht zu beeinflussende Persönlichkeit eingestellt.

Das Landgericht hat nur mittels zusätzlicher Heranziehung des vertypten Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe (§ 31 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB) in Fall II.2a einen minder schweren Fall angenommen. In Fall II.2b hat es bei der Prüfung des minder schweren Falls zusätzlich zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass das eingeführte Crystal-Speed "von ausgesprochen schlechter Qualität" war, "wenngleich dennoch die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten war", und die Betäubungsmittel sichergestellt wurden, so dass sie "nicht in den Umlauf des Betäubungsmittelverkaufs" gelangten.

Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinn hat die Strafkammer zugunsten des Angeklagten erneut dessen frühzeitiges umfassendes Geständnis, sein Mitwirken an der Aufdeckung der Tat vom 13. Juli 2018 (Fall II.2a), seine fehlenden Vorstrafen und die schlechte Qualität der Betäubungsmittel im Fall II.2b gewertet, "wenngleich die nicht geringe Menge dennoch überschritten war", sowie berücksichtigt, dass die Betäubungsmittel in Fall II.2b sichergestellt wurden, nicht in Umlauf gelangten und keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellten.

Als strafschärfende Erwägung nannte die Strafkammer lediglich den Umstand, dass es sich bei den eingeführten Betäubungsmitteln um Crystal-Speed handelte.

II.

Die Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg.

1. Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge sowie seine Einwendungen gegen den Schuldspruch greifen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch.

2. Dagegen halten die Strafaussprüche rechtlicher Überprüfung, auch unter Zugrundelegung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs der revisionsgerichtlichen Überprüfung der Strafzumessung nicht stand.

a) Die Strafkammer hat in den Fällen II.2a und II.2b schon nicht erkennbar bedacht, ob nicht der jeweils nicht erheblich über dem Grenzwert zur nicht geringen Menge liegende Wirkstoffgehalt bereits für sich genommen einen minder schweren Fall begründen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2017 - 2 StR 294/16 Rn. 13). Dies hätte hier nahe gelegen. Der Wirkstoffgehalt des eingeführten Crystal-Speed war in beiden Fällen nahezu gleich: Gegenstand des ersten Einfuhrvorgangs waren zwölf Gramm Crystal-Speed mit einem Wirkstoffgehalt von 70 % Methamphetaminbase (umgerechnet 8,4 Gramm Base). Gegenstand des zweiten Einfuhrvorgangs waren 20,33 Gramm Crystal-Speed mit 7,97 Gramm Base. Damit lag in beiden Fällen das Rauschgift nur geringfügig über dem Grenzwert zur nicht geringen Menge. Allein dieser Umstand hätte schon als Gesichtspunkt von Gewicht für die Annahme eines minder schweren Falls streiten müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Januar 2019 - 2 StR 488/18 Rn. 5), was das Landgericht nicht erkennbar bedacht hat.

b) Soweit das Landgericht ausschließlich mit der Erwägung, dass es sich bei dem Betäubungsmittel um Crystal-Speed gehandelt hat, einen minder schweren Fall verneint hat, ist auch dieses rechtlich durchgreifend bedenklich. Allein die Art des Rauschgifts ist für sich genommen nicht geeignet, einen minder schweren Fall zu verneinen. Hierbei hat das Landgericht nämlich möglicherweise aus dem Blick verloren, dass die herausgehobene Gefährlichkeit dieses Suchtstoffes schon in die Bestimmung des Grenzwerts eingeflossen ist. Dieser Umstand relativiert auch das Gewicht, mit dem Art und Gefährlichkeit des Rauschgifts bei der Strafrahmenwahl nochmals Berücksichtigung erlangen können.

c) Damit ist zugleich zu beanstanden, dass die Strafkammer in Fall II.2b einen minder schweren Fall für nicht gegeben erachtet hat, obwohl ausschließlich Strafmilderungsgründe von erheblichem Gewicht vorlagen. Eine nachvollziehbare Begründung hierzu gibt das Landgericht nicht.

d) Die Strafkammer hat schließlich rechtsfehlerhaft im Rahmen der Prüfung eines minder schweren Falls in Fall II.2b nicht ausdrücklich erörtert, dass die Betäubungsmittel nicht nur sichergestellt werden konnten, sondern der Sicherstellung eine Observation vorangegangen ist. Der Umstand polizeilicher Überwachung eines Betäubungsmittelgeschäfts mit der Folge, dass eine tatsächliche Gefahr der Übernahme durch den Abnehmer und eines tatsächlichen Inverkehr-Gelangens nicht besteht, ist aber ein bestimmender Strafzumessungsgrund zugunsten des Angeklagten, dem neben der Sicherstellung der Drogen als solcher eigenes Gewicht zukommt (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2019 - 2 StR 488/18 Rn. 8 mwN).

3. Die zur Aufhebung des Strafausspruchs führenden Wertungsfehler betreffen die Feststellungen nicht; diese können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

4. Die Einziehungsanordnung des Landgerichts erweist sich als frei von Rechtsfehlern.

Der Angeklagte und sein Mittäter haben 690 € als gemeinsame Erträge aus den Rauschgiftgeschäften erlangt, über die sie - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt - faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht hatten. Sie haben die Erlöse hälftig untereinander aufgeteilt bzw. - wenn man der Einlassung des Angeklagten folgt - Erlöse aus der ersten Tat zum Erwerb des Rauschgifts bei der zweiten Tat reinvestiert.

Zwar reicht die Annahme einer mittäterschaftlichen Zurechnung im Rahmen des Handeltreibens für eine Haftung alleine nicht aus (BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2019 - 2 StR 395/18 Rn. 4 und vom 20. November 2018 - 4 StR 326/18 Rn. 4 mwN). Eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft kommt allerdings in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass den jeweiligen Mittätern zumindest Mitverfügungsgewalt über die Beute zukommen sollte und sie diese auch tatsächlich hatten (BGH, Beschluss vom 16. August 2018 - 4 StR 255/18 Rn. 4 mwN). So liegt es hier.

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