VG Kassel, vom 28.02.2018 - 1 K 2514/17.KS
Fundstelle
openJur 2019, 31534
  • Rkr:

Der Dienstherr darf den Antrag einer Beamtin, ein islamisches Kopftuch während des Dienstes tragen zu dürfen, gestützt auf die beamtenrechtliche Neutralitätspflicht nicht allein deswegen ablehnen, weil die Beamtin in einem Aufgabenbereich mit Publikumsverkehr tätig ist. Dies stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Beamtin dar. Es bedarf zur Rechtfertigung dieses Eingriffs einer konkreten Gefahr für die staatliche Neutralität oder für die Grundrechte Dritter.

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 20.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 verpflichtet, der Klägerin das Tragen eines Kopftuchs während der Dienstzeit zu genehmigen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin steht als Oberinspektorin im gehobenen nichttechnischen Dienst der Beklagten. Seit dem 01.01.2016 ist sie in der Abteilung Allgemeine Soziale Dienste (Sachgebiet wirtschaftliche Jugendhilfe - Erziehungshilfe) des Jugendamtes der Stadt ....... tätig. Dort ist sie eingebunden in die Bewilligung von Jugendhilfen für Kinder und Jugendliche aus problematischen Familienverhältnissen.

Seit ca. sechs Jahren trägt die Klägerin als Ausdruck ihrer individuellen Glaubenszugehörigkeit ein Kopftuch. Am 30.11.2015 beantragte sie die Genehmigung, während des Dienstes ein Kopftuch tragen zu dürfen (Bl. 1 VV). Sie berief sich auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung und hielt darüber hinaus ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst für nicht mehr zeitgemäß. Die Neutralität der Verwaltung, gerade einer Kommunalverwaltung mit nahezu ausnahmslos nicht-pädagogischen Aufgabeninhalten, werde nicht gefährdet, wenn sie das Kopftuch während des Dienstes trage. Sie versichere, dass sie die gebotene Neutralität bei der Aufgabenerledigung und gegenüber Dritten lückenlos wahren werde.

Mit Bescheid vom 20.05.2016 (Bl. 17 VV) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie berief sich auf die Neutralitätspflicht für Beamte. Das islamische Kopftuch stelle sich als Kundgabe einer religiösen Auffassung dar. Da die Klägerin in ihrer derzeitigen Tätigkeit hoheitliche Aufgaben mit Außenwirkung, also Publikumsverkehr, wahrnehme, sei das Tragen des Kopftuches objektiv dazu geeignet, das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung zu beeinträchtigen. Es beständen aber keine Bedenken dagegen, dass die Klägerin das Kopftuch vor und nach dem Dienst und etwa während Fortbildungen, Personalversammlungen o. ä. trage.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 06.06.2016 (Bl. 19 VV), Widerspruch ein. Sie berief sich zur Begründung auf ihre Religionsfreiheit, ihr Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht sowie den Schutz vor Diskriminierung wegen religiöser Anschauungen. Zudem habe sich weder in anderen Berufsfeldern, in denen Frauen mit Kopftuch arbeiten dürften, noch in den Bundesländern, in denen Beamtinnen das Tragen des Kopftuchs gestattet werde, herausgestellt, dass das Tragen des Kopftuches die Neutralitätspflicht beeinträchtige bzw. als die Neutralitätspflicht verletzend wahrgenommen werde. Mit Schreiben vom 15.06.2016 (Bl. 23 VV) verwies die Klägerin ergänzend auf ein Rundschreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 06.09.2015 (Bl. 24 VV). Dort sei als zusätzliche Voraussetzung für ein Kopftuchverbot herausgearbeitet, dass eine hinreichend konkrete Gefahr oder Störung für andere Schutzgüter vorliegen müsse.

Mit Schreiben vom 01.07.2016 (Bl. 31 VV) bat die Beklagte die Klägerin ergänzend darzulegen, warum sie ein Kopftuch trage. Mit Schreiben vom 07.07.2016 (Bl. 32 VV) erklärte die Klägerin, dass sie mit dem Kopftuch kein Signal nach außen setzen wolle. Es handele es sich vielmehr um die Befolgung einer religiösen Regel, die sie als verbindlich empfinde. Das Tragen des Kopftuches sei für sie ein Akt der religiösen Selbstbestimmung und gerade kein Ausdruck eines Glaubens, der die Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen propagiere.

Mit Schreiben vom 18.08.2016 (Bl. 36 VV) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Tragen eines Kopftuches im Dienst grundsätzlich nicht genehmigt werde, wenn es sich um einen Aufgabenbereich mit Publikumsverkehr sowie der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder Ermessensentscheidungen handele. Man sei allerdings bereit, der Klägerin eine gleichwertige Tätigkeit in einem Einsatzbereich anzubieten, in dem das Tragen des Kopftuches unproblematisch sei. Mit Schreiben vom 21.11.2016 (Bl. 45 VV) wandte sich die Klägerin mit einer Eingabe an das Hessische Ministerium des Innern und für Sport und regte ein Einschreiten als Rechtsaufsichtsbehörde an. Mit Schreiben vom 20.12.2016 (Bl. 52 VV) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise, ihr eine gleichwertige Tätigkeit in einem anderen Einsatzbereich anzubieten, nicht einverstanden sei. Bezugnehmend auf die Eingabe der Klägerin teilte das Regierungspräsidium ....... dieser mit Schreiben vom 21.12.2016 (Bl. 43) mit, dass für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten keine Veranlassung bestehe. Der Dienstherr habe im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob eine Gefährdung oder Störung der Dienstgeschäfte oder der staatlichen Neutralität vorlägen. Dies habe die Stadt ....... bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit bejaht und alternativ eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit angeboten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2017 (Bl. 4 d. A.) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Entscheidung, der Klägerin das Tragen des Kopftuches während der Dienstzeit nicht zu gestatten, sei unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen, der aktuellen Rechtsprechung, des Gebots der Verhältnismäßigkeit und nach Abwägung aller Interessen, insbesondere der Grundrechte der Klägerin und der gesetzlichen Verpflichtungen nach dem HBG, getroffen worden.

Am 30.03.2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Darüber hinaus trägt sie vor: Sie habe kaum Publikumsverkehr. Der Kontakt der Sachbearbeiter der wirtschaftlichen Jugendhilfe zu den Antragstellern erfolge überwiegend über die Sozialarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes. Im Übrigen verlaufe die Kommunikation in der Regel über Telefon oder per E-Mail. Die Jugendhilfe habe tägliche Öffnungszeiten von einer Stunde. Jeder Sachbearbeiter habe im Schnitt ein bis drei Vorsprachen pro Woche. Zumeist gehe es darum, Bargeld abzuholen oder Unterlagen einzureichen. Es sei zudem nicht auf jegliches Publikum abzustellen, das die Klägerin irgendwie wahrnehmen könnte, sondern nur auf dasjenige, das gezielt mit ihr in Kontakt trete.

Der Bescheid sei formell rechtswidrig, weil die vorgeschriebene Anhörung nicht stattgefunden habe und auch keine Heilung eingetreten sei. Die Beklagte setze sich in dem Widerspruchsbescheid nicht mit dem Vortrag der Klägerin auseinander, insbesondere nicht mit dem Rundschreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport. Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig, da er einen erheblichen Eingriff in die Glaubensfreiheit und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstelle, der nicht gerechtfertigt sei. Die Klägerin verstieße mit dem Tragen eines Kopftuchs nicht gegen das Neutralitätsgebot. Die (bundesverfassungsgerichtliche) Rechtsprechung gehe von einem offenen und übergreifenden Neutralitätsverständnis aus, das hier zugrunde zu legen sei. Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates werde nur dann durch das Tragen eines religiös konnotierten Symbols erschüttert, wenn dies dem Staat zuzurechnen sei. Dafür genüge nicht die bloße Amtsträgereigenschaft des Gläubigen bzw. die staatliche Tolerierung des religiösen Symbols, vielmehr müsse der Staat das Tragen veranlasst haben. An einer solchen Zurechenbarkeit fehle es hier.

Selbst wenn man davon ausginge, dass hier die Möglichkeit zur Gefährdung des Neutralitätsgrundsatzes bestände, so sei im Sinne einer praktischen Konkordanz eine Abwägung vorzunehmen. Das auf die bloß abstrakte Eignung zu einer Gefährdung der Neutralität in einer öffentlichen Einrichtung gestützte Kopftuchverbot sei demnach unverhältnismäßig im engeren Sinn, denn die Glaubensfreiheit der betroffenen Beamtin werde in unzumutbarer und unangemessener Weise verdrängt. Dieses Abwägungsergebnis ergebe sich auch aus der Erlasslage. Zudem sei im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Klägerin einem nachvollziehbar als verpflichtend empfundenen Glaubensgebot nachkomme. Eine konkrete Gefahr und Störung für andere Rechtsgüter sei hier nicht ersichtlich. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund bei einem Aufgabenbereich mit Publikumsverkehr sowie der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder Ermessensentscheidungen eine Gefahr für die staatliche Neutralität gegeben sein solle. Auch die negative Glaubensfreiheit der Kunden der Allgemeinen Sozialen Dienste des Jugendamtes werde nicht eingeschränkt, wenn die Klägerin im Dienst ein Kopftuch trage. Geschützt sei das Recht, seine religiöse Überzeugung nicht offenbaren zu müssen, diese innere Überzeugung frei von staatlicher Beeinflussung zu bilden sowie religiös oder weltanschaulich motivierte Handlungen und Brauchtümer zu unterlassen bzw. nicht zu beachten. Diese Gewährleistungen seien hier nicht beeinträchtigt.

Schließlich verletze die Beklagte das Diskriminierungsverbot. Sie benachteilige die Angehörigen solcher Religionen, die eine bestimmte äußerlich sichtbare Kleidung vorschrieben. Außerdem liege eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vor. Zwar handele es sich bei der Ermächtigungsgrundlage um eine geschlechtsneutral formulierte Regelung, jedoch seien faktisch ganz überwiegend (muslimische) Frauen betroffen. Überdies werde der gleiche Zugang zu öffentlichen Ämtern beeinträchtigt, der von dem religiösen Bekenntnis unabhängig sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.05.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2017 zu verpflichten, der Klägerin das Tragen eines Kopftuchs während der Dienstzeit zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass in der Abteilung der Klägerin täglich eine Stunde Sprechstunde sei, zusätzlich 1,5 weitere Stunden am Mittwochnachmittag. Darüber hinaus seien die Öffnungszeiten montags bis donnerstags von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr und freitags von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr. Die Publikumskontakte fänden direkt mit den Sachbearbeitern und nicht über die Sozialarbeiter statt. Die Kommunikation erfolge nicht hauptsächlich über E-Mail oder Telefon, da gerade bei der wirtschaftlichen Jugendhilfe umfangreiche Dokumente abgegeben werden müssten. Die Klägerin sitze in einem Doppelzimmer mit offener Verbindungstür zum Nachbarzimmer. Alle Mitarbeiter hätten Kundenkontakt und empfingen die Bürger während der Öffnungszeiten und bearbeiteten deren Anträge, dies auch in Vertretung. Eine Reduzierung der Sprechstunde komme nicht in Betracht.

Die Klägerin sei im Rahmen ihres Tätigkeitsbereichs eine Repräsentantin der Beklagten und nehme hoheitliche Aufgaben nach außen wahr. Die staatliche Neutralität und die negative Glaubensfreiheit der Kunden seien dementsprechend nicht gewährleistet, wenn die Klägerin das Kopftuch während des Dienstes tragen dürfte. Eine konkrete Gefahr für diese Schutzgüter sei nicht erforderlich, bereits die abstrakte Gefahr für die Beschädigung des Vertrauens in die Unabhängigkeit und Objektivität der Behörde, welche von der Klägerin repräsentiert werde, sei ausreichend. Die Ausführungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zur Zulässigkeit eines Kopftuchverbots gegenüber einer Rechtsreferendarin seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn im Rahmen der Verwaltungsstation habe die Referendarin etwa einen Anhörungsausschuss zu leiten. Die Behördenentscheidungen der Beklagten seien einem eventuell später anhängigen Gerichtsverfahren vorgeschaltet. Würde man eine konkrete Gefahr als erforderlich ansehen, könne es zudem zu irreparablen Schäden des Ansehens der Behörde und des Vertrauens der Bürger kommen. Jedenfalls habe sich die Gefahr im Rahmen der Tätigkeitsbereiche der Klägerin bereits zu einer konkreten Gefahr verdichtet.

Auch eine Diskriminierung liege nicht vor. Die Beklagte habe hinsichtlich religiöser Kleidungsstücke und Symbole eine allgemeine Regelung getroffen, die deren Tragen in bestimmten Tätigkeitsbereichen verbiete. Der Klägerin sei eine gleichwertige Tätigkeit in einem anderen Arbeitsbereich angeboten worden, was sie jedoch abgelehnt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und Behördenakten sowie das Sitzungsprotokoll vom 28.02.2018.

Gründe

Das Gericht kann durch die Berichterstatterin entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (Bl. 55 und 63 d. A.).

Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beamte kann seinen Rechtsbehelf entsprechend der Handlungsform der Verwaltung wählen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.2004, 2 C 37.03, BVerwGE 122, 58). Hier hat die Beklagte den Antrag der Klägerin durch ein mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Schreiben abgelehnt. Sie hat ausdrücklich die Form eines Verwaltungsakts beabsichtigt (vgl. auch Bl. 10 VV). Dementsprechend kann die Klägerin nunmehr im Wege der Verpflichtungsklage eine positive Verbescheidung ihres Antrags geltend machen.

Die Klage ist auch begründet. Der Ablehnungsbescheid vom 20.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.03.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, ein Kopftuch während des Dienstes zu tragen. Ein solcher Anspruch ergibt sich letztlich aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, der trotz seiner primär abwehrrechtlichen Dimension im Ausnahmefall auch Leistungsansprüche begründet, etwa hinsichtlich der Ausgestaltung von Sonderstatusverhältnissen (vgl. BeckOK GG/Germann, 35. Edition November 2017, Art. 4 Rn. 60, 65). Da die Ablehnung des Antrags auf Tragen eines Kopftuches rechtswidrig ist, hat die Klägerin einen Anspruch auf die Duldung und Genehmigung dieses religiös motivierten Verhaltens.

Ob der Ablehnungsbescheid formell rechtswidrig ist, weil die vorgeschriebene Anhörung im Sinne des § 28 Abs. 1 HVwVfG unterblieben ist und dieser Fehler nicht gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 HVwVfG geheilt wurde, bedarf keiner Erörterung. Jedenfalls ist der Bescheid materiell rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 45 S. 1 und 2 HBG, auf den die Beklagte die ablehnende Entscheidung gestützt hat, sind nach der hier gebotenen einschränkenden verfassungskonformen Auslegung nicht erfüllt.

Bei § 45 S. 1 und 2 HBG handelt es sich um eine taugliche gesetzliche Grundlage, auf die Eingriffe in die Grundrechte der Beamtin gestützt werden können. Gegen die Vereinbarkeit der Neutralitätspflicht des § 45 HBG mit der Hessischen Landesverfassung bestehen nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs (zur Vorgängervorschrift des § 68 Abs. 2 HBG: Staatsgerichtshof des Landes Hessen, Urteil vom 10.12.2007, P.ST 2016, NVwZ 2008, 199), der sich die Kammer anschließt, keine Bedenken. Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt (StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 200 f., 204). Der Gesetzgeber darf im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative und seines Gestaltungsspielraums den Beamten Vorschriften über ihr äußeres Erscheinungsbild machen. Der damit einhergehende Eingriff in Grundrechte der Beamten, die sich im Dienst politisch, weltanschaulich oder religiös bestätigten wollen, ist verfassungsrechtlich unter Abwägung mit den grundrechtlichen Belangen der Bürger, die Kontakt mit der dienstlichen Tätigkeit der Beamten haben, mit der Neutralitätspflicht der Beamten und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums als kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt (StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 204 f.). § 45 S. 1 und 2 HBG verstößt auch nicht gegen das Verbot der Diskriminierung von Frauen, da die Norm nicht auf den Anwendungsbereich spezifisch weiblicher Kleidungsstücke, Symbole oder sonstiger Merkmale beschränkt ist und somit keine auch nur mittelbare Diskriminierung zur Folge hat (StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 203, 205). Ferner ist die Regelung des § 45 S. 3 HBG, wonach der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen ist, mit der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates vereinbar, da damit lediglich auf die Werteordnung des Grundgesetzes und der Hessischen Verfassung verwiesen wird und die Regelung so verstanden eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit darstellt (StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 203 f.). Aus den genannten Gründen bestehen auch gegen die Vereinbarkeit von § 45 HBG mit dem Grundgesetz keine Bedenken.

Die Auslegung und Anwendung des § 45 S. 1 und 2 HBG im die Klägerin betreffenden Einzelfall ist allerdings nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. Da das Verbot, ein Kopftuch während des Dienstes zu tragen, in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin eingreift, bedurfte es - unter Zugrundelegung der Vorgaben der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung - einer einschränkenden Auslegung des § 45 HBG, wonach eine hinreichend konkrete Gefahr für das Schutzgut der staatlichen Neutralität oder Grundrechte Dritter vorliegen muss. Daran fehlt es hier. Der Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin ist damit unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt.

Der Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) ist in persönlicher und sachlicher Hinsicht eröffnet. Die Klägerin kann sich als Beamtin auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 297 f. [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02]; für Angestellte im öffentlichen Dienst BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 328 [BVerfG 27.01.2015 - 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10], vgl. auch StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 200). Der sachliche Schutzbereich des umfassend zu verstehenden einheitlichen Grundrechts aus Art. 4 GG umfasst die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, das heißt einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen und einem anderen Glauben zuzuwenden, sowie die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 328 [BVerfG 27.01.2015 - 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10] m. w. N.). Ausgangspunkt ist das Selbstverständnis des einzelnen Grundrechtsträgers, wobei staatliche Organe prüfen und entscheiden dürfen, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, ob es also tatsächlich eine als religiös anzusehende Motivation hat (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 328 [BVerfG 27.01.2015 - 1 BvR 471/10; 1 BvR 1181/10]). Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin ein religiös motiviertes Verhalten geltend machen. Sie betrachtet nach ihrem Vorbringen das Tragen eines Kopftuchs als für sich verbindlich von den Regeln ihrer Religion vorgegeben. Das Befolgen dieser Bekleidungsregel ist für sie Ausdruck ihres religiösen Bekenntnisses. Auf die umstrittene Frage, ob und inwieweit die Verschleierung für Frauen von Regeln des islamischen Glaubens vorgeschrieben ist, kommt es nicht an. Eine Verpflichtung von Frauen zum Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit lässt sich jedenfalls nach Gehalt und Erscheinung als islamisch-religiös begründete Glaubensregel dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hinreichend plausibel zuordnen, da ein entsprechendes Bedeckungsverbot - unabhängig von den Unterschieden im Detail - unter den verschiedenen Richtungen des Islam verbreitet ist und sich auf den Koran zurückführen lässt (BVerfG, Urteil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 299 [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02]; BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 328).

Das Verbot, ein Kopftuch während des Dienstes zu tragen, stellt einen Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit dar. Denn dadurch wird die Klägerin vor die Wahl gestellt, entweder ihr Amt im konkret-funktionellen Sinne auszuüben oder dem von ihr als verpflichtend angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten (BVerfG, Urteil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 297 [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02]). Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (BVerfG, Urteil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 297 [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02]; BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 333; BVerfG, Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NVwZ 2017, 549, 552, jeweils m. w. N.). Als mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit in Widerstreit tretende Schutzgüter kommen hier die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Kunden der Abteilung der Allgemeinen Sozialen Dienste (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) und der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der staatlichen Neutralität in Betracht.

Das Verhalten der Klägerin tritt in Konflikt mit der durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützten negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Bürger, die mit einer Kopftuch tragenden Beamtin während des Dienstes konfrontiert werden. Die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gewährleistet die Freiheit, kultischen Handlungen sowie Symbolen, in denen sich eine Religion darstellt, fern zu bleiben. Zwar gibt es kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben. Eine Beeinträchtigung der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit liegt aber vor bei einer vom Staat geschaffenen Lage, in welcher der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens, den Handlungen, in denen sich dieser manifestiert, und den Symbolen, in denen er sich darstellt, ausgesetzt ist. Insofern wirkt der Grundrechtsschutz gerade in Lebensbereichen, die nicht der gesellschaftlichen Selbstorganisation überlassen sind (BVerfG, Urteil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 301 f. [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02][BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02] m. w. N.). Neben den Ausweichmöglichkeiten ist außerdem darauf abzustellen, ob das in Frage stehende Zeichen auf Veranlassung des Verwaltungsträgers oder aufgrund einer eigenen Entscheidung einzelner Beamten verwendet wird, die hierfür ihrerseits das individuelle Freiheitsrecht des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in Anspruch nehmen können (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 336; BVerfG, Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NVwZ 2017, 549, 553).

Vor diesem Hintergrund erscheint eine Beeinträchtigung der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Bürger, die mit der Kopftuch tragenden Klägerin konfrontiert werden, möglich. Zwar trägt die Klägerin das Kopftuch aufgrund ihrer eigenen religiösen Entscheidung und nicht auf Veranlassung der Beklagten. Das Kriterium der staatlichen Zurechnung ist jedoch weit zu ziehen: Auch wenn der Staat religiöse Bekundungen der Repräsentanten, durch die er handelt, duldet, macht er sich diese mittelbar zu Eigen. Denn da es sich um einen staatlichen Lebensbereich handelt, der von der Sphäre der gesellschaftlichen Selbstorganisation abzugrenzen ist, prägt gerade auch jede individuelle Glaubenshandlung, die staatlicherseits geduldet wird, die Situation, mit der der Bürger konfrontiert wird. Entscheidend ist, ob aus der Perspektive des Bürgers von einer unausweichlichen Situation gesprochen werden kann oder ob dieser sich dem religiösen Bekenntnis in der staatlichen Sphäre entziehen kann. Eine solche unausweichliche Situation liegt auch hier vor. Die Bürger, die die Angebote der Abteilung Allgemeine Soziale Dienste in Anspruch nehmen möchten, können keine andere Behörde bzw. Abteilung aufsuchen, da die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Verwaltungsträger sowie die verwaltungsinternen Zuständigkeits- und Organisationsregelungen dem entgegenstehen. Nach dem Organisationsrecht ist die Klägerin zudem als Sachbearbeiterin für einzelne Fälle zuständig. Ob und inwieweit ein "Ausweichen" auf einen anderen Sachbearbeiter im Einzelnen möglich ist, bedarf keiner Erörterung. Denn auch außerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereichs steht die Klägerin dem Publikumsverkehr für diesen unausweichlich gegenüber. Die Bürger werden jedenfalls insoweit mit dem religiösen Bekenntnis der Klägerin konfrontiert, als sie dieses optisch wahrnehmen können. Diese Wahrnehmbarkeit wird durch die offene räumliche Situation begünstigt und ist außerdem dem Umstand geschuldet, dass zumindest eine strenge Zuteilung eines Bürgers zu einem einzelnen Sachbearbeiter bei persönlichen Vorsprachen nicht gewährleistet ist, sondern vielmehr alle Bediensteten die Anliegen der Antragsteller, auch vertretungsweise, bearbeiten.

Zwar kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, andere für ihr Glaubensverständnis werbend beeinflussen zu wollen (darauf abstellend BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 337; BVerfG, Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NVwZ 2017, 549, 553). Es handelt sich nichtsdestoweniger bei dem Kopftuch um ein "ostentatives" Zeichen, das den Wahrnehmenden zu einer entsprechenden Reaktion bewegt (vgl. die abweichende Meinung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.09.2003, BVerfGE 108, 282, 333 [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02]). Im Bereich der Schulen und Kindertagesstätten mag dies nach der Rechtsprechung keine Beeinträchtigung der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit darstellen. Denn es ist gerade Aufgabe einer Schule bzw. Kindertagesstätte, den Schülern Toleranz auch gegenüber anderen Religionen und Weltanschauungen zu vermitteln, sodass diese Institutionen offen zu sein haben für christliche, muslimische und andere religiöse bzw. weltanschauliche Inhalte und dieses Ideal auch gelebt werden muss und darf (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 342). Dies trifft auf den Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe nicht zu. Obwohl die Kinder- und Jugendhilfe Leistungen und Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien zum Gegenstand hat und damit auch Bezüge zu Fragen der Erziehung bestehen, nimmt der Staat durch die Leistungsgewährung und Aufgabenerfüllung keinen eigenständigen erzieherischen Auftrag zur Einübung offener weltanschaulicher und religiöser Werte wahr. Die Beziehung zwischen Staat und Bürger in diesem Bereich der Leistungsverwaltung ist nicht darauf angelegt, religiöse Inhalte und Werte widerzuspiegeln und Toleranz einzuüben gerade auch durch die Konfrontation mit der religiösen oder weltanschaulichen Grundeinstellung der staatlichen Repräsentanten. Soweit dieser besondere erzieherische Kontext fehlt, stellt die unausweichliche Konfrontation mit einem religiösen Zeichen innerhalb der staatlichen Sphäre zumindest eine mittelbare Beeinträchtigung der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit dar (so auch StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 201). So liegen die Dinge auch hier.

Als gegenläufige verfassungsrechtliche Position ist ferner der Grundsatz staatlicher Neutralität in den Blick zu nehmen. Nach der bundesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung ist das folgende Neutralitätsverständnis zugrunde zu legen (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 338 f.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NVwZ 2017, 549, 553 f.):"Das Grundgesetz begründet für den Staat als Heimstatt aller Staatsbürger in Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 GG sowie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG die Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität. Es verwehrt die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 33, 23 <28>; 93, 1 <17>). Der Staat hat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten (vgl. BVerfGE 19, 1 [BVerfG 28.04.1965 - 1 BvR 346/61] <8>; 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 93, 1 <17>; 108, 282 <299 f.>) und darf sich nicht mit einer bestimmten Religionsgemeinschaft identifizieren (vgl. BVerfGE 30, 415 [BVerfG 31.03.1971 - 1 BvR 744/67] <422>; 93, 1 <17>; 108, 282 <300>). Der freiheitliche Staat des Grundgesetzes ist gekennzeichnet von Offenheit gegenüber der Vielfalt weltanschaulich-religiöser Überzeugungen und gründet dies auf ein Menschenbild, das von der Würde des Menschen und der freien Entfaltung der Persönlichkeit in Selbstbestimmung und Eigenverantwortung geprägt ist (vgl. BVerfGE 41, 29 <50>; 108, 282 <300 f.>).

Die dem Staat gebotene weltanschaulich-religiöse Neutralität ist indessen nicht als eine distanzierende im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche zu verstehen, sondern als eine offene und übergreifende, die Glaubensfreiheit für alle Bekenntnisse gleichermaßen fördernde Haltung. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gebietet auch im positiven Sinn, den Raum für die aktive Betätigung der Glaubensüberzeugung und die Verwirklichung der autonomen Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet zu sichern (vgl. BVerfGE 41, 29 <49>; 93, 1 <16>). Der Staat darf lediglich keine gezielte Beeinflussung im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung betreiben oder sich durch von ihm ausgehende oder ihm zuzurechnende Maßnahmen ausdrücklich oder konkludent mit einem bestimmten Glauben oder einer bestimmten Weltanschauung identifizieren und dadurch den religiösen Frieden in einer Gesellschaft von sich aus gefährden (vgl. BVerfGE 93, 1 [BVerfG 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91] <16 f.>; 108, 282 <300>). Auch verwehrt es der Grundsatz weltanschaulich-religiöser Neutralität dem Staat, Glauben und Lehre einer Religionsgemeinschaft als solche zu bewerten (vgl. BVerfGE 33, 23 [BVerfG 11.04.1972 - 2 BvR 75/71] <29>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - juris, Rn. 88)."

Nach diesen Grundsätzen ist das Tragen eines Kopftuches geeignet, den Neutralitätsgrundsatz zu verletzen. Zwar ist für sich genommen die bloß am äußeren Erscheinungsbild hervortretende Sichtbarkeit religiöser oder weltanschaulicher Zugehörigkeit einzelner Beamten nicht ohne Weiteres ausgeschlossen (BVerfG, Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NVwZ 2017, 549, 554). Daneben ist aber die symbolische Aufladung des Kopftuches zu berücksichtigen. Das islamische Kopftuch hat durchaus ambivalente Implikationen hinsichtlich der Gleichberechtigung der Geschlechter (Art. 3 Abs. 2 GG) (vgl. Frenz, Anm. zu BVerfG, Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, DVBl. 2017, 129, 130). Auch von Seiten muslimischer Frauen bestehen erhebliche Bedenken gegen das Kopftuch, sodass insofern ein innerislamischer Konflikt in die staatliche Sphäre hineingetragen würde (Hufen, NVwZ 2004, 575, 576). Vor diesem Hintergrund bezieht der Staat, wenn er toleriert, dass eine Beamtin das Kopftuch während des Dienstes trägt, mittelbar Position zu dieser Äußerungsform des Islams. Freilich nimmt der Staat keine bestimmte theologische Position ein. Die Tolerierung des Kopftuchs in der staatlichen Sphäre bringt aber jedenfalls zum Ausdruck, dass der Staat dieses Verhalten gemessen am Maßstab der Wertvorstellungen des Grundgesetzes nicht grundsätzlich beanstandet. Letztlich besteht zumindest die Befürchtung, dass das Kopftuch von den Bürgern, aber auch von anderen staatlichen Beamten bzw. Angestellten, vor allem in seiner symbolischen Dimension gesehen wird. Vor diesem Hintergrund kann dem Hoheitsträger von den Vertretern bzw. Verfechtern der einen wie der anderen Position zum islamischen Kopftuch vorgehalten werden, dass er sich nicht neutral, sondern beeinflussend verhält. Auch wenn der Staat diese Beeinflussung nicht bezweckt, ist die Duldung eines kontroversen religiösen Symbols zumindest abstrakt geeignet, den religiösen Frieden zu gefährden.

Vor dem Hintergrund dieser Grundrechtskollision stellt das Verbot religiöser Bekundungen, das an eine bloß abstrakte Gefährdung der in § 45 S. 1 und 2 HBG genannten Schutzgüter anknüpft, einen unangemessen Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin dar. Nach den obigen Erwägungen ist das von der Klägerin getragene Kopftuch zwar objektiv geeignet im Sinne § 45 S. 2 HBG, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den religiösen Frieden zu gefährden. Allerdings bedarf § 45 S. 1 und 2 HBG im Lichte der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin einer einschränkenden Auslegung. Nach der gebotenen Verhältnismäßigkeitsabwägung mit der negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und dem Grundsatz der staatlichen Neutralität ist eine konkrete Gefahr für die staatliche Neutralität oder die Grundrechte Dritter erforderlich. Ausgangspunkt ist, dass der Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin schwer wiegt, da sie die Befolgung eines nachvollziehbar als verpflichtend empfundenen Glaubensgebots geltend macht. Die Beklagte hat der Klägerin zwar eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit, d. h. die Übertragung eines anderen Amtes im konkret-funktionellen Sinn, in Aussicht gestellt. Die Dienstpflichten hinsichtlich des islamischen Kopftuchs stellen sich allerdings nicht lediglich als innerorganisatorische Maßnahme dar, sondern berühren die Individualsphäre der Klägerin erheblich. Demgegenüber ist der mittelbare Eingriff in die negative Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Bürger von geringerem Gewicht, da der Staat das von der Klägerin zur Schau gestellte religiöse Symbol lediglich toleriert und sich nicht erkennbar hiermit identifiziert oder das Verhalten der Klägerin anderweitig positiv wertet. Die abstrakte Gefahr der Beeinträchtigung der staatlichen Neutralität wiederum resultiert vor allem aus der polarisierenden Wirkung des Kopftuchs bzw. dessen kontroversem Symbolgehalt. Diese Bedeutungsdimensionen sind der Klägerin als einzelner Grundrechtsträgerin jedoch nicht zuzurechnen, solange sie nicht die Bürger, mit denen sie dienstlich zu tun hat, von ihrem Glaubensverständnis zu überzeugen sucht.

Bei einer ähnlichen Ausgangssituation hat das Bundesverfassungsgericht für den Bereich der Schulen und Kindertagesstätten die Grundsätze aufgestellt, dass es einer konkreten Gefährdung der in der Ermächtigungsnorm genannten Schutzgüter bedarf (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 340; BVerfG, Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, NVwZ 2017, 549, 554). Diese Anforderungen sind nach Auffassung der Kammer auf den außerschulischen bzw. außererzieherischen Bereich zu erstrecken, auch wenn nach den obigen Erwägungen für den Umgang mit religiöser Pluralität in den Schulen und Kindertagesstätten aufgrund des staatlichen Erziehungsauftrags einige Besonderheiten gelten. Diese schlagen sich insbesondere darin nieder, dass die Konfrontation mit kontroversen religiösen Symbolen auszuhalten ist. Ausschlaggebend ist für die Kammer, dass in der staatlichen Sphäre auch außerhalb der Schulen und Kindertagesstätten kein Konfrontationsschutz besteht. Denn nach dem offenen und übergreifenden Neutralitätsverständnis des Grundgesetzes sind Beschränkungen der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass andere Grundrechtsträger vor der Konfrontation mit ihnen fremden Glaubensbekundungen geschützt werden sollen. Es ist grundsätzlich hinzunehmen, wenn religiös-weltanschauliche Kontroversen auch in der staatlichen Sphäre erkennbar werden. Die Grenze ist lediglich dann überschritten, wenn der Staat den verschiedenen Positionen einen Raum bzw. ein Forum gibt und gerade dadurch eine eigenständige Gefahrenquelle schafft, weil neue Konflikte erzeugt oder bestehende Konflikte wesentlich verschärft werden. Dem Staat ist es - in den Worten des Bundesverfassungsgerichts - lediglich verwehrt, den religiösen Frieden in einer Gesellschaft "von sich aus" zu gefährden (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 339).

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof für ein Kopftuchverbot gegenüber einer Rechtsreferendarin eine abstrakte Gefahr für die Beschädigung des Vertrauens in die Unabhängigkeit der Justiz als ausreichend erachtet hat (Hess. VGH, Beschluss vom 23.05.2017, 1 B 1056/17, Rn. 24 ff., juris). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die Erwägungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs maßgeblich an die Unabhängigkeit der Rechtsprechung und an die besondere Situation vor Gericht anknüpfen. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat hierzu ausgeführt (Hess. VGH, a. a. O., Rn. 31):"Es ist kaum ein Ort denkbar, an dem die Wahrung staatlicher Neutralität durch ihre Repräsentanten so bedeutsam ist wie vor Gericht, wo die Verfahrensbeteiligten eine in jeder Hinsicht unabhängige Entscheidung von weltanschaulichen, politischen oder religiösen Grundeinstellungen erwarten. Werden durch das Erscheinungsbild der Repräsentanten der Rechtsprechungsgewalt Zweifel an der Unabhängigkeit der Justiz begründet, ist das staatliche Neutralitätsgebot in seinem Kernbereich betroffen."

Die von der Beklagten ins Feld geführte Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) führt zu keiner Vergleichbarkeit des vorliegenden Falls mit der Kopftuchproblematik im Bereich der verfassungsrechtlich durch Art. 97 Abs. 1 GG flankierten Unabhängigkeit der Justiz. Das staatliche Neutralitätsgebot hat einen umso größeren Stellenwert, je schützenswerter das Vertrauen in die Neutralität der Amtsführung ist. Dies wiederum ist maßgeblich von der grundrechtstypischen Gefährdungslage abhängig, die in den intensiv hoheitlich geprägten Bereichen von Polizei und Justiz am stärksten ausgeprägt ist (vgl. zu dieser Unterscheidung auch die abweichende Meinung zu dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 10.10.2007, NVwZ 2008, 199, 208). Der hier betroffene Bereich der Leistungsverwaltung, in dem das Verhältnis der Über- bzw. Unterordnung zwischen Staat und Bürger in den Hintergrund tritt und der staatliche Repräsentant dem Bürger beratend und fördernd zur Seite steht, weist eine größere Nähe zur Sphäre der Gesellschaft auf, die durch eine Pluralität in religiöser Hinsicht geprägt ist. Der Grundsatz der staatlichen Neutralität steht wiederum in Wechselbeziehung mit der wachsenden kulturellen und religiösen Vielfalt in der Gesellschaft (BVerfG, Urteil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 309 [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02]). Dementsprechend tritt die Klägerin dem Bürger im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit zu einem nicht auszublendenden Teil auch als Individuum, unter anderem mit eigenen Glaubensvorstellungen, gegenüber, während diese Dimension bei einer Richterin, Staatsanwältin oder Rechtsreferendarin in ihrer Funktion als Repräsentantin der Justiz, aber auch bei einer Beamtin, die im Rahmen der hoheitlichen Eingriffsverwaltung mit Befehl und ggf. Zwang in die Freiheitssphäre des Bürgers eingreift, vollkommen auszublenden ist. Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall keine Verletzung der Neutralitätspflicht in ihrem Kernbereich zu konstatieren, wenn die Klägerin durch ihr äußeres Erscheinungsbild dem Bürger gegenüber ihre eigene religiöse Grundeinstellung zu erkennen gibt.

Gegen eine Übertragbarkeit der Erwägungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs spricht ferner, dass in dem vom ihm entschiedenen Fall die Beeinträchtigung der positiven Glaubens- und Bekenntnisfreiheit gering wog, da sich das Verbot nur auf bestimmte Verfahrenshandlungen erstreckte und der Referendarin im Übrigen, bezogen auf die einzelnen Stationen und Ausbildungsinhalte des Rechtsreferendariats, keine gravierenden Nachteile entstanden. Bei der Klägerin wiegt hingegen der Eingriff in die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit schwer (s. oben). Schließlich ist auch das von der Beklagten angeführte Argument nicht überzeugend, dass auf der Grundlage der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs der Rechtsreferendarin auch untersagt werden kann, einen Anhörungsausschuss zu leiten und dieser gerade auf der Ebene der Verwaltung angesiedelt ist (vgl. §§ 7 ff. HessAGVwGO). Für diesen Teilbereich staatlichen Handelns mögen im Hinblick auf ein Kopftuchverbot die für die Situation vor Gericht aufgestellten Grundsätze gelten. Dies kann jedoch nicht auf den gesamten Bereich der vollziehenden Gewalt zutreffen.

Vor diesem Hintergrund ist § 45 S. 1 und 2 HBG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass eine Verletzung der Neutralitätspflicht letztlich von der jeweiligen dienstlichen Stellung, Funktion und Tätigkeit des Beamten abhängig ist (StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 205). Eine solche einschränkende Auslegung der Vorschrift ist auch einfachgesetzlich angelegt in den Gesetzesmaterialien zu der Änderung der Vorgängervorschrift des § 68 HBG a. F. durch Anfügung eines Abs. 2, der nunmehr inhaltlich § 45 HGB entspricht. Dort heißt es (LT-Drucks. 16/1897):"Welche Erkennungsmerkmale im Einzelnen nicht getragen oder verwendet werden dürfen, kann nicht durch eine gesetzliche Regelung festgelegt werden. Dies hängt entscheidend von den konkreten Umständen des Einzelfalls, wie dem innegehabten Amt und seiner Außenwirkung, den Verhältnissen in der Dienststelle, der Größe und Ausdrucksstärke des Erkennungsmerkmals und vielem anderem mehr ab."

§ 68 HBG a. F. wurde zwar damals geändert, um überhaupt eine ausreichende gesetzliche Grundlage für das Verbot des Tragens von islamischen Kopftüchern zu schaffen, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 beanstandet hatte, dass es eine solche Regelung in Baden-Württemberg - wie seinerzeit auch in Hessen - nicht gegeben hatte. Zu den verfassungsrechtlichen Implikationen für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift im Einzelfall enthalten die Gesetzesmaterialien keine ausdrückliche Aussage, nachdem diese Frage erst im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2015 besondere Aufmerksamkeit erfahren hat. Mit Rundschreiben des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 06.09.2015 (Bl. 24 VV) hat das Land Hessen zur verfassungskonforme Auslegung von § 45 S. 1 und 2 HBG auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts klargestellt, dass das äußere Erscheinungsbild aufgrund eines nachvollziehbar als verpflichtend verstandenen religiösen Bekleidungsgebots (z. B. das Tragen eines islamischen Kopftuchs) nur dann untersagt werden kann, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr oder Störung für andere Rechtsgüter - wie die Grundrechte Dritter oder die staatliche Neutralität - vorliegt und keine anderweitige Verwendungsmöglichkeit besteht. Diese - die Beteiligten und das Gericht zwar nicht unmittelbar bindenden - Auslegungsgrundsätze geben jedenfalls die Kriterien für die in den Gesetzesmaterialien angelegte Einzelfallentscheidung vor.

Dieser einschränkenden verfassungskonformen Auslegung, wonach für ein auf § 45 S. 1 und 2 HBG gestütztes Kopftuchverbot eine konkrete Gefährdung erforderlich ist, kann die Beklagte schließlich auch nicht entgegenhalten, dass irreparable Schäden des Ansehens und des Vertrauens der Bürger drohten. Denn bei konkreten Konfliktlagen kann die Beklagte - auch auf der Grundlage einer einschränkenden Auslegung von § 45 S. 1 und 2 HBG - vorbeugend tätig werden und das Tragen eines Kopftuches verbieten, um zu verhindern, dass ein Schaden eintritt (vgl. (BVerfG, Urteil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02, BVerfGE 108, 282, 306 f. [BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02][BVerfG 24.09.2003 - 2 BvR 1436/02]; BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 342). Dies setzt freilich das Vorliegen einer entsprechenden "Erstbegehungsgefahr" vor. Die Beklagte braucht aber gerade nicht erst den Eintritt eines konkreten Schadens und die Gefahr weiterer Schäden ("Wiederholungsgefahr") abwarten.

Auf der Grundlage der gebotenen einschränkenden Auslegung ist im Fall der Klägerin keine Neutralitätspflichtverletzung zu besorgen. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Grundrechte Dritter oder die staatliche Neutralität im Tätigkeitsbereich der Klägerin vorgetragen und solche sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte ergänzend vorträgt (Bl. 54 d. A.), dass sich die Gefahr bereits zu einer konkreten Gefahr verdichtet haben dürfte, wird nicht mitgeteilt, woran dies festzumachen ist. Es bedarf auch keiner weiteren gerichtlichen Aufklärung hinsichtlich des im Detail streitigen Umfangs des Publikumsverkehrs im Tätigkeitsbereich der Klägerin. Das von der Beklagten herangezogene Kriterium, dass es sich um einen Aufgabenbereich mit Publikumsverkehr sowie der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe oder Ermessensentscheidungen handeln muss, ist von vornherein ungeeignet zur Begründung einer hinreichend konkreten Gefahrenlage. Das Kriterium des Publikumsverkehrs ermöglicht lediglich eine Abgrenzung von Verhaltensweisen ohne Außenbezug, bei denen es aber ohnehin von vornherein an der objektiven Eignung zur Beeinträchtigung der staatlichen Neutralität fehlen dürfte. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensentscheidungen sind grundsätzlich in sämtlichen Teilrechtsgebieten des öffentlichen Rechts anzutreffen. Daraus lassen sich im Hinblick auf die Bedeutung der staatlichen Neutralitätspflicht und deren Gewicht im Rahmen der Abwägung mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Klägerin keine Aussagen ableiten. Dass nicht auf das Kriterium der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe abgestellt werden kann, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass im Schulbereich Prüfungsentscheidungen zu treffen sind, die nach ganz überwiegender Auffassung gerichtlich nur beschränkt im Hinblick auf Beurteilungsfehler überprüfbar sind (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 40 Rn. 143 ff.). Trotz dieses Paradefalls einer Beurteilungsermächtigung für die Verwaltung hat das Bundesverfassungsgericht gerade für diesen Bereich das Erfordernis einer konkreten Gefährdung entwickelt.

Da sich der Eingriff in die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Klägerin nach der gebotenen einschränkenden Auslegung von § 45 S. 1 und 2 HBG mithin nicht rechtfertigen lässt, bedarf es keiner Erörterung, ob das Kopftuchverbot auch andere Grundrechte der Klägerin verletzt. Insbesondere kann offen gelassen werden, ob der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) trotz der grundsätzlichen Subsidiarität gegenüber der Glaubensfreiheit (vgl. StaatsGH, a. a. O., NVwZ 2008, 199, 203 m. w. N.) eröffnet ist und ob ein Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 3 GG vorliegt. Darüber hinaus bedarf keiner Erörterung, ob, wie vom Bundesverfassungsgericht angedeutet (BVerfG, Beschluss vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10, BVerfGE 138, 296, 341 f.) und im Runderlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 06.09.2015 gefordert, für ein Kopftuchverbot im konkreten Einzelfall als zusätzliche Voraussetzung zu fordern ist, dass keine anderweitige Verwendungsmöglichkeit besteht und welche Bemühungen insoweit vom Dienstherrn zu fordern sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist gem. § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die Sache, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im Berufungsverfahren dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterbildung des Rechts zu fördern. Die Sache muss eine noch nicht geklärte Frage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt (Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 124 Rn. 30 m. w. N.). Der vorliegende Rechtsstreit wirft klärungsbedürftige Rechtsfragen hinsichtlich der Voraussetzungen eines auf die beamtenrechtliche Neutralitätspflicht gestützten Kopftuchverbots auf, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind, insbesondere weil es sich um einen Aufgabenbezug zur Jugendhilfe handelt und die Klägerin bereits vor ihrem Dienstantritt das Tragen eines Kopftuchs im Dienst reklamiert hat.