VG Köln, Urteil vom 06.06.2019 - 8 K 8451/18.A
Fundstelle
openJur 2019, 29156
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines sogenannten Drittstaatenbescheids, in dem die Abschiebung des Klägers nach Italien angedroht wird.

Der Kläger ist nach seinen Angaben somalischer Staatsangehöriger und am 0. März 1997 in Mogadischu geboren, reiste am 00. Juni 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 26. Juni 2018 einen Asylantrag bei der Beklagten.

Eine Eurodac-Abfrage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge der Beklagten (Bundesamt) am 19. Juni 2018 ergab, dass der Kläger am 0. November 2014 in Italien einen Asylantrag gestellt hat. Das Bundesamt stellte daraufhin am 12. Juli 2018 gegenüber den italienischen Behörden ein Wiederaufnahmeersuchen, das diese am 25. Juli 2018 dahingehend beantworteten, dass dem Kläger in Italien der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, der noch bis zum Jahr 2021 Gültigkeit besitze.

Mit Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2018 lehnte diese den Antrag des Klägers als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2.), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte ihm die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Asylantrag unzulässig sei, weil ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Kläger bereits internationalen Schutz gewährt habe. Es bestünden keine Abschiebungsverbote, weil die derzeitigen humanitären Bedingungen in Italien nicht zu der Annahme führten, dass dem Kläger im Falle einer Abschiebung dorthin eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) drohe.

Der Kläger hat am 20. Dezember 2018 Klage erhoben.

Er trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass er im Falle einer Rückkehr nach Italien dem konkreten Risiko ausgesetzt sei, bei einem Leben völlig am Rande der Gesellschaft obdachlos zu werden und zu verelenden. Die Beklagte habe keine Garantieerklärung zur Unterbringung und medizinischen Versorgung des Klägers abgegeben. Zwar habe der Kläger aufgrund des sogenannten Salvini-Dekrets grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zum SPRAR/SIPROIMI-Unterbringungssystem; ob dieser jedoch in der Praxis umgesetzt werde und auch für Rückkehrer gelte, sei ungewiss. Der italienische Innenmminister wolle das italienische Asylsystem zudem immer weiter verschärfen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 13. Dezember 2018, Az. , aufzuheben,

hilfsweise,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Dezember 2018, Az. , zu verpflichten, ein Asylverfahren für den Kläger durchzuführen und ihm die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hinsichtlich Italiens vorliegt.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf die Begründung des angegriffenen Bescheids und trägt ergänzend vor, die Behandlung des Klägers entsprechend der Europäischen Grundrechtecharta sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention sei sichergestellt, da es sich bei Italien um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Gründe

Das Gericht konnte entscheiden, obwohl Vertreter der Beklagten zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sind. Die Beteiligten wurden unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (vgl. § 102 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.Der Hauptantrag ist als Anfechtungsklage überwiegend zulässig.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 -, juris.

Soweit zulässig ist er jedoch unbegründet.

1.Die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig in Ziffer 1.) des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage der Ziffer 1.) ist § 29 Abs. 1 Nr. 2 des Asylgesetzes (AsylG). Demnach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Diese Voraussetzung liegt vor, denn die italienische Republik hat dem Kläger einen bis ins Jahr 2021 gültigen subsidiären Schutzstatus zuerkannt.

Die Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung kommt nur dann in Betracht, wenn eine Verletzung von Art. 4 der Europäischen Grundrechte-Charta (Charta) bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) droht. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn der Kläger in dem Mitgliedstaat, der ihn als Schutzberechtigten anerkannt hat, einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt wäre, aufgrund der Lebensumstände, die ihn in dem anderen Mitgliedstaat als Schutzberechtigten erwarten würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta zu erfahren.

Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 -, juris Rn. 101.

Der Umstand, dass der Kläger in diesem Mitgliedstaat keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten nur in deutlich eingeschränktem Umfang existenzsichernde Leistungen erhält, ohne jedoch insofern anders als die Angehörigen dieses Mitgliedstaats behandelt zu werden, kann nur dann zu der Feststellung führen, dass der Kläger dort tatsächlich einer solchen Gefahr ausgesetzt wäre, wenn dieser Umstand zur Folge hat, dass er sich aufgrund seiner besonderen Verletzbarkeit unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihm nicht erlaubte, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die seine physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder ihn in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre.

Vgl. Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 19. März 2019 - C-297/17, C-318/17, C-319/17 und C-438/17 -, juris Rn. 101; EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 -, juris Rn. 92.

Dabei ist zu beachten, dass im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und aufgrund des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Vermutung dafür streitet, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen bzw. als Schutzberechtigte anerkannt worden sind, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta, der Genfer Konvention und der EMRK steht.

Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 -, juris Rn. 80.

Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist.

Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 -, juris Rn. 83.

Daher ist das Gericht, das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung befasst ist, mit der ein neuer Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abgelehnt wurde, in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die der Antragsteller vorgelegt hat, um das Vorliegen eines solchen Risikos in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat nachzuweisen, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen.

Vgl. EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 -, juris Rn. 90.

Das Gericht ist bei der Prüfung dieser Frage verpflichtet, sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber bzw. anerkannter Schutzberechtigter stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu verschaffen, dass der Kläger wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender, Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Dies entspricht dem Maßstab des "real risk" in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. Juni 2018 - 10 LB 167/18 -, juris Rn. 34.

Die Widerlegung der oben genannten Vermutung setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Betroffenen im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris Rn. 9.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die vorgenannte Vermutung wird durch die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel nicht widerlegt. Nach den in den genannten Urteilen des EuGH niedergelegten, strengen Maßstäben bestehen in Italien aktuell keine grundlegenden Defizite im Hinblick auf die Lebensbedingungen anerkannter Schutzberechtigter, die in ihrer Gesamtheit betrachtet zur Überzeugung des Gerichts die Annahme rechtfertigen, dass dem Kläger bei einer Abschiebung nach Italien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Artikel 4 der Charta bzw. Artikel 3 EMRK droht.

Dabei ist zu beachten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht aus sich heraus dazu verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch den Vertragsstaat zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich deshalb auf den für alle italienischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen.

Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 2018 - 10 LB 109/18 -, juris Rn. 31.

Auch Art. 29 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Qualifikationsrichtlinie) verlangt lediglich, dass Schutzberechtigte in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats erhalten. Die Sozialhilfe für Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, kann ferner auf Kernleistungen beschränkt werden, wie sie im gleichen Umfang und unter denselben Voraussetzungen wie für eigene Staatsangehörige gewährt werden. Gem. Art. 32 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie wird auch der Zugang zu Wohnraum "nur" unter den Bedingungen gewährleistet, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten.

Italienische Staatsangehörige haben keinen Anspruch auf staatliche Sozialhilfe, die mit der in Deutschland gewährten Sozialhilfe vergleichbar wäre. Gleiches gilt für anerkannte Schutzberechtigte. Sofern die Betroffenen nicht selbst für eine Unterkunft sorgen können, haben sie, ebenso wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation, nur Zugang zu Notschlafstellen und Unterkünften in besetzten Häusern. Es gibt ein Arbeitslosengeld, wenn jemand seine (legale) Arbeit verloren hat. Personen mit sehr geringem oder keinem Einkommen - wie viele anerkannte Schutzberechtigte - haben ferner die Möglichkeit, sich für einen "finanziellen Beitrag" zu bewerben, dessen Höhe je nach Region bzw. Gemeinde sehr unterschiedlich ist (beispielsweise in Rom bis zu 500 Euro im Jahr, in Mailand 250 Euro pro Monat für einen Zeitraum von 6 Monaten) und dessen Gewährung von der Anzahl der Anfragen und dem verfügbaren Budget abhängt.

Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 2018 - 10 LB 109/18 -, juris Rn. 36 ff., 47 m. w. Nachw.

Insoweit können systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 Charta bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden, denn der italienische Staat behandelt die anerkannten Schutzberechtigten demnach in dieser Hinsicht genauso wie seine eigenen Staatsangehörigen.

So auch OVG NRW, Urteil vom 24. August 2016 - 13 A 63/16. A -, juris Rn. 58; OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 2018 - 10 LB 109/18 -, juris Rn. 37.

Die Situation Schutzberechtigter hat sich infolge des "Salvini-Dekrets" zudem insoweit verbessert, als die Zweitaufnahmeeinrichtungen (SIPROIMI, vormals SPRAR) seit 5. Oktober 2018 nur noch Minderjährigen oder Personen mit Schutzstatus offenstehen,

vgl. AIDA Country Report: Italy, April 2019, Seite 80,

was die Chancen Schutzberechtigter darauf, eine Unterkunft zu finden, grundsätzlich verbessert. In diesen Einrichtungen werden neben der Grundversorgung an Unterkunft, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung auch Integrationsmaßnahmen angeboten, die die Bewohner auf den Arbeitsmarkt vorbereiten sollen.

Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 2018 - 10 LB 109/18 -, juris Rn. 38 m. w. Nachw.

Demgegenüber kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass Flüchtlinge, die die Landessprache oft nur unzureichend beherrschen, über kein familiäres Netzwerk in Italien verfügen, das sie bei fehlenden staatlichen Leistungen auffangen könnte, und sie insofern faktisch schlechter gestellt sind als die italienischen Staatsangehörigen. Denn dies ändert nichts daran, dass sie den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie entsprechend dieselben rechtlichen und tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten zu den Sozialleistungen haben wie italienische Staatsangehörige. Davon abgesehen dürften auch viele italienische Staatsangehörige in der heutigen Zeit über kein ausreichendes familiäres Netzwerk mehr verfügen, das sie im Falle der Bedürftigkeit auffängt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gerade auch anerkannte Flüchtlinge Zugang zu den Hilfeleistungen kommunaler und karitativer Einrichtungen sowie von Nichtregierungsorganisationen haben, die das fehlende familiäre Netzwerk zumindest teilweise ausgleichen. Denn diese versorgen sie nicht nur mit Lebensmitteln und Unterkunftsplätzen, sondern bieten auch andere, speziell auf anerkannte Flüchtlinge zugeschnittene und durch staatliche sowie europäische Mittel geförderte Hilfen wie Jobtrainings, Praktika und Sprachkurse und auch Projekte an, die beim Übergang zur Selbstständigkeit nach der Beendigung der Unterbringung in einem SPRAR/SIPROIMI-Zentrum unterstützen sollen.

Vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. April 2018 - 10 LB 109/18 -, juris Rn. 39 m. w. Nachw.

2.Auch die Feststellung in Ziffer 2.) des angegriffenen Bescheids, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, ist rechtmäßig.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm dort unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der EMRK verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind. Dies ist, wie unter 1. dargelegt, in Bezug auf eine Abschiebung des Klägers nach Italien nicht der Fall.

Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden soll, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 2 der Vorschrift liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Das Vorliegen derartiger Erkrankungen wurde weder vorgetragen noch ist es sonst ersichtlich.

3.Auch soweit sie sich gegen Ziffer 3.) des angegriffenen Bescheids richtet, ist die Klage unbegründet.

Sie entspricht § 35 AsylG. Soweit die Abschiebungsandrohung entgegen § 36 Abs. 1 AsylG dem Kläger eine Ausreisefrist von 30 Tagen nach Abschluss des Verfahrens setzt, verletzt sie ihn nicht in seinen subjektiven öffentlichen Rechten. Deshalb ist die Androhung nicht auf seine Klage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

Die nach § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG gesetzlich vorgesehene Folge, dass eine stattgebende Entscheidung im Eilverfahren die Unwirksamkeit der Unzulässigkeitsentscheidung bewirkt, bietet keinen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Rechtsverletzung durch eine rechtswidrig zu großzügig bemessene Ausreisefrist nach § 38 Abs. 1 AsylG. Zum Zeitpunkt der Fristsetzung steht zum einen nicht fest, ob überhaupt ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt werden wird und zum anderen ist der Ausgang dieses Verfahrens offen: Zwar besteht die Möglichkeit des Eintritts der Rechtsfolgen des § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG; im Fall einer ablehnenden Entscheidung im Eilverfahren ist der Asylbewerber jedoch vollziehbar ausreisepflichtig gem. § 36 Abs. 3 Satz 8, Abs. 4 Satz 1 AsylG. Eine Rechtsverletzung des Asylbewerbers kann aus der möglichen für ihn positiven Entscheidung eines Verwaltungsgerichts im Eilverfahren nicht hergeleitet werden.

Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Mai 2019 - 20 ZB 18.32363 -, juris Rn. 7.

Vielmehr verschafft ihm die rechtswidrig vom Bundesamt gesetzte Frist von 30 Tagen - neben der längeren Frist zur Ausreise - ausschließlich den rechtlichen Vorteil, dass seine gegen den Bundesamtsbescheid gerichtete Klage gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG aufschiebende Wirkung hat und er bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist, § 58 Abs. 1 AufenthG.

Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Mai 2019 - 20 ZB 18.32363 -, juris Rn. 8.

Gegen die Einräumung eines subjektiven-öffentlichen Rechts des Asylbewerbers im Hinblick auf die Fristsetzung nach § 36 Abs. 1 AsylG spricht außerdem die Konzeption von § 37 Abs. 1 AsylG als rein verfahrensrechtliche Vorschrift, die als prozessuale Besonderheit im nationalen Recht dem asylrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz Rechnung trägt.

Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 3. Mai 2019 - 20 ZB 18.32363 -, juris Rn. 9.

4.Soweit die Anfechtungsklage auch gegen Ziffer 4.) des angegriffenen Bescheides gerichtet ist, ist sie bereits unzulässig. Denn mit der Aufhebung der Befristungsentscheidung würde das Verbot unbefristet gelten, so dass sich die Position des Klägers nicht verbessern würde.

II.Die mit dem Hilfsantrag zu 1. verfolgte Verpflichtungsklage, gerichtet auf Zuerkennung der im Antrag benannten Schutzgewährungen bzw. Durchführung eines Asylverfahrens durch die Beklagte, hat keinen Erfolg. Wie sich aus Ziffer I ergibt, durfte die Beklagte den Antrag als unzulässig ablehnen.

III.Der weiter hilfsweise gestellte Antrag, "festzustellen", dass ein Abschiebungsverbot hinsichtlich Italiens vorliegt, ist bei verständiger Würdigung gem. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten zu dieser Feststellung begehrt wird.

Der so ausgelegte Antrag ist jedoch aus den unter I. 2. genannten Gründen unbegründet.

IV.Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die sachliche Gerichtskostenfreiheit aus den §§ 83b und 83c AsylG.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

2. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

3. ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen.

Statt in Schriftform können die Einlegung und die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) erfolgen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten und ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.