OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 - VII-Verg 35/15
Fundstelle
openJur 2019, 25861
  • Rkr:

VOB/A-EG: § 13 Abs. 1 Nr. 4; § 15 Abs. 1, Abs. 3; § 16 Abs. 1 Nr. 3

1. Der Begriff der Erklärungen oder Nachweise ist - gleichviel, ob er auftragsbezogene oder unternehmensbezogene Angaben, Willenserklärungen oder Wissensmitteilungen betrifft - nach dem Zweck der Norm denkbar weit zu verstehen.

2. § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG bezieht den Anwendungsbereich der Nachforderung ausschließlich auf solche Erklärungen oder Nachweise, die von Bietern bereits mit dem Angebot vorzulegen sind.

3. Der öffentliche Auftraggeber darf Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls im Sinn von § 13 Abs. 1 Nr. 4, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich "ausschlusswürdig" sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird dem Antragsgegner unter Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster vom 22. Mai 2015 (VK 2-14/15) im Vergabeverfahren "Neubau des Autobahnknotens Löhne der BAB 30, vierter Bauabschnitt der Nordumgehung Bad Oeynhausen" (Bekanntmachungsnummer im EU-Amtsblatt: 2014/S 220-388177) ein Zuschlag untersagt.

Die Kosten des Verfahrens der Vergabekammer sind gesamtschuldnerisch vom Antragsgegner und der Beigeladenen zu tragen, wobei sich der Haftungsanteil der Beigeladenen im Außenverhältnis auf ½ ermäßigt.

Die Aufwendungen der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer haben der Antragsgegner und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten ist für die Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig gewesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner. Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden je zur Hälfte dem Antragsgegner und der Beigeladenen auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 750.000 Euro

Gründe

I. Die Vergabestelle schrieb Bauleistungen beim Autobahnneubau im Raum Bad Oeynhausen im offenen Verfahren aus (Bekanntmachungsnummer im EU-Amtsblatt: 2014/S 220-388177). Zuschlagskriterium ist der niedrigste Preis. Die Antragstellerin gab das preisgünstigste Angebot ab. Den Zuschlag soll dennoch die Beigeladene als zweitbeste Bieterin erhalten, weil die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin wegen widersprüchlicher Erklärungen von der Angebotswertung ausgeschlossen hat.

Den Ausschluss hat die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erfolglos bekämpft. Auf die Gründe der Entscheidung der Vergabekammer wird verwiesen (Vergabekammer Westfalen bei der Bezirksregierung Münster, Beschluss vom 22. Mai2015 - VK 2-14/15).

Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und präzisiert.

Die Antragstellerin beantragt,

1. den angefochtenen Beschluss aufzuheben und

2. dem Antragsgegner aufzugeben, die Entscheidung über den Ausschluss ihres, der Antragstellerin, Angebots zurückzunehmen und das Angebot bei der Wertung zu berücksichtigen.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt den Beschluss der Vergabekammer.

Die Beigeladene hat sich schriftsätzlich gegen einen Erfolg des Antrags auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels ausgesprochen, am Beschwerdeverfahren aber nicht teilgenommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Dies führt dazu, dass die Vergabestelle ohne Einbeziehen des Angebots der Antragstellerin in die Angebotswertung einen Zuschlag nicht erteilen darf.

1. Der Entscheidung ist als außer Streit stehend zugrundezulegen:

Bei der Ausführung des Auftrags sind nach mehreren Positionen des Leistungsverzeichnisses (LV) Traggerüste zu planen und herzustellen. Im Angebot erklärte die Antragstellerin sinngemäß im beigefügten Verzeichnis der Leistungen anderer Unternehmer (Nachunternehmerleistungsverzeichnis):

- Planungsleistungen (Statikerleistungen) zu Ordnungsziffern 2.7.1 und 3.7.1 (PLAN genannt): durch Nachunternehmer;

- Ausführungsleistungen zu Ordnungsziffern 2.7.1 (TRG genannt): durch Nachunternehmer.

Im Übrigen wollte die Antragstellerin unter den vorgenannten Positionen Eigenleistungen erbringen. Firmen oder Namen der Nachunternehmer waren mit dem Angebot nicht bekanntzugeben.

Nach Eröffnung der Angebote forderte die Vergabestelle die Antragstellerin dazu auf, Nachunternehmer zu benennen und entsprechende Verpflichtungserklärungen vorzulegen.

Die Antragstellerin kam dem nach, erklärte jedoch bei

- Planungsleistungen zu Ordnungsziffern 2.7.1 und 3.7.1 des LV (PLAN genannt): Eigenleistung, keine NU-Leistung.

Die Angabe widersprach den Erklärungen im Angebot, denn danach sollten Planungsleistungen unter den vorgenanten Ordnungsziffern durch ein (inzwischen tatsächlich bekanntes) externes Ingenieurbüro erbracht werden.

Darauf schloss die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin wegen Widersprüchlichkeit der zur Planung gemachten Nachunternehmerangaben von der Wertung aus. Die Antragstellerin dürfe Angaben zu Nachunternehmerleistungen im Angebot durch spätere Erklärungen im Vergabeverfahren nicht zulässig ändern. Den Zuschlag soll infolgedessen die Beigeladene bekommen.

Fünf Tage danach rügte die Antragstellerin den Ausschluss vom Vergabeverfahren. Weitere zwei Tage danach ließ sie eine anwaltliche Rüge anbringen, wobei sie die Widersprüchlichkeit bei den Planerangaben mit einem Büroversehen erklärte.

2. Dazu ist in rechtlicher Hinsicht auszuführen:

a) Der Nachprüfungsantrag erweckt keine Bedenken hinsichtlich Antragsbefugnis der Antragstellerin sowie Wahrung der Rügeobliegenheit und der Frist nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB. Dies hat die Vergabekammer hinlänglich begründet, so dass auf ihre Ausführungen zu verweisen ist.

b) aa) In der Sache wirft der vorliegende Fall nicht die Problematik einer Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG auf. Allerdings sind auch die von Bietern im Vergabeverfahren vorzunehmenden Angaben zu Nachunternehmerleistungen sowie zu Nachunternehmerfirmen Erklärungen im Sinn dieser Norm. Der Begriff der Erklärungen oder Nachweise in § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG (genauso in § 13 Abs. 1 Nr. 4 VOB/A-EG sowie der Begriff der Angaben, Nachweise und Erklärungen in § 16 Abs. 3, § 19 Abs. 2 VOL/A-EG) ist - gleichviel, ob er auftragsbezogene oder unternehmensbezogene Angaben, Willenserklärungen oder Wissensmitteilungen betrifft - nach dem Zweck der Norm denkbar weit zu verstehen (ebenso: Dittmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, 2. Aufl., § 13 VOB/A-EG, Rn. 67 bis 69 m.w.N.).

§ 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG bezieht den Anwendungsbereich der Nachforderung jedoch ausschließlich auf solche Erklärungen oder Nachweise, die von Bietern bereits mit dem Angebot vorzulegen sind. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift ("Fehlen geforderte Erklärungen oder Nachweise und wird das Angebot nicht ... ausgeschlossen, ..."), aber auch aus deren Sinn. Das ist nach § 19 Abs. 2 VOL/A-EG nicht anders zu beurteilen (obschon darin klarer ausgedrückt: "Erklärungen und Nachweise, die auf Anforderung der Auftraggeber bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht vorgelegt wurden, ..."). Immerhin wird aus dem Wortlautzusammenhang des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG deutlich, dass sich das Fehlen von Erklärungen oder Nachweisen auf das Angebot beziehen muss, mit anderen Worten, dass Erklärungen oder Nachweise aufforderungsgemäß mit dem Angebot vorgelegt worden sein sollen. Bis zur Vergaberechtsreform 2009 sind Angebote von Auftraggebern und Vergabenachprüfungsstellen zum Teil wegen "fehlender" geringfügiger Angaben, die von Bieterunternehmen in oder mit Angeboten vorzunehmen gewesen, aber unterlassen worden sind, von der Wertung ausgeschlossen worden. Die Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG soll ergebnisorientiert begrenzen, dass wirtschaftliche und preisgünstige Angebote allein deswegen aus der Wertung ausscheiden, weil vorgegebene Formalitäten bei ihnen nicht eingehalten worden sind.

Bei der Aufforderung, Erklärungen oder Nachweise bereits mit dem Angebot einzureichen, befinden sich Bieterunternehmen aber in einer ganz anderen Lage als in der Situation, die im Streitfall gegeben ist. Die Vorbereitung der Angebote setzt Bieterunternehmen erfahrungsgemäß einem hohen Zeitdruck aus und erzeugt bei den anzutreffenden Marktgegebenheiten darüber hinaus einen starken Angebotsdruck, dies zu einer Zeit, in der das Hauptaugenmerk potentieller Bieter erfahrungsgemäß darauf gerichtet ist, ein möglichst wirtschaftliches oder preisgünstiges Angebot auszuarbeiten und zu diesem Zweck vor allem bei Bauvergaben, wie hier, unter Umständen auch mit in Frage kommenden Nachunternehmern zu verhandeln. Wird mit dem Einreichen eines Angebots zugleich die Vorlage zahlreicher Erklärungen oder Nachweise verlangt, stehen Bieterunternehmen deswegen typischerweise in der Gefahr, die eine oder andere Erklärung oder die Vorlage eines Nachweises zu versäumen, ohne dass ihnen dies (trotz weitreichender Rechtsfolge) zum Vorwurf einer im Allgemeinen mehr als geringgradigen Fahrlässigkeit gemacht werden kann.

Anders verhält es sich in einem Fall wie dem vorliegenden: Stellt der Auftraggeber nach Angebotseinreichung gesondert das Verlangen (zum Beispiel an die in die engere Wahl gekommenen Bieter), bestimmte Unterlagen einzureichen, sind Bieterunternehmen in einer anderen Situation. Sie können sich jetzt unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt auf die Bearbeitung des gesonderten Verlangens einstellen und konzentrieren, weil erfahrungsgemäß nurmehr überschaubar viele Unterlagen ergänzend vorzulegen sind (im Streitfall: Bekanntgabe der Firmen der Nachunternehmer und Verpflichtungserklärungen). Das rechtfertigt, den Fall einer gesonderten Aufforderung des Auftraggebers zur Einreichung von Unterlagen bei Nichtvorlage nicht der Nachforderungspflicht des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG zu unterstellen. Eine analoge Anwendung der Norm auf diesen Fall scheidet der nicht vergleichbaren Sachlage wegen aus.

Diese Sicht der Dinge wird vom OLG Naumburg (Beschluss vom 23. Februar 2012 - 2 Verg 15/11) sowie vom OLG Koblenz (Beschluss vom 19. Januar 2015 - Verg 6/14) geteilt. Anderer Ansicht sind allerdings das OLG Celle (Beschluss vom 16. Juni 2011 - 13 Verg 3/11) und das OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 28. Februar 2012 - 11 Verg 11/11). Danach sollen im Anwendungsbereich der VOB/A-EG auch auf gesondertes Verlangen des Auftraggebers nicht vorgelegte Unterlagen der Nachforderungspflicht nach VOB/A-EG unterfallen.

Eine Divergenzvorlage nach § 124 Abs. 2 GWB ist nicht geboten. Das OLG Celle hat seine Ansicht nicht begründet. Das OLG Frankfurt am Main hat es dem gleichgetan und ausgeführt, die vom OLG Celle vertretene Sachbehandlung sei in der Rechtsprechung inzwischen anerkannt. Die Rechtsprechung erweist tatsächlich Gegenteiliges. Unabhängig davon sind die Ansichten der OLG Celle und Frankfurt am Main für die getroffenen Entscheidungen jeweils nicht tragend gewesen, so dass sie im Rechtssinn keine Vorlagepflicht erzeugen.

Ungeachtet dessen hat für die Vergabestelle im Streitfall keine Nachforderungspflicht bestanden, weil im Sinn des § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG eine geforderte Erklärung nicht gefehlt hat. Die Antragstellerin hat zur Nachunternehmerschaft eine Erklärung abgegeben, die (wegen Widerspruchs zu einer früheren Erklärung) nur inhaltlich zu beanstanden gewesen ist. Derartige Fallgestaltungen unterfallen nicht der Nachforderungspflicht, für die grundsätzlich darauf abzustellen ist, ob eine geforderte Erklärung oder ein Nachweis tatsächlich überhaupt nicht eingereicht worden ist, mithin in einem physisch zu verstehenden Sinn fehlt (so u.a. auch OLG Koblenz 30.3.2012 - 1 Verg 1/12 und Rechtsprechung des Senats).

bb) Die Vergabestelle hätte das Angebot der Antragstellerin indes nicht ohne vorherige Aufklärung über dessen Inhalt, was den Einsatz von Nachunternehmern bei Planungsleistungen unter den das Traggerüst betreffenden Leistungspositionen 2.7.1 und 3.7.1. betrifft, von der Wertung ausschließen dürfen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EG darf sich der Auftraggeber bis zur Auftragserteilung bei einem Bieterunternehmen jederzeit Aufklärung über die Eignung, insbesondere die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst sowie über die geplante Art der Durchführung verschaffen. Freilich sind in offenen und nicht offenen Verfahren Verhandlungen über das Angebot unstatthaft (wegen des sog. Nachverhandlungsverbots, § 15 Abs. 3 VOB/A-EG) - womit das innerhalb der Angebotsabgabefrist eingereichte Angebot gemeint ist, das nicht abgeändert werden darf.

Gemäß der Intention der VOB/A-EG (ebenso der VOL/A-EG), Angebotsausschlüsse aus lediglich formalen Gründen nach Möglichkeit zu vermeiden, darf der öffentliche Auftraggeber Angebote, die bei Vorliegen formaler Mängel jedenfalls im Sinn von § 13 Abs. 1 Nr. 4, § 16 Abs. 1 Nr. 3 VOB/A-EG wegen widersprüchlicher Angaben (Erklärungen oder Nachweise) an sich "ausschlusswürdig" sind, nicht ohne Weiteres von der Wertung ausnehmen, ohne das von einem Ausschluss bedrohte Bieterunternehmen zuvor zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufgefordert und ihm Gelegenheit gegeben zu haben, den Tatbestand der Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen.

Im Streitfall hat sich die Aufklärung auf den Widerspruch hinsichtlich Nachunternehmer- oder Eigenleistung bei der Planung des Traggerüsts, folglich auf die Schlüssigkeit des Angebots beziehen müssen, die Bestandteil der formalen Angebotsprüfung ist. Die Vergabestelle hat insoweit von sich aus jedoch keine Aufklärung betrieben, sondern hat das Angebot der Antragstellerin rechtsfehlerhaft sogleich ausgeschlossen. Deswegen kann sie sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, die Antragstellerin habe im Vergabeverfahren ihrerseits nicht von sich aus über den Widerspruch aufgeklärt. Der öffentliche Auftraggeber kann die ihn selbst treffende Aufklärungsverpflichtung nicht in der Weise auf Bieterunternehmen überwälzen, indem er ihnen - mit mehr oder weniger zufälligen Ergebnissen - die Aufklärung überlässt. Ist der öffentliche Auftraggeber, weil er wegen eines Widerspruchs einen Angebotsausschluss nicht sofort vornehmen darf, praktisch zu einer Aufklärung verpflichtet, hat er von sich aus, und zwar für Bieterunternehmen klar und eindeutig erkennbar, das Verfahren nach § 15 VOB/A-EG einzuleiten. Dies folgt nicht nur aus dem Gebot der Transparenz, sondern auch daraus, dass der Auftraggeber Bietern zudem die Rechtsfolge einer unterbleibenden Mitwirkung, nämlich einen drohenden Angebotsausschluss nach § 15 Abs. 2 VOB/A-EG, nachhaltig vor Augen zu führen hat, um sie zu der gebotenen Mitwirkung anzuhalten.

Die von der Antragstellerin vorprozessual sowie im Prozess zur Aufklärung des Widerspruchs bei Nachunternehmerangaben angebrachten Erklärungen haben ergeben:

Mit der anwaltlichen Rüge hat die Antragstellerin den Widerspruch durch ein bloßes Büroversehen (allein mit einem Versehen der Kanzlei) erklärt. Dies ist freilich wenig wahrscheinlich, weil die Ursache der Divergenz eher bei dem Sachbearbeiter, der die inkriminierte Erklärung über die Namen der Nachunternehmer vorbereitet hat, zu suchen ist. Dazu hat die Antragstellerin im Senatstermin angegeben, in ihrem Bauunternehmen würden Statikerleistungen für gewöhnlich nicht selbst erbracht, sondern extern beauftragt, sofern die Ausführungsleistungen im eigenen Betrieb erfolgten. Werde die Ausführung untervergeben, werde die Statik in der Regel vom Unterauftragnehmer miterbracht. Diese Praxis ist bei Bauunternehmen verbreitet und dem Senat aufgrund tatsächlicher Erfahrung bekannt. Die Praxis ist gemäß dem mit dem Angebot eingereichten Nachunternehmerleistungsverzeichnis im Streitfall jedoch nicht einheitlich durchgeführt worden (die Ausführung unter OZ 2.7.1 sollte durch einen Nachunternehmer erfolgen, unter OZ 3.7.1 hingegen in Eigenleistung; die Planungsleistungen sollten unter beiden OZ dagegen fremdvergeben werden). Diese Verschiedenbehandlung hat für die spätere Nachunternehmernamenserklärung objektiv Fehlerpotential mit sich gebracht. Der zuständige Sachbearbeiter, so die Antragstellerin, habe die Angaben in der Nachunternehmernamenerklärung versehentlich nicht mit dem zuerst eingereichten Nachunternehmerverzeichnis abgeglichen, wodurch es zu den widersprüchlichen Angaben gekommen sei. Dazu kann beigetragen haben, dass die Planungsleistungen lediglich einen geringen Wert im Angebot der Antragstellerin ausgemacht haben. Die Sitzungsvertreterin der Antragsgegnerin hat im Senatstermin darauf erwidert, dass derartige Erklärungen, wären sie im Vergabeverfahren geleistet worden, geeignet gewesen wären, den Widerspruch auszuräumen.

Insoweit ist mithin zusammenzufassen: Die gebotene Aufklärung ist im Prozess von der Antragstellerin geleistet worden. Das Vergabeverfahren muss infolgedessen von der Vergabestelle nicht zum Zweck des Nachholens einer Aufklärung zurückversetzt werden, sondern es kann aufgrund der Angaben der Antragstellerin im Prozess darüber entschieden werden, ob der Widerspruch beseitigt ist. Die Entscheidung ergeht durch den Senat dahin, dass über den Widerspruch hinreichend aufgeklärt worden ist, mit der Folge, dass das mit dem Angebot eingereichte Nachunternehmerverzeichnis gilt, Planungsleistungen also durch einen Nachunternehmer erbracht werden sollten. Nach dem Inhalt der glaubhaften Aufklärung durch die Antragstellerin soll als Nachunternehmer dabei das Ingenieurbüro B tätig werden. Dies hat die Vergabestelle im Senatstermin nicht in Zweifel gestellt. Aufgrund dessen ist nunmehr, unter Einbeziehen des Angebots der Antragstellerin, lediglich noch die Angebotswertung zu wiederholen und sind die Bieterunternehmen über die getroffene Vergabeentscheidung zu unterrichten (§ 101a GWB).

Einer Anfechtung der zunächst abgegebenen Nachunternehmernamenserklärung durch die Antragstellerin hat es insoweit nicht bedurft. Die bieterseitige Bekanntgabe der Namen von Nachunternehmern ist im Rechtssinn keine der Anfechtung zugängliche Willenserklärung, sondern eine sog. Wissenserklärung. Als Wissenserklärung oder - besser - Wissensmitteilung wird im Gegensatz zur Willenserklärung eine Erklärung bezeichnet, die keine rechtlichen Folgen hervorbringen, sondern dem Erklärungsempfänger hinsichtlich der genannten Tatsachen lediglich ein bestimmtes Wissen vermitteln soll (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2010 - VIII ZR 287/09; Urteil vom 12. März 2008 - VIII ZR 253/05). Die rechtliche Bindung wird in Fällen der vorliegenden Art durch das dem Angebot beigefügte Nachunternehmerleistungsverzeichnis und die Verpflichtungserklärungen der Nachunternehmer bewirkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3, Abs. 4, § 78, § 120 Abs. 2 GWB. Die angeordnete Beschränkung der Außenhaftung der Beigeladenen bei den Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer ergibt sich aus der Kostenfreiheit des Antragsgegners (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. September 2009 - VII-Verg 20/09). Im Übrigen ist die Beigeladene lediglich zu den Kosten des Eilverfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB heranzuziehen, weil sie sich nur an jenem Verfahren, nicht jedoch am Beschwerdeverfahren selbst beteiligt hat.

Soweit nicht zuerkannt, bestehen keine Erstattungsansprüche hinsichtlich Aufwendungen und Kosten.

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