SG Düsseldorf, Urteil vom 08.03.2012 - S 9 KR 230/10
Fundstelle
openJur 2019, 25713
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten den Betrag in Höhe von 1.973,66 EUR Euro nebst Zinsen in Höhe von 2% über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2009 für die stationäre Behandlung der Versicherten H.M. der Beklagten im Zeitraum vom 16.09-18.09.2009 verlangen kann.

Die Klägerin trägt vor:

Die bei der Beklagten krankenversicherte Patientin H. M. hat sich unter der Aufnahmenummer 000000 im Zeitraum vom 16.09-18.09.2009 in stationärer Behandlung im Hause der Klägerin befunden. Über diesen stationären Aufenthalt halbe die Klägerin eine ordnungsgemäße Rechnung erstellt am 22.09.2009 in Höhe des Gesamtbetrages von 1.973,66 EUR, wobei die DRG J24D (Eingriffe an der Mamma außer bei bösartiger Neubildung) zur Abrechnung gelangte.

Die Beklagte habe unter Missachtung der landesvertraglich vereinbarten Zahlungsfrist (§ 15 des Vertrages nach § 112 SGB V des Landes NRW) den Rechnungsbetrag nicht beglichen. Stattdessen habe die Beklagte mit Schreiben vom 24.09.2009 mitgeteilt, es seien ausschließlich Leistungen nach § 115 b Abs. 1 Satz 2 SGB V erbracht worden. Diese seien in der Regel ambulant durchzuführen und die Klägerin habe im Sinne einer Beweislastumkehr gegenüber der Beklagten über die Daten des § 301 SGB V hinaus Umstände mitzuteilen, die die stationäre Durchführung begründen. Hierzu ist die Klägerin ihrer Ansicht nicht verpflichtet. Daher hat die Klägerin der Beklagten keine weitere Informationen zukommen zu lassen.

§ 301 SGB V regele die Pflicht zur Datenübermittlung zwischen den Krankenhäuern und Krankenkassen bei stationären Behandlungsfällen abschließend. Bei sachlich rechnerischer Beanstandung müsse die Beklagte gemäß § 275 Abs. 1 c SGB V zwingend den medizinischen Dienst mit der Prüfung des Falles beauftragen.

Ein solches Prüfverfahren sei seitens der Beklagten nicht eingeleitet worden. Eine solche ordnungsgemäße Prüfanzeige, die nach dem Gesetzeswortlauf innerhalb von 6 Wochen erfolgen müsse, sei bei der Klägerin nicht eingegangen, so dass die Beklagte mit jeglichen Einwendungen ausgeschlossen sei und die Zahlung zu leisten habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie für die stationäre Behandlung der Patientin H. M. (Aufn.-Nr.: 000000) im Zeitraum vom 16.09-18.09.2009 einen Betrag in Höhe von 1.973,66 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2% über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Der von der Klägerin verfolgte Zahlungsanspruch besteht nicht. Zwar sei es richtig, dass die Klägerin eine Behandlung bei der Versicherten der Beklagten durchgeführt habe und die Beklagte als zuständige Krankenversicherung grundsätzlich verpflichtet sei, die Kosten für die Behandlung zu übernehmen. Vorliegend sei jedoch der Grund für den stationären Aufenthalt ein Eingriff an der Mamma OPS Kode 5-870.1 "partielle (brusterhaltende) Exzision der Mamma und Destruktion von Mammagewebe ohne axiliäre Lymphadenektomie" durchgeführt worden. Hierbei handele es sich gemäß Abschnitt 1 der Anlage 1 zum Vertrag nach § 115 b SGB V um einen Eingriff, welcher grundsätzlich ambulant zu erbringen sei. Da die Klägerin den Eingriff jedoch stationär durchgeführt habe, komme es zu einer Umkehr der Beweislast zu Lasten der Klägerin. Dies bedeute, der Klägerin obliege die Pflicht, die Notwendigkeit der stationären Behandlung zu begründen.

Eingriffe der Kategorie 1 könnten nur stationär erbracht werden, wenn die allgemeinen Tatbestände der Anlage 2 zum Vertrag nach § 115 b Abs. 1 SGB V erfüllt worden seien. Die Klägerin als Krankenhaus habe darzulegen, ob die allgemeinen Tatbestände vorgelesen haben, die eine stationäre Aufnahme im Einzelfall begründeten.

Indem die Klägerin der Aufforderung der Beklagten vom 24.09.2009 nicht nachgekommen sei, habe sie ihre Pflicht zur Darlegung verletzt, so dass sie keinen Zahlungsanspruch habe. Auch sei die Beklagte nicht verpflichtet, eine qualifizierte Prüfanzeige im Sinne des § 275 SGB V durch den MDK zu veranlassen, da sie dies ohne die konkreten Angaben der Klägerin nicht könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung für die streitgegenständliche Behandlung der Versicherten.

Denn die Klägerin ist ihrer Pflicht auf die Anfrage der Beklagten vom 24.09.2009 hin, einen Kurzbericht zu erstatten, nicht nachgekommen. Grundsätzlich ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es ambulant durchzuführende Operationen gibt. Auch die vorliegend durchgeführte Operation OPS Kode 5-870.1 gehört zu den Leistungen bzw. zu den Eingriffen, die grundsätzlich ambulant durchzuführen sind. Grundsätzlich können Eingriffe, die an sich ambulant durchzuführen sind, stationär erbracht werden, wenn die allgemeinen Tatbestände der Anlage 2 zum Vertrag nach § 115 b Abs. 1 SGB V erfüllt sind.

Die Anfrage der Beklagten vom 24.09.2009 an die Klägerin war auf die Frage gerichtet, ob einer der allgemeinen Tatbestände der Anlage 2 zum Vertrag nach § 115 b Abs. 1 SGB V erfüllt sei. Zu den allgemeinen Tatbeständen gehören auch Gründe, die ihre Ursache nicht allein im medizinischen Bereich haben. So kann beispielsweise nach Abs. 2 Nr. a u. b. die fehlende Kommunikationsmöglichkeit des Patienten im Fall von postoperativen Komplikationen und/oder die fehlende sachgerechte Versorgung im Haushalt des Patienten ein Grund sein, der eine stationäre Behandlung erfordert. Hierbei handelt es sich um eine Frage, die die Beklagte im Rahmen ihrer Verwaltung durchaus beurteilen kann, ohne den medizinischen Dienst zu Rate zu ziehen. Grundsätzlich kann die Beklagte daher beanspruchen, dass hinsichtlich der Gründe, warum die Operation stationär durchgeführt worden ist, nähere Angaben im Sinne eines Kurzberichtes übermittelt werden.

In seiner Entscheidung vom 22.04.2009 AZ: B 3 KR 24/07 R hat das BSG ausgeführt, dass zu den im § 301 SGB V normierten Daten auch die Pflicht der Klägerin (Krankenhaus) besteht, in Einzelfällen die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung zu begründen und der Beklagten (Krankenkasse) gegebenenfalls einen Kurzbericht zukommen zu lassen. Dieser Kurzbericht soll die Beklagte in die Lage versetzen, die Entscheidungsgrundlage der Krankenkasse vor der Einschaltung des MDK zu erweitern und konkrete Zweifel auszuräumen.

Unabhängig von einer vorbehaltlosen Kostenübernahmeerklärung kann die Beklagte daher von der Klägerin verlangen, dass die Klägerin die Gründe, die dazu geführt haben, dass anstelle einer ambulanten Operation eine stationäre Operation durchgeführt wurde, offen gelegt werden. Sollte die Klägerin insoweit im Einzelfall die Befürchtung hegen, das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Versicherten zu verletzen, kann sie dies im Einzelfall der Beklagten mitteilen und von einer Übermittlung weiterer Daten absehen. Sofern die Klägerin vorliegend die Ansicht vertritt, dass die Beklagte in allen Fällen, in denen die stationäre Behandlungsbedürftigkeit bestritten wird, immer ein Prüfverfahren nach § 275 c SGB V veranlassen muss, würde dies dazu führen, dass der vom BSG vorgesehene Anwendungsbereich des Kurzbericht nicht zur Anwendung kommt. Gerade in dem Fall, in dem sich die Beteiligten per Vertrag darauf verständigt haben, dass eine Operation grundsätzlich ambulant durchgeführt werden kann, erscheint es im Einzelfall sachgerecht, dass die Beklagte die Möglichkeit hat, einen Kurzbericht anzufordern. Dies erscheint umso mehr sachgerecht, als in der Anlage zum Vertrag nach § 115 b Abs. 1 SGB V allgemeine Tatbestände benannt sind, die gerade nicht in das medizinische Sachgebiet fallen.

Indem die Klägerin der Beklagten daher die Übermittlung eines Kurzberichtes verweigert hat, ist sie einer ihr obliegenden Verpflichtung nach nachgekommen.

Vor diesem Hintergrund hat aus Sicht der Kammer auch die Frist des § 275 c SGB V bisher nicht begonnen zu laufen. Erst wenn die Beklagte im Besitz des von ihr angeforderten Kurzberichtes ist, läuft die Frist nach § 275 c SGB V und die Beklagte kann beurteilen, ob sie im Einzelfall den MDK einschaltet oder nicht. Bis zur Erstattung des Kurzberichtes hat die Klägerin daher keinen Anspruch auf Zahlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V. mit den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes.

Der Streitwert wird endgültig auf 1.973,66 Euro festgesetzt.