OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.03.2017 - I-15 U 66/15
Fundstelle
openJur 2019, 22383
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4a O 93/14
  • nachfolgend: Az. KZR 36/17
Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.11.2015 verkündete Urteil der 4a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az. 4a O 93/14) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.

Die Beklagten werden verurteilt,

a)

der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie Mobilstationen für ein digitales Mobilkommunikationssystem, gekennzeichnet durch umfassend zumindest einen Datenanruf-Trägerdienst, der mehrere Benutzerdatenraten umfasst und der für den Mobilteilnehmer in der Teilnehmerdatenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks bestimmt ist, sowie Mittel zum Ausführen einer Benutzerdatenrate-Verhandlung, um die Benutzerdatenrate einzustellen, um in einer Datenübertragung mit dem Mobilkommunikationsnetzwerk (BTS, BSC, MSC) verwendet zu werden, und um den Datenanruf mit Funkkanal-Ressourcen aufzubauen, die gemäß der Benutzerdatenrate, die ausgehandelt ist, zugewiesen sind,

in der Zeit vom 16.11.2005 bis zum 25.09.2016 in der Bundesrepublik Deutschland angeboten, in Verkehr gebracht, gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,

und zwar unter Angabe

aa) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

bb) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren, wobei die Angaben zu den Verkaufsstellen erst für die Zeit seit dem 30.04.2006 verlangt werden,

cc) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden, wobei die Angaben zu den Preisen erst für die Zeit seit dem 30.04.2006 verlangt werden

wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind und geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

b)

der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter a) bezeichneten Handlungen vom 16.12.2005 bis zum 25.09.2016 begangen haben, und zwar unter Angabe

aa) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

bb) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,

cc) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der X1 in XXXXX S, L, durch Handlungen entsprechend der Ziffer I.1. in der Zeit vom 16.12.2005 bis zum 10.05.2012 und der Klägerin durch Handlungen entsprechend der Ziffer I.1. vom 11.05.2012 bis zum 25.09.2016 entstanden ist.

3.

Im Übrigen wird die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.

II.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III.

Die Klägerin hat 75 % und die Beklagten als Gesamtschuldner haben 25 % der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus Ziffern I.1. a) und b) des Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,- abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen wird es beiden Parteien nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin ist im Patentregister als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents EP x xxx xxx B1 („Klagepatent“, Anlage AR A-15; deutsche Übersetzung (Registerzeichen DE xxx xx xxx T2) als Anlage AR A-16 vorgelegt) eingetragen.

Am 25.09.1996 erfolgte die internationale Anmeldung des in englischer Verfahrenssprache verfassten Klagepatents unter Inanspruchnahme einer L1 Priorität vom 25.09.1995 (FI xxxxxx). Am 03.04.1997 wurde das Klagepatent als internationale Anmeldung und am 15.07.1998 als europäische Anmeldung veröffentlicht. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 16.11.2005. Die Klägerin ist im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) für die Zeit ab dem 08.08.2012 als Inhaberin eingetragen, und zwar als Rechtsnachfolgerin der Anmelderin X1 . Der deutsche Teil des Klagepatents stand bis zum 25.09.2016 in Kraft.

Das Klagepatent hat ein mobiles Kommunikationssystem und Verfahren zur Herstellung einer Datenübertragung zum Gegenstand. Die X2 (nachfolgend „X2 “) legte am 12.06.2008 Einspruch gegen das Klagepatent ein. Nach Einspruchsrücknahme beendete das Europäische Patentamt mit Bescheid vom 21.11.2008 das Einspruchsverfahren (Anlage AR A-18). Die Beklagte zu 1) hat am 13.03.2015, der Klägerin zugestellt am 05.08.2015, Nichtigkeitsklage erhoben (Anlage G 4; BPatG 6 Ni 9/15 (EP)), über die das Bundespatentgericht bislang nicht entschieden hat.

Der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch 12 des Klagepatents hat in der englischen Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

„A mobile station (MS) for a digital mobile communication system, characterized by comprising

-          at least one data call bearer service which covers several user data rates and which is determined for the mobile subscriber at the subscriber database of the mobile communication network

-          means for carrying out a user data negotiation for setting the user data rate to be used in a data transfer with the mobile communication network (BTS, BSC, MSC) and for establishing the data call with radio channel resources allocated according to the user data rate negotiated.

In der deutschen Übersetzung lautet Patentanspruch 12:

„Mobilstation (MS) für ein digitales Mobilkommunikationssystem, gekennzeichnet durch umfassend

-       zumindest einen Datenanruf-Trägerdienst, der mehrere Benutzerdatenraten umfasst und der für den Mobilteilnehmer in der Teilnehmerdatenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks bestimmt ist,

-       Mittel zum Ausführen einer Benutzerdatenrate-Verhandlung, um die Benutzerdatenrate einzustellen, um in einer Datenübertragung mit dem Mobilkommunikationsnetzwerk (BTS, BSC, MSC) verwendet zu werden, und um den Datenanruf mit Funkkanal-Ressourcen aufzubauen, die gemäß der Benutzerdatenrate, die ausgehandelt ist, zugewiesen sind.“

Die Beklagte zu 1) ist die deutsche und die Beklagte zu 2) die europäische Vertriebsgesellschaft des X3-Konzerns, der seinen Sitz in S2/L2 hat. Die Beklagte zu 1) bietet in Deutschland mindestens drei Mobiltelefone und vier Tablet-Computer an, unter anderem die Mobiltelefone X3 Phone P1, P2 und P3 sowie die Tablets X3 Mini Pad T1 und X3 Mini Pad T2. Die Beklagte zu 2) bot im September 20xx auf der Internationalen Funkausstellung in S3 die Mobiltelefone P3, P4 und P5 sowie die Tablets T3, T4 und T5 an. Die genannten Geräte werden nachfolgend auch als „angegriffene Ausführungsformen“ bezeichnet.

Die angegriffenen Ausführungsformen unterstützen GPRS („General Packet Radio Service“). Es handelt sich um eine Erweiterung des GSM (Global System for Mobile Communications)-Standards (nachfolgend GPRS-Standard), die entwickelt wurde, um ein effizientes Senden und Empfangen von Daten mit höheren Datenraten im GSM-Mobilfunknetz zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden die Daten mit Hilfe von Paketdatenprotokollen (PDP) in Datenpakete umgewandelt und übertragen. Für jede Verbindung wird ein sog. PDP-Kontext geschaffen, der die Eigenschaften der Verbindung beschreibt und die Informationen zur Verfügung stellt, die für eine Verbindung des Benutzers mit dem Netzwerk zum Zwecke der Datenübertragung benötigt werden. Der PDP-Kontext beinhaltet die PDP-Kategorie, die der Mobilstation zugewiesene PDP-Adresse, die Adresse eines GGSN (Gateway GPRS Support Node, GPRS-Unterstützungsknoten für Netzübergang) und die angeforderte Dienstgüte (Quality of Service, QoS). Das QoS-Profil enthält unter anderem die (maximale) Bitrate für die Datenübertragung, die sodann durch einen Datenträgerdienst erfolgt.

Die technische Funktionalität der GPRS-Fähigkeit wird in den Chips umgesetzt, die in die angegriffenen Ausführungsformen eingebaut sind. Die 3GPP-Standards, zu denen der GSM/GPRS-Standard gehört, sind in „Releases“ strukturiert, die jeweils hunderte einzelner Standarddokumente beinhalten und teils in unterschiedlichen Versionen vorhanden sind. Jeder Release und jede Version stellt eine Weiterentwicklung der 3GPP-Standards dar. Der Mobilfunkstandard beruht dabei auf dem Grundsatz der Abwärtskompatibilität. Dies bedeutet, dass eine Funktionalität, die in einer früheren Version eingeführt wurde, in späteren Versionen neben den neuen Funktionen beibehalten wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass ältere Endgeräte weiterhin die Funktionen des Standards nutzen können. Wegen Einzelheiten zum Inhalt von Release 4 des Standards wird auf die Standarddokumente 3GPP TS 23.060 in der Version 4.11.0 (nachfolgend TS 23.060, Auszug Anlage A-AR 21), 3GPP TS 24.008 in der Version 4.17.0 (nachfolgend TS 24.008, Auszug Anlage AR 22) und 3GPP TS 22.060 in der Version 4.4.0 (nachfolgend TS 22.060, Auszug Anlage AR 23) verwiesen. Ein - im zwischen den Parteien dem Umfang nach streitiger - Teil der Chipsätze in den angegriffenen Ausführungsformen wurde von X2 hergestellt.

Am 10.04.2013 gab die Klägerin gegenüber dem European Telecommunication Standard Institute (im Folgenden „ETSI“) die im Einzelnen aus Anlage AR 3 ersichtliche Verpflichtungserklärung ab, wonach sie bereit ist, u.a. das Klagepatent zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu lizenzieren (nachfolgend „FRAND“ bzw. „FRAND-Bedingungen“). ETSI ist eine Standardisierungsorganisation, welche u.a. die Standardisierung von GSM/GPRS verantwortet.

Das „X4 Wireless Patent Programm“ der Klägerin sieht die Lizenzierung eines Patentportfolios im „Wireless“-Bereich vor. Das Portfolio beinhaltet eine Lizenz an 47 Patentfamilien mit mehr als 480 Patenten, wobei streitig ist, welche Patentfamilien davon essentiell für verschiedene Kommunikationsstandards (GSM, GPRS, UMTS und LTE) sind (nachfolgend auch „Wireless-Portfolio“). Der X3-Konzern ist Lizenznehmer verschiedener Lizenzpools der Klägerin, welche sich auf andere Technologien beziehen.

Mit Schreiben vom 20.12.2012, 22.08.2013 und 11.11.2013 informierte die Klägerin die Muttergesellschaften der Beklagten (S2 X3 und S2 X3) über das „X4 Wireless Patent Programm“. Am 17.02.2014 fanden Gespräche zwischen Vertretern der Klägerin und der Muttergesellschaften der Beklagten statt; diese blieben letztlich ergebnislos. Die Klägerin unterbreitete am 29.08.2014 ein Lizenzierungsangebot (Anlage AR A-60). Am 01.09.2014 lehnte die S2 X3 Ltd dieses Angebot der Klägerin ab, ohne ihrerseits einen Gegenvorschlag zu unterbreiten. Am 05.12.2014 schlug die Klägerin eine Zwischenvereinbarung mit dem aus Anlage AR A-50 ersichtlichen Inhalt vor. Am 13.10.2014 machte die Beklagte zu 1) der Klägerin im Parallelverfahren (LG Düsseldorf, Az. 4a O 144/14 bzw. OLG Düsseldorf, Az. I-15 U 65/15) ein Lizenzangebot für das dortige Streitpatent EP x xxx xxx B2, wobei dieses für Deutschland und alle europäischen Staaten, in denen die nationalen Parallelschutzrechte in Kraft sind, gelten sollte. Unter Hinweis auf schwebende Lizenzverhandlungen mit der Konzernmutter der Beklagten zu 1) wies die Klägerin vorstehendes Angebot zurück. Auch die weiteren mit Schreiben vom 12.08.2015 unterbreiteten Lizenzangebote beider Beklagten für das Klagepatent und das Streitpatent im Parallelverfahren (Anlage G 12) lehnte die Klägerin am 24.08.2015 ab (Anlage G 14). Schließlich wies die Klägerin die im Schriftsatz der Beklagten vom 21.09.2015 unterbreiteten, nunmehr konzernweiten Lizenzangebote für beide Patente (Anlage G 15) zurück.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 29.09.2015 übergaben die Beklagten eine (Original-) Bürgschaft über X Euro, welche das vorliegende Verfahren und das Parallelverfahren betraf. Zudem überreichten die Beklagten Unterlagen mit Zahlen zu den Umsätzen mit angegriffenen Ausführungsformen.

Mit Email vom 09.12.2015 unterbreitete die X4 S4 Ltd. für die Klägerin der X3-Gruppe ein neues, bis zum 31.12.2015 befristetes Lizenzvertragsangebot (Anlage AS 8), das der Mutterkonzern der Beklagten ablehnte.

Mit Schreiben vom 20.12.2016 machte die Klägerin dem X3-Konzern ein weiteres konzern- und weltweites Lizenzangebot. Es sieht eine Stücklizenz am Wireless-Portfolio vor, bei der sich die Lizenzgebühr für sämtliche in Vergangenheit und Zukunft lizenzierten Produkte nach der sog. Standard Rate pro Kalenderjahr bis 500.000 Stück auf X Euro beläuft, von 500.001 bis 2.500.000 Stück auf X Euro, von 2.500.001 bis 5.000.000 Stück auf X Euro und über 5.000.000 Stück auf X Euro. Die sog. Compliant Rate liegt in jeder Stufe um X % niedriger und beträgt daher zwischen X und X Euro pro Einheit. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das als Anlage AR 63a (Übersetzung Anlage AR 63b) zur Akte gereichte Lizenzangebot verwiesen.

Die Beklagten unterbreiteten der Klägerin mit Schreiben vom 20.01.2017 ein weiteres Gegenangebot (Anlage G 46), rechneten mit Schreiben vom 13.02.2017 für das 4. Quartal 2016 gegenüber der Klägerin ab und erhöhten die Sicherheit insgesamt auf X,00 Euro (vgl. Anlage G 51). Die Klägerin lehnte dieses Gegenangebot mit Schreiben vom 31.01.2017 ab (Anlage AR 125).

Die Klägerin hat mehrere konzern- und weltweite Lizenzverträge über das Wireless-Portfolio abgeschlossen, von denen sie in der Berufungsinstanz zunächst fünf vorgelegt hat, die in der Zeit zwischen dem 01.04.2014 und dem 01.10.2016 abgeschlossen wurden („Lizenzverträge A – E“, Anlagen AR 98a – e). Sodann hat sie auf Anordnung des Senats gemäß Auflagenbeschluss vom 06.02.2017 einen weiteren Lizenzvertrag mit dem Unternehmen X5 vorgelegt (nachfolgend „X5“). Dieser im 3. Quartal 2015 rückwirkend zum … geschlossene Lizenzvertrag verpflichtet X5 bis zum Ende der Vertragslaufzeit am … zur Zahlung von Lizenzgebühren in Höhe von insgesamt mindestens X Euro. - Text anonymisiert - Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage AR 127 (Übersetzung Anlage AR 127a) zur Akte gereichte „Vergleichs- und Lizenzvereinbarung“ zwischen der Klägerin und X5 verwiesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, allein verfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents und zur Geltendmachung der klageweise erhobenen Ansprüche aus dem Klagepatent berechtigt zu sein. Sie hat die Auffassung vertreten, die technische Lehre des Klagepatents werde bei Einhaltung des Standards verwirklicht. Dieser sehe vor, dass ein Datenanruf-Trägerdienst mehrere Benutzerdatenraten umfasse. Auch wenn eine Mobilstation nur ein einziges QoS-Profil unterstütze, so decke dieses mehrere Datenraten ab, wie sich aus der im Release 4 vorgesehenen Angabe der maximalen und der garantierten Datenrate im „Quality of Service Information Element“ (QoS iE) ergebe (Figur 10.5.138 von TS 24.008). Eine Benutzerdatenrate-Verhandlung sei immer schon dann gegeben, wenn die Datenrate von der Mobilstation angefragt, vom Netzwerk geprüft und gegebenenfalls angepasst werde und dies dann von der Mobilstation entweder akzeptiert werde oder nicht. Die Mobilstation müsse hingegen nicht in der Lage sein, die angeforderte Datenrate durchzusetzen. Im Hinblick auf den weiteren anspruchsgemäßen Zweck der Verhandlung, „den Datenanruf mit Funkkanal-Ressourcen aufzubauen, die gemäß der ausgehandelten Benutzerdatenrate zugewiesen sind“, genüge es, wenn die Mobilstation einen Datenanruf unterstütze, bei dem die Ressourcen mit der Datenrate in Zusammenhang stehen. In Bezug auf den von den Beklagten geltend gemachten kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand fehle es schon an der erforderlichen marktbeherrschenden Stellung der Klägerin. Jedenfalls verhalte sie (die Klägerin) sich nicht missbräuchlich, da sie dem Konzern der Beklagten mehrfach eine Lizenz zu fairen, vernünftigen und nicht diskriminierenden Bedingungen angeboten habe. Das Verlangen nach einer weltweiten Konzern-Lizenz über das gesamte angebotene Patentportfolio sei angemessen. Dies gelte auch für die von ihr geforderte Stücklizenzgebühr. Ihr falle auch keine unzulässige Rechtsausübung zur Last.

Die Beklagten haben erstinstanzlich die Auffassung vertreten, der Standard schreibe nicht alle Merkmale des Klagepatentanspruchs zwingend vor. Sie seien zwar im Standard vorgesehen, aber nur eine von mehreren Optionen. So verlange dieser nicht, dass der Datenanruf-Trägerdienst zwingend mehrere Benutzerdatenraten umfasse. Das QoS IE könne sich vielmehr optional auf eine einzige Datenrate beschränken. Des Weiteren erfolge die Signalübertragung gemäß dem ausgehandelten QoS-Profil nur mit einer einzigen Datenrate. Zudem sei üblich, dass an der Mobilstation nur ein einziges QoS-Profil mit einer Datenrate unterstützt werde. Infolgedessen sehe der Standard auch nicht zwingend Mittel zum Ausführen einer Benutzerdatenrateverhandlung vor, um die Benutzerdatenrate zur Verwendung in einer Datenübertragung mit dem Mobilkommunikationsnetzwerk einzustellen und um den Datenanruf mit Funkkanal-Ressourcen aufzubauen, die gemäß der ausgehandelten Benutzerdatenrate zugewiesen sind. Vielmehr werde bei Unterstützung nur einer Datenrate ein einfaches Call-Admission-Control Verfahren durchgeführt, bei dem das Netzwerk über die Annahme entscheide. Zudem werden – anders als sich aus dem Klagepatentanspruch ergebe – die Funkkanalressourcen standardmäßig nicht von der Mobilstation vergeben. Deswegen könne aus der Kompatibilität einer Mobilstation mit dem GPRS-Standard nicht auf die Implementierung der genannten Anspruchsmerkmale in dieser Mobilstation geschlossen werden. Die angegriffenen Ausführungsformen hätten einen Datenanruf-Trägerdienst, der lediglich eine Benutzerdatenrate umfasse. Sie seien nicht derart vorgerichtet, dass sie QoS IE mit mehreren Datenraten umfassen können. Ferner übertragen sie Signale zu anderen Benutzer-Netz-Schnittstellen stets mit genau einer Datenrate. Dementsprechend verfügten sie auch nicht über Mittel zum Aushandeln einer Benutzerdatenrate. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei zumindest nicht durchsetzbar. Mit Blick auf die von der Klägerin geltend gemachte Standardessentialität des Klagepatents könne diese nur eine angemessene Lizenzgebühr fordern. Das von der Klägerin den Muttergesellschaften der Beklagten unterbreitete Lizenzangebot sei unangemessen. Es fehle an der Darlegung zum Rechtsbestand und zur Bedeutung aller zu lizenzierenden Patente des klägerischen Portfolios; die Klägerin habe solches nur in Bezug auf die Klagepatente des vorliegenden Rechtsstreits und des Parallelverfahrens dargetan. Die von der Klägerin geforderte Stücklizenz sei ebenso überhöht wie die geforderte Pauschallizenzgebühr für die Vergangenheit. Das Verhalten der Klägerin sei überdies deshalb missbräuchlich, weil sie versuche, Lizenzgebühren auch für solche Endgeräte der Beklagten zu erzielen, in Bezug auf die entweder bereits Erschöpfung eingetreten sei oder für die bereits Lizenzgebühren für das Klagepatent entrichtet worden seien. Die ursprüngliche Anmelderin des Klagepatents habe X2 eine umfassende, u.a. das Klagepatent einbeziehende Lizenz erteilt. Daran sei auch die Klägerin als Erwerberin des Klagepatents gebunden. Wie die Klägerin zugestanden habe, werde die angeblich patentgemäße Funktion vom Chipsatz der angegriffenen Ausführungsformen ausgeführt. Aufgrund der „X2 -Lizenz“ sei in L2 Erschöpfung eingetreten, so dass insoweit keine weitere Lizenznahme mehr erforderlich sei. Bezüglich entsprechender Chipsätze anderer Hersteller bestehe vor diesem Hintergrund eine Beweislastumkehr betreffend die Voraussetzungen der Erschöpfung. Die Durchsetzung des Klagepatents sei auch deshalb ein Fall unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB), da die Klägerin eine unredlich erworbene Rechtsposition geltend mache. Die Unredlichkeit folge aus der vorsätzlichen Täuschung über das Vorhandensein standardessentieller Rechte unter Verstoß gegen Europäisches Kartellrecht sowie die vertragliche Vereinbarung mit der ETSI durch die frühere Anmelderin des Klagepatents. Dies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Schließlich liege ein Ausbeutungsmissbrauch nach § 242 BGB vor, da die Klägerin keine Einzellizenz erteilen wolle. Die Klägerin biete stattdessen ein Patentportfolio an, das auch nicht standardessentielle Patente umfasse. Auch unter geographischen Aspekten versuche die Klägerin, potenziellen Lizenznehmern in kartellrechtlich unzulässiger Weise Lizenzen an Patenten aufzunötigen. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Hilfsweise haben sie die Aussetzung des Rechtsstreits wegen des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens begehrt. Weiter hilfsweise haben die Beklagten Vollstreckungsschutz begehrt.

Das Landgericht hat die Beklagten mit Urteil vom 03.11.2015 antragsgemäß zur Unterlassung, zur Auskunft und Rechnungslegung, zur Vernichtung und zum Rückruf aus den Vertriebswegen verurteilt sowie die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz festgestellt.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei sowohl prozessführungsbefugt als auch aktivlegitimiert. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten den Anspruch 12 des Klagepatents wortsinngemäß. Dies folge bereits daraus, dass sie sämtlich Release 8 des Standards unterstützten, mit dem zwingend die Benutzung des Klagepatents einhergehe.

Der von den Beklagten gegen die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung geltend gemachte kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand greife nicht durch. Insofern könne dahingestellt bleiben, ob das Klagepatent eine marktbeherrschende Stellung vermittle, da sich zumindest kein Missbrauch einer solchen feststellen lasse. Jedenfalls mit der Klageschrift seien die Beklagten über das Klagepatent und die geltend gemachte Patentverletzung hinreichend informiert worden. Für „Übergangsfälle“ sei es mit Blick auf die seinerzeitige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreichend, wenn der Patentverletzer (erst) durch die Klage Kenntnis von der Patentverletzung erhalte. Es stelle keinen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung dar, wenn der Inhaber eines standardessentiellen Patents (zunächst) der Muttergesellschaft des angeblichen Patentverletzers eine Lizenz anbiete, um entsprechende Verhandlungen zu initiieren. Ob das Angebot der Klägerin, insbesondere das Bestehen auf einer weltweit gültigen Portfoliolizenz, FRAND-Grundsätzen entspreche, könne dahinstehen. Auch im Falle eines nicht FRAND-gemäßen Angebots der Klägerin hätten die Beklagten – als Nutzer der patentgemäßen Lehre – oder zumindest deren Muttergesellschaften hierauf reagieren müssen: Jedenfalls dann, wenn der angebliche Patentverletzer sich dafür entscheide, auf ein Angebot des Patentinhabers mit einem Gegenangebot zu reagieren, träfen ihn die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) umschriebenen Pflichten. Der angebliche Patentverletzer müsse dann ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des (ersten) Gegenangebots über die Benutzung (auch in der Vergangenheit) abrechnen und für die fälligen Lizenzgebühren Sicherheit leisten. Diesen Erfordernissen seien die Beklagten nicht nachgekommen, da sie zwar Gegenangebote unterbreitet, jedoch nicht fristgemäß abgerechnet und Sicherheit geleistet hätten. Die Vornahme von Rechnungslegung und Sicherheitsleistung erst in der mündlichen Verhandlung vom 29.09.2015 seien verspätet und Ausdruck einer Verzögerungstaktik der Beklagten, welche mit der Erhebung des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwands nicht vereinbar sei. Ebenso wenig stehe die von den Beklagten behauptete X2 -Lizenz der Berechtigung der hier geltend gemachten Ansprüche entgegen. Dabei sei zu beachten, dass nicht alle angegriffenen Ausführungsformen mit Chipsätzen von X2 ausgestattet seien. Die Beklagten hätten eine – von der Klägerin bestrittene – Lizenzierung über X2 bereits nicht hinreichend vorgetragen. Der Vortrag der Beklagten enthalte keine hinreichenden Angaben zu den Lizenzbedingungen. Eine Erschöpfung in Deutschland behaupteten die Beklagten nicht. Dem Argument der Beklagten, aufgrund der X2 -Lizenz sei die Nutzung des Klagepatents auch ohne Erschöpfung in Europa abgegolten, könne nicht gefolgt werden. Jedenfalls sei unklar, warum eine nicht spezifizierte Lizenzleistung von X2 an X1 hier der Geltendmachung von Ansprüchen entgegenstehen sollte. Schließlich seien die auf § 242 BGB gestützten Einwände der Beklagten unbegründet. Es könne dahingestellt bleiben, ob X1 tatsächlich das Vorhandensein des Klagepatents verschwiegen habe und ob sich die Klägerin dieses Verhalten zurechnen lassen müsse. Mit der Abgabe der FRAND-Erklärung durch die Klägerin sei ein eventueller Patenthinterhalt seitens X1 geheilt. Dass im Falle der Abgabe einer FRAND-Erklärung durch X1 eine andere technische Lösung standardisiert worden wäre, sei nicht ersichtlich. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht verjährt. Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO sei nicht geboten, weil ein Erfolg der Nichtigkeitsklage nicht hinreichend wahrscheinlich sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in der ersten Instanz sowie der Urteilsbegründung wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung, wobei sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen Folgendes geltend machen: Entgegen der Ansicht des Landgerichts seien die Merkmale des Patentanspruchs 12 durch den GPRS-Standard nicht zwingend vorgegeben. Es habe insoweit verkannt, dass Standardessentialität nur zu bejahen sei, wenn ein standardkonformes Gerät die Merkmale eines Patentanspruchs zwingend implementieren müsse. Daran fehle es, weil Mobilstationen, die den GPRS-Standard implementieren, von keinem der Merkmale Gebrauch machen müssten. Das Landgericht habe den Klagepatentanspruch fehlerhaft ausgelegt. Die Mobilstation „umfasse“ einen Datenanruf-Trägerdienst nur, wenn dieser in ihr enthalten sei. Zudem erfordere ein Trägerdienst, der mehrere Datenraten umfasse, zwingend auch die Übertragung mittels verschiedener Datenraten. Ferner liege ein Einstellen der Benutzerdatenrate nicht vor, wenn die Mobilstation mit einem Fallenlassen des Anrufs reagiere oder die Datenrate unverändert bleibe, da die Datenrateverhandlung anspruchsgemäß erfolge, um den Datenanruf mit Funkkanal-Ressourcen aufzubauen, die gemäß der ausgehandelten Benutzerdatenrate zugewiesen seien. Das Landgericht habe ferner nicht berücksichtigt, dass ihre Mobilfunkgeräte zumindest in dem für eine unmittelbare Patentverletzung maßgeblichen Zeitpunkt, in dem sie – die Beklagten – diese Geräte anbieten und in Verkehr bringen, die Merkmale des Klagepatentanspruchs nicht umsetzten. Dann seien in ihnen noch keine Datenanruf-Trägerdienste enthalten, die mehrere Benutzerdatenraten umfassten und der Trägerdienst sei auch nicht in der Teilnehmerdatenbank des Mobilkommunikationsnetzes für den Mobilteilnehmer bestimmt. Bevor die Mobilfunkgeräte einem Mobilteilnehmer zugeordnet seien, sei vielmehr noch kein Eintrag in der Teilnehmerdatenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks für den Mobilteilnehmer vorhanden. Unbeachtlich sei, ob der Eintrag möglicherweise später durch einen Netzbetreiber erfolgen könne, da sie – die Beklagten – keinen Einfluss mehr auf die Mobilfunkgeräte hätten, wenn diese sich mit einem Sendemast verbinden. Im deutschen Mobilfunknetz würden nach ihrer Kenntnis auch nicht mehrere Benutzerdatenraten durch die Netzbetreiber gesetzt, da die Funkmasten nicht dementsprechend voreingestellt seien. Die angegriffenen Ausführungsformen seien ohne vorherige Registrierung des Mobilteilnehmers in der Teilnehmerdatenbank auch nicht in der Lage, patentgemäß Datenraten zu verhandeln.

Das Landgericht habe die Vorgaben des EuGH zum kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand verkannt und einseitig zum Nachteil der Beklagten zu strenge Maßstäbe angelegt. Zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre aus der FRAND-Erklärung resultierenden Verpflichtungen erfüllt habe. Die Klägerin habe ihnen vorprozessual keinen ordnungsgemäßen Hinweis auf die Patentverletzung gegeben. Selbst wenn die Klägerin im weiteren Verlauf ordnungsgemäß auf die (angebliche) Verletzung des Klagepatents hingewiesen haben sollte, habe das Landgericht nicht offen lassen dürfen, ob die Klägerin der Beklagten ein konkretes, schriftliches Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet habe. Denn beide Beklagte hätten spätestens mittels ihres Lizenzangebotes vom 12.08.2015 eine deutliche Lizenzierungsbitte zum Ausdruck gebracht, die Beklagte zu 1) zuvor auch bereits am 13.10.2014; ergänzend verweisen die Beklagten auf die Antwort des IP-Direktors ihres Mutterkonzerns (Anlage G 31). Die Lizenzvertragsangebote der Klägerin - sei es an die Beklagte selbst oder sei es an deren Konzernmutter - hätten einen konkreten Bezug zum Klagepatent vermissen lassen und hätten weder FRAND-Bedingungen entsprochen noch Angaben zur Art und Weise der Berechnung enthalten. Verfehlt sei das Landgericht davon ausgegangen, die Beklagten hätten bis zum EuGH-Urteil davon ausgehen müssen, zur Erfüllung der Anforderungen gemäß der „Orange-Book-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) demgemäß unabhängig von einem FRAND-Angebot der Klägerin u.a. zur Sicherheitsleistung verpflichtet gewesen zu sein. Jedenfalls könne ihnen in Bezug auf ihre Verpflichtungen zur Abrechnung und Sicherheitsleistung keine „Verzögerungstaktik“ vorgeworfen werden, weil sie innerhalb einer angemessen kurzen Frist nach Ablehnung ihrer jeweiligen Lizenzangebote reagiert und – in tatsächlicher Hinsicht unstreitig – der Klägerin am 12.08.2015 ihre Lizenzangebote zugesandt hätten. Auch in Bezug auf ihre weiteren (dann auch vom Mutterkonzern unterzeichneten) Lizenzangebote falle ihnen keine Verzögerungstaktik zur Last. Sie seien entgegen der Annahme des Landgerichts nicht gehalten gewesen, die für die Abrechnung erforderlichen Daten vorab bereitzuhalten.

An einer rechtswidrigen Benutzung in der Bundesrepublik Deutschland fehle es jedenfalls deshalb, weil die Rechte aus dem Klagepatent erschöpft seien. X1 habe dem Chip-Hersteller X2 eine Lizenz erteilt. Der Gesamtanteil der X3-Mobilfunkgeräte mit X2-Chips betrage X %. Die von der Klägerin als Anlage AR 83 vorgelegte Erklärung X1s sei unergiebig. Es sei daher davon auszugehen, dass es eine Vereinbarung zwischen X1 und X2 gebe und diese selbstverständlich auch nach dem Weiterverkauf der Patente an die Klägerin gültig sei. Ob insoweit ausdrücklich die Bezeichnung „Lizenz“ verwendet worden sei, sei unerheblich. Ferner sei anzunehmen, dass die Vereinbarung zwischen X1 und X2 weltweit gelte. Insoweit komme es nicht darauf an, wo X2 die Chips verkaufe und ob sie nach einem ersten Verkauf durch X2 in andere Länder weiterverkauft werden. Nach L2em Recht könne eine Einschränkung der Erschöpfung auf nachgeordneten Wirtschaftsstufen nicht wirksam vereinbart werden. Aus der Presseerklärung der Klägerin gemäß Anlage G 44 ergebe sich, dass die ursprünglich zwischen X1 und X2 getroffenen Vereinbarungen nach dem Weiterverkauf der Patente bestehen blieben. Zumindest dürfe die Klägerin nicht mehrfach eine weltweite Lizenzgebühr für das Inverkehrbringen ein- und desselben Produktes beanspruchen. Aus der Tatsache, dass der Mutterkonzern der Beklagten einen Lizenzvertrag mit X2 schloss, könne die Klägerin nichts herleiten, weil dieser andere Patente betreffe.

Die Klägerin habe bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kein Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen vorgelegt: Das Lizenzangebot der Klägerin vom 20.12.2016 sei formal schon nicht unterschriftsreif, weil es an unabdingbaren Regelungen fehle. Nach wie vor sei die Klägerin nicht ihrer Verpflichtung zur Darlegung der Art und Weise der Berechnung der von ihr geforderten Lizenzgebühr nachgekommen. Die Klägerin müsse insoweit ihre Preiskalkulation offenlegen. Ferner müssten die zum Portfolio zählenden Patente nach Relevanz und Laufzeit gewichtet und territoriale, zeitliche, wirtschaftliche und rechtliche Faktoren in eine zumindest überschlägige Berechnung einbezogen werden. Die Klägerin gehe unzutreffend davon aus, ihre Lizenzgebühr nicht berechnen zu müssen, sondern ohne Berücksichtigung ihrer Selbstkosten auf Basis reiner Durchschnittsbetrachtungen schlicht den Preis verlangen zu dürfen, den der Markt gerade noch zu zahlen bereit sei.

Die ihnen unterbreiteten Lizenzangebote seien diskriminierend. Es gebe keinen „Standardlizenzvertrag“ der Klägerin für das Wireless-Portfolio, sondern die Klägerin habe mit verschiedenen Unternehmen völlig unterschiedliche Lizenzverträge abgeschlossen. Sie habe gezielt bloß selektiv Lizenzverträge vorgelegt, die (insoweit unwidersprochen) lediglich etwa X % der im Jahr 2014 verkauften lizenzbedürftigen Einheiten betreffen. Auch das Lizenzangebot vom 20.12.2016 behandle sie ohne sachlichen Grund ungleich. Dies ergebe sich zunächst aus einem Vergleich mit den fünf von der Klägerin vorgelegten Lizenzverträgen A – E. Die in den Lizenzverträgen A bis C eingeräumten Nachlässe führten zu einer signifikanten Besserstellung von Wettbewerbern, ohne dass die Klägerin dafür einen triftigen Grund angeführt habe und seien daher weder angemessen noch gerechtfertigt. Die Lizenznehmer der Lizenzverträge D und E seien keine namhaften Hersteller, so dass diese nicht zu berücksichtigen seien.

Erst recht seien die ihnen vorgelegten Lizenzangebote diskriminierend im Vergleich mit dem Lizenzvertrag zwischen der Klägerin und X5. Die Ausführungen der Klägerin zum Hintergrund dieses Lizenzvertrages seien bloß vorgeschoben. Zudem bestreiten sie deren Vorbringen zu - Text anonymisiert -, mit Nichtwissen. Die betreffenden Erläuterungen der Klägerin vermochten nichts daran zu ändern, dass X5 nur einen Bruchteil der von ihnen geforderten Lizenzgebühr zu entrichten habe. Der extrem hohe Nachlass und die insgesamt signifikant schlechteren Bedingungen seien nicht gerechtfertigt. Insbesondere seien X5 und ihr Mutterkonzern sehr ähnliche Unternehmen. - Text anonymisiert - Es bleibe offen, warum X5 ein hoher Nachlass gewährt und wie dieser kalkuliert worden sei. Tatsächlich sei der Rabatt noch höher als von der Klägerin angegeben, weil X5 bis Ende 2014 mindestens X Millionen Smartphones verkauft habe. Daher betrage die Lizenzgebühr für die Vergangenheit sogar nur X Euro pro Gerät. Der Hinweis der Klägerin auf den Aspekt der Markteinführung L2 lasse zudem außer Acht, dass sie von vornherein Marktbeherrscherin gewesen sei. Ohnehin sei X5 nicht das erste Unternehmen, das L2 einen Lizenzvertrag betreffend das Wireless-Portfolio abgeschlossen habe. Die Klägerin habe ihnen unstreitig im Jahr 2015 nicht die X5 gewährten Konditionen angeboten.

Zudem seien die ihnen unterbreiteten Lizenzangebote ausbeuterisch. Eine faire und angemessene Lizenzgebühr könne mangels beherrschungsfrei zustande gekommener vergleichbarer Lizenzverträge und eines funktionierenden Vergleichsmarktes nicht mittels des Vergleichsmarktkonzepts ermittelt werden. Vielmehr sei eine Überprüfung der Preisbildungsfaktoren vorzunehmen. Mangels Offenlegung der Preisbildungskalkulation durch die Klägerin sei zu vermuten, dass sie zu hohe Preisbildungsfaktoren angesetzt habe. Der geforderte Lizenzbetrag von X Euro pro Gerät sei offensichtlich unangemessen, da sie mit Blick auf die von den Beklagten vor allem vertriebenen Mobilfunkgeräte im Niedrigpreissegment einen Lizenzsatz von X % bedeuteten. In Anbetracht des Umstandes, dass neuesten Untersuchungen zufolge mehr als 18.000 Patentfamilien als standardessentiell gemeldet seien, sei ein solcher Lizenzsatz für (von der Klägerin als standardessentiell eingestufte) 33 Patentfamilien nicht realisierbar, sondern schließe die Beklagten vom Markt aus. Er benachteilige Hersteller im Niedrigpreissegment. Zudem sei er intransparent, da unterschiedliche Laufzeiten und Unterschiede des territorialen Schutzumfangs der Patente des Wireless-Portfolios unberücksichtigt blieben.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Portfolio-Lizenz. Mit Ausnahme der Klagepatente des vorliegenden und des Parallelverfahrens (I-15 U 65/15) habe die Klägerin nicht angegeben, auf welche Weise die zugehörigen Patente verletzt sein sollten. Aus den Patentfamilien der Klagepatente lasse sich nichts in Bezug auf andere betroffene Patentfamilien ableiten. Die Klägerin habe nicht einmal vorgetragen, dass die Mobilfunkstandards außerhalb Europas gleichlauteten. Die Klägerin habe die Claim Charts, zugehörige Patentschriften und Standarddokumente verspätet vorgelegt. Die von der Klägerin vorgelegten Claim Charts seien ohnehin unbeachtlich, weil die Klägerin sich den Inhalt der betreffenden Anlagen nicht zu eigen gemacht habe. Abgesehen davon wiesen sie nur einen schwachen Substantiierungsgrad auf. Nur ein ganz geringer Teil der Portfolio-Patente sei (möglicherweise) standardessentiell. Diverse Portfolio-Patente stünden in Kernländern nicht in Kraft. Die Beklagten haben teilweise eigene Claim Charts (Anlage G 41) sowie als Gegenstück zur „Proud-List“ eine „Humble-List“ betreffend von der Klägerin nicht vorgelegte Claim Charts erstellt (Anlagenkonvolut G 42). Ein Großteil der Patente der „Humble-List“ sei nicht standardessentiell.

Das Begehren nach einer konzern- und weltweiten Stücklizenz sei nicht fair und unangemessen. Da die Klägerin selbst keine konzernweite Lizenz anbiete, dürfe sie dies auch nicht von den Beklagten fordern.

Hinzu komme, dass mit Blick auf die oben bereits erwähnten Vereinbarungen zumindest in L2 Erschöpfung der Rechte aus den Portfolio-Patenten eingetreten sei. Die Klausel 4.05 des Lizenzangebots der Klägerin vom 20.12.2016 sei keine geeignete Kompensation für eine Erschöpfung, weil sie durch die weitere Klausel 4.03 konterkariert werde.

Das Angebot der Klägerin vom 20.12.2016 sei überdies nicht FRAND, weil es keine Anpassungsklauseln (Höchstbelastungsgrenze; Preiskorrektur im Falle von Änderungen des Schutzrechtsbestandes; Länderspektren) vorsehe. Auf eine unzumutbare Gesamtbelastung könnten sie sich unabhängig davon berufen, ob sie aktuell geforderte Lizenzgebühren und ein Überschreiten der Höchstgrenze belegen könnten. In Bezug auf den durchschnittlichen Verkaufspreis ergebe sich abgesehen davon bereits derzeit eine unzumutbare Gesamtbelastung von ca. X %. Die zeitliche Befristung des angebotenen Lizenzvertrages sei keine ausreichende Kompensation. Abgesehen davon sei eine Laufzeit von nur zwei Jahren ohnehin nicht FRAND.

Eine Bankgarantie für zukünftige Benutzungshandlungen werde von einem Lizenzgeber ohne marktbeherrschende Stellung nicht verlangt. Schließlich sei die geforderte Abschlussgebühr von X Euro nicht FRAND.

Den geltend gemachten Ansprüchen auf Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen stehe jedenfalls ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB entgegen.

Sie hätten das Klagepatent weder vorsätzlich noch fahrlässig verletzt. Es gebe keinen Mobilfunkgerätehersteller, der in der Lage wäre, Mobilfunkgeräte auf den Markt zu bringen, die nicht von irgendwelchen standardessentiellen Patenten, an denen er keine Lizenzen habe, Gebrauch machten.

Etwaige Auskunftsansprüche der Klägerin seien bereits erfüllt. Dem Begehren nach Feststellung der Schadensersatzpflicht fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, weil eine hinreichende Summe als Sicherheit beim Amtsgericht Düsseldorf hinterlegt sei. Das Landgericht habe übersehen, dass der Klägerin gar kein Anspruch auf Rechnungslegung zustehe und der Auskunftsanspruch bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erfüllt worden sei. Das Landgericht habe den Auskunftsanspruch jedenfalls verfehlt auch in Bezug auf nicht gewerbliche Abnehmer zuerkannt, was nicht im Einklang mit § 140b Abs. 3 Nr. 1 PatG stehe.

Schließlich machen die Beklagten geltend, aufgrund des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens sei weiterhin eine Aussetzung des Rechtsstreits angezeigt. Aufgrund der Erledigung der Unterlassungs- und Vernichtungsansprüche habe die Klägerin kein Rechtsschutzbedürfnis mehr, das gegen eine Aussetzung spreche.

Die Parteien haben den Unterlassungsantrag wegen Ablaufs des Klagepatents zum 25.09.2016 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 03.11.2015 (4a O 93/14) aufzuheben und die Klage abzuweisen;

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen Entscheidung im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht (Az.: ……….) auszusetzen;

höchst hilfsweise für den Fall des Unterliegens, es ihnen zu gestatten, die Zwangsvollstreckung gegen Hinterlegung oder Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin und Berufungsbeklagten abzuwenden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die nunmehr noch geltend gemachten Ansprüche auf Benutzungshandlungen bis zum 25.09.2016 beschränkt sind.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Argumente im Wesentlichen wie folgt: Das Landgericht habe mit zutreffender Begründung eine Benutzung des Klagepatents durch die angegriffenen Ausführungsformen bejaht. Es genüge, dass die Beklagten Mobilgeräte auf den Markt bringen, die objektiv in der Lage seien, sämtliche Anspruchsmerkmale zu erfüllen.

Die Beklagten könnten sich nicht mit Erfolg auf eine Erschöpfung berufen: Es sei schon nicht dargelegt, ob und was X1 an X2 lizenziert habe und ob die Vertriebskette von einer etwaigen Lizenz umfasst sei. Als direkter Vertragspartner von X2 seien die Beklagten insoweit nicht auf eine sekundäre Darlegungslast der Klägerin angewiesen. Ohnehin sei der Einwand der Erschöpfung nur dann beachtlich, wenn selbige in Bezug auf alle Komponenten der Mobiltelefone eingetreten sei. Auf entsprechende Nachfrage habe sie – die Klägerin – von X1 die Auskunft (Anlage AR 91) erhalten, dass X2 keine Lizenz erteilt worden sei. Nach L2em Recht führe allein eine Zusage, Patente gegen eine bestimmte Person für bestimmte Aktivitäten nicht einzusetzen, nicht zur Rechtsfolge einer Erschöpfung. Abgesehen davon sei allein eine Erschöpfung in Bezug auf die Chips rechtlich irrelevant. Zudem enthalte ihr Lizenzangebot in Klausel 4.05 eine Spezialregelung für Chips. Klausel 4.03 ihres Lizenzangebots konterkariere diese Spezialregelung auch nicht, weil erstere sich nur auf die in Klausel 1.10 definierten „Licensed Products“ beziehe.

Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Beklagten bereits wegen deren eigenen unangemessenen Verhaltens nicht mit Erfolg auf den FRAND-Einwand berufen könnten. Während sie – die Klägerin – überobligatorisch sämtliche Anforderungen des EuGH erfüllt habe, hätten die Beklagten konstant gegen die vom EuGH aufgestellten Pflichten verstoßen. Trotz ordnungsgemäßen Hinweises auf die Verletzung des Klagepatents hätten die Beklagten bis zuletzt nicht ernsthaft eine Lizenzwilligkeit erkennen lassen. Auf verschiedenste Kontaktversuche der Klägerin sei keine Reaktion der Beklagten erfolgt. Die Email des IP-Direktors W. J. vom 11.12.2015 sei rein taktisch geprägt gewesen. Aus der weiteren Email des IP-Direktors vom 16.01.2016 (Anlage AR 51) ergebe sich, dass die Lizenzwilligkeit der Beklagten letztlich unter der (unstatthaften) Bedingung einer rechtskräftigen Bestätigung des Rechtsbestandes und der Verletzung des Klagepatents stehe. Die Email des Herrn W. vom 23.03.2016 habe allein der Verzögerung gedient.

Ihre (der Klägerin) Lizenzangebote – sei es vor oder nach Klageerhebung – seien FRAND. Dies gelte insbesondere für ihr letztes Angebot gemäß Anlagen AR 63a, AR 63b. Die Differenzierung zwischen Compliant Rate und Standard Rate sei gerechtfertigt vor dem Hintergrund, dass Anreize für eine ordnungsgemäße Abrechnung der Lizenznehmer geschaffen werden müssten. Ihr Lizenzangebot sei unbedingt und sofort annehmbar.

Zur Art und Weise der Berechnung der geltend gemachten Lizenzgebühr erläutert die Klägerin: Diese sei nicht anhand einer genauen mathematischen Berechnungen, sondern auf der Grundlage einer Annäherung an den auf dem Markt üblichen und angemessenen Preis bestimmt worden. Wegen der Einzelheiten der von der Klägerin herangezogenen Faktoren wird auf Ziffern 1. bis 5. der Anlagen AR 63a, 63b verwiesen.

Ihre Lizenzangebote seien nicht diskriminierend. Vielmehr entsprächen sie ihrem Standardlizenzvertrag, der jedem potentiellen Lizenznehmer gleichermaßen angeboten werde. Dieser werde auch „gelebt“. Sie habe bereits eine Reihe von Lizenzverträgen auf dieser Basis vereinbart, so dass dieser am Markt akzeptiert sei. Dies belegten beispielhaft die Lizenzverträge A – E. Die Lizenzraten entsprächen jeweils vollständig (hinsichtlich Lizenzverträgen D und E) oder zumindest in ihrer Größenordnung der Compliant Rate bzw. der Standard Rate. Etwaige abweichende Bedingungen seien im Einzelfall sachlich begründet; entsprechende Besonderheiten seien im Fall der Beklagten nicht gegeben. Insgesamt liege damit eine einheitliche Lizenzierungspraxis vor.

Der mit dem … X5 geschlossene Lizenzvertrag sei nicht repräsentativ und daher nicht relevant. Er betreffe einen anderen Sachverhalt, der sich von dem vorliegenden in erheblicher Weise unterscheide, und er sei unter besonderen, hier nicht gegebenen Umständen geschlossen worden. Als Reaktion auf ihren Versuch, weitere vorsätzliche Patentverletzungen durch X5 zu verhindern, habe die … X6 (…) eine Untersuchung eingeleitet. – Text anonymisiert - Die X5 gewährten Konditionen, die unstreitig für die Zukunft einen Rabatt von X % auf die Compliant Rate bedeuten sowie hinsichtlich von Benutzungshandlungen bis … auf einer Schätzung von insgesamt X Millionen verkauften Geräten beruhten und daher für die Vergangenheit auf einen Rabatt von X % auf die Standard Rate hinausliefen, seien sachlich gerechtfertigt. Zum einen sei X5 als erster L2 Lizenznehmer des Wireless-Portfolios Referenzkunde für die Einführung des Lizenzprogramms auf dem besonders bedeutsamen und gleichzeitig sehr schwierigen L2 Markt gewesen. Der Vertragsabschluss habe wegen der dort herrschenden industriepolitischen Bedingungen insbesondere auch wegen dessen Charakter als ressourcenstarkes … Unternehmen für sie – die Klägerin – eine erhebliche Bedeutung. Für die Ungleichbehandlung der Beklagten als … L2 Unternehmen bestehe deshalb ein triftiger Grund, zumal die Situation zwei Jahre nach ihrem Markteintritt in L2 ohnehin nicht mehr vergleichbar sei. Zum anderen rechtfertige die konkrete Risikoverteilung die gewährten besonderen Konditionen, - Text anonymisiert - Diese Risikoverteilung habe für sie – die Klägerin – einen hohen Wert, da die Verkäufe von X5 in den Jahren … und … mit zudem rückläufiger Tendenz deutlich hinter den geschätzten Stückzahlen zurückgeblieben seien. Wenn der X3-Konzern ebenfalls eine Lizenzierung auf der Grundlage von Pauschalzahlungen bevorzugen sollte, „stehe die Klägerin dem grundsätzlich offen gegenüber“ und sei bereit, in eine entsprechende Diskussion und Risikobewertung einzutreten, die bisher nicht möglich gewesen sei, weil sich der X3-Konzern den dafür erforderlichen detaillierten Verhandlungen verweigere. Allerdings sei nicht dasselbe Ergebnis zu erwarten, weil die Beklagten unstreitig steigende Umsätze erzielen, mithin eine Pauschalzahlung oder eine Mindestlizenzgebühr für sie – die Klägerin – nicht den gleichen objektiven Wert hätte.

Sie diskriminiere die Beklagten auch nicht durch ein vermeintliches selektives Vorgehen. Vielmehr seien zahlreiche große Unternehmen bereits über X1 lizenziert und müssten daher von ihr nicht mehr kontaktiert werden. Zudem habe sie ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Rechtslage, zu der es bislang keine obergerichtlichen Entscheidungen gebe. - Text anonymisiert -

Zwecks Überprüfung der Angemessenheit der von ihr geforderten Lizenzgebühr könne auf das Vergleichsmarktkonzept zurückgegriffen werden. Im Bereich der standardessentiellen Patente könne per se nur ein Vergleich mit anderen Lizenzverträgen zu standardessentiellen Patent erfolgen. Die marktbeherrschende Stellung der anderen Lizenzgeber mache den Vergleich nicht unbeachtlich. Die Entscheidung „Huawei/ZTE“ des EuGH habe nicht zu entsprechenden Veränderungen der Lizenzierungspraxis geführt.

In Anwendung des sog. Vergleichsmarktkonzepts ergebe sich, dass sowohl die in ihrem Angebot vorgesehene Compliant Rate als auch die Standard Rate FRAND seien. Zur marktüblichen Höhe von Lizenzsätzen im Mobilfunkbereich verweist die Klägerin auf den als Anlage AR 41 vorgelegten Aufsatz von X7. Der als Anlage AR 72 vorgelegte Artikel von A. bestätigte die von X7 ermittelten Werte. Überdies sei zu beachten, dass das klägerische Patentportfolio nicht nur die LTE-technologie, sondern mehrere Technologien abdecke. Eine Kontrollüberlegung anhand der eigenen Maßstäbe der Beklagten belege letztlich, dass ihre Lizenzraten FRAND und sogar äußerst günstig seien. Sie lägen am unteren Rand der marktüblichen Spanne. Mit Blick auf die hohe Anzahl standardessentieller Patente sei die von ihr geforderte Lizenzrate sogar günstiger als der eigene Vorschlag der Beklagten.

Ihr Begehren nach einer weltweiten Lizenz der Beklagten sei FRAND. Dies sei die Regel bei standardessentiellen Patenten. Standards hätten ganz überwiegend weltweite Gültigkeit und die Lizenznehmer vertrieben deren Produkte regelmäßig weltweit. Letzteres gelte auch für den X3-Konzern. Das Wireless-Portfolio zeichne sich durch eine besonders breite territoriale Abdeckung aus. Der von ihr angesetzte Lizenzsatz sei angemessen; er entspreche dem allen potentiellen Lizenznehmern angebotenen Standardlizenzsatz. Auch im Niedrigpreissektor seien Stücklizenzen anerkannt. Ein Vergleich der Lizenzraten des Wireless-Lizenzprogramms mit anderen Lizenzprogrammen ergebe, dass ihre Lizenzraten äußerst günstig seien.

In Bezug auf die Benutzung der Patente des Wireless-Portfolios sei entsprechend üblicher Gepflogenheiten die technische Diskussion anhand einer sog. „Proudlist“ angemessen, wobei in Anbetracht der Größe des Wireless-Portfolios die Vorlage von 10 bis 15 Claim Charts angemessen sei. Die von ihr vorgelegten 23 Claim Charts (s. insbesondere Anlage AR 92a) zu 15 standardessentiellen Patentfamilien habe sie ausgewählt, weil sie die drei Kern-Standards abdeckten und sich auf unterschiedliche Länder (darunter China, die USA und europäische Staaten) bezögen. Alle Merkmale dieser 23 Claim Charts seien für den jeweiligen Standard zwingend. Sämtliche Einwände der Beklagten in Bezug auf die Claim Charts ließen sich leicht mit einem Blick auf die relevanten Standarddokumente entkräften. Selbst die Patente gemäß der von den Beklagten vorgelegten sog. „Humble-List“ seien standardessentiell.

Entgegen der Ansicht der Beklagten gebe es keine Höchstbelastungsgrenze, vielmehr sei der Preis für die Lizenzierung der insgesamt benötigten Technologie ein fester kostenbildender Faktor neben anderen. Eine entsprechende Anpassungsklausel sei nicht marktüblich. Weil die von ihr geforderte Lizenzrate am unteren Rand liege, sei ein weiter Puffer vorhanden.

Auch sei eine Anpassung in Bezug auf künftige Veränderungen der Größe des Wireless-Portfolios nicht angezeigt: Eine solche Anpassungsklausel sei nicht marktüblich und - Text anonymisiert - Der X3-Konzern habe seinerseits bereits Verträge ohne eine solche Klausel akzeptiert. Ohnehin beruhe die Festlegung der Lizenzrate auf einer Durchschnittsbetrachtung, die das gesamte Portfolio über dessen Laufzeit zum Gegenstand habe, so dass etwaige Schwankungen bspw. infolge Patentablaufs einbezogen seien. Jedenfalls mit Blick auf die kurze Laufzeit des angebotenen Lizenzvertrages sei eine Anpassungsklausel praktisch irrelevant. Das Begehren nach einer Bankgarantie und einer Abschluss- oder Verwaltungsgebühr sei branchenüblich.

Auch das zuletzt erfolgte Gegenangebot der Beklagten (Anlage AR 125) sei aus diversen Gründen nicht FRAND.

Die Aufstellung der Verkaufs- und Umsatzzahlen verschiedener X3-Gesellschaften (Anlage G 18) enthalte zumindest nicht die Angaben nach Ziffern I.2a.a) bis c) sowie Ziffern I.3a) bis d) des Tenors im angefochtenen Urteil, so dass ihr Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch nicht erfüllt sei.

Das Klagepatent sei rechtsbeständig, wie sich u.a. aus ihrer Replik im Nichtigkeitsverfahren (Anlage AR 62) ergebe, und daher keine Aussetzung geboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet.

Der Klägerin stehen derzeit keine Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf der angegriffenen Ausführungsformen aus den Vertriebswegen zu. Die Berufung hat überdies Erfolg, soweit das Landgericht die Beklagten auch zur Auskunft und Rechnungslegung betreffend Angaben zu Kosten und Gewinn verurteilt hat. Der weitergehende Klageantrag zu Ziffer I.2 ist daher ebenfalls derzeit unbegründet.

Im Übrigen bleibt dem Rechtsmittel der Beklagten der Erfolg versagt, weil das Landgericht sie im Ergebnis zu Recht zur Auskunft und zur Rechnungslegung (abgesehen von den vorstehend erwähnten Einschränkungen) verurteilt und deren Verpflichtung zum Schadensersatz gegenüber der Klägerin festgestellt hat.

I.

Das Klagepatent betrifft das Herstellen von Datenanrufen unter Verwendung verschiedener Datenraten und Trägerdienste. Im Klagepatentanspruch 12 schützt es eine Mobilstation.

Die Klagepatentschrift legt zum Hintergrund der Erfindung einleitend dar (Absatz [0002]), dass moderne Mobilkommunikationssysteme zusätzlich zur herkömmlichen Sprachübertragung ihren Benutzern verschiedene Arten von Datenübertragungsfunktionen bieten und die bereitgestellten Dienste allgemein in Teledienste und Trägerdienste unterteilt werden können.

Die Trägerdienste werden nach den weiteren Ausführungen in Absatz [0003] der Klagepatentschrift üblicherweise nach einer kennzeichnenden Eigenschaft in Gruppen eingeordnet, wie asynchrone und synchrone Trägerdienste, die wiederum je nach ihren Eigenschaften in weitere Gruppen von Trägerdiensten, wie z. B. transparente und nichttransparente Dienste unterteilt werden. In einem asynchronen Trägerdienst halten das sendende und das empfangende Datenendgerät ihre Synchronisierung nur während jedem einzelnen zu übertragenden Zeichen aufrecht, während in einem synchronen Trägerdienst das sendende und das empfangende Datenendgerät während der gesamten Datenübertragung synchronisiert sind. Im Stand der Technik ist jeder Benutzerdatenrate ein unabhängiger Trägerdienst zugeordnet. Zum Beispiel weist der Einkanal-Datendienst des europaweiten digitalen Mobilkommunikationssystems GSM im Stand der Technik des Klagepatents sechs verschiedene asynchrone Trägerdienste für die Raten 300, 1200, 1200/75, 2400, 4800 und 9600 bit/s auf. Aufgrund der Einrichtung von Hochgeschwindigkeits-HSCSD-Datendiensten im GSM-Netz, die Mehrfachschlitztechnik anwenden (vgl. Absatz [0006]) wird sich die Zahl der verschiedenen Trägerdienste enorm steigern.

Dabei kann – so die Klagepatentschrift in Absatz [0004] weiter – ein Mobilteilnehmer typischerweise zu verschiedenen Arten von Tele- und Trägerdiensten berechtigt sein. Er kann zum Beispiel Zugang zu einem Sprachdienst, einem Telefax-Dienst und verschiedenen Arten von Datendiensten haben, die Trägerdienste verwenden. Ein mobil eingehender oder abgehender Anruf kann daher irgendeinen der vorgenannten Tele- und Trägerdienste oder Kombinationen davon erfordern, was der Grund dafür ist, dass der richtige Dienst an das Mobilkommunikationsnetz gerichtet werden muss. Beispielsweise enthält im GSM-Mobilkommunikationssystem eine von einer Mobilstation übertragene Verbindungsaufbau-Signalisierung Informationen über den benötigten Dienst in einem bestimmten BCIE (Bearer Capability Information Element, Trägerfähigkeits-Informationselement). Das Mobilkommunikationsnetz kann damit den geeigneten Dienst für die mobil abgehenden Anrufe wählen. Anrufe, die von einem ISDN (Integrated Services Digital Network) abgehen, enthalten ebenfalls ein ähnliches Informationselement, welches den benötigten Dienst anzeigt. Wenn jedoch der Anruf von dem öffentlichen Telefonnetz (PSTN, Public Switched Telephone Network) abgeht oder über dieses geroutet wird, werden Informationen über die Dienstart des Anrufs nicht an das Kommunikationsnetz übertragen. In einem solchen Fall sollte das Mobilkommunikationsnetz auf eine andere Weise darüber informiert werden, welche Art eines Basisdienstes von dem Anruf benötigt wird.

Eine Lösung nach dem Stand der Technik ist ein Mehrfach-Nummerierungs-Schema, bei dem ein Mobilteilnehmer so viele Verzeichnisnummern hat, wie er verschiedene Dienste abonniert hat. Nach dem Mehrfach-Nummerierungs-Schema wählt ein Anrufteilnehmer die Verzeichnisnummer des Mobilteilnehmers, die dem gewünschten Dienst entspricht. In dem GSM-System sind die Dienste der Teilnehmer in dem Standortverzeichnis (HLR, Home Location Register) eines Teilnehmers festgelegt, in dem auch andere Teilnehmerinformationen dauerhaft gespeichert sind. Das HLR wird auch verwendet, um Informationen über die Zuordnung der Verzeichnisnummern zu den Diensten der Teilnehmer zu speichern. In dem HLR ist ein spezifisches BCIE-Element, welches den Typ eines Anrufs und die für den Anruf erforderlichen Netzressourcen angibt, auch mit der Verzeichnisnummer verknüpft (MSISDN). Dem Klagepatent zufolge (Absatz [0005]) hat diese Lösung diverse Nachteile sowohl für den Netzbetreiber als auch die Mobilteilnehmer. Der Mobilteilnehmer muss mehrere Trägerdienste vom Netzbetreiber abonnieren, damit er Datenanrufe an Anwendungen mit verschiedenen Raten durchführen kann. Für den Netzbetreiber ist wiederum problematisch, dass jeder Benutzer zahlreiche Verzeichnisnummern benötigt, weil dies den Nummernraum des Netzes verschwendet. Des Weiteren verbraucht das Festlegen der Dienste in den Netzdatenbanken Datenbankkapazitäten.

Daher ist es sowohl für die Netzbetreiber als auch die Mobilteilnehmer vorteilhaft, die Anzahl von verschiedenen Arten von Trägerdiensten zu verringern, zumal das Problem im GSM-Netz wegen der Mehrfachschlitztechnik, die zu einer deutlichen Erhöhung von Trägerdiensten über die bereits bestimmten Einzelschlitz-Dienste hinaus führt, akuter wird (Absatz [0006]).

Davon ausgehend formuliert die Klagepatentschrift die Aufgabe, ein digitales Mobilkommunikationsnetz bereitzustellen, in dem ein festgelegter Trägerdienst so viele Datenraten wie möglich handhaben kann (Absatz [0008]).

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt das Klagepatent in seinem unabhängigen Anspruch 12 eine Mobilstation mit den folgenden Merkmalen vor:

1.       Mobilstation (MS) für ein digitales Mobilkommunikationssystem, umfassend

1.1               zumindest einen Datenanruf-Trägerdienst,

1.1.1         der mehrere Benutzerdatenraten umfasst, und

1.1.2         der für den Mobilteilnehmer in der Teilnehmer-Datenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks bestimmt ist,

1.2               Mittel zum Ausführen einer Benutzerdatenrate-Verhandlung,

1.2.1         um die Benutzerdatenrate zur Verwendung in einer Datenübertragung mit dem Mobilkommunikations-Netzwerk (BTS, BSC, MSC) einzustellen, und

1.2.2         um den Datenanruf mit Funkkanal-Ressourcen aufzubauen, die gemäß der ausgehandelten Benutzerdatenrate zugewiesen sind.

II.

Das Landgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass die Klägerin hinsichtlich aller streitgegenständlichen Ansprüche prozessführungsbefugt und aktivlegitimiert ist. Dagegen wenden sich die Beklagten folgerichtig auch nicht mit ihrem Rechtsmittel.

III.

Die Beklagten nahmen rechtswidrige Benutzungshandlungen i.S.v. § 9 PatG vor, indem sie die angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland anboten und vertrieben. Die angegriffenen Ausführungsformen machen wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs Gebrauch. Das Klagepatent ist ab dem Release 4 essentiell für den GPRS-Standard, die dortigen Vorgaben sind zwingend und die angegriffenen Mobilfunkgeräte der Beklagten setzen diese Standardversion vollständig um.

1.

Die Merkmalsgruppe 1.1, wonach die Mobilstation zumindest einen Datenanruf-Trägerdienst umfasst, der mehrere Benutzerdatenraten umfasst und der für den Mobilteilnehmer in der teilnehmer-Datenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks bestimmt ist, ist wortsinngemäß erfüllt.

a)

Unter einer zumindest einen Datenanruf-Trägerdienst „umfassenden“ Mobilstation versteht das Klagepatent, dass die Mobilstation über Mittel zum Ausführen eines Datenanruf-Trägerdienstes verfügt und diesen Dienst zur Signalübertragung mit anderen Benutzer-Netzwerk-Schnittstellen verwenden kann. Sie „umfasst“ den Datenanruf-Trägerdienst daher nur in dem Sinne teilweise funktional, als sie die notwendigen Funktionen besitzt, um ihn gemeinsam mit mindestens einem anderen Datenendgerät auszuführen. Er ist aber nicht etwa im physischen Sinne Bestandteil der Mobilstation.

aa)

Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Begriff „umfassend“ im Einklang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch nur so verstanden werden könne, dass der Trägerdienst in der Mobilstation „enthalten“ oder „vorhanden“ sein müsse.

Die Auslegung eines Patentanspruchs darf sich nicht auf den Wortlaut und dessen allgemeine Bedeutung beschränken. Vielmehr ist der technische Sinngehalt des Anspruchs zu ermitteln, den der Fachmann dem Anspruchswortlaut beilegt (BGH GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH GRUR 2008, 779 Rn. 30 – Mehrgangnabe), wobei Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv aus dem Patent ergeben, zu berücksichtigen sind (BGH GRUR 2016, 169 Rn. 16 – Luftkappensystem). Zwar bildet der Wortlaut insoweit eine Grenze, als die Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen nicht zu einer inhaltlichen Erweiterung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen darf (BGH GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Jedoch ist auch in diesem Zusammenhang keine reine Analyse des Wortlauts mit philologischen Mitteln zulässig, sondern zu ermitteln, was bei sinnvollem technischen Verständnis des Wortlauts so deutlich einbezogen ist, dass es vom Fachmann als zur Erfindung gehörend erkannt wird (BGH GRUR 2004, 1023, 1025 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Begriffen in Patentschriften kann ein vom allgemeinen (technischen) Sprachgebrauch abweichender Sinngehalt beizulegen sein, der dann für das zutreffende Verständnis der betreffenden technischen Lehre maßgeblich ist (BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube; BGH GRUR 2016, 1031, 1032 – Wärmetauscher).

bb)

Selbst wenn der Begriff „umfassend“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch so aufzufassen sein sollte, dass in der Mobilstation ein Datenanruf-Trägerdienst vorhanden ist, so ist damit hier in Anknüpfung an die vorstehenden Grundsätze nach dem allein maßgeblichen Verständnis des Klagepatents abweichend davon gemeint, dass sie die erforderlichen Funktionalitäten zum Ausführen eines Datenanruf-Trägerdienstes besitzt.

Wie der Name schon sagt, handelt es sich bei dem Datenanruf-Trägerdienst um eine Dienstleistung. Aus Sicht des Durchschnittsfachmanns, bei dem es sich um einen Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit (Fach-)Hochschulabschluss und profunden Kenntnissen in der Übertragungstechnik sowie mehrjähriger praktischer Berufserfahrung in der Entwicklung von Mobilkommunikationssystemen handelt, liegt allein aus diesem Grund bei der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung fern, dass er als physischer Bestandteil in der Mobilstation „enthalten“ ist.

Dieses Verständnis bestätigt die Beschreibung der Klagepatentschrift, die gleichzeitig die Dienstleistung konkretisiert und dem Fachmann vermittelt, welche patentgemäßen Anforderungen sich daraus für die Mobilstation ergeben. So definiert Absatz [0002] der Klagepatentschrift einen Trägerdienst als „Telekommunikationsdienst, der die Übertragung von Signalen zwischen den Benutzer-Netz-Schnittstellen bildet“. Des Weiteren erläutert Absatz [0003] der Klagepatentschrift, dass ein Trägerdienst ein sendendes und ein empfangendes Datenendgerät umfasst und mittels Datenübertragung ausgeführt wird. Daraus erschließt sich dem Fachmann ohne weiteres, dass es sich bei der Mobilstation um eines dieser beiden Datenendgeräte handeln kann und es daher patentgemäß Funktionen enthält, um den Trägerdienst ausführen zu können, dieser Trägerdienst aber technisch nicht vollständig in der Mobilstation vorhanden ist und es als Dienstleistung zur Signalübertragung zwischen mindestens zwei verschiedenen Datenendgeräten auch gar nicht sein kann. Eine derartige Auslegung des Begriffs „umfasst“, die auf Grundlage der allgemeinen Beschreibung in der Klagepatentschrift keinen technischen Sinn ergibt, wird der Fachmann daher nicht in Erwägung ziehen.

Im Einklang damit stellen ferner die Ausführungsbeispiele in der Klagepatentschrift durchgängig den Trägerdienst als Funktion dar, bei der über eine Datenverbindung Signale zwischen Datenendgeräten übertragen werden. So erläutert beispielsweise Absatz [0040] der Klagepatentschrift einen Verbindungsaufbau zwischen dem Mobilvermittlungscenter MSC und der Mobilstation, mit dem ein Trägerdienst angefordert wird. Ebenso beschreibt Absatz [0033] der Klagepatentschrift einen derartigen Verbindungsaufbau, bei dem die gewünschte Datenrate, die Teil des BCIE-Elementes ist (vgl. Absatz [0029] der Klagepatentschrift), übermittelt wird; dieser Verbindungsaufbau zwischen Mobilstation und MSC wird ferner in Figur 3 veranschaulicht. Überdies belegen die diversen Beispiele eines Datenanrufaufbaus in verschiedenen Anrufsituationen in den Absätzen [0042] bis [0050] der Klagepatentschrift, dass der patentgemäße Trägerdienst stets Signale zwischen Benutzer-Netz-Schnittstellen überträgt. Da in sämtlichen Ausführungsbeispielen ein Trägerdienst nicht in der Mobilstation enthalten ist, sondern diese erkennbar „nur“ über Mittel zum Ausführen eines Trägerdienstes verfügt, wird der Fachmann das Merkmal 1.1 technisch sinnvoll auch in dieser Weise verstehen. Denn eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents erfasst würde, kommt nur in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht (BGH GRUR 2015, 159 – Zugriffsrechte; BGH GRUR 2015, 875 – Rotorelemente). Beide Ausnahmen sind vorliegend aus den bereits genannten Gründen zu verneinen.

Nach alledem mag zwar ein Verständnis, wonach mit „umfassend“ gemeint sei, dass die Mobilstation den Trägerdienst „unterstütze“, zu weitgehend sein, weil dies über das allein patentgemäße Bereitstellen von Funktionen zur Übertragung von Signalen zwischen Benutzer-Netz-Schnittstellen hinausgeht. Auch das Landgericht hat die „Unterstützung“ indes in der Sache zutreffend in der Weise konkretisiert und beschränkt, dass die Mobilstation Daten mittels einer Datenübertragungsfunktion mit den anspruchsgemäßen Eigenschaften übertragen kann, weshalb die Beklagten zu Unrecht die Auslegung im angefochtenen Urteil beanstanden. Auch ihr Einwand, dass ein rein funktionelles Verständnis eines konkreten technischen Merkmals nicht zulässig sei, greift nicht durch. Denn die Frage der Zulässigkeit einer funktionsorientierten Auslegung darf nicht isoliert am Wortlaut des Anspruchs orientiert sein, sondern bezieht sich auf den anhand der Beschreibung ausgelegten Anspruch (vgl. BGH GRUR 2016, 921 Rn. 29 f. – Pemetrexed m.w.N.). Auch in diesem Zusammenhang ist nämlich zu beachten, dass die Beschreibung ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichendes Begriffsverständnis vermitteln kann. Das ist hier der Fall, indem sie eindeutig aufzeigt, wie Merkmal 1.1 zu verstehen ist. Ein Außerachtlassen der geforderten räumlichkörperlichen Ausgestaltung der Mobilstation erfolgt damit überdies nicht.

b)

Mit dem Merkmal 1.1.1 ist gemeint, dass der Datenanruf-Trägerdienst mehrere Benutzerdatenraten „abdeckt“. Er ist in der Lage, verschiedene Datenraten zu übertragen und in der Phase des Verbindungsaufbaus aus mehreren Datenraten auszuwählen. Die tatsächliche Signalübertragung hat hingegen nicht mittels mehrerer Datenraten zu erfolgen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt können Signale vielmehr nur mit einer bestimmten Datenrate übertragen werden. Diese wesentliche Unterscheidung berücksichtigt das von den Beklagten eingeholte Privatgutachten vom 25.02.2015 (Anlage G 3) nebst Ergänzung vom 20.08.2015 (Anlage G 11) nicht (vgl. Ziffer IV. a) der Anlage G 11), so dass es zu unzutreffenden Ergebnissen gelangt.

aa)

Wie das Landgericht richtig ausgeführt hat, ist die Formulierung „mehrere Benutzerdatenraten umfasst“ so auszulegen, dass der Datenanruf-Trägerdienst mehrere Datenraten, mithin mehrere Datenübertragungsmengen pro Sekunde „abdeckt“. Diese Interpretation steht mit dem Anspruchswortlaut in der gemäß Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Verfahrenssprache in Einklang, der lautet: „at least one data call bearer service which covers several user data rates“. Bestätigt wird sie durch die allgemeine Beschreibung in Absatz [0010] der Klagepatentschrift, wonach „ein Trägerdienst festgelegt wird, um mehrere oder alle Benutzerdatenraten abzudecken“.

bb)

Darunter versteht das Klagepatent wiederum, dass der Trägerdienst in der Phase des Verbindungsaufbaus für die bezweckte Signalübertragung aus mehreren unterschiedlichen Datenraten auswählen kann.

Dies entnimmt der Fachmann ohne weiteres der allgemeinen Beschreibung, in der es heißt, der Trägerdienst kann so viele Datenraten wie möglich handhaben (vgl. Absatz [0008]). Dass damit die Phase des Verbindungsaufbaus gemeint ist, ergibt sich aus der weiteren Schilderung in den Absätzen [0010] bis [0014] der Klagepatentschrift. Dort wird jeweils eingangs der Absätze [0010], [0011] und [0014] ausdrücklich hervorgehoben, dass – in mehreren Schritten – die Phase des Verbindungsaufbaus dargestellt wird. Da in dieser Phase gemäß der weiteren Schilderung in den zitierten Absätzen die Datenrate „verhandelt“ wird und „angepasst“, mithin verändert werden kann, ist der Trägerdienst in der Lage, für die spätere Signalübertragung verschiedene Datenraten zu verwenden und somit aus mehreren Datenraten auszuwählen. Dies bedeutet, patentgemäß stehen in einem Trägerdienst mehrere unterschiedliche übertragbare Datenraten zur Verfügung. Auf diese Weise wird die Aufgabe der Erfindung gelöst, die benötigte Anzahl der Trägerdienste deutlich zu verringern, weil im Stand der Technik für jede Datenrate ein eigener Trägerdienst benötigt wurde, während nach dem Klagepatent ein einziger Trägerdienst mehrere unterschiedliche Datenraten übertragen kann (vgl. auch die Absätze [0015] und [0030]).

cc)

Die Signalübertragung selbst findet hingegen nicht zwingend mittels verschiedener Datenraten statt, sondern erfolgt zu einem bestimmten Zeitpunkt lediglich mit einer einzigen Datenrate.

Dies folgt – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – zum einen aus der allgemeinen Beschreibung in Absatz [0010] der Klagepatentschrift, wonach „die Datenrate verhandelt wird, die von dem Datenanruf in dem Trägerdienst angewendet werden soll“. Besonders deutlich wird dies zudem anhand der Schilderung in Absatz [0015] der Klagepatentschrift, es sei möglich „einen asynchronen Trägerdienst festzulegen, der zum Einleiten aller asynchronen Datenanrufe verwendet werden kann, unabhängig davon, … was die endgültige Datenrate nach dem Verbindungsaufbau … sein wird“. Dies bedeutet nichts anderes, als dass ein Trägerdienst in der Phase des Verbindungsaufbaus aus allen für asynchrone Datenanrufe in Betracht kommenden Datenraten auswählen kann, sodann nach dem Verbindungsaufbau für die Signalübertragung jedoch nur eine bestimmte Datenrate verwendet wird.

Zum anderen können denknotwendig Signale nur mit einer Datenrate übertragen werden. Die Datenrate gibt die zu übertragende Datenmenge in einem Zeitraum an. Für eine bestimmte Signalübertragung zu einem bestimmten Zeitpunkt kann somit technisch zwingend nur eine einzige Übertragungsgeschwindigkeit vorliegen. Das gilt auch für Anwendungen mit variablen Datenraten, indem dort verschiedene Datenraten nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten, aber nicht zeitgleich gegeben sind.

c)

Das Merkmal 1.1.2 fordert entgegen der Ansicht der Beklagten nicht, dass eine patentgemäße Mobilstation einem Mobilteilnehmer in der Teilnehmer-Datenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks zugeordnet ist. Es ist vielmehr so zu verstehen, dass die Mobilstation über Mittel verfügt, mit denen im Falle einer Ausführung des Datenanruf-Trägerdienstes eine derartige Zuordnung erfolgt.

Nach dem eindeutigen Anspruchswortlaut ist es der Datenanruf-Trägerdienst, der für den Mobilteilnehmer in der Teilnehmer-Datenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks bestimmt ist. Da auch der erläuternden Beschreibung kein Hinweis auf ein anderes Verständnis zu entnehmen ist, bezieht sich dieses Merkmal damit (ebenfalls) nicht unmittelbar auf die Mobilstation, sondern auf den Trägerdienst, bei dem es sich indes um eine Dienstleistung handelt, die nicht als solches in der Mobilstation enthalten ist (siehe oben a)).

Der Bezug zur Mobilstation besteht in Anknüpfung an die Auslegung des übergeordneten Merkmals 1.1 vielmehr allein darin, dass die Mobilstation Mittel besitzt, mit denen beim Ausführen des Trägerdienstes die übertragenen Daten dem Mobilteilnehmer in der Teilnehmer-Datenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks zugeordnet werden. Eine Zuordnung außerhalb dieser Signalübertragung ergibt sich hingegen aus dem Klagepatent nicht. Insbesondere fordert es keine generelle Zuordnung der Mobilstation zu einem Mobilteilnehmer. Infolgedessen ist aber eine patentgemäße Mobilstation nicht nur und/oder erst dann gegeben, wenn und sobald ein Eintrag in der Teilnehmerdatenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks für einen Mobilteilnehmer existiert.

d)

Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmalsgruppe 1.1.

aa)

Mit Blick auf die von der Klägerin geltend gemachte Standardessentialität des Klagepatents kommen grundsätzlich zwei Methoden des Nachweises der Benutzung des Klagepatentanspruchs in Betracht (vgl. BGH GRUR 2009, 1142 Rn 13 ff. – MP3-Player-Import; vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2010, 16641 – Verfahren zum Codieren von Videodaten; BeckRS 2010, 14415 – interframe dropping; vgl. LG Düsseldorf, InstGE 7, 70 – Videosignal-Codierung I; vgl. LG Mannheim, InstGE 12, 136 Rn 15, 16 – Zusätzliche Anwendungssoftware; kritisch zum Ganzen Schickedanz GRUR Int. 2011, 480).

Erstens kann die Verwirklichung eines standardessentiellen Patents „indirekt“ (d.h. ohne Abgleich der konkret angegriffenen Ausführungsform mit den Merkmalen des Patentanspruchs) dadurch belegt werden, dass die jeweilige technische Lehre eines Patentanspruchs mit einem (internationalen) Standard verglichen wird: Dieser mittelbare Nachweis einer Patentverletzung setzt voraus, dass (unterstellt) standardgemäß funktionierende Geräte zwingend von der technischen Lehre des betreffenden Patents Gebrauch machen. Wird der betreffende Standard in der Praxis in seiner gesamten Breite angewandt, ist grundsätzlich auch der Standard mit seinem gesamten Inhalt (einschließlich solcher Verhaltensoptionen, die nur unter besonderen Anwendungsbedingungen oder nur als eine von mehreren Alternativen vorgesehen sind) Grundlage der Beurteilung, in welcher technischen Weise bei der Einhaltung des Standards verfahren wird. Sofern dann feststeht, dass ein Benutzer den Standard beachtet, ist im Weiteren gesichert, dass eine mögliche dem Standard entsprechende Vorgehensweise eine Benutzung des Klagepatents darstellt. Es ist auch dann eine Patentbenutzung anzunehmen, wenn der Umfang der Geschäftstätigkeit des Beklagten oder sonstige von dem klagenden Patentinhaber darzulegende Umstände den sicheren Schluss zulassen, dass die Vorgaben des Standards bei Ausübung der Geschäftstätigkeit in ihrer gesamten Breite ausgeschöpft wurden (LG Düsseldorf, a.a.O. – Videosignal-Codierung I).

Machen standardgemäß funktionierende Ausführungsformen hingegen vom jeweiligen Patent entweder gar keinen Gebrauch oder handelt es sich um eine bloß optionale Ausführungsvariante des Standards neben weiteren ihrerseits nicht patentverletzenden Varianten, verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz, dass der Verletzungskläger Merkmal für Merkmal im Rahmen eines Vergleichs der angegriffenen Ausführungsform mit dem Anspruch darzutun und zu beweisen hat, dass die technische Lehre des Patents benutzt wird (vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2014, 17797 Rn. 65 ff., insbesondere Rn. 66 und Rn. 146 – Zugriffskanal).

bb)

Das Landgericht hat vorliegend zu Recht eine Verwirklichung der Merkmale 1.1, 1.1.1 und 1.1.2 nach der erstgenannten Methode bejaht.

(1)

Diese Merkmale werden – was die Beklagten mit der Berufung nicht konkret in Abrede stellen – im GPRS-Standard vollständig umgesetzt.

Das QoS IE umfasst (spätestens) seit dem Release 4 der Standards ETSI 3GPP TS 23.060 V4.11.0, 3GPP TS 24 008 V4.17.0 und 3GPP TS 22.060 V4.4.0 mehrere Datenraten. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus der auf Seite 23 des angefochtenen Urteils eingeblendeten Figur 10.5.138 sowie der Tabelle 10.5.156 des Standarddokuments TS 24.008 (Anlagen AR A-22, A-27a, Übersetzung Anlage AR A-38), dass es für den Verbindungsaufbau eine Bandbreite von Datenraten zur Verfügung stellt, aus dem der Trägerdienst auswählen kann.

Des Weiteren sieht der Release 4 des GPRS-Standards in Abschnitt 13.1, Tabelle 5 des Dokuments TS 23.060 (Anlage AR A-21, Übersetzung Anlage AR A-24) eine Hinterlegung des PDP-Kontextes, der nutzerbezogen ist und u.a. das aus dem QoS IE erzeugte QoS-Profil enthält, im HLR vor, bei der es sich um eine Teilnehmerdatenbank im Mobilkommunikationsnetzwerk im Sinne des Klagepatents handelt. Da der Trägerdienst anhand dieses PDP-Kontextes die Übertragung der Datenpakete vornimmt, ist er für den Mobilteilnehmer in einer patentgemäßen Datenbank bestimmt.

(2)

Die Vorgaben im Release 4 des GPRS-Standards sind zwingend.

Abgesehen von Merkmal 1.1.1 stellen die Beklagten dies nicht mehr konkret in Abrede. Sie zeigen mit der Berufung nicht auf, dass und warum die Merkmale 1.1 und 1.1.2 dort nur optional sein sollen. Entgegen ihrer Ansicht und den Ausführungen unter Ziffer IV. a) im von ihnen eingeholten Privatgutachten (Anlage G 11) regelt der Standard aber auch keine bloß optionale, sondern eine zwingende Bereitstellung mehrerer Datenraten, und zwar durch das QoS IE (Merkmal 1.1.1). Dies folgt aus Abschnitt 10.5.6.5 des Dokuments TS 24.008, der übersetzt lautet:

„Die Dienstgüte (QoS) ist ein Typ 4-Informationselement mit einer Länge von 13 Oktetten. Der von der Mobilstation angeforderte QoS muss sowohl mit den in den Oktetten 3 bis 5 spezifizierten QoS-Attributen als auch mit den in den Oktetten 6-13 spezifizierten QoS-Attributen encodiert sein.“

Dies bedeutet, die gemäß Figur 10.5.138 des Standarddokuments TS 24.008 in den Oktetten 8, 9 und 12, 13 definierten maximalen und garantierten Datenraten sind bei einem QoS IE im Release 4 des GPRS-Standards obligatorisch („muss“) und damit stets vorhanden.

Soweit Abschnitt 10.5.6.5 des Standarddokuments TS 24.008 weiter ausführt, ein QoS IE, das ohne die Oktette 6-13 empfangen werde, müsse von der empfangenden Einheit akzeptiert werden, folgt daraus nicht, dass die sich aus den Oktetten 8, 9, 12 und 13 ergebende Bandbreite von Datenraten nur eine optionale Funktion betreffen. Vielmehr beruht diese Regelung allein darauf, dass frühere Releases des Standards noch kein QoS IE mit einer Bandbreite von Datenraten und damit nicht Trägerdienste mit mehreren Datenraten vorsahen. Davon ausgehend handelt es sich lediglich um eine Ausnahmeregelung, mit dem der Standard erklärtermaßen dem Grundsatz der Abwärtskompatibilität Rechnung trägt und auf diese Weise gewährleistet, dass auch bei Geräten, die eine frühere Version des Standards ohne die Oktette 6-13 unterstützen, weiterhin eine Zusammenarbeit möglich ist und diese funktionsfähig bleiben.

Davon ausgehend wäre der Einwand der Beklagten nur von Relevanz, wenn die angegriffenen Ausführungsformen eine frühere Standardversion umsetzen würden, bei denen das QoS IE die Oktette 6-13 noch nicht umfasst. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagten stellen mit der Berufung nicht mehr in Abrede, dass die Chips in den angegriffenen Ausführungsformen ausnahmslos mindestens den Release 8 des GPRS-Standards vollständig umsetzen. Da spätere Versionen nur neue technische Merkmale hinzufügen, nach dem Grundsatz der Abwärtskompatibilität aber die bisherigen Funktionen enthalten bleiben, bedeutet dies, dass die Chips in den angegriffenen Ausführungsformen gleichzeitig auch sämtliche bereits in Release 4 enthaltenen Funktionen vollständig umsetzen und damit ein QoS IE mit einer Bandbreite von Datenraten enthalten. Abgesehen davon wird im Privatgutachten Prof. Dr. J. (Anlage AR A-28), das von der Klägerin eingereicht worden ist, ausführlich und einleuchtend dargelegt, dass sich an dem Umstand, dass das QoS IE mehrere Datenraten umfasst, in den nachfolgenden Releases nichts geändert hat, sondern diese Funktion sogar mehrfach erweitert worden ist (vgl. Seiten 34-42 Privatgutachten J.).

(3)

Daraus folgt, dass die angegriffenen Ausführungsformen Mittel zum Ausführen eines Trägerdienstes besitzen, der mehrere Benutzerdatenraten abdeckt und der für den Mobilteilnehmer im HLR bestimmt ist. Bei dieser Sachlage kommt es auf die weiteren Einwände der Beklagten rechtlich nicht an.

Insbesondere ist unerheblich, ob die angegriffenen Ausführungsformen tatsächlich Trägerdienste verwenden, die mehrere Benutzerdatenraten umfassen. Denn die Benutzung eines Vorrichtungsanspruchs ist schon dann zu bejahen, wenn die Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sind und die angegriffene Ausführungsform objektiv geeignet ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen. Ist dies der Fall, so ist unerheblich, ob diese Eigenschaften und Wirkungen regelmäßig, nur in Ausnahmefällen oder nur zufällig erreicht werden und ob es der Verletzer darauf absieht, sie herbeizuführen. Deswegen ist eine Patentverletzung auch gegeben, wenn eine Vorrichtung regelmäßig so bedient wird, dass sie nicht erzielt werden, solange die Nutzung der patentgemäßen Lehre nur objektiv möglich bleibt (BGH GRUR 2006, 399, 401 – Rangierkatze; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2012 – I-2 U 30/09; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.02.2014 – I-2 U 93/12; Senat Mitt. 2015, 392 – Digitalblock m.w.N.).

Davon ausgehend ergibt sich allein aus der Implementierung der Chipsätze die objektive Eignung zur Benutzung der klagepatentgemäßen Lehre. Diese Chips enthalten die in Rede stehenden Funktionen der Merkmalsgruppe 1.1, so dass sie von den angegriffenen Ausführungsformen genutzt werden können. Die Beklagten behaupten auch nicht, dass sie in ihren Mobilfunkgeräten nicht vorhanden oder deaktiviert seien. Es kommt – was insbesondere auch das von den Beklagten eingeholte Privatgutachten nicht beachtet (vgl. die dortigen Ausführungen unter Ziffer IV. der Anlage G 11, etwa Rn. 36, 44) – nicht darauf an, welche Funktionen ihre Mobilfunkgeräte tatsächlich verwenden. Insbesondere ist unbeachtlich, wie diese im Einzelfall konfiguriert sind und welche Berechtigungen der Nutzer im Hinblick auf die Dienstgüte besitzt.

Ohne Bedeutung ist weiter, dass in den angegriffenen Ausführungsformen keine Trägerdienste enthalten sind und noch kein Eintrag im HLR für den Mobilteilnehmer vorhanden ist, wenn die Beklagten die Mobilfunkgeräte anbieten oder in Verkehr bringen. Entscheidend ist nach Maßgabe der oben vorgenommenen Auslegung vielmehr allein, dass sie zu diesem Zeitpunkt über die notwendigen Mittel zum Ausführen des Datenanruf-Trägerdienstes und für dessen Zuordnung zum HLR des Mobilteilnehmers verfügen und objektiv in der Lage sind, diese Wirkungen zu erreichen. Das ist der Fall, indem Chips mit entsprechenden Funktionen eingebaut sind, wenn die Beklagten sich der Verfügungsgewalt über ihre Mobilfunkgeräte begeben.

2.

Die angegriffenen Ausführungsformen machen ferner wortsinngemäß von der Merkmalsgruppe 1.2 Gebrauch, wonach die Mobilstation Mittel zum Ausführen einer Benutzerdatenrateverhandlung umfasst, um die Benutzerdatenrate zur Verwendung in einer Datenübertragung mit dem Mobilkommunikationsnetzwerk (BTS, BSC, MSC) einzustellen und um den Datenanruf mit Funkkanal-Ressourcen aufzubauen, die gemäß der ausgehandelten Benutzerdatenrate zugewiesen sind. In der Berufungsinstanz wenden sich die Beklagten konkret nur gegen eine Verwirklichung des Merkmals 1.2.1, weshalb es zum Merkmal 1.2.2 keiner näheren Darlegung bedarf, sondern insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen wird.

a)

Unter Mittel zum Ausführen einer Benutzerdatenratenverhandlung, „um die Benutzerdatenrate zur Verwendung in einer Datenübertragung mit dem Mobilkommunikationsnetzwerk einzustellen“ (Merkmal 1.2.1) versteht das Klagepatent, dass die Mobilstation in der Lage ist, eine in der Antwort auf ihre Anfrage vom Mobilkommunikationsnetzwerk mitgeteilte geänderte Datenrate zu akzeptieren, sofern sie diese unterstützt. Die Lehre des Klagepatents fordert nicht, dass eine solche Anpassung der Datenrate bei jedem Verbindungsaufbau erfolgt. Vielmehr ist eine Mobilstation, die alternativ eine Datenrate unverändert oder bei von ihr nicht unterstützten Datenraten den Datenanruf fallen lässt, ebenso patentgemäß.

aa)

Diese Auslegung wird dem Fachmann bereits durch den Anspruchswortlaut nahegelegt, der gerade nicht verlangt, dass die Mobilstation die Benutzerdatenrate tatsächlich „einstellt“, dies mithin stets das Ergebnis einer patentgemäßen Benutzerdatenratenverhandlung sein muss. Vielmehr lässt er es ausdrücklich genügen, dass sie „Mittel zum Ausführen“ einer Verhandlung besitzt, die diesem Zweck dienen. Dies bedeutet, die Mobilstation verfügt über Funktionen, die grundsätzlich in der Lage sind, eine Datenrate anzupassen. Eine patentgemäße Mobilstation setzt aber nicht voraus, dass dies immer erreicht wird.

bb)

Dieses Verständnis von der Lehre des Klagepatents wird bestätigt durch die allgemeine Beschreibung in Absatz [0011] der Klagepatentschrift in Verbindung mit dem Ausführungsbeispiel in den Absätzen [0033] und [0035] der Klagepatentschrift, die außerdem aufzeigen, warum aus technischen Gründen ein „Einstellen“ der Datenrate nicht immer erreicht wird und deshalb bei der stets gebotenen funktionsorientierten Auslegung ein derartiger Erfolg auch nicht verlangt werden kann.

In Absatz [0011] heißt es zunächst, dass in der anfänglichen Phase des Verbindungsaufbaus eine Verhandlung über die Benutzerdatenrate zwischen der Mobilstation und dem Mobilkommunikationssystem stattfindet. Aus den nachfolgenden Erläuterungen ergibt sich sodann, warum es aus technischen Gründen einer „Verhandlung“ bedarf: Sowohl Mobilstation als auch Mobilkommunikationsnetz können den Anruf bzw. die Verbindung darauf beschränken, eine Datenrate zu verwenden, die von ihnen unterstützt wird. Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass sich diese Unterstützung auf mehrere oder eine Bandbreite von Datenraten beziehen kann und sich die jeweils vom Mobilstation und Netzwerk unterstützten Datenraten daher überschneiden, aber auch voneinander differieren können und in dem somit denkbaren Fall, dass keine Übereinstimmung besteht, eine „Einstellung“ der Datenrate nicht stattfindet.

Dies untermauert das Ausführungsbeispiel in den Absätzen [0033] bis [0035], welches zeigt, wie eine patentgemäße Verhandlung ablaufen kann. Demzufolge fragt die Mobilstation in der Phase des Verbindungsaufbaus eine von ihr unterstützte Datenrate bei der MSC (Mobilvermittlungscenter) an, die anspruchsgemäß Teil des Mobilkommunikationsnetzwerks ist (Absatz [0033]). Die MSC überprüft sodann, ob sie die von der Mobilstation angeforderte Datenrate unterstützt und ändert die Datenrate, wenn dies nicht der Fall ist. Anschließend sendet sie eine Nachricht an die Mobilstation, die u.a. die gewählte Datenrate anzeigt. Wenn die vom Netzwerk möglicherweise geänderte Datenrate von der Mobilstation nicht akzeptiert wird, weil sie diese nicht unterstützt, kann sie daraufhin den Anruf fallen lassen mit der Folge, dass die Verbindung nicht zustande kommt (Absatz [0034]). In diesem Fall fehlt es zwar an einem „Einstellen“ der Datenrate, da dies gemäß der weiteren Zweckangabe im Merkmal 1.2.1 ausdrücklich dazu dient, in einer Datenübertragung verwendet zu werden, eine „Verwendung“ bei einem Fallenlassen des Anrufs aber gerade nicht stattfindet. Die Darstellung des Ausführungsbeispiels belegt aber im Einklang mit der bereits aus der allgemeinen Beschreibung gewonnenen Auslegung, dass dieser Vorgang nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents herausführt, sondern auch dann eine patentgemäße Mobilstation gegeben ist, wenn sie nur von ihr unterstützte Datenraten akzeptiert und anpasst. Betrifft dies lediglich einen bestimmten Bereich von Datenraten und lässt sie daher Anrufe fallen, wenn die vom Mobilkommunikationsnetzwerk geänderte Datenrate außerhalb dieses Bereichs liegt, so steht dies daher einer Verwirklichung dieses Merkmals nicht entgegen. Das unterstreichen ferner die Ausführungsbeispiele in den Absätzen [0034], [0044] und [0046] der Klagepatentschrift, die es jeweils als mögliche Alternative darstellen, dass die Mobilstation den Datenanruf wegen einer vom Netzwerk geänderten Datenrate fallen lässt. Erst recht führt es des Weiteren nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatentanspruchs heraus, dass die Datenrate auch unverändert bleiben kann (vgl. Absätze [0034] und [0035]).

Nicht anders sind im Übrigen auch die Ausführungen im angefochtenen Urteil zu verstehen, indem es dort im Ergebnis zutreffend heißt, für ein „Einstellen“ müsse lediglich die Möglichkeit bestehen, dass die Mobilstation Daten mit einer über die Verhandlung angepassten Datenrate verschicke. Es kann dahinstehen, ob sich dafür zur Begründung auch – was die Beklagten in Abrede gestellt haben – Absatz [0014] der Klagepatentschrift heranziehen lässt. Jedenfalls lässt sich dieser Beschreibungsstelle nichts entnehmen, was gegen die vorstehende Auslegung spricht; die Beklagten zeigen auch nichts in dieser Richtung auf.

b)

Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Merkmale 1.2 und 1.2.1.

Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat und von den Beklagten mit der Berufung nicht gesondert angegriffen wird, ergibt sich aus dem in Abschnitt 9.2.2.1 des Standarddokuments TS 23.060 beschriebenen Aktivierungsverfahren, das zudem in Abschnitt 15.2 als „Verhandlung“ bezeichnet wird, dass der GPRS-Standard diese Merkmale vollständig und zwingend umsetzt.

Die Beklagten wenden auch im Hinblick auf die Merkmale 1.2 und 1.2.1 vergeblich ein, dass die angegriffenen Ausführungsformen vor einer Registrierung des Mobilteilnehmers bei einem Netzbetreiber und vor dessen Eintragung in der Teilnehmerdatenbank des Mobilkommunikationsnetzwerks nicht in der Lage seien, patentgemäß Datenraten zu verhandeln. Das Klagepatent verlangt für eine Verwirklichung der Merkmalsgruppe 2 nicht, dass die Mobilstation im Zeitpunkt ihres Anbietens und Inverkehrbringens sämtliche Voraussetzungen für eine Verhandlung erfüllt. Vielmehr reicht es aus, wenn sie die dafür patentgemäß erforderlichen Mittel besitzt. Dies bedeutet, es müssen (nur) diejenigen Funktionen vorhanden sein, die nach Registrierung und Eintragung des Mobilteilnehmers die Mobilstation bei einer Datenübertragung mit dem Mobilkommunikationsnetzwerk objektiv dazu befähigen, eine Benutzerdatenrateverhandlung auszuführen. Das ist bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall, weil die darin eingebauten Chips mindestens den Release 8 und damit zwangsläufig den Release 4 des GPRS-Standards vollständig umsetzen.

Dies gilt auch für den Fall, dass die Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland keine Datenraten „setzen“ sollten. Denn es genügt wiederum die tatrichterliche Feststellung, dass die angegriffenen Ausführungsformen aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung eine patentgemäße Benutzerdatenrate-Verhandlung jedenfalls durchführen könnten; ihr Vertrieb ist schon deshalb unabhängig davon verboten, ob das deutsche Mobilfunknetz derzeit entsprechend konzipiert ist. Insoweit gilt nichts anderes als für eine Druckerpatrone, die einen patentierten Vorrichtungsanspruch verwirklicht, und demzufolge unabhängig davon patentverletzend ist, ob irgendein Drucker auf dem Markt befindlich ist, mit dem die konkrete Patrone kompatibel ist (vgl. dazu OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 28763). Damit ist zuletzt auch unbeachtlich, ob die angegriffenen Ausführungsformen lediglich ein einfaches Call-Admission-Control-Verfahren anwenden, wobei überdies die Beklagten – worauf das Landgericht bereits zutreffend hingewiesen hat – nicht einmal vorgetragen haben, dass sie ausschließlich auf dieses Verfahren beschränkt wären.

IV.

Der Einwand der Erschöpfung greift bezüglich keiner der in der Bundesrepublik Deutschland angebotenen und vertriebenen angegriffenen Ausführungsformen durch.

Dies gilt auch mit Blick auf solche angegriffenen Ausführungsformen, die mit Chip-Sets von X2 ausgerüstet sind. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob X1 dem Unternehmen X2 eine Lizenz am Klagepatent für das L2e Territorium erteilte und/oder in sonstiger Weise einem Vertrieb der betreffenden Chip-Sets in L2 (oder mit Bezug auf ein anderes Gebiet außerhalb der EU bzw. des EWR) zustimmte.

1.

Die Erschöpfung i.S. eines Verbrauchs des Patentrechts (BGH GRUR 1997, 116 – Prospekthalter; BGH GRUR 2012, 1118 Rn. 17 ff. – Palettenbehälter II) setzt voraus, dass der Patentinhaber oder ein mit dessen Zustimmung Handelnder den betreffenden (einzelnen) Gegenstand an einem Ort innerhalb eines bestimmten Gebiets (Bundesrepublik Deutschland, EU oder EWR) in den Verkehr gebracht hat (BGH GRUR 1997, 116 – Prospekthalter; GRUR 2001, 223 – Bodenwaschanlage). Begünstigt ist nicht nur der Ersterwerber, sondern jeder, der den betreffenden Gegenstand sodann unmittelbar oder mittelbar über diesen erwirbt (BGH GRUR 2012, 1118 Rn. 19 – Palettenbehälter II). Stützt sich der Erschöpfungseinwand auf eine Lizenzvereinbarung (z. B. des Vorlieferanten) mit dem Schutzrechtsinhaber, so ist nicht nur die Benutzungsgestattung als solche, sondern auch der zugrundeliegende, für den Umfang und die Bedingungen der Benutzungsgestattung relevante Inhalt der Lizenzvereinbarung zu belegen (Benkard/Scharen, Patentgesetz, 11. A., 2016, § 9 Rn. 16).

Nachdem das Landgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend angemerkt hatte, dass die Beklagten erstinstanzlich die Voraussetzungen einer Erschöpfung in Deutschland nicht dargetan hätten, haben die Beklagten mit ihrer Berufung den Einwand einer Erschöpfung der Rechte am Klagepatent in Deutschland mit ihrer Berufung zunächst nicht aufgegriffen, sondern sie haben den Einwand der Erschöpfung ausschließlich mit Blick auf das L2e Territorium und die insoweit betroffenen Portfoliolizenz-Patente erörtert. Erstmals mit Schriftsatz vom 20.01.2017 haben die Beklagten anklingen lassen (vgl. dort S. 54, Mitte), dass im Hinblick auf entsprechende Vereinbarungen zwischen X1 und X2 eine weltweit wirkende (und damit auch das Territorium der Bundesrepublik Deutschland erfassende) Erschöpfung eingetreten sei, wobei sie entsprechende Schlüsse aus dem Umstand gezogen haben, dass mit der Vereinbarung umfangreiche weltweite Patentstreitigkeiten und ein Verfahren vor der EU-Kommission beendet worden seien und X2 u.a. seine Einsprüche gegen die Klagepatente der vor dem Senat verhandelten Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien zurücknahm.

Soweit die Beklagten auf Nachfrage des Senats zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2017 erklärt haben, sie machten in diesem Zusammenhang u.a. geltend, dass die in L2 hergestellten Chips mit Zustimmung X1s (auch) in Deutschland in den Verkehr gebracht worden seien, ist der betreffende Sachvortrag in zweiter Instanz nicht mehr zu berücksichtigen. Es handelt sich um ein neues Verteidigungsmittel i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO. Denn in erster Instanz hatten die Beklagten noch ausdrücklich selbst angenommen, dass keine Erschöpfung in Europa eingetreten sei, da die von X2 erworbenen Chip-Sets vermutlich erstmals außerhalb von Europa in den Verkehr gelangt seien. Demgemäß umfasste ihr erstinstanzliches Vorbringen eben nicht den Sachvortrag, X1 sei gerade auch mit einem Inverkehrbringen der Chip-Sets in der EU / dem EWR bzw. zumindest in der Bundesrepublik Deutschland einverstanden gewesen. Obwohl u.a. die Beklagten mit Verfügung vom 27.01.2016 unter Ziffer 4b) bereits darauf hingewiesen worden sind, dass die Zulassung u.a. neuer Verteidigungsmittel der Glaubhaftmachung eines entsprechenden Zulassungsgrundes i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO bedarf, haben sie einen entsprechenden Grund mit Bezug auf den vorerwähnten neuen Sachvortrag nicht dargetan und erst recht nicht glaubhaft gemacht.

2.

Das überdies von den Beklagten vorgebrachte Argument, der betreffenden Vereinbarung zwischen X1 und X2 sei unabhängig von einer „formalen“ Erschöpfung jedenfalls insoweit weltweit Geltung beizumessen, weil es der Klägerin verwehrt sein müsse, für ein- und denselben Gegenstand mehrfach Lizenzgebühren zu generieren, verfängt im hier interessierenden Kontext ebenfalls nicht. Daraus ergibt sich ebenfalls kein Benutzungsrecht i.S.v. § 9 PatG in der Bundesrepublik Deutschland.

Hat der Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung ein Dritter das patentierte Erzeugnis oder das unmittelbare Erzeugnis des patentierten Verfahrens bloß außerhalb der Mitgliedstaaten der EU und der dem EWR angehörigen Staaten in den Verkehr gebracht, so tritt in der Bundesrepublik Deutschland die Erschöpfungsfolge nicht ein, weil für deutsche Patente gerade nicht der Grundsatz der sog. „internationalen Erschöpfung“ gilt (BGHZ 143, 268, 273 – Karate; Benkard/Scharen, a.a.O., § 9 Rn. 22 m.w.N.). Diese Wertung darf nicht dadurch umgangen werden, dass man ein Inverkehrbringen in Deutschland gleichwohl als erlaubt i.S.v. § 9 PatG ansieht, obwohl sich auf der Basis des im Berufungsverfahren berücksichtigungsfähigen Sachvortrages der Beklagten allenfalls für das L2e Territorium eine (Kreuz-)Lizenz oder sonstige Zustimmung zugunsten von X2 feststellen ließe und damit nur für dieses Gebiet überhaupt ein Erschöpfungssachverhalt in Betracht kommt. Die von den Beklagten gesehene „Gefahr“, dass die Klägerin wirtschaftlich mehrfach profitieren könnte, wenn derselbe Gegenstand in unterschiedlichen Schutzterritorien vertrieben wird, ist letztlich die Konsequenz des territorial beschränkten Erschöpfungsgrundsatzes. Weil die Klägerin sowohl in L2 als auch in Deutschland über entsprechende Schutzrechte verfügt, werden in beiden Staaten gesonderte Verbietungsrechte ausgelöst, so dass in Bezug auf Benutzungshandlungen in beiden Schutzterritorien auch jeweils gesondert zu beurteilende Gestattungstatbestände vorliegen müssen, um die Benutzungen jeweils als erlaubt einordnen zu können. Die rein schuldrechtliche Wertung, dass ein Inhaber eines standardessentiellen Patents, der in mehreren Staaten über parallelen Patentschutz verfügt, im Ergebnis wirtschaftlich nicht „doppelt“ bzw. „mehrfach“ in dem Sinne profitieren darf, dass er nicht mehr als einmal eine weltweite Stücklizenz in Bezug auf dasselbe, in mehreren Schutzterritorien vertriebene Erzeugnis beanspruchen darf, ist streng von der Frage des Einwands der Erschöpfung oder der Existenz einer sonstigen Zustimmung i.S.v. § 9 PatG zu trennen. Die von den Beklagten reklamierte „Gefahr“ besteht im vorliegenden Einzelfall jedenfalls deshalb nicht, weil sich aus oben genannten Gründen nicht tatrichterlich feststellen lässt, dass X1 auch mit einem Inverkehrbringen auf deutschem Territorium einverstanden war, so dass mit der vermeintlichen Vereinbarung zwischen X1 und X2 das Inland gerade nicht abgedeckt war und sich aus dieser keine Benutzungsberechtigung für das deutsche Territorium ergeben kann.

V.

Das auf eine Verurteilung der Beklagten zur Vernichtung sowie zum Rückruf aus den Vertriebswegen gerichtete Klagebegehren hat gleichwohl keinen Erfolg, weil insoweit derzeit der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand der Beklagten durchgreift (Art. 102 AEUV).

1.

Die Klägerin verfügt über eine marktbeherrschende Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV.

a)

„Marktbeherrschung“ meint in diesem Kontext die wirtschaftliche Macht, die es einem Unternehmen erlaubt, einen wirksamen Wettbewerb auf dem (zeitlich, räumlich und sachlich relevanten) Markt zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (EuGH Slg 78, 207 Rn 65 f. - United Brands; EuGH Slg 79, 461 Rn 38 f. - Hoffmann-La Roche). Es handelt sich um einen objektiven Begriff, der auf eine tatsächliche wirtschaftliche Lage verweist (vgl. EuGH Az. C 170/13, Urteil vom 16.07.2015 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 15.12.2015; GRUR 2015, 764 Rn. 45 – Huawei Technologies/ZTE, nachfolgend kurz: „EuGH a.a.O.“; de Bronett, in: Wiedemann, Kartellrecht, 3. A., 2016, § 22 Rn. 11 m.w.N.).

Die notwendige exakte Abgrenzung des (sachlichen und räumlichen) Marktes, auf dem Unternehmen konkurrieren, kann mittels des sog. Bedarfsmarktkonzepts (vgl. näher dazu etwa Wiedemann, in: Wiedemann, a.a.O., § 23 Rn. 11 ff m.w.N.) erfolgen. Es sind diejenigen Wettbewerbskräfte zu eruieren, denen die betreffenden Unternehmen unterliegen. Ferner werden diejenigen Unternehmen bestimmt, welche tatsächlich in der Lage sind, dem Verhalten der beteiligten Unternehmen Schranken zu setzen und einen Entzug vom Wettbewerbsdruck verhindern. Es ist zu klären, welche Produkte bzw. Dienstleistungen aus der Sicht der Nachfrager funktionell gegeneinander austauschbar sind. Demselben sachlichen Markt wird zugeordnet, was aufgrund der jeweiligen Eigenschaften, Preise und Verwendungszwecke aus Sicht der Nachfrager nicht durch andere Produkte bzw. Dienstleistungen substituierbar ist. Zu berücksichtigen ist dabei ein Zusammentreffen mehrerer Faktoren (etwa Marktanteil; Unternehmensstruktur; Wettbewerbssituation; Verhalten auf dem Markt; grds. jedoch nicht der Preis, vgl. Wiedeman a.a.O., § 23 Rn. 12). Einzelne Faktoren müssen jeweils für sich betrachtet nicht notwendig den Ausschlag geben. Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stellt – wie jeder Mitgliedsstaat - insoweit zugleich einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes dar (vgl. EuGH Slg. 1983, 3461 Rn. 103 – Michelin/Komm).

Im Zusammenhang mit den hier geltend gemachten Verbietungsrechten aus einem Patent ist die geschilderte Abgrenzung in Bezug auf den Lizenzvergabemarkt vorzunehmen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. A., Kap. E. Rn. 206): Anbieter ist der Patentinhaber, dem allein eine Lizenzvergabe am jeweiligen Patent möglich ist; Nachfrager ist der an der patentgeschützten Technik interessierte Anwender. Grundsätzlich führt jedes Patent zu einem eigenen sachlich relevanten Markt, es sei denn, dass im Einzelfall eine - aus der Sicht der Nachfrager - gleichwertige Technologie für dasselbe technische Problem zur Verfügung steht. Allerdings ist anerkanntermaßen mit der bloßen Inhaberschaft von Patenten allein noch keine marktbeherrschende Stellung verbunden. Erhält der Patentinhaber allerdings aufgrund hinzutretender Umstände die Möglichkeit, mittels seiner Monopolstellung wirksamen Wettbewerb auf einem nachgelagerten Markt (hier: auf dem nachgeordneten Produktmarkt für (aufgrund des Patents) lizenzpflichtige Waren/Dienstleistungen) zu verhindern, so liegt eine marktbeherrschende Stellung vor (EuGH GRUR Int 1995, 490 – Magill TVG Guide; EuGH WuW 2013, 427 – Astra Zeneca).

Selbst ein standardessentielles Patent („SEP“) begründet als solches zutreffender Auffassung nach noch keine hinreichende Bedingung für eine Marktbeherrschung; auf die Standardessentialität allein ist nicht einmal eine (widerlegliche) Vermutung zu stützen, dass der SEP-Inhaber wirksamen Wettbewerb gerade deshalb verhindern kann, weil das SEP aufgrund der Standardessentialität benutzt werden muss, um mit dem Standard kompatible Produkte erzeugen zu können (LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08379; Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 209; de Bronett, a.a.O., § 22 Rn. 27; Müller, GRUR 2012, 686; a.A. scheinbar Schlussanträge Generalanwalt Wathelet v. 20.11.2014 in der Sache C-170/13 Rn. 57 = BeckRS 2014, 82403; EuGH a.a.O. Rn. 43 hat die Frage offen gelassen, weil die Marktbeherrschung im vorgelegten Einzelfall unstreitig und daher nicht Gegenstand der Vorlage-Fragen war). Einem zwingenden Schluss von der Standardessentialität auf eine marktbeherrschende Stellung steht bereits – wie zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits im Grundsatz auch unstreitig ist – entgegen, dass ein Standard regelmäßig eine hohe Anzahl an Patenten als standardessentiell deklariert, ohne dass all diese Schutzrechte tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit der Waren/Dienstleistungen auf dem nachgeordneten Produktmarkt (entscheidend) beeinflussen. Es bedarf daher in Bezug auf jedes einzelne Patent der auf die Umstände des Einzelfalles abstellenden Beurteilung seiner wettbewerblichen Bedeutung für den nachgelagerten Produktmarkt (Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 209 bis Rn. 212): Ergibt sich insoweit, dass die Nutzung des jeweiligen SEP geradezu eine Marktzutrittsvoraussetzung begründet, ist eine marktbeherrschende Stellung selbst dann zu bejahen, wenn zwar die aus dem jeweiligen SEP resultierende technische Wirkung die Marktteilnahme nicht entscheidend beeinflusst, jedoch aus technischen Gründen zutrittsrelevante Funktionen nicht genutzt werden könnten, so dass die generelle Interoperabilität / Kompatibiltät nicht mehr gesichert wäre. Entsprechendes gilt, wenn ein wettbewerbsfähiges Angebot ohne eine Lizenz am betreffenden SEP nicht möglich wäre (z.B. weil für nicht patentgemäße Produkte nur ein Nischenmarkt besteht). An einer marktbeherrschenden Stellung fehlt es jedoch, wenn das SEP eine Technik bereitstellt, die für die Mehrzahl der Nachfrager am betreffenden Produktmarkt allenfalls eine untergeordnete Bedeutung hat. Aus dem zuvor Gesagten folgt umgekehrt, dass mangelnde Standardessentialität eines Patents der Annahme einer Marktbeherrschung nicht zwangsläufig entgegensteht. Standardessentialität eines Patents ist weder hinreichende noch notwendige Bedingung für die Marktbeherrschung. Letztere kann sich auch allein aus einer technischen oder wirtschaftlichen Überlegenheit der patentierten Erfindung ergeben.

Darlegungs- und beweisbelastet für die Voraussetzungen der Marktbeherrschung ist der Lizenzsucher: Dieser hat konkrete Tatsachen vorzutragen, aufgrund derer sich eine Beherrschung des sachlich und räumlich relevanten Marktes feststellen lässt. Als potentielle Endabnehmer können die Mitglieder des Senats die maßgebliche Verkehrsauffassung selbst bestimmen, ohne dass es des Rückgriffs auf (gerichtlich veranlasste) Marktuntersuchungen bedarf (vgl. z. deutschen Recht: Wiedemann, a.a.O., § 23 Rn. 17; Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 214 f.).

b)

Auf der Basis vorstehender Grundsätze bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Klägerin aufgrund ihrer Eigenschaft als Inhaberin des Klagepatents eine marktbeherrschende Stellung zukommt.

Die Beklagten haben unwidersprochen vorgetragen (Blatt 169 f. GA), dass die Einhaltung / Beachtung der Standards eine zwingende Voraussetzung für den Zugang zum Markt mit GPRS-fähigen Mobilfunkgeräten darstelle; es bestünden keine alternativen Technologien oder alternative Standards. Diese Standards beträfen keine austauschbaren, sondern Grundfunktionen eines Mobilfunknetzes. Ein Ausweichen auf einen anderen Bereich des Mobilfunkmarktes, insbesondere auf die Vorgängerversion von GPRS (GSM) oder auf die Nachfolgestandards (UMTS oder LTE) sei nicht möglich, da die Vorgängerversion keine schnelle, konkurrenzfähige Datenübertragung ermögliche und bei den Nachfolgestandards die Netzabdeckung nicht ausreichend bzw. nicht immer gewährleistet sei, so dass die Nutzer dann auf GPRS angewiesen seien. Ein Mobilfunkgerät ohne GPRS-Zugang sei nicht wettbewerbsfähig. Dieses Vorbringen hat die Klägerin im Ergebnis bestätigt, indem sie selbst vorgetragen hat, dass Mobilfunkgeräte, in denen nicht GPRS-fähige Chips eingebaut sind, aufgrund der Schnelllebigkeit des Mobilfunkgeschäfts unverkäuflich seien (Bl. 141 GA).

Das gilt ebenso in Bezug auf die konkrete technische Funktion des Klagepatents; ein Mobilfunkgerät, das diese nicht verwendet, ist nicht wettbewerbsfähig. Die Klägerin hat in diesem Sinne bereits auf S. 4 ihrer Klageschrift selbst ausgeführt, dass jedes Unternehmen, welches Produkte der Mobilfunktechnologie anbietet, u.a. auf die Benutzung des Klagepatents „angewiesen“ sei. Dies trifft in der Sache auch zu, weil die Trägerdienste der Übertragung von Signalen zwischen den Benutzer-Netz-Schnittstellen dienen und Mobilfunkgeräte, bei denen die Mittel zum Ausführen dieser Trägerdienste veraltet sind, indem sie keine mehrere Datenraten umfassenden Trägerdienste unterstützen, lediglich eine langsame und damit minderwertige Datenübertragung ermöglichen. Denn in diesem Fall benötigt der Mobilfunkteilnehmer eine Vielzahl von Trägerdiensten. Die zur Verfügung stehenden höheren Übertragungsgeschwindigkeiten können auf diese Weise aber nicht genutzt werden, weil dies wegen der großen Bandbreite der in Betracht kommenden Datenraten nicht mehr praktikabel ist. Infolgedessen kann das Mobilfunkgerät nur Signale mit geringen Datenraten übertragen und ist dann im Vergleich zu anderen, GPRS-fähigen Mobilfunkgeräten zu langsam.

Zu sonstigen potentiell relevanten Kriterien für die Beurteilung der Marktbeherrschung haben die Parteien nichts vorgebracht. Insofern bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die marktbeherrschende Stellung trotz der vorgenannten Gegebenheiten aus anderen Gründen fehlen könnte. Relevante Marktanteilsfragen stellen sich in dieser Konstellation ohnehin nicht, weil das Klagepatent mangels marktgängiger Alternativlösungen schlicht den Zugang zu der für den nachgelagerten Produktmarkt notwendigen Technologie blockiert (vgl. Meyer, in: Festschrift 80 Jahre Patentgerichtsbarkeit in Düsseldorf, 2016, S. 377, (388 f.)).

2.

Es liegt überdies auch eine missbräuchliche Ausnutzung dieser marktbeherrschenden Stellung der Klägerin vor, die dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Art. 102 AEUV).

Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache „Huawei Technologies ./. ZTE“ (EuGH a.a.O.) nachstehende Grundsätze zu der Rechtsfrage aufgestellt, wann der Inhaber eines standardessentiellen Patents, der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung dadurch missbraucht, dass er eine Patentverletzungsklage auf Unterlassung oder Rückruf erhebt. Verfügt ein SEP-Inhaber über eine marktbeherrschende Stellung und hat er gegenüber einer Standardisierungsorganisation die unwiderrufliche Zusage gegeben, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, muss er, damit die Erhebung einer Klage auf Unterlassung und/oder Rückruf nicht als missbräuchlich i.S.v. Art. 102 AEUV angesehen werden kann, bestimmte Bedingungen erfüllen, durch die ein gerechter Ausgleich der betroffenen Interessen gewährleistet werden soll, wobei den besonderen rechtlichen und tatsächlichen Umständen des konkreten Falls gebührend Rechnung zu tragen ist (EuGH a.a.O. Rn. 55 m.w.N.). Zwar dürfen die dem Patentinhaber durch Art. 17 Abs. 2 und Art. 47 der Charta gewährleisteten Rechte nicht aufgrund der gegenüber der Standardisierungsorganisation erklärten unwiderruflichen FRAND-Zusage ausgehöhlt werden, jedoch rechtfertigt diese es, ihm bei der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen auf Unterlassung und /oder Rückruf gegen angebliche Patentverletzer besondere Anforderungen abzuverlangen (EuGH a.a.O. Rn. 59).

Der EuGH hat Art. 102 AEUV dahingehend ausgelegt, dass der Inhaber eines SEP, der sich gegenüber einer Standardisierungsorganisation unwiderruflich verpflichtet hat, jedem Dritten eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, seine marktbeherrschende Stellung nicht im Sinne dieser Vorschrift durch Erhebung einer Patentverletzungsklage auf Unterlassung und Rückruf missbraucht, wenn

1. der Inhaber des standardessentiellen Patents dem angeblichen Verletzer, nachdem dieser seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen, ein konkretes schriftliches Lizenzangebot zu diesen Bedingungen unterbreitet und insbesondere die Lizenzgebühr sowie die Art und Weise ihrer Berechnung angegeben hat,

2. der Patentverletzer, während er das betreffende Patent weiter benutzt, auf dieses Angebot nicht mit Sorgfalt reagiert,

3. der Patentverletzer, der das ihm unterbreitete Angebot nicht annimmt, dem Inhaber des standardessentiellen Patents innerhalb einer kurzen Frist schriftlich kein konkretes Gegenangebot macht, das FRAND-Bedingungen entspricht,

4. oder der Patentverletzer, wenn er das standardessentielle Patent benutzt, ab dem Zeitpunkt, zu dem der Patentinhaber sein Gegenangebot abgelehnt hat, keine angemessene Sicherheit leistet oder keine Abrechnung vorlegt, die auch vergangene Benutzungshandlungen umfassen.

a)

Die vorstehend wiedergegebenen Grundsätze gelten auch für sog. „Übergangsfälle“, d.h. für solche Rechtsstreitigkeiten zwischen SEP-Inhabern und Patentverletzern, in deren Rahmen der SEP-Inhaber – wie hier – die Verletzungsklage bereits zu einer Zeit erhoben hat, bevor die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache „Huawei Technologies / ZTE“ verkündet worden war (Senat WuW 2016, 442; vgl. auch OLG Karlsruhe Mitt. 16, 321 - Informationsaufzeichnungsmedium; a.A. LG Mannheim BeckRS 16, 06527 – Informationsaufzeichnungsmedium; Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 337). Für entsprechende Billigkeitsüberlegungen, aufgrund derer die Anwendung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze in vermeintlichen „Übergangsfällen“ ausgeschlossen sein soll, besteht aus folgenden Gründen keine hinreichende Basis:

Entscheidungen des EuGH über die Auslegung des Unionsrechts (Art. 267 a) AEUV) wirken grundsätzlich ex tunc, was zur Folge hat, dass die Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH von den mitgliedstaatlichen Gerichten auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden ist, die vor Erlass der Vorabentscheidung begründet wurden (vgl. BVerfGE 126, 286 Rn. 84 = NJW 2010, 3422; BVerfG Beschluss v. 10.12.2014 – 2 BvR 1549/07; Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 60. Ergänzungslieferung 2016, Art. 267 AEUV Rn. 102 m.w.N.). Den Gerichten der Mitgliedsstaaten fehlt es insoweit an der Kompetenz, eigenständig einen Vertrauensschutz in die bisherige (nationale) Rechtslage zu gewähren. Im vorliegenden Zusammenhang gilt dies umso mehr, als dem EuGH die sog. „Orange-Book-Standard“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 180, 312 = GRUR 2009, 694) ausweislich der Entscheidungsgründe des EuGH bekannt war. Gleichwohl hat der EuGH seine Entscheidung in der vorgelegten Rechtssache, die naturgemäß selbst ein „Übergangsfall“ im vorgenannten Sinne ist, ohne jedwede Differenzierung zwischen „Übergangsfällen“ und „Neufällen“ getroffen. Vielmehr hat der EuGH nochmals betont, dass es sich beim Terminus „missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung“ i. S. v. Art. 102 AEUV um einen objektiven Begriff handelt, so dass es allein auf einen objektiven Widerspruch zu dem vom AEUV intendierten Schutz eines unverfälschten Wettbewerbs ankommt. Die Feststellung eines Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ist daher verschuldensunabhängig und ein etwaiges Vertrauen des SEP-Inhabers auf die – bezüglich der Frage, welche Seite unter welchen Voraussetzungen in welcher Weise die Lizenzverhandlungen zu initiieren und zu fördern hat – mit umgekehrten Parametern versehene nationale „Orange-Book-Standard“-Rechtsprechung nicht schützenswert und irrelevant. Der betreffenden EuGH-Entscheidung lässt sich demzufolge – jedenfalls konkludent – entnehmen, dass zumindest keine Differenzierung dahingehend statthaft ist, ob es sich um einen „Übergangsfall“ handelt oder nicht. Daher hält der Senat an seiner Auffassung, dass es den nationalen Gerichten verwehrt ist, „Übergangsfälle“ gegenüber „Neufällen“ zu privilegieren, nach nochmaliger Überprüfung ausdrücklich fest.

Davon zu trennen ist indessen die weitere – für Alt- und Neufälle einheitlich zu beantwortende – Rechtsfrage nach der generellen Zulässigkeit der Nachholung von an sich vorprozessual vorzunehmenden Schritten des Lizenzierungsprocedere, die nach Auffassung des Senats durch die maßgebliche EuGH-Entscheidung weder aufgeworfen noch geklärt wurde, so dass die nationalen Gerichte diesbezüglich nicht durch die Judikatur des EuGH gebunden sind (insoweit ebenso Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 338).

b)

Dies vorausgeschickt lässt sich im vorliegenden Einzelfall tatrichterlich feststellen, dass die Klägerin zwar ihre Hinweispflicht bereits vorprozessual erfüllt hat, sie jedoch trotz bereits vorprozessual existenter und fortbestehender Lizenzbereitschaft der Beklagten letzteren weder vor Klageerhebung noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein FRAND-Angebot unterbreitet hat. Insoweit kommt es im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der SEP-Inhaber seine Pflicht zur Unterbreitung eines FRAND-Angebots auch noch während des laufenden Prozesses wirksam nachholen kann.

aa)

Der Inhaber eines SEP, der der Auffassung ist, dass dieses verletzt worden sei, darf – um nicht gegen Art. 102 AEUV zu verstoßen –, u.a. seinen Unterlassungsanspruch nicht gegen den angeblichen Verletzer gerichtlich geltend machen, ohne ihm dies anzukündigen und ihn vorher anzuhören, selbst wenn das betreffende SEP von dem angeblichen Verletzer bereits benutzt wurde (EuGH a.a.O., Rn. 60). Vor der gerichtlichen Geltendmachung obliegt es dem SEP-Inhaber daher, den angeblichen Verletzer auf die Patentverletzung, die diesem vorgeworfen wird, hinzuweisen, und dabei das fragliche SEP zu bezeichnen und anzugeben, auf welche Weise es verletzt worden sein soll (EuGH a.a.O., Rn. 61). Diese Hinweispflicht begründet sich damit, dass in Anbetracht der großen Zahl von SEPs, aus denen ein Standard regelmäßig besteht, nicht sicher ist, dass der Verletzer zwangsläufig weiß, dass er die Lehre eines rechtsbeständigen und standardessentiellen Patents benutzt (EuGH a.a.O., Rn. 62).

Inhaltlich verlangt die Erfüllung der Hinweispflicht zumindest, dass das einschlägige SEP unter Angabe der Veröffentlichungsnummer zu nennen und anzugeben ist, in welcher konkreten Handlung die Verletzung bestehen soll: Letzteres erfordert die Bezeichnung der Art der Benutzungshandlung sowie der angegriffenen Ausführungsform(en). Der Hinweis erfordert keine detaillierten (technischen und/oder rechtlichen) Erläuterungen des Verletzungsvorwurfs; der andere Teil muss nur in die Lage versetzt werden, sich selbst (ggf. mit sachverständiger Hilfe und/oder unter Einholung von Rechtsrat) ein Bild von der Berechtigung des ihm unterbreiteten Vorwurfs machen zu können (vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08040; weitergehend wohl LG Mannheim BeckRS 2016, 04228). In jedem Falle ausreichend, aber in diesem Stadium des Lizenzierungsprocedere noch nicht notwendig, ist die Erläuterung des Benutzungsvorwurfs anhand sog. Claim Charts (a.A. wohl LG Mannheim BeckRS 2016, 04228). Auch muss der Hinweis nicht etwa in Gestalt einer Abmahnung erfolgen (a.A. scheinbar LG Mannheim GRUR-Prax 2016, 84 – Stochastisches Rauschen).

bb)

Ihrer Hinweispflicht hat die Klägerin vorliegend bereits vor Klageerhebung Genüge getan und zwar mittels ihrer Schreiben vom 20.12.2012, 22.08.2013 und 11.11.2013 (vgl. Anlage AR 14a, Übersetzung Anlage AR 14b).

aaa)

Es ist unschädlich, dass die genannten Schreiben der Klägerin nicht an die Beklagten selbst, sondern an deren L2e Muttergesellschaften, die S2 X3, S2 X3 und die S2 X3, gerichtet waren. Denn ein SEP-Patentinhaber kommt seiner Hinweispflicht schon dann hinreichend nach, wenn die Hinweise gegenüber dem Mutterkonzern des angeblichen Verletzers erfolgen und – was regelmäßig der Fall ist – damit zu rechnen ist, dass dieser die betreffenden Tochtergesellschaften in den einzelnen Ländern, in denen das SEP benutzt wird, über die behauptete Patentverletzung informiert. Denn Zweck des Hinweises ist es (nur), einem etwaigen Informationsdefizit auf Seiten des angeblichen Verletzers zu begegnen, dem möglicherweise in Anbetracht der Vielzahl von SEP, aus denen ein Standard besteht, die Benutzung jedes einzelnen SEP nicht positiv bekannt ist (EuGH, a.a.O., Rn. 62). Davon ausgehend trifft den Patentinhaber keine Anzeigepflicht, wenn aufgrund der Umstände mit Sicherheit davon auszugehen ist, dass der angebliche Verletzer Kenntnis von der Benutzung des Klagepatents hat und sein Einwand, der Kläger habe ihm dies nicht angezeigt, als Rechtsmissbrauch erscheint. Unter dieser Voraussetzung kann die Anzeige als bloße Förmelei unterbleiben (Kühnen, aaO, Kap. E Rn. 313). Weist der Patentinhaber die Muttergesellschaft auf die Patentverletzung hin, so kann er mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte erwarten, dass letztere die Information an sämtliche Tochtergesellschaften weiterleitet, die auf Märkten tätig sind, in denen nach der Behauptung des Patentinhabers mit angegriffenen Ausführungsformen angezeigte SEP benutzt werden, und sie auf diese Weise über die mögliche Patentverletzung in Kenntnis gesetzt werden. Vor diesem Hintergrund wären zusätzliche Hinweise gegenüber den einzelnen Tochtergesellschaften hier eine bloße Förmelei gewesen und waren folglich entbehrlich. Überdies ist diese Beurteilung auch deshalb interessengerecht, weil andernfalls zwischenzeitliche Veränderungen in der internen Organisationsstruktur des Konzerns, die dazu führen, dass eine andere Tochtergesellschaft (vermeintlich) patentverletzend tätig wird als diejenige, die darauf bereits hingewiesen worden ist, zu Lasten des Patentinhabers gehen könnten, weil die neue oder neu zuständige Tochtergesellschaft sich ansonsten eventuell mit Erfolg darauf berufen könnte, dass ihr persönlich gegenüber kein Hinweis ergangen sei.

bbb)

Die zitierten Schreiben erfüllen zudem – wie die Beklagten auch nicht in Abrede stellen – die inhaltlichen Anforderungen an den erforderlichen Verletzungshinweis.

Sie bezeichnen nämlich konkret das Klagepatent (einschließlich Veröffentlichungsnummer) und geben an, dass der X3-Konzern durch Herstellung und Verkauf von Mobilfunkgeräten, die u.a. den GSM-Standard implementieren, zu dem die GPRS-Erweiterung gehört (siehe oben), das Klagepatent verletze. Die Hinweispflicht umfasst – wie oben erläutert – keine detaillierte inhaltliche Begründung, weshalb die einzelnen Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht sein sollen und aus welchen Gründen rechtlich eine Haftung bestehen soll. Daher ist es unbeachtlich, dass die Klägerin dazu in den zitierten Schreiben keine Angaben gemacht hat:

Durchschlagende Bedenken gegen die ordnungsgemäße Erfüllung der Hinweispflicht ergeben sich auch nicht daraus, dass die seinerzeit genannten Geräte nicht identisch mit den angegriffenen Ausführungsformen im laufenden Rechtsstreit sind. In den betreffenden Schreiben findet sich u.a. der Hinweis auf „wireless devices“ als Gegenstand der Beanstandung, so dass den Beklagten klar sein musste, dass die konkret bezeichneten Modelle nicht abschließend gemeint waren. Da die Klägerin jedenfalls unwidersprochen dargetan hat, dass die Beklagten sehr häufig Modellaktualisierungen vornahmen, kann es der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, dass ursprünglich von ihrem (vorprozessualen) Hinweis erfasste Ausführungsformen inzwischen Aktualisierungen in Bezug auf die Modellbezeichnungen erfuhren. Denn dem betreffenden Benutzer/Hersteller muss in dieser Situation bewusst sein, dass auch entsprechend aktualisierte Modelle nach Auffassung des SEP-Inhabers patentverletzend sind. Nach dem Sinn und Zweck des vom EuGH etablierten Hinweis-Erfordernisses (Schutz des gutgläubigen Benutzers) ist eine permanente Aktualisierung des Hinweises in Bezug auf die erfassten Ausführungsformen nicht erforderlich. Abweichendes mag gelten, wenn nicht bloße Aktualisierungen erfolgen, sondern grundlegende technische Änderungen, die den Schutzbereich des jeweiligen SEP tangieren, vorgenommen werden. Solches ist vorliegend weder dargetan noch sonst wie ersichtlich.

Da in den genannten Schreiben der Klägerin auf den einschlägigen GSM-Standard hingewiesen wurde, bedarf es keiner Entscheidung des Senats, ob die Nennung des / der einschlägigen Standards zwingend erforderlich war (bejahend etwa LG Mannheim BeckRS 2016, 04228).

c)

Die demnach auf der zweiten Stufe des Lizenzierungsprocedere erforderliche Lizenzbereitschaftserklärung der Beklagten bzw. ihrer Muttergesellschaften liegt vor.

aa)

Auf einen Verletzungshinweis des SEP-Inhabers hin muss der andere Teil seinen Willen zum Ausdruck bringen, einen Lizenzvertrag zu FRAND-Bedingungen zu schließen (EuGH a.a.O., Rn. 63). Weil es dem Benutzer untersagt ist, den Abschluss eines Lizenzvertrages mittels einer Verzögerungstaktik hinauszuschieben (vgl. im Zusammenhang mit dem FRAND-Gegenangebot EuGH a.a.O., Rn. 65), muss er – erst recht – binnen angemessener Frist auf den Verletzungshinweis reagieren. Die maßgebliche Frist ist nicht starr zu bestimmen (a.A. wohl Cordes/Gelhausen, Mitt. 2015, 426, 432: generelle Frist von einem Monat). Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalles, wobei die Reaktionsfrist namentlich vom Grad der Detailierung des Verletzungshinweises abhängen kann: Ein Hinweis, der – überobligatorisch – umfangreiche Ausführungen und Erläuterungen zu den Einzelheiten des mutmaßlichen Verletzungstatbestandes aufweist, kann unter Umständen dem Adressaten bzw. seinen Konzerngesellschaften eine schnellere Reaktion abverlangen, weil der eigene Prüfungsaufwand dann gegebenenfalls geringer ausfallen kann (vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08040). Auch im Falle, dass sich der SEP-Inhaber im Rahmen seines Hinweises auf die Angabe des absolut Notwendigen beschränkt, ist - jedenfalls in aller Regel - ein Zeitablauf von mehr als drei Monaten (vgl. LG Mannheim WuW 2016, 86) oder gar von fünf Monaten (vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08040) nicht mehr angemessen, so dass dem Patentinhaber kein längeres Zuwarten mehr zumutbar ist und er folglich in einer solchen Situation unmittelbar (scil.: ohne vorheriges FRAND-Angebot) Klage erheben kann, ohne befürchten zu müssen, dass die Klagerhebung als solche als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV bewertet werden wird.

Inhaltlich sind an die Lizenzierungsbitte keine hohen Anforderungen zu stellen (vgl. auch LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08040): Es genügt eine formlose und pauschale Erklärung des Lizenzsuchers, in der seine Lizenzwilligkeit eindeutig zum Ausdruck kommt; selbst schlüssiges Handeln kann je nach Lage des Einzelfalles ausreichen. In diesem Stadium des Lizenzierungsprocedere muss der Lizenzsucher insbesondere (noch) keine Ausführungen zum Inhalt der von ihm gewünschten Lizenz machen.

bb)

Die Anwendung vorstehender Grundsätze auf den Einzelfall ergibt, dass die Beklagten ihre Lizenzwilligkeit hinreichend zum Ausdruck gebracht haben. Jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung lag eine hinreichende Lizenzbereitschaftserklärung des X3-Konzerns vor.

Korrespondierend mit den vorstehenden Ausführungen unter b) genügt es, wenn – im Falle einer Verletzungsanzeige gegenüber dem Konzern – sich entweder die das SEP benutzende(n) Tochtergesellschaft(en) oder die Muttergesellschaft lizenzwillig zeigt und sich aus deren Lizenzbereitschaftserklärung ergibt, dass der Wille zur Lizenznahme die Tochtergesellschaft(en) einschließt und auch die Benutzung des Klagepatents umfasst: Der IP-Direktor der Muttergesellschaften der Beklagten, Herr W., hatte mit Email vom 17.12.2013 ausdrücklich und eindeutig seine Bereitschaft zur Lizenznahme erklärt, indem er dort ausführte (Anlage AR 39) „… Re the licensing issues of the Wireless Patent … we hope to have a formal negotiation with you… You mentioned that there will be a discount if we sign the license timely. Please let me know the information such as the specific discount amount and the current license royalty arrangement…”.

Dass die Klägerin dies seinerzeit – im Einklang mit dem objektiven Inhalt der Email – ebenfalls als Lizenzbereitschaftserklärung verstanden hatte, ergibt sich aus ihrer zugehörigen Antwort-Email vom selben Tage, mit welcher sie Herrn W. nähere Informationen über den Inhalt der gewünschten Lizenz zukommen ließ. Zudem fand am 17.02.2014 ein persönliches Treffen statt, in dessen Rahmen die Klägerin mündlich ein konkretes Lizenzangebot unterbreitete und die Vertreter der X3-Gruppe versprachen, Informationen über Verkäufe zur Verfügung zu stellen und selbst einen Einigungsvorschlag zu machen.

cc)

Zwar genügte die betreffende Reaktion nicht den oben erläuterten zeitlichen Anforderungen an die Lizenzwilligkeit des vermeintlichen Patentverletzers, was umso mehr gilt, als die Beklagten auch nicht darlegen, dass und warum es ihnen bzw. ihrem Mutterkonzern nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein soll, die Verletzung der Patente des Portfolios durch ihre Mobilfunkgeräte und ihren Willen zur Lizenznahme deutlich früher zu klären. Es ist im Ergebnis gleichwohl unschädlich, dass die maßgebliche Erklärung des Herrn W. erst etwa ein Jahr nach der erstmaligen Verletzungsanzeige der Klägerin vom 20.12.2012 erfolgte.

aaa)

Der nicht fristgerechte Vollzug eines notwendigen Schrittes einer Partei, zu dem sie nach dem vom EuGH etablierten Lizenzierungsprocedere verpflichtet ist, zieht keine sog. materielle Präklusion nach sich. Daraus folgt, dass der betreffende Schritt jedenfalls noch vor Klageerhebung nachgeholt werden kann, ohne dass sich die materielle Rechtsposition der zögerlich handelnden Partei nachhaltig verschlechtert (vgl. Senat, WuW 2016, 442; OLG Karlsruhe Mitt. 2016, 321 – Informationsaufzeichnungsmedium; OLG Karlsruhe, BeckRS 2016, 17467; Kühnen, in: Festschrift 80 Jahre Patentgerichtsbarkeit in Düsseldorf, 2016, S. 311 ff.; eine vorprozessuale Nachholbarkeit nimmt wohl auch das LG Mannheim BeckRS 2016, 19467 an).

Dies gilt gerade auch für die Lizenzwilligkeit des Patentverletzers. Die materiellrechtliche Pflicht des SEP-Inhabers gemäß Art. 102 AEUV i.V.m. mit seiner FRAND-Zusage, dem Patentverletzer eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen am betreffenden SEP zu gewähren, bleibt von einer zögerlichen Erklärung der Lizenzwilligkeit unangetastet. Die Säumnis führt nicht zu einem (erst recht nicht dauerhaften) Verlust des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes. Vielmehr kommt ihr lediglich die Bedeutung zu, dass u.a. der Unterlassungsanspruch (gerichtlich) durchsetzbar („fällig“ i.w.S.) wird und der SEP-Inhaber mit dem Ablauf einer angemessenen Frist für die Reaktion auf den Verletzungshinweis folglich dem Risiko entgeht, dass seine daraufhin erhobene Klage unter Hinweis auf eine missbräuchliche Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung mit der Begründung abgewiesen wird, dass er dem anderen Teil vor Klageerhebung noch ein FRAND-Angebot hätte unterbreiten müssen. Wenn daher der andere Teil zwar außerhalb der an sich angemessenen Reaktionsfrist, aber noch vor Klageerhebung die Erklärung seiner Lizenzbereitschaft nachholt, ist das außerprozessuale Lizenzierungsprocedere folglich fortzusetzen und damit der SEP-Inhaber nunmehr wieder verpflichtet, seinerseits den nächsten Schritt des Lizenzierungsprocedere voranzugehen und dem anderen Teil ein FRAND-Lizenzangebot zu machen.

Da vorliegend die maßgebliche Email des Herrn W. vom 17.12.2013 weiträumig vor Erhebung der Klage im Jahr 2014 erfolgte, war die Klägerin folglich verpflichtet, den Beklagten vor der gerichtlichen Geltendmachung u.a. des Unterlassungsanspruchs eine Lizenz am Klagepatent zu FRAND-Konditionen anzubieten.

bbb)

Die geschilderte Reaktion der X3-Gruppe auf den Verletzungshinweis war auch inhaltlich ausreichend. Da – wie ausgeführt – eine pauschale Erklärung genügt, waren namentlich nähere Ausführungen zu deren eigenen Lizenzvorstellungen nicht erforderlich.

ccc)

Entgegen der Ansicht der Klägerin traten auch in der Folgezeit (d.h. im Anschluss an die erstmalige Bekundung der Lizenzbereitschaft) – und zwar weder vor Klageerhebung noch während des laufenden Prozesses – Umstände zutage, die Anlass zur Annahme gäben, die Lizenzwilligkeit der Beklagten bzw. des X3-Konzerns sei zwischenzeitlich wieder weggefallen.

Dies gilt insbesondere mit Blick auf die (lange nach Klageerhebung) in diesem Kontext von der Klägerin in den Fokus gestellte Email des Herrn W. vom 16.01.2016 (Anlage AR 51, vgl. Blatt 556 f. GA mit auszugsweiser deutscher Übersetzung):

Zunächst ist der Klägerin zwar darin beizupflichten, dass der Lizenzsucher seine Lizenzwilligkeit nicht unter die Bedingung einer rechtskräftigen Entscheidung zur Verletzung und/oder zum Rechtsbestand des SEP stellen darf (insoweit allgemeine Auffassung: siehe statt aller LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08040 m.w.N.). Auch mag nichts gegen das Verständnis der Klägerin zu erinnern sein, dass der von ihr zitierte Inhalt – für sich betrachtet – objektiv so verstanden werden kann, als stelle Herr W. mit der genannten Email in diesem Sinne unzulässige Bedingungen auf.

Gleichwohl lässt sich daraus nicht ableiten, dass die Beklagten schlechthin nicht lizenzwillig seien. Die betreffende Email darf nämlich nicht isoliert, sondern muss in einem Gesamtkontext betrachtet werden, wobei das gesamte Verhalten der Beklagten im Rahmen des Lizenzierungsprocedere zu würdigen ist und auch der weitere Verlauf der Verhandlungen im Anschluss an die betreffende Email einbezogen werden muss. Insoweit ergibt sich, dass die betreffenden Ausführungen in der Email vom 16.01.2016 nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont gerade nicht als das „letzte Wort“ der Beklagten aufzufassen waren und die Klägerin folglich keinen Anlass zur Annahme hatte, dass die Unterbreitung eines FRAND-Lizenzangebots ohnehin keine Aussicht mehr auf eine Annahme durch die Beklagten hätte. Dass die Beklagten weiterhin lizenzwillig waren, ergibt sich etwa aus der in deutscher Übersetzung als Anlage G 31 vorgelegten Email des Herrn W. vom 23.03.2016. Zuletzt haben die Beklagten ihre Lizenzbereitschaft noch einmal dadurch bekräftigt, dass sie der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.01.2017 ein neues Gegenangebot (Anlage G 46) unterbreiteten. Ob dieses neuerliche Gegenangebot und/oder die früheren (überobligatorischen) Gegenangebote der Beklagten ihrerseits FRAND sind/waren, kann dahinstehen, weil - wie ausgeführt - die Klägerin insoweit „vorleistungspflichtig“ ist. Abweichungen der Beklagten von den FRAND-Grundsätzen wären allenfalls dann beachtlich, wenn sich daraus die ernsthafte und endgültige Weigerung (vgl. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB), eine Lizenzvereinbarung zu FRAND-Bedingungen abzuschließen, ableiten ließe (vgl. auch Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 315). Dafür reicht nicht es nicht aus, dass einzelne Verhandlungspositionen der Beklagten möglicherweise nicht FRAND sind.

d)

Die Klägerin hat ihre nach alledem bestehende Verpflichtung, den Beklagten ein FRAND-Angebot zu unterbreiten, nicht erfüllt. Letzteres gilt sowohl für ihre vor Klageerhebung erfolgten als auch für ihre während des Prozesses unterbreiteten Lizenzangebote.

aa)

Wie der Senat bereits im Beschluss vom 16.01.2016 über die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat, durfte das Landgericht die Frage, ob die Klägerin ihrer Pflicht zur Abgabe eines FRAND-Lizenzangebotes nachgekommen ist, nicht etwa mit der Begründung offen lassen, dass es jedenfalls an einem FRAND-Gegenangebot der Beklagten bzw. einem FRAND-Verhalten der Beklagen im Übrigen mangele. Vielmehr sind die im Rahmen des vom EuGH vorgegebenen Regimes aus wechselbezüglichen Pflichten / Obliegenheiten vorgegebenen Verfahrensschritte durch die Verletzungsgerichte (grundsätzlich) konsekutiv festzustellen. Mit anderen Worten: Der Patentverletzer hat nur dann in der ihm obliegenden Art und Weise zu reagieren, wenn der SEP-Inhaber zuvor seinerseits seine Pflichten erfüllt hat. Ebenso wie der Patentverletzer seine Lizenzbereitschaft (abgesehen von den Fällen einer Entbehrlichkeit unter dem Aspekt der „bloßen Förmelei“) nur nach einem Verletzungshinweis des SEP-Inhabers bekunden muss, obliegt dem Patentverletzer die Abgabe eines FRAND-Gegenangebots erst dann, wenn ihm ein FRAND-Angebot des SEP-Inhabers vorliegt.

Das durch den EuGH vorgegebene System knüpft die dem Patentverletzer obliegenden Maßnahmen / Schritte im Rahmen des Lizenzierungsprocedere, darunter insbesondere die Obliegenheit zur Präsentation eines FRAND-Gegenangebots nämlich an die zwingende Voraussetzung, dass der SEP-Inhaber zuvor seine Pflichten erfüllt hat. Der EuGH sieht für den vorzunehmenden Interessensausgleich ein austariertes Procedere vor und billigt im Rahmen dessen dem marktbeherrschenden Inhaber eines standardessentiellen Patents nur insoweit ein schützenswertes Interesse zu, als dieser – nach der Lizenzwilligkeitsbekundung des Benutzers – entsprechend seiner gegenüber der Standardisierungsorganisation abgegebenen Verpflichtungserklärung ein Lizenzangebot zu FRAND-Bedingungen unterbreitet. Dieses Verständnis der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung gründet sich – entgegen der betreffenden Kritik durch das LG Mannheim (BeckRS 2016, 06527 – Informationsaufzeichnungsmedium) – keineswegs allein auf den Wortlaut der EuGH-Entscheidung. Denn neben dem Umstand, dass in der Tat diverse Passagen in der EuGH-Entscheidung „Huawei Technologies / ZTE“ vorhanden sind, die diese Auslegung bestätigen (s. insbesondere in EuGH, a.a.O.: Leitsatz 1 („zu diesen Bedingungen“); Rn. 63 („zu FRAND-Bedingungen“); Rn. 64 („ein solches Angebot“); Rn. 71 („zu diesen Bedingungen“), ergibt sich die entsprechende „Vorleistungspflicht“ des SEP-Inhabers vor allem anhand folgender Überlegung: Der EuGH hat bei der Etablierung der von ihm aufgestellten Reihenfolge für die Verfahrensschritte ganz maßgeblich darauf abgestellt, dass erstens von dem Inhaber eines SEP wegen seiner FRAND-Zusage gegenüber der Standardisierungsorganisation die Abgabe eines FRAND-Angebots erwartet werden darf und zweitens der Inhaber des SEP, wenn weder ein Standardlizenzvertrag noch mit anderen Wettbewerbern bereits geschlossene Lizenzverträge veröffentlicht sind, in einer besseren Lage ist, um zu prüfen, ob sein Angebot die Voraussetzung der Gleichbehandlung wahrt, als der angebliche Verletzer (EuGH a.a.O. Rn. 64). Wäre der andere Teil schon in dem Falle, dass der SEP-inhaber bloß irgendein formales FRAND-Anforderungen widersprechendes Angebot unterbreitet hat, zur Abgabe eines FRAND-Gegenangebots gehalten, wäre diese Prämisse des EuGH ihrer Sinnhaftigkeit beraubt. Das hier befürwortete Verständnis stellt demgegenüber sicher, dass die Parteien zu solchen Angeboten veranlasst und mittelbar gezwungen werden, die nicht bloß formal, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht annahmefähig sind (OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 17467). Eine von einem FRAND-Lizenzangebot unabhängige Obliegenheit des Benutzers, ein (FRAND-)Gegenangebot zu unterbreiten, lässt sich auch nicht mit der Überlegung rechtfertigen, dass Letzterer seine Lizenzbereitschaft dokumentieren müsse: Denn diese hat der Benutzer bereits zuvor mit der dem Lizenzangebot des SEP-Inhabers vorausgehenden Lizenzierungsbitte hinreichend zum Ausdruck gebracht – solange der SEP-Inhaber darauf nicht mit einem FRAND-Angebot reagiert, muss der Patentverletzer seine Lizenzbereitschaft nicht durch Abgabe eines FRAND-Gegenangebots erneut unter Beweis stellen.

bb)

Das Lizenzangebot des Patentinhabers muss grundsätzlich vorprozessual erfolgen, um einem möglichen Missbrauchseinwand gegenüber der Klageerhebung die Grundlage entziehen zu können (s. insbesondere den Berichtigungsbeschluss des EuGH in der Sache C-170/13 REC). Wenn der Lizenzsucher vorprozessual in ernsthafte Lizenzverhandlungen eingetreten ist, müssen selbige grundsätzlich auch vor Klageerhebung erfolglos abgeschlossen sein (Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 295).

Das Angebot muss schriftlich (ein Telefax oder eine Email genügen indes: Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn 307) erfolgen. Es hat folgenden inhaltlichen Vorgaben zu entsprechen (vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08040; vgl. auch LG Mannheim BeckRS 2016, 04228): Es muss konkret in dem Sinne sein, dass die Lizenzgebühr und die einschlägigen Berechnungsparameter (maßgebliche Bezugsgröße; anzuwendender Lizenzsatz; ggf. Abstaffelung) sowie die Art und Weise der Berechnung anzugeben sind. Es müssen zu allen Punkten, die üblicherweise Regelungsgegenstand von Lizenzverträgen in der jeweiligen Branche sind, aussagekräftige Bestimmungen vorgesehen werden. Der SEP-Inhaber muss auch die wesentlichen Gründe erläutern, aufgrund derer er die von ihm vorgeschlagenen Vergütungsparamater für FRAND hält (vgl. Hauck/Kamlah, GRUR Int. 2016, 420, 424; a.A. wohl LG Mannheim WuW 2016, 86 – Stochastisches Rauschen). Hat der SEP-Inhaber zuvor bereits Lizenzen an Dritte vergeben, hat er (je nach den Umständen des Einzelfalles mehr oder weniger substantiiert) insbesondere zu begründen, warum die von ihm vorgesehene Lizenzvergütung gerade vor diesem Hintergrund FRAND sei.

Wie der Senat bereits entschieden hat, darf sich das Verletzungsgericht nicht auf eine bloß summarische Prüfung im Sinne einer „negativen Evidenzkontrolle“ beschränken (so aber LG Mannheim WuW 2016, 86 Rn. 221; LG Mannheim BeckRS 2016, 108197 m.w.N.), sondern es muss abschließend tatrichterlich feststellen, ob das Angebot des SEP-Inhabers FRAND ist (vgl. Senat NZKart 2016, 139 Rn. 21 ff; OLG Karlsruhe NZKart 2016, 334 Rn. 36; OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 17467). Im vorliegenden Fall wirkt sich die vorgenannte Streitfrage allerdings nicht entscheidungserheblich aus. Denn die Lizenzangebote der Klägerin stellen aus nachstehenden Gründen sogar eine im vorgenannten Sinne „evidente“ Diskriminierung der Beklagten dar, so dass sie selbst unter Zugrundelegung des für die Klägerin günstigeren Prüfungsmaßstabes nicht FRAND sind.

cc)

Die Klägerin behandelt die Beklagten mit dem Lizenzangebot vom 20.12.2016 – ebenso wie mit ihren früheren Lizenzangeboten – gegenüber ihrem weiteren Lizenznehmer X5 im Hinblick auf die Höhe der Lizenzgebühren ohne triftigen sachlichen Grund ungleich.

aaa)

Nach Art. 102 S. 2 c) AEUV ist es einem marktbeherrschenden Unternehmen verboten, unterschiedliche Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber seinen Handelspartnern anzuwenden, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden. Zweck dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass marktbeherrschende Unternehmen durch wettbewerblich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen ihrer Handelspartner Eingriffe in die Marktstrukturen vor- oder nachgelagerter Marktstufen vornehmen, die Wettbewerbsverfälschungen hervorrufen, indem einzelne Handelspartner benachteiligt werden (Fuchs/Möschel in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Art. 102 AEUV Rn. 377).

Das Diskriminierungsverbot normiert für das marktbeherrschende Unternehmen eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung, indem er Handelspartnern, die sich in gleicher Lage befinden, dieselben Preise und Geschäftsbedingungen einräumen muss. Das Gleichbehandlungsgebot erstreckt sich dabei allerdings nur auf Sachverhalte, die vergleichbar sind. Eine Rechtspflicht zu schematischer Gleichbehandlung aller Handelspartner besteht nicht. Vielmehr ist es auch dem marktbeherrschenden Unternehmen nicht verwehrt, auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert zu reagieren. Eine Ungleichbehandlung ist daher zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist (Huttenlauch/Lübbig in: Loewenheim u.a., Kartellrecht, 3. Aufl., Art. 102 AEUV Rn. 205 m.w.N.; vgl. zu § 19 GWB BGH GRUR 1996, 808 – Pay-TV-Durchleitung; BGH WRP 2011, 257 – Entega II; zu § 20 GWB BGH NZKart 2016, 374 – NetCologne m.w.N.).

Bei gewerblichen Schutzrechten besteht grundsätzlich ein weiter Spielraum für die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung, weil eine Differenzierung bei der Gestattung der Benutzung ein wesentliches Element der Ausschließungswirkung des Rechts selbst ist. Dies gilt auch, wenn der Patentinhaber marktbeherrschend ist, weil das Patent im Interesse der Technologieförderung gerade auch das in einer Erfindung verkörperte Potential schützt, die formale Ausschließlichkeitsstellung auf dem Markt zu einem wirtschaftlichen Monopol ausbauen zu können. Höhere Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung gelten jedoch, wenn neben der marktbeherrschenden Stellung zusätzliche Umstände hinzutreten, die dazu führen, dass die Ungleichbehandlung die Freiheit des Wettbewerbs gefährdet. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Zugang zu einem nachgeordneten Produktmarkt von der Befolgung der patentgemäßen Lehre abhängig ist (BGH GRUR 2004, 966 – Standard-Spundfass m.w.N.) oder wenn – wie hier – das Produkt erst bei Benutzung des Patents wettbewerbsfähig ist.

Ob eine Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, bestimmt sich in diesem Fall anhand einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen, die sich am Zweck des AEUV orientiert, zur Entwicklung eines wirksamen, unverfälschten Wettbewerbs beizutragen (zu §§ 19, 20 GWB BGH GRUR 2004, 966 – Standard-Spundfass m.w.N.; BGH NZKart 2016, 374 – NetCologne). Maßgebend sind dabei Art und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung. Deren Zulässigkeit richtet sich insbesondere danach, ob die relative Schlechterbehandlung der betroffenen Unternehmen als wettbewerbskonformer, durch das jeweilige Angebot im Einzelfall bestimmter Interessenausgleich erscheint oder auf Willkür oder Überlegungen und Absichten beruht, die wirtschaftlich oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind (BGH GRUR 2004, 966 – Standard-Spundfass m.w.N.; BGH NZKart 2016, 374 – NetCologne). Angesichts des dem Patentinhaber insoweit zustehenden erheblichen Beurteilungsspielraums ist nicht bereits jeder Unterschied in den Konditionen als Ausdruck einer missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung anzusehen. Der Unterschied muss vielmehr mehr als nur unerheblich sein, um einen mit einem Unwerturteil verbundenen Missbrauch zu bejahen (BGH NZKart 2016, 374 – NetCologne m.w.N.). Daneben ist allerdings im Auge zu behalten, dass die durch die Ungleichbehandlung betroffenen Unternehmen nicht durch die Ausübung der Macht des marktbeherrschenden Unternehmens in ihrer Wettbewerbsfähigkeit untereinander beeinträchtigt werden sollen (BGH GRUR 2004, 966 – Standard-Spundfass m.w.N.).

Die vorstehenden Grundsätze gelten gleichermaßen in Bezug auf einen SEP-Inhaber, der eine FRAND-Erklärung abgegeben hat. Ungeachtet der Frage, ob diese Erklärung konstitutiver oder deklaratorischer Natur ist und die aus ihr resultierenden Verpflichtungen des Patentinhabers auch dann greifen, wenn er keine marktbeherrschende Stellung besitzt (vgl. dazu LG Düsseldorf BeckRS 2016, 14979; Kühnen, a. a. O., Kap. E Rn 283 ff. m.w.N.), folgt aus ihr jedenfalls kein abweichender Maßstab beim Diskriminierungsverbot. Der SEP-Inhaber nimmt mit der darin enthaltenen Zusage, Lizenzsucher nicht zu diskriminieren, vielmehr auf Art. 102 c) AEUV Bezug und will sich im Hinblick auf die Lizenzbedingungen erkennbar (lediglich) exakt in dem Umfang binden, wie das gesetzliche Verbot der Ungleichbehandlung es von ihm verlangt. Dementsprechend ist sein Lizenzangebot nur dann „nichtdiskriminierend“, wenn er den Lizenzsucher im Vergleich zu anderen Lizenznehmern gleich behandelt oder wenn im Falle einer Ungleichbehandlung dafür triftige sachliche Gründe vorliegen.

Darlegungs- und beweispflichtig für eine Ungleichbehandlung ist der Lizenzsucher. Dies folgt aus Art. 2 der Kartellverfahrensordnung (Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln), wonach in allen einzelstaatlichen und gemeinschaftlichen Verfahren zur Anwendung der Art. 81 und 82 des EWG-Vertrages (entspricht Art. 101, 102 AEUV), die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 oder Art. 82 des EWG-Vertrags der Partei obliegt, die diesen Vorwurf erhebt. Die FRAND-Erklärung des SEP-Inhabers ändert an dieser Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich nichts, weil er mit seiner Zusage, Lizenzen diskriminierungsfrei zu vergeben, lediglich den gesetzlichen Anforderungen aus Art. 102c AEUV nachkommen, dem Lizenzsucher aber keine im Vergleich dazu bessere Rechtsposition einräumen will (siehe oben). Da der Lizenzsucher regelmäßig keine nähere Kenntnis über die Lizenzierungspraxis des SEP-Inhabers besitzt, insbesondere vom Inhalt der übrigen, von diesem mit anderen Lizenznehmern abgeschlossenen Lizenzverträge, während der SEP-Inhaber diese Kenntnis hat und ihm auch nähere Angaben zumutbar sind, trifft den SEP-Inhaber jedoch eine sekundäre Darlegungslast (vgl. zur sekundären Darlegungslast etwa BGH GRUR 2014, 657 – BearShare m.w.N.). Dies umfasst Angaben dazu, welche – konkret zu benennenden – Unternehmen mit welcher Bedeutung auf dem relevanten Markt zu welchen konkreten Bedingungen eine Lizenz genommen haben. Art. 2 der Kartellverfahrensordnung steht dem nicht entgegen, weil er die Anwendung mitgliedstaatlicher Regelungen über die Beibringung von Tatsachen, die in der Sphäre der nicht beweispflichtigen Partei liegen, nicht hindert (Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, a.a.O., Art. 2 VO 1/2003 Rn. 22, 36 m.w.N.). Ferner ist der Patentinhaber (primär) darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er einen hinreichenden sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung hat (EuG, Slg 2007, II-3601 Rn 1144 – Microsoft/Kommission; Bardong in: Münchener Kommentar zum Europäischen und Deutschen Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), Band 1, 2. Aufl., Art. 2 VO 1/2003 Rn. 13 m.w.N.; Zuber in: Loewenheim u.a., a.a.O., Art. 2 VerfVO Rn. 8). Dies folgt daraus, dass Art. 2 der Kartellverfahrensverordnung nur eine Regelung der Beweislast für die Zuwiderhandlung, nicht aber für deren Rechtfertigung enthält und nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich auf einen Rechtfertigungsgrund beruft, das Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtfertigung darlegen und beweisen muss (Bardong a.a.O.., Art. 2 VO 1/2003 Rn. 13 m.w.N.).

bbb)

Nach Maßgabe dieser Grundsätze diskriminiert der Lizenzvertrag der Klägerin mit X5 die Beklagten. Sie werden im Vergleich dazu erheblich unterschiedlich behandelt. Die Klägerin hat diesem Unternehmen weit bessere Konditionen gewährt als sie den Beklagten anbietet. Die exorbitante Ungleichbehandlung hat die Klägerin sachlich nicht hinreichend gerechtfertigt.

Davon ausgehend kann dahinstehen, ob die Beklagten darüber hinaus – was zwischen den Parteien streitig ist – auch durch den Inhalt der Lizenzverträge A bis C diskriminiert werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt aus den unter aaa) dargelegten Grundsätzen nicht, dass einzelne „Ausreißer“ generell noch nicht zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung führen. Richtig ist zwar, dass es keine allgemeine Verpflichtung zur Meistbegünstigung gibt, die das marktbeherrschende Unternehmen generell zwingt, allen die gleichen günstigsten Bedingungen einzuräumen. Das Recht auch des marktbeherrschenden Unternehmens, auf unterschiedliche Marktbedingungen differenziert zu reagieren, steht jedoch insoweit ebenfalls unter dem Vorbehalt der sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung (vgl. BGH NZKart 2016, 374 – NetCologne m.w.N.). Nur in diesem Rahmen kann daher auch die Durchsetzbarkeit unterschiedlicher Konditionen gegenüber verschiedenen Handelspartnern ein triftiger Grund sein. Ergibt sich dabei, dass eine Differenzierung als solche grundsätzlich zulässig ist, beurteilt sich die sachliche Rechtfertigung sodann wiederum nach Art und Ausmaß der unterschiedlichen Behandlung (BGH GRUR 1996, 808 – Pay-TV-Durchleitung zu § 26 GWB a. F.). Stellt sich heraus, dass ein relevanter Wettbewerber unsachlich bevorzugt wird, so ist dies bereits als relevante Diskriminierung der übrigen Unternehmen auf dem Markt zu bewerten (BGH GRUR 1996, 808 – Pay-TV-Durchleitung zu § 26 GWB a.F.).

(I)

Die den Beklagten angebotenen Lizenzgebühren sind exorbitant höher als die im Lizenzvertrag mit X5 vereinbarten, so dass eine deutlich mehr als unerhebliche Ungleichbehandlung vorliegt.

Die Klägerin bietet dem Mutterkonzern der Beklagten eine Stücklizenz am Wireless-Portfolio an, bei der die Lizenzgebühr in Abhängigkeit von den verkauften Stückzahlen gemäß der Standard Rate X-XEuro pro Einheit und gemäß der Compliant Rate X-X Euro pro Einheit beträgt (Anlage AR 63a, Übersetzung Anlage AR 63b). Im Verhältnis zum sog. Standardlizenzvertrag, den die Klägerin auf ihrer Internetseite veröffentlicht, sieht dieses Lizenzangebot weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft einen Rabatt vor.

Der Lizenzvertrag mit X5 (Anlage AR 127, Übersetzung Anlage AR 127a) verpflichtet diese hingegen zur Zahlung von „lediglich“ X Euro - Text anonymisiert - Von der Lizenzgebühr entfallen X Euro auf die Vergangenheit, was unstreitig gegenüber dem sog. Standardlizenzvertrag zu einem Rabatt von ca. X % führt und insgesamt X Euro auf zukünftige Verkäufe, was einen Rabatt von X % auf die Compliant Rate bedeutet.

Tatsächlich ist dabei davon auszugehen, dass der Rabatt für die Vergangenheit sogar noch deutlich größer ist: - Text anonymisiert - Anders ausgedrückt müssten die Beklagten im Falle der Annahme des Lizenzangebotes vom 20.12.2016 im Vergleich zu X5 mehr als zehn Mal höhere Lizenzgebühren für die Vergangenheit und etwa fünf Mal höhere Lizenzgebühren für die Zukunft entrichten.

(II)

Diese immens hohen Unterschiede bei den Lizenzgebühren hat die Klägerin nicht sachlich gerechtfertigt.

(1)

Sie kann sich zunächst nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Rabatte in der Größenordnung, wie sie X5 gewährt worden sind, branchenüblich seien.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.02.2017 hat sie unter Vorlage der Anlage AR 142 vorgetragen, dass sowohl Mengenrabatte als auch erhebliche Nachlässe für vergangene Benutzungshandlungen auf Lizenzvergabemärkten weit verbreitet seien. Die Einräumung von Mengenrabatten spielt dabei im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, weil - Text anonymisiert -

Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich jedoch zum einen deswegen kein triftiger sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung der Beklagten, weil die Klägerin X5 u.a. einen Rabatt von X % auf zukünftige Benutzungshandlungen gewährt (siehe oben (I)), sie aber gar nicht behauptet, dass auf die Zukunft bezogene Rabatte in dieser Größenordnung ebenfalls üblich seien. Zum anderen ist im Hinblick auf vergangene Benutzungshandlungen nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin in Anbetracht der (behaupteten) Branchenüblichkeit keinen mit dem Nachlass für X5 vergleichbar hohen Rabatt gewährt hat. Sie hat insoweit zur Begründung angeführt, dass erhebliche Schwierigkeiten bei der tatsächlichen Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen für die Vergangenheit, insbesondere in verschiedenen Ländern, bestünden und außerdem für den Lizenzgeber die Zukunft von wesentlich größerem wirtschaftlichem Interesse sei. Daher sei es aus dessen Sicht den erheblichen Aufwand nicht wert, die Vergangenheit vollständig zu erforschen. Andererseits habe der Lizenznehmer ein besonders großes Interesse an der Reduzierung der Belastung für die Vergangenheit, weil er regelmäßig keine Rückstellungen gebildet habe. All die genannten Aspekte treffen jedoch auf X5 und die Beklagten gleichermaßen zu. Zumindest hat die Klägerin keine Unterschiede aufgezeigt, die insofern eine Differenzierung rechtfertigen würden. Insbesondere macht sie - Text anonymisiert - bei X5 nicht geltend, dass sie wegen frühzeitigen Vertragsschlusses einen Early Bird-Rabatt gewährt habe und dies ein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung gegenüber den Beklagten wäre. Für eine derartige Vergünstigung hätte auch kein Anlass bestanden, da der Lizenzvertrag mit X5 erst - Text anonymisiert - nach Beendigung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens und Klageerhebung in der Hauptsache abgeschlossen wurde. Bei dieser Sachlage vermag eine Branchenüblichkeit von erheblichen Rabatten indes die Ungleichbehandlung der Beklagten gegenüber X5 nicht zu rechtfertigen.

Außerdem ist folgendes zu beachten: Die Einräumung von erheblichen Rabatten für die Vergangenheit und sogar ein Verzicht auf Lizenzzahlungen, die ausweislich der Anlage AR 142 bei einigen Patentportfolios für bestimmte Zeiträume praktiziert wurden, sind als solches im Rahmen des Diskriminierungsverbots zwar nicht zu beanstanden. Je höher ein Rabatt ist, desto größere Bedeutung hat allerdings eine Gleichbehandlung aller Lizenznehmer und desto höhere Anforderungen gelten für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung. Insbesondere bei sehr hohen Rabatten muss das marktbeherrschende Unternehmen deshalb dafür Sorge tragen, dass sie Lizenznehmern nach den gleichen Kriterien gewährt werden, und diese Kriterien zudem das Ausmaß der Ungleichbehandlung hinreichend sachlich begründen. Denn wird ein derartiger Rabatt einigen Lizenznehmern zugebilligt und anderen nicht, so kann dies zu erheblich unterschiedlichen Belastungen von Wettbewerbern mit Lizenzgebühren führen und dadurch eine Verfälschung des Wettbewerbs auf dem nachgeordneten Produktmarkt nach sich ziehen. Infolgedessen besteht aber die mit Hilfe des Diskriminierungsverbots zu vermeidende Gefahr, dass die betroffenen Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit untereinander beeinträchtigt werden. So ist es hier, da die Klägerin mit Blick auf die (behauptete) Branchenüblichkeit kein Kriterium nennt, in welchem sich X5 und die Beklagten voneinander unterscheiden und sie – wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt – unabhängig davon auch keinen spezifischen, in Besonderheiten des Lizenzvertrages mit X5 liegenden triftigen Grund anführt, der das exorbitante Ausmaß der Ungleichbehandlung rechtfertigt.

(2)

Eine sachliche Rechtfertigung ergibt sich ferner nicht aus den von der Klägerin angeführten besonderen Begleitumständen des Lizenzvertrages mit X5.

- Text anonymisiert -

Es bestehen bereits Zweifel, ob auf Grundlage des Vorbringens der Klägerin konkrete Feststellungen zu Begleitumständen der Verhandlungen und des Lizenzvertrages mit X5 und zu einer unzulässigen – von den Beklagten bestrittenen – Einflussnahme des X6 auf die darin enthaltenen Lizenzbedingungen getroffen werden können. - Text anonymisiert -

Letztlich bedarf all dies jedoch keiner weiteren Aufklärung. Die von der Klägerin vorgebrachten Begleitumstände vermögen bereits im Ansatz keine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Beklagten darzustellen. Würde man durch … - Text anonymisiert - hervorgerufene Ungleichbehandlungen mit Verweis auf ihr Zustandekommen rechtfertigen, liefe diese Rechtfertigung im Ergebnis darauf hinaus, dass Maßnahmen - Text anonymisiert -, die – was hier zu Argumentationszwecken unterstellt wird – dem deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht fremd sind, die Wettbewerbsfreiheit in der EU einschränken würden. Denn die Vorteile, die dieses Unternehmen infolge der behördlichen Einflussnahme aufgrund der im Vergleich zu Wettbewerbern exorbitant niedrigen Lizenzgebühr genießt, wirken sich bei der hier gegebenen Vereinbarung einer weltweiten Lizenz nicht allein in … aus - Text anonymisiert -. Vielmehr bestehen sie gleichermaßen auf dem deutschen und europäischen Markt, so dass Wettbewerber dieses Unternehmens auch im Inland sowie innerhalb der Europäischen Union Wettbewerbsnachteile erleiden, indem ihre Produkte mit deutlich höheren Lizenzgebühren belastet sind. Eine derartige … Einflussnahme stellt indes eine dem Zweck des AEUV zuwiderlaufende Verfälschung des Wettbewerbs aus nicht sachlichen Gründen dar. Die Folgen - Text anonymisiert - würden zudem perpetuiert und vertieft, wenn die „erzwungenen“ Lizenzbedingungen für andere Wettbewerber unter dem Aspekt der Diskriminierung unbeachtlich blieben.

(3)

Soweit die Klägerin die exorbitant günstigeren Konditionen für X5 zum einen mit dessen Sonderstellung als Referenzkunde und zum anderen mit der spezifischen Risikoverteilung jenes Lizenzvertrages begründet hat, stellen diese Umstände weder für sich betrachtet noch im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung eine hinreichende sachliche Rechtfertigung für dieses extreme Ausmaß der Ungleichbehandlung dar. Nichts Anderes gilt unter Einbeziehung ihres weiteren Arguments einer jeweils unterschiedlichen prozessualen Situation in Deutschland.

(a)

Die Argumentation, X5 sei - Text anonymisiert - Referenzkunde für die Einführung der Lizenzierung des Wireless-Portfolios auf dem L2 Markt gewesen, greift bereits deswegen nicht, weil die Beklagten diese Behauptung bestritten haben und die Klägerin dafür keinen Beweis angetreten hat. Da die Klägerin somit für die behauptete Sonderstellung von X5 beweisfällig geblieben ist, lässt sich allein aus diesem Grunde nicht feststellen, dass dies die Ungleichbehandlung rechtfertigt.

Doch auch wenn man zu Gunsten der Klägerin annimmt, dass X5 das erste L2 Unternehmen gewesen ist, mit dem sie einen Lizenzvertrag über das Wireless-Portfolio abgeschlossen hat, so fehlt es jedenfalls an Sachvortrag, der die extrem hohen Unterschiede bei der Höhe der Lizenzgebühren rechtfertigt.

Dabei mag tatsächlich durchaus eine „Sogwirkung“ entstehen, wenn ein großes Unternehmen auf einem bisher vom SEP-Inhaber noch nicht erschlossenen Markt eine Lizenz nimmt, weil andere Unternehmen davon ausgehen werden, dass es die Notwendigkeit einer Lizenzierung mit Blick auf die Standardessentialität und die Benutzung des Patents geprüft hat, und dies dem SEP-Inhaber den Abschluss von weiteren Lizenzverträgen für diesen Markt erleichtert. Davon ausgehend ist es im Grundsatz nicht zu beanstanden, wenn ein SEP-Inhaber versucht, zum Zwecke des Eintritts in einen neuen Markt Referenzkunden zu gewinnen und ihnen günstigere Konditionen anbietet als anderen Lizenznehmern, um einen zusätzlichen Anreiz für den Abschluss eines Lizenzvertrages zu schaffen. Bei der Wahl des oder der Referenzkunden ist dem SEP-Inhaber ebenfalls ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zur Begründung für die Bevorzugung von X5 gegenüber dem Mutterkonzern der Beklagten angeführt, dass es sich bei X5 um ein ressourcenstarkes … handelt und in diesem Falle aufgrund der … Rahmenbedingungen in L2 die Präzedenzwirkung einer Lizenznahme durch X5 ungleich größer sei. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Überlegungen willkürlich oder unternehmerisch vernünftigem Handeln fremd sind.

Gleichwohl rechtfertigt der Markteintritt über einen Referenzkunden bei standardessentiellen Patenten eines marktbeherrschenden Unternehmens regelmäßig nur in begrenztem Umfang die Einräumung günstigerer Konditionen im Vergleich zu anderen Lizenznehmern. Dies folgt daraus, dass jedes Unternehmen, das den maßgeblichen Standard benutzt, eine Lizenz nehmen muss. Auch wenn dies nicht dazu führt, dass jedes Unternehmen ohne Weiteres sofort einen Lizenzvertrag abzuschließen bereit ist, und dieser Umstand faktisch keine 100%igen Lizenzvertragsabschlussquote nach sich zieht, so kann nicht außer Acht gelassen werden, dass ein (redliches) Unternehmen in der gegebenen Situation rechtlich keine Wahl und tatsächlich dazu keine Alternative hat. Dementsprechend hat ein solcher SEP-Inhaber keine Wettbewerber. Deswegen besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit, sich in der Weise um Lizenznehmer auf einem neuen Markt zu bemühen, dass der SEP-Inhaber sie mit besonders günstigen Lizenzbedingungen „ködert“. Vielmehr müssen sich diese auch auf solche Lizenzverträge einlassen, die ihnen im Vergleich zu anderen Lizenznehmern keine hohen Rabatte gewähren. Umgekehrt kann von einem SEP-Inhaber zwecks Wahrung eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem nachgelagerten Produktmarkt verlangt werden, dass er einem auf einen hohen Rabatt gerichteten Ansinnen des Lizenzsuchers nicht nachgibt. Dementsprechend sind die Anbieter von Mobilfunkgeräten, die standardessentielle Patente der Klägerin aus dem Wireless-Portfolio nutzen, die – wie das Klagepatent und das Streitpatent im Parallelverfahren vor dem Senat – eine marktbeherrschende Stellung vermitteln dazu gezwungen, eine Lizenz an diesen Patenten zu nehmen. Das gilt ohne Unterschied für sämtliche Unternehmen, die etwa auf dem deutschen und/oder europäischen Markt tätig sein wollen. Diese rechtliche Verpflichtung mag zwar Bemühungen auch des marktbeherrschenden SEP-Inhabers um einen tatsächlichen Zugang zu bisher nicht erschlossenen räumlichen Märkten nicht entbehrlich machen, weil die faktische Durchsetzung von Patenten in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, deren Art und Umfang zudem je nach Markt unterschiedlich ist. Der Zwang zur Lizenznahme der Anbieter auf dem nachgelagerten Produktmarkt führt aber aus den genannten Gründen in der Regel dazu, dass diesem Gesichtspunkt keine hervorgehobene Bedeutung zukommt und daher jedenfalls erhebliche Abweichungen bei den gewährten Lizenzbedingungen nicht rechtfertigt. Das Vorbringen der Klägerin führt im Streitfall nicht ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung:

Zum einen ist schon nicht ersichtlich, dass gegenüber X5 als – nach der Behauptung der Klägerin – erstem Kunden des Wireless-Portfolios in L2 tatsächlich keine höheren Lizenzgebühren durchsetzbar gewesen wären, weil die Klägerin keinen hinreichend substantiierten Sachvortrag zum Ablauf der Lizenzverhandlungen gehalten hat. Auch ihrem Vorbringen zu - Text anonymisiert - fehlt der erforderliche konkrete Bezug zu einer Rechtfertigung der exorbitant unterschiedlichen Lizenzgebühren (siehe oben (1)). In den dazu als Anlage AR 141 vorgelegten und auszugsweise zitierten Artikeln wird zwar die Ansicht geäußert, dass in … Unternehmen eine Sonderstellung genießen würden. Allerdings ist ihnen nicht konkret zu entnehmen, dass und wie in - Text anonymisiert - Unternehmen bevorzugt werden. Gegen eine derartige Diskriminierung spricht vielmehr sogar, dass X2 dem F.-Artikel zufolge dazu veranlasst worden sei, für sämtliche Verkäufe durch L2 Unternehmen in L2 einheitlich eine geringere Lizenzrate vorzusehen, mithin dort von einer Differenzierung zwischen - Text anonymisiert - Unternehmen nicht die Rede ist. Daraus lässt sich somit ebenfalls nicht der Schluss auf eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen X5 und dem Mutterkonzern der Beklagten ziehen.

Zum anderen ist auch in diesem Zusammenhang besonders zu berücksichtigen, dass die durch die Ungleichbehandlung betroffenen Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit untereinander beeinträchtigt würden. Die Lizenzierungskosten sind ein Preisbildungsfaktor. Bestehen insoweit große Unterschiede, wird ein Referenzkunde dauerhaft in die Lage versetzt, auf dem nachgeordneten Produktmarkt vergleichbare Produkte günstiger anzubieten als andere Unternehmen, die nicht von der bevorzugten Behandlung durch das marktbeherrschende Unternehmen profitieren. Dies führt bei einer weltweiten Lizenz insbesondere auch deshalb zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung, weil dies nicht nur für den räumlichen Referenzmarkt gilt, sondern auch für alle anderen räumlichen Märkte. Dort genießt der Referenzkunde schließlich gleichermaßen deutlich günstigere Konditionen, obwohl er nicht der erste Lizenznehmer gewesen ist. So ist es im vorliegenden Fall: Die Beklagten werden gegenüber X5 nicht nur auf dem L2 Markt benachteiligt, sondern die extrem unterschiedlichen Konditionen gelten weltweit, obwohl X5 außerhalb von L2 nicht Referenzkunde ist. Die immens hohen Unterschiede bei den Lizenzgebühren führen indes tendenziell dazu, dass X5 die Mobilfunkgeräte weltweit auf Dauer günstiger anbieten kann. Die anderen Anbieter erleiden dadurch Wettbewerbsnachteile, zumal es sich bei X5 – wie die Klägerin selbst anführt – um ein ressourcenstarkes Unternehmen handelt, das jährlich mehrere Millionen Mobilfunkgeräte absetzt. Die Ungleichbehandlung wäre daher aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung von X5 im Falle eines Lizenzvertragsabschlusses auf Basis des Lizenzangebots der Klägerin geeignet, die Marktposition der Beklagten tatsächlich spürbar zu verschlechtern.

Ein sachlicher Grund dafür ist umso weniger erkennbar, als die Klägerin mit Ausnahme des Umstandes, dass - Text anonymisiert - keine markt- oder unternehmensbezogenen Aspekte aufgezeigt hat, welche eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Im Gegenteil sind die Beklagten und X5 Handelspartner der Klägerin, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden. Beide bieten drahtlose Mobilfunkgeräte an, die sie über Händler an Endverbraucher verkaufen, so dass sie in derselben Wirtschaftsstufe auf demselben nachgelagerten Produktmarkt tätig sind. Darüber hinaus sind beide Unternehmen deswegen sehr ähnlich, weil sowohl X5 als auch der Mutterkonzern der Beklagten in Europa vorrangig im Niedrigpreissektor agieren. Vor allem aber ist der Mutterkonzern der Beklagten ebenso wie X5 ein ressourcenstarkes L2 Unternehmen, das weltweit mit Milliardenumsatz operiert, und daher im Falle einer Lizenzierung ebenso ein Signal in den L2en Markt aussenden würde und andere L2 Unternehmen zur Lizenznahme L2 könnte. Deswegen ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin dem Mutterkonzern der Beklagten im August 2014 kein Lizenzangebot unterbreitete, das Vorzugskonditionen als Referenzkunde enthielt, obwohl dieser damals nach ihrem eigenen Vorbringen der erste Kunde in L2 gewesen wäre und im Falle eines Vertragsschlusses sogar ein Jahr früher als mit X5 ein Markteintritt erfolgt wäre.

(b)

Im Hinblick auf die spezifische Risikoverteilung im Lizenzvertrag mit X5 ist ebenfalls nicht erkennbar, dass ein hinreichender sachlicher Grund für die extrem großen Unterschiede bei der Höhe der Lizenzgebühren besteht.

(aa)

Ohnehin bezieht sich dieser Aspekt nur auf die zukünftigen Verkäufe, weshalb er von vornherein nicht geeignet ist, den exorbitant hohen Rabatt von über X % für die Vergangenheit zu rechtfertigen.

(bb)

Im Übrigen rechtfertigt die vorgenommene Risikoverteilung zwar dem Grunde nach die Einräumung eines Rabatts für die Zukunft, - Text anonymisiert -. Es ist das Ergebnis eines Interessenausgleichs im Einzelfall und daher kartellrechtlich im Grundsatz unbedenklich, wenn der Lizenznehmer als Gegenleistung für die vertragliche Übernahme der Risiken sowohl eines verminderten als auch eines erhöhten Absatzes nur eine reduzierte Lizenzgebühr zu entrichten hat. Dabei ist zudem aufgrund des auch im Rahmen einer FRAND-Erklärung geltenden Maßstabs, ob eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vorliegt, nicht nur ein bestimmter (geringer) Rabatt zulässig, sondern dem SEP-Inhaber ein erheblicher Beurteilungsspielraum zuzubilligen.

Die Klägerin hat indes nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die spezifische Risikoverteilung den exorbitant hohen Rabatt von X % für die Zukunft rechtfertigt („Ausmaß der Ungleichbehandlung“). Wie groß das Risiko des Lizenznehmers und der mit der Risikoverteilung verbundene Vorteil für den Lizenzgeber sind, richtet sich nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen Erwartungen zur Absatzentwicklung. Wird prognostiziert, dass sich die Verkaufszahlen so entwickeln wie im Vertrag zugrunde gelegt, ist das Risiko des Lizenznehmers gering. Ebenso ist es, wenn die Erwartung eines höheren Absatzes besteht, weil der Lizenznehmer dann zwar für die zusätzlich verkauften Einheiten weitere Lizenzgebühren zu entrichten hat, dies aber in seinem Interesse liegt, weil er dann auch höhere Erlöse erzielt. Demgegenüber ist sein Risiko groß und das Interesse des Lizenzgebers an der Zahlung einer Mindestlizenzgebühr erheblich, wenn die Parteien einen geringeren Absatz erwarten, und beides ist umso größer, je niedriger ihre Prognose ausfällt. Hier kann dem Vorbringen der Klägerin allerdings nicht entnommen werden, dass die Risikoverteilung für sie bei Vertragsabschluss einen hohen Wert hatte, insbesondere keinen, der einen Rabatt in der veranschlagten Größenordnung von X % rechtfertigen könnte.- Text anonymisiert - Das entspricht X % bzw. X % der Compliant Rate. Diese Zahlen veranschaulichen deutlich, dass die Risikoverteilung gemessen am Volumen des gesamten Lizenzvertrages nur eine untergeordnete Bedeutung und damit bloß einen geringen Wert für die Klägerin hatte.

Die Klägerin hat den Beklagten diese Alternative – Text anonymisiert - zu keinem Zeitpunkt angeboten, geschweige denn mit Nachlässen, die sich in derselben Größenordnung bewegen, wie sie X5 zugutegekommen sind. Die dafür von ihr angeführten Gründe überzeugen wiederum nicht. – Text anonymisiert -

Daran anknüpfend vermag auch das weitere Vorbringen der Klägerin im Verhandlungstermin am 16.02.2017 nicht zu überzeugen, wonach der Mobilfunkmarkt extrem volatil und die Vorhersehbarkeit der Absatzentwicklung daher sehr schwierig sei, so dass der Lizenznehmer ihr mit der Vereinbarung von Pauschalzahlungen ein hohes Risiko abnehme, für das im Gegenzug ein erheblicher Rabatt gerechtfertigt sei. Auch insoweit ist zunächst zu konstatieren, dass diese Ausgangslage im Grundsatz bei allen potentiellen Lizenznehmern und damit ebenso bei den Beklagten besteht. Dies gilt ebenso im Hinblick auf die von ihr besonders hervorgehobenen praktischen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Patenten sowie die Gefahr eines Ausstiegs aus dem Mobilfunkgeschäft oder eines Zahlungsausfalls. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass insoweit zwischen X5 und dem Mutterkonzern der Beklagten Unterschiede bestehen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Gleichwohl hat sie den Beklagten einen Pauschallizenzvertrag, der diese Risikoaspekte in vergleichbarem Umfang wie im Lizenzvertrag mit X5 berücksichtigt nicht unterbreitet. Abgesehen davon hat die Klägerin konkret im Hinblick auf den in Rede stehenden Lizenzvertrag mit X5 nicht dargelegt, dass die Risiken hoch seien und deshalb einen sachlichen Grund für den immens hohen Rabatt für zukünftige Benutzungshandlungen von etwa X % darstellten. Im Gegenteil spricht die seitens der Klägerin hervorgehobene – Text anonymisiert -

(cc)

Die Klägerin kann sich weiter nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagten kein Interesse an der Vereinbarung eines Lizenzvertrages auf der Basis von Pauschalzahlungen gezeigt hätten.

Insoweit ist in Erinnerung zu rufen, dass es zunächst ihre Sache als SEP-Inhaberin ist, ein FRAND-konformes Lizenzangebot abzugeben. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten Pauschalzahlungen generell ablehnen und ein Angebot mit einem solchen Inhalt daher von vornherein sinnlos – und somit entbehrlich – wäre, bestehen nicht. Wie oben bereits ausgeführt, haben sich die Beklagten vielmehr lizenzwillig gezeigt. Im Verhandlungstermin am 16.02.2017 haben sie zudem ausdrücklich erklärt, dass grundsätzlich Bereitschaft dazu bestehe, einen Pauschallizenzvertrag zu vereinbaren, und dies lediglich eine Frage der Höhe sei. Das kann die Klägerin allein deshalb nicht widerlegen, weil das Lizenzangebot vom 20.12.2016 keine Pauschallizenz vorsieht.

Aus dem Umstand, dass die Beklagten auch ihre früheren Angebote vom 29.08.2014 und vom 09.12.2015, die teilweise Pauschalzahlungen vorsahen, nicht angenommen haben, kann ebenso wenig der Schluss auf die generelle Ablehnung einer Pauschallizenz gezogen werden. Dies verbietet sich schon aus dem Grunde, weil beide Lizenzangebote – wie bereits im Hinweisbeschluss des Senats vom 17.11.2016 unter Ziffer II. 1. ausgeführt – mangels jedweder Darlegung der Art und Weise der Berechnung der pauschalen Lizenzgebühren nicht den vom EuGH aufgestellten Anforderungen genügten. Zudem war die Email vom 09.12.2015 deswegen nicht FRAND-konform, weil sie kein geschlossenes Vertragswerk mit Angaben zu sämtlichen Punkten darstellte, die üblicherweise Regelungsgegenstand eines Lizenzvertrages sind (vgl. Ziffer I. 5. des Hinweisbeschlusses vom 17.11.2016), sondern lediglich optionale Vorschläge zur Höhe der Lizenzgebühren und einigen weiteren Lizenzbedingungen wie Bankgarantie und Abschlussgebühr enthielt.

Abgesehen davon behandelten beide Angebote – ebenso wie das Zwischenangebot vom 05.12.2014 – die Beklagten ebenfalls gegenüber X5 ungleich, ohne dass eine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich wäre.

(aaa)

Das erste Lizenzangebot der Klägerin vom 29.08.2014 (Anlage AR 60) sah für zukünftige Benutzungshandlungen, das Zwischenangebot vom 05.12.2014 (Anlage AR 50) insgesamt keine Pauschalzahlung vor, sondern eine Stücklizenz auf Basis der Standard Rate, die ebenfalls in Abhängigkeit von den Verkaufszahlen zwischen X-X Euro lag, so dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung insoweit uneingeschränkt auf die obigen Ausführungen verwiesen wird.

Doch selbst im Hinblick auf die im August 2014 angebotene Pauschalzahlung für die Vergangenheit in Höhe von X Millionen Euro ist eine extreme Ungleichbehandlung gegeben. Denn auf Grundlage des eigenen Vorbringens der Klägerin stellte dies lediglich eine „Early Bird-Vergünstigung“ von etwa X % dar. Dies folgt wiederum daraus, dass die Klägerin nach ihren Angaben in den Jahren 2009 bis 2013 von insgesamt X Millionen verkauften Geräten ausging, mithin X Millionen pro Jahr. Bei einer Pauschalzahlung von X Millionen Euro ergibt sich daraus ein Lizenzsatz von X Euro in der ersten Stufe und X Euro in der zweiten Stufe, der somit X % unterhalb der Standardrate von X Euro bzw. X Euro liegt.

Eine sachliche Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung ist aus den gleichen Gründen wie beim Lizenzangebot vom 20.12.2016 nicht festzustellen. Der Rabatt von X % für die Vergangenheit ändert daran nichts. Der extrem große Unterschied zu dem X5 gewährten Nachlass von X % ist von der Klägerin nicht ansatzweise sachlich begründet worden. Außerdem spricht hier noch zusätzlich für eine Diskriminierung, dass das vormals den Beklagten unterbreitete Lizenzangebot vom 29.08.2014 ein Jahr vor dem Vertragsabschluss mit X5 im … lag. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin hätten sich daher im Vergleich zu X5 sowohl die „Early Bird-Vergünstigung“ als auch der weitere Umstand zugunsten der Beklagten auswirken müssen, dass im Falle einer Annahme des Lizenzangebotes deren Mutterkonzern als erstes – und darüber hinaus ressourcenstarkes – L2 Unternehmen Referenzkunde in L2 gewesen wäre. Indes ist nicht ersichtlich, dass letzteres überhaupt Berücksichtigung gefunden hätte und es ist daher insgesamt nicht nachvollziehbar, warum der Rabatt für X5 so viel höher ist.

(bbb)

Das per Email vom 09.12.2015 (Anlage AS 8) unterbreitete „Angebot“ behandelt die Beklagten ebenfalls im Vergleich zu X5 in erheblichem Maße ungleich.

Zum einen sah es für die Zukunft eine Compliant Rate von X Euro bis X Euro vor, was einen Rabatt von X % für zukünftige Benutzungshandlungen auf die Compliant Rate bedeutete und damit exorbitant unter dem Rabatt zugunsten von X5 in Höhe von X % lag. Zum anderen enthielt der Vorschlag der Klägerin optional entweder eine Pauschalzahlung von X Million Euro für die Vergangenheit oder von X Millionen Euro für Vergangenheit und Zukunft bis xxxx für insgesamt maximal X Millionen zukünftige Verkäufe. Geht man davon aus, dass X Millionen auf die Zukunft entfielen, so war der angebotene Lizenzsatz von X Euro fast fünf Mal so hoch wie derjenige, den die Klägerin mit X5 vereinbart hat, da sich dort bei Pauschalzahlungen von insgesamt X Million Euro für X Millionen verkaufte Einheiten ein Lizenzsatz von X Euro ergibt. Ebenso liegt eine exorbitante Ungleichbehandlung bei den Lizenzgebühren für vergangene Benutzungshandlungen vor, wenn X5 für X Millionen Geräte lediglich X Euro zu entrichten hat, die Beklagten hingegen absolut mit X Euro das Vierfache, obwohl die Verkaufszahlen deutlich darunterlagen.

Die Klägerin hat das Ausmaß dieser Ungleichbehandlung wiederum nicht sachlich gerechtfertigt. Es fehlt schon an konkretem Sachvortrag zum „Angebot“ vom 09.12.2015 und zu den Gründen, die sie bewogen haben, X5 und den Beklagten die genannten, extrem unterschiedlichen Konditionen anzubieten. Es mag im Übrigen zwar sein, dass die prozessuale Situation damals unterschiedlich war, indem im Dezember 2015 das erstinstanzliche Urteil zu Lasten der Beklagten vorlag, während es im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit X5 noch keine Entscheidung zugunsten der Klägerin in Deutschland gab. Dies allein vermag die immens hohen Unterschiede bei den Lizenzgebühren indes nicht zu rechtfertigen. Das gilt umso mehr, als der Mutterkonzern der Beklagten bei einem Lizenzvertragsschluss Ende 2015 – das Vorbringen der Klägerin, X5 sei der erste L2 Lizenznehmer des Wireless-Portfolios gewesen, als richtig unterstellt – fast gleichzeitig mit X5 Referenzkunde – Text anonymisiert - geworden wäre. Daher ist hier ebenfalls nicht ersichtlich, warum dieser Umstand bei den Lizenzbedingungen nicht zugunsten der Beklagten berücksichtigt wurde.

Nach alledem bedeutet die Ablehnung der früheren, nicht FRAND-gemäßen Lizenzangebote der Klägerin nicht, dass die Beklagten generell nicht zu Pauschalzahlungen bereit sind. Dies lässt sich zuletzt auch nicht daraus herleiten, dass sie selbst in ihrem Gegenangebot vom 20.01.2017 (Anlage G 46, Übersetzung Anlage G 46a) keine Pauschalzahlungen, sondern eine Stücklizenz auf Grundlage der konkreten Verkaufszahlen offerieren. Auch insoweit liegt vielmehr auf der Hand, dass es den Beklagten letztlich entscheidend auf die Höhe der Lizenzgebühren ankommt. Daher kann aus dem Umstand, dass ihr Gegenangebot eine bestimmte Art von Lizenzgebühren vorsieht, nicht der Schluss gezogen werden, sie würden andere Berechnungsarten generell nicht akzeptieren.

(c)

Das zuletzt von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 16.02.2017 vorgebrachte Argument, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit X5 im August/September 2015 sei die prozessuale Situation in Deutschland nicht vorteilhaft gewesen, weil nach der Aufhebung der einstweiligen Verfügung gegen X5 durch das Kammergericht keine landgerichtliche Entscheidung zu ihren Gunsten vorgelegen habe, vermag die exorbitanten Unterschiede bei den Lizenzgebühren im Lizenzvertrag mit X5 und im Lizenzangebot gegenüber den Beklagten ebenfalls nicht plausibel zu begründen.

Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass insofern ein Unterschied besteht, als demgegenüber im Zeitpunkt des Lizenzangebots vom 20.12.2016 ein Urteil des Landgerichts und die mündliche Einschätzung des Senats im ersten Verhandlungstermin am 17.11.2016 vorgelegen haben, wonach die Beklagten das Klagepatent benutzen. Unterschiedliche Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung eines Patents, die etwa in mehreren gerichtlichen Verfahren gegen verschiedene angebliche Verletzer bestehen, dürfen sich durchaus in inhaltlichen Abweichungen bei den jeweils angebotenen Lizenzbedingungen niederschlagen. Im Streitfall ist allerdings weder ersichtlich noch von der Klägerin konkret vorgetragen worden, dass dieser Umstand bei ihr tatsächlich zu einer wesentlich anderen Risikoeinschätzung geführt und daher die unterschiedlichen Lizenzbedingungen mitgeprägt hat. Dazu bestand objektiv auch kein Anlass, weil erhebliche Unterschiede tatsächlich nicht bestehen. So hat das Kammergericht die einstweilige Verfügung gegen X5 wegen mangelnden Verfügungsgrundes und nicht aufgrund fehlender Patentverletzung aufgehoben (- Text anonymisiert -), so dass aus dem Berufungsurteil kein Rückschluss auf bloß geringe Erfolgsaussichten im damals ebenfalls (vor dem Landgericht Düsseldorf) anhängigen Hauptsacheverfahren gezogen werden kann. Umgekehrt hat der Senat die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen landgerichtlichen Urteil mit Beschluss vom 13.01.2016 eingestellt und mit Hinweisbeschluss vom 17.11.2016 darauf hingewiesen, dass die bisherigen Lizenzangebote der Klägerin nicht FRAND-konform gewesen sein dürften, weshalb im Zeitpunkt des Lizenzangebots vom 20.12.2016 aus Sicht der Klägerin ein überwiegendes Obsiegen in diesem Rechtsstreit ungewiss war. Dementsprechend hat sie eingeräumt, dass die „Sogwirkung“, die sie sich von dem Lizenzvertrag mit X5 im Hinblick auf einen Vertragsabschluss mit weiteren Unternehmen versprochen hat, tatsächlich aufgrund der Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht eingetreten ist. Vielmehr ruhen deswegen nach ihren Angaben sämtliche Verhandlungen mit zahlreichen potentiellen Lizenznehmern. Damit ist indes nicht vereinbar, von einer unterschiedlichen Prozesssituation bei X5 und den Beklagten auszugehen, die einen mehr als nur geringen Einfluss auf den Inhalt der Lizenzbedingungen hat.

(d)

In Anknüpfung an die Ausführungen unter (a) bis (c) ergibt sich im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des AEUV, dass das Lizenzangebot der Klägerin vom 20.12.2016 die Beklagten gegenüber dem Wettbewerber X5 diskriminiert.

Im Hinblick auf das Ausmaß der exorbitant großen Ungleichbehandlung hat die Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine sachliche Rechtfertigung angeführt. Soweit eine Sonderstellung von X5 als Referenzkunde auf dem L2 Markt, die spezifische Risikoverteilung im dortigen Lizenzvertrag und die unterschiedliche prozessuale Situation prinzipiell sachliche Gründe darstellen können, ist dies jedenfalls im Hinblick auf die extrem unterschiedlich hohen Lizenzgebühren nicht mehr der Fall. Das gilt sowohl für jeden einzelnen der genannten Aspekte als auch bei der gebotenen Gesamtbetrachtung. Aus den Ausführungen unter (a) bis (c) ergibt sich, dass jeder dieser Gründe für sich betrachtet allenfalls geringe Bedeutung besitzt. Infolgedessen haben sie auch gemeinsam kein Gewicht, das die Unterschiede bei den Lizenzsätzen von X-X % und die daraus resultierende Mehrbelastung der Beklagten mit um bis zu zehn Mal höheren Lizenzgebühren rechtfertigt.

Das gilt umso mehr, als es sich bei X5 weltweit um einen unmittelbaren Wettbewerber des Konzerns, dem die Beklagten angehören, handelt, der jährlich mehrere Millionen Mobilfunkgeräte absetzt. Die Ungleichbehandlung ist aufgrund dieser erheblichen Bedeutung von X5 auf dem Markt geeignet, die Marktposition der Beklagten tatsächlich zu verschlechtern, indem im Falle eines Lizenzvertragsabschlusses auf Basis des Angebots der Klägerin die exorbitanten Unterschiede bei den Lizenzgebühren dazu führen können, dass X5 in der Lage ist, die Mobilfunkgeräte günstiger anzubieten als die Beklagten und letztere dadurch Wettbewerbsnachteile erlitten.

dd)

Der nach alledem begründete kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand wirkt sich in Verbindung mit der FRAND-Zusage der Klägerin wie folgt aus:

aaa)

Die Ansprüche auf Unterlassung und Rückruf aus den Vertriebswegen sind (gerichtlich) nicht durchsetzbar, solange der SEP-Inhaber sich nicht entsprechend seiner FRAND-Zusage gegenüber der Standardisierungsorganisation verhält (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 52 f; Rn. 73). Die genannten Ansprüche sind aufgrund des kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwandes zwar nicht dauerhaft ausgeschlossen, jedoch steht ihnen eine dilatorische Einrede entgegen, solange der SEP-Inhaber seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Die Situation ist vergleichbar mit einer nicht fälligen Forderung (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 300). Erfüllt der SEP-Inhaber seine Verpflichtungen nicht spätestens bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung, ist die Klage insoweit als derzeit unbegründet abzuweisen (vgl. auch OLG Karlsruhe Mitt. 2016, 321 – Informationsaufzeichnungsmedium). Es entspricht – soweit ersichtlich – zu Recht einhelliger Auffassung, dass Vorstehendes für die Erhebung einer Klage auf Vernichtung patentbenutzender Erzeugnisse (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG) entsprechend gilt (s. nur LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08288 – Handover m.w.N.; vgl. auch unten).

(I)

Da die Klägerin bis zum Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vor dem Senat kein FRAND-Angebot abgegeben hat, war die Klage teilweise – nämlich nach der übereinstimmenden Erledigung des Unterlassungsantrags noch hinsichtlich der Anträge auf Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen – in Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts als derzeit unbegründet abzuweisen, ohne dass die Streitfrage, ob der SEP-Inhaber grundsätzlich auch innerprozessual noch die zuvor versäumte (vollständige) Erfüllung seiner FRAND-Verpflichtungen nachholen kann (befürwortend der Senat im Hinweisbeschluss vom 17.11.2016 in der vorliegenden Sache; a.A. bspw. LG Mannheim BeckRS 2016, 18389 m.w.N.) vorliegend von entscheidungserheblicher Relevanz ist.

(II)

Der Ablauf des Klagepatents ändert nichts daran, dass es hinsichtlich der Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen entscheidend auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand der Beklagten ankommt und die Klage daher insoweit als derzeit unbegründet abzuweisen ist.

Der Wegfall eines Patents führt nicht gleichzeitig auch zu einer Erledigung der Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen. Vielmehr bestehen diese Ansprüche im Hinblick auf diejenigen Erzeugnisse, die der angebliche Verletzer bis zu diesem Zeitpunkt bereits in Besitz und/oder Eigentum hatte bzw. die bis dahin hergestellt und geliefert wurden, grundsätzlich fort (LG Hamburg InstGE 11, 65 – Datenträger; Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O., § 140a PatG Rn 9, 16 m.w.N.). Da die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten auch nicht geltend gemacht haben, dass die Ansprüche wegen Unverhältnismäßigkeit gemäß § 140a Abs. 4 PatG ausgeschlossen sind und konkrete Anhaltspunkte dafür auch sonst wie nicht ersichtlich sind, sind im Streitfall die Ansprüche der Klägerin auf Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen nicht erledigt.

Den demzufolge nach wie vor bestehenden klägerischen Ansprüchen können die Beklagten auch weiterhin den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand entgegenhalten. Das Urteil des EuGH lässt diesen Einwand beim gerichtlich geltend gemachten Rückrufansprüche ohne Einschränkungen zu (vgl. EuGH a.a.O. Rn 44 ff.). Tatsächlich greift auch nach Ablauf des Patents der vom EuGH hervorgehobene Aspekt (EuGH a.a.O. Rn 52, 73), dass der SEP-Inhaber mit dem Rückrufanspruch verhindern kann, dass von Wettbewerbern hergestellte Produkte, die dem betreffenden Standard entsprechen, auf dem Markt bleiben. Eine ähnliche Zielrichtung verfolgt der Vernichtungsanspruch, der dafür Sorge trägt, dass derartige Produkte nicht mehr auf den Markt gelangen. Bezüglich der konkreten Erzeugnisse, die von einer Vernichtung oder einem Rückruf betroffen sind, wirken sich die Maßnahmen des SEP-Inhabers mithin auch dann noch zum Nachteil des angeblichen Verletzers aus, wenn das Patent abgelaufen ist. Könnte der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand in diesem Fall nicht mehr geltend gemacht werden, liefe dies darauf hinaus, dass ein marktbeherrschender SEP-Inhaber, der entgegen seiner Zusage kein FRAND-gemäßes Lizenzangebot unterbreitet hat, (allein) in Bezug auf solche Produkte, die bereits vor dem Wegfall des Patents hergestellt und geliefert wurden, zu Lasten des Lizenzwilligen in den Markt eingreifen könnte. Das ist indes weder interessengerecht noch entspricht es dem Zweck des Fortbestehens der Ansprüche aus § 140a Abs. 1 und 3 PatG nach dem Wegfall des Schutzrechts. Dieser besteht darin, Nachwirkungen eines rechtswidrig geschaffenen Störungszustands zu beseitigen. Dem Verletzer soll der durch eine Rechtsverletzung erlangte Vorteil nicht verbleiben, weil er andernfalls einen Anreiz hätte, einen Wettbewerbsvorsprung, der durch die Rechtsverletzung geschaffen wurde, zu bewahren (Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O., § 140a Rn 9, 16 m.w.N.). Diese Situation trifft aber auf einen Lizenzwilligen, dem während der Laufzeit des Patents der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand zugestanden hat, von vornherein nicht zu. Es existieren in diesem Fall kein rechtswidriger Störungszustand und keine ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile, die es zu beseitigen gilt. Daher gibt es keinen Grund, den SEP-Inhaber hinsichtlich der Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf nach dem Wegfall des Schutzrechts besser zu stellen als vorher.

bbb)

Demgegenüber bleibt die Durchsetzbarkeit der Ansprüche auf Auskunft / Rechnungslegung sowie Schadensersatz dem Grunde nach unberührt, weil diese – im Gegensatz zu allen vorgenannten Anspruchskategorien einschließlich des Vernichtungsanspruchs – keine unmittelbaren Auswirkungen darauf haben, ob von Wettbewerbern hergestellte Produkte, die dem betreffenden Standard entsprechen, auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 74 f; zu Einschränkungen des betreffenden Anspruchsinhalts s. sogleich unter VII.).

VI.

Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass der von den Beklagten im ersten Rechtszug erhobene Einwand eines Patenthinterhalts („patent ambush“) nicht durchgreift. Die Beklagten machen den Einwand im vorliegenden Verfahren in der Berufungsinstanz zu Recht nicht mehr geltend, so dass es dazu hier keiner weiteren Ausführungen bedarf.

VII.

Aufgrund der rechtswidrigen Benutzung des Klagepatents und der vorstehend erfolgten Erläuterung, dass der berechtigt geltend gemachte kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand nur die Durchsetzbarkeit der hier noch geltend gemachten Ansprüche auf Vernichtung sowie Rückruf aus den Vertriebswegen hindert, begründen sich die vom Senat zuerkannten Rechtsfolgen wie folgt:

1.

Wie das Landgericht dem Grunde nach zutreffend festgestellt hat, sind die Beklagten der Klägerin gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz verpflichtet (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG). Auf die betreffenden Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen mit nachfolgenden Maßgaben verwiesen.

a)

Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Beklagten, sie seien jedenfalls mangels eines Verschuldens nicht schadensersatzpflichtig.

aa)

Für die Begründung der Schadensersatzhaftung nach § 139 Abs. 2 BGB genügt bereits die fahrlässige rechtswidrige Benutzung einer patentierten Erfindung. Fahrlässigkeit ist ausweislich der Legaldefinition in § 276 BGB die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Im gewerblichen Rechtsschutz werden strenge Anforderungen an die Sorgfaltspflicht gestellt; wer seine Interessen trotz zweifelhafter Rechtslage auf Kosten fremder Rechte wahrnimmt, trägt grundsätzlich das Risiko einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung (BGH GRUR 1987, 564, 566 – Taxi-Genossenschaft). Das erforderliche Verschulden wird durch die Rechtswidrigkeit der Benutzungshandlung indiziert, weshalb der Verletzer die seiner Entlastung dienenden Umstände vortragen muss (BGH GRUR 1993, 460, 464).

Auch reine Händler sind vor Aufnahme ihrer Tätigkeit grundsätzlich verpflichtet, sich nach entgegenstehenden Schutzrechten zu erkundigen. Die Kenntnis der für sein Fachgebiet einschlägigen Patente und Patentanmeldungen wird daher von Unternehmen erwartet. Der inländische Importeur hat eine besondere Prüfungspflicht und darf sich etwa auf Angaben des ausländischen Herstellers nicht verlassen, insbesondere nicht auf die nur pauschale Erklärung, eine Patentverletzung liege nicht vor (OLG Düsseldorf GRUR 1978, 588). Die Prüfungspflicht besteht bei Aufnahme von Vertrieb bzw. Produktion. Erfährt der Verletzer die den Verletzungstatbestand begründenden Umstände ohne Verletzung seiner Prüfungspflichten erst nach Aufnahme von Produktion bzw. Vertrieb, so ist ihm eine angemessene Frist zur Prüfung der Rechtslage zuzubilligen, soweit der Verletzungstatbestand nicht ohne weiteres erkennbar ist. Eine Überlegungsfrist kann indessen entbehrlich sein, wenn der Verletzer bereits vorher in ausreichend konkreter Form auf das zu erwartende Schutzrecht hingewiesen worden war (Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O., § 139 Rn. 47 m.w.N.). Die Einholung sachkundigen Rats von erfahrenen Patentanwälten oder patentrechtlich erfahrenen Rechtsanwälten ist zumeist erforderlich, um dem Vorwurf des Verschuldens entgehen zu können, wobei selbst in diesem Falle der Verschuldensvorwurf nicht notwendig entfällt (vgl BGH, GRUR 1977, 250, 252 f. – Kunststoffhohlprofil). Selbst eine günstige Stellungnahme eines Gutachters schließt nicht notwendig ein Verschulden des Verletzers aus; jedenfalls erspart sie ihm keinesfalls eine sorgfältige eigene Prüfung der Sachlage, etwa wenn die Begründung eines günstigen Gutachtens nicht aus sich heraus überzeugt (Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O., § 139 Rn. 50 m.w.N.). Auch insoweit gilt, dass auf eigenes Risiko handelt, wer bei zweifelhafter Rechtslage seine Interessen auf Kosten anderer wahrnimmt (OLG München BeckRS 2012, 16741; Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O., § 139 Rn. 48 m.w.N). Diese Sorgfaltspflichten gelten auch für komplexe technische Gegenstände (wie etwa DVD-Player u.Ä.), bei denen etwaige Patentverletzungen nur mit einem für den Händler beträchtlichen Aufwand festzustellen sind (LG Mannheim InstGE 7, 14).

bb)

Gemäß diesen Grundsätzen steht das Verschulden der Beklagten für den gesamten Zeitraum seit der am 16.11.2005 erfolgten Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents (zuzüglich der üblichen Karenzzeit von einem Monat) außer Frage.

Dies gilt in Anwendung der unter aa) erfolgten Erläuterungen zweifelsohne für solche Benutzungshandlungen der Beklagten, die nach dem ausdrücklichen Verletzungshinweis der Klägerin erfolgten. Insoweit kann nichts Anderes gelten als in einem Falle, in dem der Verletzer eine Abmahnung in Bezug auf die Verletzung erhalten hat (vgl. dazu OLG Düsseldorf Mitt. 2006, 428 – Handy-Permanentmagnet; LG Düsseldorf GRUR-RR 2012, 323 (LS) – Transglutaminase).

Aber auch für die davor liegenden Benutzungshandlungen liegt ein (zumindest einfach) fahrlässiges Handeln der Beklagten vor. Ihr Einwand, es gebe keinen Mobilfunkgerätehersteller, der in der Lage wäre, Mobilfunkgeräte auf den Markt zu bringen, die nicht von irgendwelchen standardessentiellen Patenten, an denen er keine Lizenzen habe, Gebrauch machten, knüpft zwar ersichtlich an die Erwägung des EuGH an, dass dem Verletzer ein SEP möglicherweise unbekannt sein kann. Mit diesen Überlegungen ist es zwar gerechtfertigt, dem SEP-Inhaber zwecks Einleitung des Lizenzierungsprocedere vorsorglich einen Hinweis auf die Verletzung abzuverlangen, um dem anderen Teil Gelegenheit zu geben, sich über dessen Lizenzwilligkeit klar zu werden. Ob zuvor erfolgte Benutzungshandlungen allerdings schuldhaft vorgenommen wurden, ist eine davon sorgsam zu trennende Rechtsfrage. Letzteres gilt schon deshalb, weil (wie ausgeführt) für die Begründung der Schadensersatzhaftung schon – keine Kenntnis voraussetzende – Fahrlässigkeit genügt, während Anlass für die Etablierung der Pflicht zum Verletzungshinweis durch den EuGH war, einer potentiellen Unkenntnis des jeweiligen SEP vorzubeugen, damit der Erfolg der gebotenen Lizenzverhandlungen nicht von vorn herein daran scheitert. Vor diesem Hintergrund mag den Beklagten daher zuzugestehen sein, dass die Benutzung von Patenten im Mobilfunkbereich aufgrund der bekanntermaßen bestehenden „Patentdickichte“ bisweilen schwierig zu erkennen ist. Aber gerade wegen dieser unübersichtlichen Gegebenheiten ist es in besonderem Maße erforderlich, dass selbst ein Händler strenge Sorgfalt walten lassen muss, um Patentverletzungen vorzubeugen. Die Beklagten haben dieser Situation nicht hinreichend Rechnung getragen:

Soweit sie im Zusammenhang mit der Benutzungsdiskussion das Privatgutachten gemäß den Anlagen G 3 und G 11 eingereicht haben, vermag dieses den Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht zu entkräften. Das Privatgutachten geht ersichtlich von einer unzutreffenden Auslegung des Klagepatentanspruchs aus (siehe oben III. 1. b)) und verneint zudem mit nicht überzeugenden Erwägungen eine zwingende Umsetzung der Anspruchsmerkmale im Release 4 des GPRS-Standards (siehe oben III. 1. d) bb) (2)). Überdies lässt es außer Acht, dass es allein auf die objektive Eignung zur Benutzung der klagepatentgemäßen Lehre und nicht darauf ankommt, ob die angegriffenen Ausführungsformen diese jeweils auch tatsächlich verwenden (siehe oben III. 1. d) bb) (3)). Es fehlt mithin an der notwendigen Gesamterheblichkeit des Privatgutachtens. Die aufgeführten Mängel im Privatgutachten hätten die Beklagten bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung der Sachlage selbst feststellen können. Daher war für sie erkennbar, dass es sie vom Vorwurf der fahrlässigen Patentverletzung nicht zu entlasten vermag.

Im Übrigen haben sich die Beklagten (sinngemäß) schlicht mit dem Hinweis auf die oben geschilderte allgemeine Problematik im Telekommunikationsbereich begnügt. Daher ist es ihnen keineswegs gelungen, ihr aufgrund der Rechtswidrigkeit der Benutzung des Klagepatents indiziertes Verschulden zu widerlegen.

Ihr Verschulden übersteigt aus den genannten Gründen den Grad einer leichten Fahrlässigkeit, für den § 139 Abs. 2 S. 2 aF. PatG vorsah, dass das Gericht statt des Schadensersatzes eine Entschädigung festsetzen kann, die in den Grenzen zwischen dem Schaden des Verletzten und dem Vorteil bleibt, der dem Verletzer erwachsen ist. Trotz des – von den Parteien nicht erörterten – Umstandes, dass die Erteilung des Klagepatents noch vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 mit Wirkung zum 1. September 2008 erfolgte, mit dem die Regelung des § 139 Abs. 2 S. 2 a.F. PatG aufgehoben und durch den neuen Satz 2 von § 139 PatG ersetzt wurde, ergibt sich daher im Ergebnis nichts Abweichendes für die Schadensersatzhaftung: Zwar ist maßgeblich für die Beurteilung der Schadensersatzpflicht diejenige Rechtslage, die zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung bestanden hat (vgl. BGH GRUR 2009, 660 Rn. 11 – Resellervertrag). Mangels bloßer Leichtfertigkeit der Beklagten auch im Zeitraum vor dem 01.09.2008 wirkt sich die seinerzeit noch anders gelagerte Rechtslage allerdings nicht entscheidungserheblich aus.

b)

Auch wenn der kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand – wie oben bereits erwähnt – die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach unberührt lässt, ist der zu leistende Schadensersatz der Höhe nach auf dasjenige beschränkt, was sich in Anwendung der Schadensausgleichsmethodik „Lizenzanalogie“ ergibt: Solange der Lizenzsucher sich seinerseits FRAND verhält, d.h. seinen Obliegenheiten jeweils nachkommt, schuldet er deshalb der Höhe nach nur Schadensersatz auf der Basis einer FRAND-Lizenzgebühr (vgl. OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 16061; Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 369 f.; a.A. LG Mannheim, Urteil v. 26.02.2016 – 7 O 38/14): Unabhängig von der Frage, ob einer FRAND-Erklärung bloß deklaratorische oder eine konstitutive Wirkung zukommt, begründet die in ihr enthaltene Verpflichtungszusage in jedem Falle einen Vertrauenstatbestand, so dass es dem SEP-Inhaber, der die Voraussetzungen für einen der Höhe nach unbeschränkten Schadensersatzanspruch schaffen möchte, obliegt, sich entsprechend seiner FRAND-Zusage, auf die der andere Teil sich entsprechend einrichten darf, zu verhalten und das Lizenzierungsprocedere mittels des Vollzugs der ihm vom EuGH auferlegten Pflichten voranzubringen (a.A. LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08379; vgl. dazu näher unter 2c aa).

Da die Klägerin ihrer Verpflichtung zu einem FRAND-Lizenzangebot trotz bestehender Lizenzbereitschaft der Beklagten bislang nicht nachgekommen ist, obwohl die Beklagten bereits vorprozessual ihre Lizenzbereitschaft zum Ausdruck gebracht hatten, gilt Vorstehendes auch für den hier geltend gemachten Schadensersatzanspruch der Klägerin. Die Klärung der maßgeblichen Einzelheiten, was im Einzelfalle eine FRAND-Lizenz ist, ist im vorliegenden Verfahren, in dem nur über den Feststellungsantrag zu befinden ist, also gleichsam nur eine Entscheidung über den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu treffen ist, nicht vonnöten, sondern dies ist einem etwaigen Höheverfahren vorbehalten (vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08379).

c)

Die Auffassung der Beklagten, dass es der Klägerin mit Blick auf die erfolgte Sicherheitsleistung der Beklagten am „Rechtsschutzbedürfnis“ für die Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz fehle, trifft schon deshalb nicht zu, weil ihre Abrechnungen und ihre Sicherheitsleistungen allenfalls Benutzungshandlungen bis einschließlich des 4. Quartals 2016 einschließen. Da es auch in der Folgezeit zu Benutzungshandlungen kam und – wie vom Landgericht zutreffend begründet – zukünftige Benutzungshandlungen hinreichend wahrscheinlich sind, steht das „Rechtsschutzbedürfnis“ ebenso wenig wie das Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 ZPO in Frage.

2.

Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht auch Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung zugesprochen. Auch insoweit kann zunächst auf die einschlägigen Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.

a)

Entgegen der Rüge der Beklagten reicht ihre Verurteilung zur Auskunft und Rechnungslegung nicht etwa über den Inhalt der betreffenden gesetzlichen Ansprüche hinaus (siehe bereits Senatsbeschluss vom 13.01.2016). Namentlich hat das Landgericht in Bezug auf die nach § 140b Abs. 3 Nr. 1 PatG geschuldeten Angaben die gebotene Beschränkung auf „gewerbliche Abnehmer und Verkaufsstellen“ vorgenommen. Soweit die Beklagten offenbar meinen, eine entsprechende Einschränkung hätte global in Bezug auf alle Angaben vorgenommen werden müssen, trifft dies nicht zu. Das Landgericht hat vielmehr unter Ziffer I. 3. a. E. seines Tenors zu Recht einen Wirtschaftsprüfervorbehalt vorgesehen, soweit es um die von Ziffer I. 3. a) – d) des Tenors umfassten Angaben geht und nichtgewerbliche Abnehmer und Angebotsempfänger betroffen sind.

b)

Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung ist nicht durch die von den Beklagten vorgelegte Abrechnung/Rechnungslegung vom 29.09.2015 (Anlage G 18) bzw. durch die weitere Abrechnung für das 4. Quartal 2016 (vgl. Anlage G 51) wegen Erfüllung (§ 362 BGB) erloschen.

Wie schon im Beschluss des Senats vom 13.01.2016 ausgeführt, steht einer Erfüllung bereits entgegen, dass die Abrechnungen nicht die Angaben gemäß Ziffern I. 2. a), b) sowie Ziffern I. 3. a) – d) des Tenors des angefochtenen Urteils enthalten, was auch für die neuerliche Abrechnung für das 4. Quartal (Anlage G 51) gilt. Die bislang vorgelegten Abrechnungen können folglich allenfalls als Teilleistung angesehen werden. Auf eine solche muss sich der Gläubiger jedoch anerkanntermaßen nicht einlassen (s. statt aller Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O., § 139 Rn. 90 m.w.N.).

c)

Abzuändern war das angefochtene Urteil allerdings, soweit es die Ansprüche der Klägerin auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung auch auf Angaben zu Kosten und Gewinn der Beklagten im Zusammenhang mit den rechtswidrigen Benutzungshandlungen erstreckt hat.

aa)

Weil der zu leistende Schadensersatz nämlich – wie unter 1. erläutert – der Höhe nach auf eine FRAND-Lizenz beschränkt ist, muss dementsprechend auch die Rechnungslegung bloß solche Daten umfassen, die für die Schadensermittlung gemäß dieser Methodik notwendig sind (vgl. LG Düsseldorf BeckRS 2016, 08379; Kühnen, a.a.O., Kap. E. Rn. 369). Soweit das Landgericht Düsseldorf (BeckRS 2016, 08379) indessen entschieden hat, die betreffende Beschränkung trete erst ab der Weigerung des Patentinhabers ein, eine FRAND-Lizenz zu erteilen, trägt dies der vom EuGH in den Fokus gestellten Erwartungshaltung Dritter, die sich gerade auf die FRAND-Zusage des SEP-Inhabers als solche gründet, nach Auffassung des Senats nicht hinreichend Rechnung. Das auf die FRAND-Zusage gestützte Vertrauen, dass der SEP-Inhaber einem lizenzbereiten Dritten von sich aus ein FRAND-Angebot unterbreiten wird, rechtfertigt bereits die entsprechende inhaltliche Beschränkung des Schadensersatzanspruchs. Solange der Lizenzsucher seinerseits die ihm auferlegten Obliegenheiten erfüllt und das Nichtzustandekommen eines FRAND-Lizenzvertrages seine Ursache in der Sphäre des SEP-Inhabers findet, muss er (der Lizenzsucher) zwar mangels eines gültigen Lizenzvertrages davon ausgehen, für Benutzungshandlungen schadensersatzpflichtig zu sein. In seinem berechtigten Vertrauen auf ein FRAND-gemäßes Verhalten des SEP-Inhabers hat er aber keinen Anlass zur Annahme, der zu leistende Schadensersatz werde auch denjenigen Betrag umfassen, der sich bei der Schadensermittlung nach den Methoden des „Verletzergewinns“ oder des „entgangenen Gewinns“ ergibt und unter Umständen höher ausfallen kann als in Anwendung der Grundsätze der Lizenzanalogie. Denn bei pflichtgemäßem Verhalten des gleichsam vorleistungspflichtigen SEP-Inhabers könnte dieser einen umfassenderen Schadensersatz erst dann beanspruchen, wenn der andere Teil entweder schon nicht lizenzwillig wäre oder ein vom SEP-Inhaber unterbreitetes FRAND-Angebot nicht annehmen würde, ohne seinerseits ein FRAND-Gegenangebot zu präsentieren und entsprechend Sicherheit zu leisten.

bb)

Ein SEP-Inhaber benötigt die der Klägerin vom Senat aberkannten Angaben zu Kosten und Gewinn nicht für die Berechnung einer FRAND-Lizenz. Gründe, die die Kenntnis der entsprechenden Informationen für die Anwendung der Schadensausgleichungsmethode „Lizenzanalogie“ erforderlich machen könnten, sind nicht ersichtlich (zweifelnd insoweit OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 16061 Rn. 34). Insoweit gilt nichts anderes als für die Anwendung der Grundsätze der Lizenzanalogie in Fällen, in denen der Schadensersatz für die Benutzung eines nicht standardessentiellen Patents zu bestimmen ist.

cc)

Die EuGH-Entscheidung „Huawei Technologies / ZTE“ steht den vorstehenden Erwägungen des Senats nicht entgegen. Der EuGH hat sich allein damit befasst, auf welche Ansprüche wegen Patentverletzung sich die FRAND-Zusage eines SEP-Inhabers dem Grunde nach auswirkt, d.h. ein Durchsetzungshindernis für die entsprechende Klageerhebung nach sich zieht (vgl. insbesondere EuGH a.a.O. Rn 73 f.) Ob darüber hinausgehend die trotz berechtigten FRAND-Einwandes gerichtlich durchsetzbaren Ansprüche auf Auskunft / Rechnungslegung und Schadensersatz inhaltlich bzw. der Höhe nach begrenzt sind, hat der EuGH weder ausdrücklich noch mittelbar entschieden, so dass diesbezüglich kein die nationalen Gerichte bindendes Präjudiz besteht.

dd)

Soweit die Klägerin Auskunft/Rechnungslegung zu Angaben betreffend Kosten und Gewinn begehrt hat, war die Klage nach alledem ebenfalls als derzeit unbegründet abzuweisen.

VIII.

Dass u.a. die vom Senat zuerkannten Ansprüche auf Auskunft/Rechnungslegung sowie auf Schadensersatz nicht verjährt sind, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Dies war daher zu Recht auch nicht Gegenstand der Rechtsmittel der Beklagten.

IX.

Dem hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag der Beklagten war nicht zu entsprechen (§ 148 ZPO).

Wenn ein Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage oder mit einem Einspruch angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).

Jedenfalls soweit es um die – hier vom Senat gerade nicht zuerkannten – Verpflichtungen eines Beklagten zur Unterlassung, zum Rückruf aus den Vertriebswegen sowie zur Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse geht, ist eine (vorläufige) Vollstreckung regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist daher nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Angriff auf seinen Rechtsbestand nicht standhalten wird (BGH GRUR 2014, 1237 – Kurznachrichten).

Davon ausgehend ist hier eine Aussetzung nicht veranlasst, auch wenn an selbige in der Berufungsinstanz grundsätzlich geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn der Kläger in erster Instanz obsiegt hat (vgl. OLG Düsseldorf Mitt. 1997, 257 – Steinknacker). Ob Vorstehendes auch dann gilt, wenn – wie hier – die Zwangsvollstreckung (teilweise) eingestellt worden ist, kann dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob in der Konstellation, dass – wie vorliegend – nur Ansprüche auf Auskunft / Rechnungslegung und Schadensersatz zuerkannt werden, grundsätzlich geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit zu stellen sind, dass das Klagepatent dem Rechtsbestandsangriff nicht standhalten wird (in diesem Sinne OLG Karlsruhe InstGE 12, 220 – MP 3-Standard; vgl. zum Streitstand Cepl/Voß/Cepl, ZPO, 1. A., 2015, § 148 Rn. 145, Rn. 148 m.w.N.). Zumindest im Streitfall würde dies nicht zu einer anderen Beurteilung führen: Denn das Landgericht hat im angefochtenen Urteil dargelegt, dass und warum weder eine unzulässige Erweiterung oder eine mangelnde Ausführbarkeit ersichtlich sind noch die von den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit angeführten Entgegenhaltungen neuheitsschädlichen Stand der Technik darstellen. Diesen Ausführungen, die keinen Rechtsfehler erkennen lassen, sind die Beklagten in der Berufungsinstanz in keiner Weise entgegengetreten. Bei dieser Sachlage fehlt es indes an konkreten Anhaltspunkten, die für eine Vernichtung des Klagepatents sprechen. Davon ausgehend hat die Klägerin aber entgegen der Ansicht der Beklagten auch ein Rechtsschutzbedürfnis nur im Hinblick auf die Vollstreckung ihrer Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche ohne Sicherheitsleistung.

X.

Der Senat übt sein ihm nach Art. 267 Abs. 2 AEUV eingeräumtes Ermessen dahingehend aus, dass er dem EuGH den Fall nicht zur Auslegung des Art. 102 AEUV im Zusammenhang mit im Anschluss an die Rechtssache „Huawei Technologies / ZTE“ neu aufgetretenen Streitfragen vorlegt. Betroffen sind nur Fragen der Implementierung dieser EuGH-Rechtsprechung in das nationale (Verfahrens-)Recht. Der Fall einer Ermessensreduzierung auf Null (vgl. zu anerkannten Fallgruppen Karpenstein, a.a.O., Art. 267 AEUV Rn. 61 ff. m.w.N.) ist hier ersichtlich nicht gegeben.

XI.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 4 ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf den Unterlassungsantrag teilweise in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat gemäß § 91a ZPO die Klägerin unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigen Ermessen die Kosten zu tragen.

Die Klägerin hatte gegen die Beklagten bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses – des Ablaufs des Klagepatents am 25.09.2016 – keinen Unterlassungsanspruch nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG i. V. m. § 9 S. 2 Nr. 1 PatG, weil die Beklagten diesem Anspruch erfolgreich den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand entgegenhalten konnten. Dies folgt daraus, dass die Klägerin den Beklagten bis zu diesem Zeitpunkt kein Lizenzangebot zur FRAND-Bedingungen unterbreitet hat, obwohl diese grundsätzlich lizenzwillig gewesen sind. Bei den Lizenzangeboten vom 29.08.2014 und vom 09.12.2015 folgt dies schon allein daraus, dass es an jedweder Darlegung der Art und Weise der Berechnung der pauschalen Lizenzgebühren fehlte. Ferner genügte die Email vom 09.12.2015 deswegen nicht den vom EuGH aufgestellten Anforderungen, weil sie kein geschlossenes Vertragswerk mit Angaben zu sämtlichen Punkten darstellte, die üblicherweise Regelungsgegenstand eines Lizenzvertrages sind, sondern lediglich optionale Vorschläge zur Höhe der Lizenzgebühren und einigen weiteren Lizenzbedingungen wie Bankgarantie und Abschlussgebühr enthielt. Zuletzt waren beide Angebote ebenso wie das Zwischenangebot vom 05.12.2014 (Anlage AR 50) nicht FRAND-gemäß, weil sie die Beklagten gegenüber X5 diskriminierten, wobei wegen Einzelheiten auf die Ausführungen unter V. 2. d) cc) verwiesen wird.

Es gibt ferner keine sonstigen Gesichtspunkte, denen zufolge es ausnahmsweise der Billigkeit entspricht, den Beklagten im Hinblick auf den Unterlassungsantrag die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, obwohl sie insoweit voraussichtlich in der Hauptsache obsiegt hätten.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage jeweils in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das höchst hilfsweise verfolgte Begehren der Beklagten nach Vollstreckungsschutz (§ 712 ZPO) ist unbegründet, wie erstinstanzlich bereits das Landgericht zutreffend entschieden hat. Daran ist aus den im Beschluss des Senats vom 16.01.2016 (dort unter Ziffer 2a) a.E.) genannten Gründen festzuhalten. Die Beklagten haben zu diesem Thema anschließend nichts Näheres ergänzt.

XII.

Die Revision war zuzulassen, weil die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache liegt u.a. vor, wenn sie entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (BGHZ 151, 221 = NJW 2002, 3029; Cepl/Voß/Bacher, ZPO, 1. A. 2015, § 543 Rn. 7 m.w.N.). Solches ist vorliegend der Fall, weil die Entscheidung unter anderem die Beantwortung solcher Rechtsfragen betrifft, die das – in der Rechtsprechung der Instanzgerichte überaus streitige – Thema der zutreffenden Implementierung der vom EuGH in der Rechtssache „Huawei Technologies / ZTE“ aufgestellten Grundsätze in das nationale (Verfahrens-)Recht umfassen.

XIII.

Der nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 03.03.2017, die jeweils nicht nachgelassenen Schriftsätze beider Parteien vom 13.03.2017 sowie die ferner nicht nachgelassene zwei Schriftsätze der Klägerin vom 27.03.2017 waren im Ergebnis für die Entscheidung des Senats nicht erheblich und gaben folglich keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a S. 2, 156 ZPO).

XIV.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Bis zum 25.09.2016: X Euro.

Ab dem 26.09.2016: X Euro.

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