OLG Hamm, Urteil vom 13.06.2017 - 4 U 174/16
Fundstelle
openJur 2019, 16463
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. September 2016 verkündete Urteil der V. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.

Die Beklagte warb mit dem vom 29. März bis zum 02. April gültigen Prospekt „X“, einer Beilage zum „Z“ vom 26. März 2016, u.a. für ihr Küchensortiment. Auf Seite 14 des Prospektes findet sich das Angebot eines Küchenblocks „S“ zum Preis von 879,00 €. In der hierzu abgebildeten Küchenzeile sind ein Backofen, ein Kühlschrank und eine Dunstabzugshaube integriert. Für jedes der Geräte wird die Energieeffizienzklasse genannt. Weitere Angaben zu den Geräten werden nicht gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Darstellung wird auf die als Anlage K4 zu den Akten gereichte Kopie des Prospektes Bezug genommen.

Lieferantin der Beklagten für die solchermaßen beworbene Küche ist die Firma O. Diese tritt unter der Marke „S“ auf.

Der Kläger mahnte die Beklagte am 05. April 2016 erfolglos wegen Verstoßes gegen § 5a Abs. 2, Abs. 3 UWG ab, da dem Verbraucher in der Werbung für die Küchenzeile ohne Angabe der Hersteller- und Typenbezeichnungen der verbauten Elektrogeräte wesentliche Informationen vorenthalten würden.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm gehöre ausweislich seiner Mitgliederliste (Anlage K1) eine erhebliche Anzahl von Gewerbetreibenden an, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art wie diejenigen der Beklagten auf demselben Markt vertreiben würden. Er hat behauptet, zu seinen Mitgliedern würden die J AG, die P GmbH & Co. KG, die I GmbH, die G GmbH & Co. KG, die U GmbH und die M GmbH & Co. Kg gehören. Er hat hierzu in der erstinstanzlichen Verhandlung am 16. September 2016 eine eidesstattliche Versicherung seiner Geschäftsführerin B vom 17.06.2016 vorgelegt (Anlage zu dem Protokoll vom 16.09.2016), auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Der Kläger hat ferner die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5a UWG gegen die Beklagte zu. Dem Verbraucher werde mit dem beanstandeten Prospekt ein Kaufangebot i.S.d. § 5a Abs. 3 UWG für die Küche unterbreitet. Dementsprechend sei die Beklagte verpflichtet, alle wesentlichen Merkmale der Ware in einem dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang anzugeben. Als wesentliches Merkmal der hier beworbenen Elektrogeräte sei deren jeweilige Hersteller- und die Typenbezeichnung anzusehen. Allein mithilfe dieser Angaben sei eine Identifizierung der Geräte möglich. Erst hierdurch werde der Verbraucher in die Lage versetzt, weitere Eigenschaften der Geräte in Erfahrung zu bringen, und einen Vergleich mit konkurrierenden Angeboten anzustellen. Hierbei könne es schon wegen der Bedeutung der Elektrogeräte für Funktion und Wert der Küche keine maßgebliche Rolle spielen, ob diese einzeln oder in Verbindung mit einem Küchenkorpus angeboten würden. Der Verpflichtung zur Erteilung dieser wesentlichen Informationen stünden keine aus der gewählten Kommunikation resultierenden Beschränkungen entgegen. Da die Beklagte dem Verbraucher hiermit Informationen vorenthalte, die das Unionsrecht als wesentlich erachte, sei ihr Verstoß auch spürbar.

Selbst wenn der Beklagten die Angabe der Typenbezeichnung nicht möglich sei, müsse sie zumindest die wesentlichen Eigenschaften der Elektrogeräte angeben.

Aufgrund des Wettbewerbsverstoßes könne er, der Kläger, gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG eine Abmahnkostenpauschale verlangen. Der Kläger hat behauptet, der hierfür veranschlagte Betrag i.H.v. 178,50 € entspreche dem Anteil der durch die Abmahnung bedingten Kosten an seinen Gesamtkosten im Jahre 2015. In diesem Jahr seien 1.865 Abmahnungen versandt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen des Klägers in der Replik vom 04. August 2016 Bezug genommen.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Gesellschafter, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr gegenüber dem Verbraucher für Küchen zu werben und hierbei die Hersteller- und/oder Typenbezeichnung der beworbenen Elektrohaushaltsgeräte dem Verbraucher vorzuenthalten, wenn dies geschieht wie in dem Prospekt „X“, gültig vom 29. März bis 02. April 2016 auf Seite 14, Anlage K4 zur Klageschrift;

hilfsweise

im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für den Küchenblock „S“ zu werben, wie aus Anlage K4 ersichtlich, und hierbei die Hersteller- und/oder Typenbezeichnung, im Falle des Fehlens einer Typenbezeichnung Angaben über die wesentlichen Eigenschaften der jeweiligen in der Einbauküche enthaltenen Elektrogeräte dem Verbraucher vorzuenthalten;

hilfsweise

im geschäftlichen Verkehr wie aus Anlage K4 ersichtlich, für den Küchenblock „S“ zu werben;

II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 178,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Die klägerische Behauptung, dass es sich bei den in der Mitgliederliste aufgeführten Unternehmen um Mitglieder handele, betreffe eine Rechtsfrage. Es fehle insoweit an Vorbringen des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers, wie die Mitgliedschaft der aufgeführten Unternehmen begründet worden sei.

Die Beklagte hat zudem die Ansicht vertreten, dass ein Verstoß gegen § 5a Abs. 2 UWG nicht angenommen werden könne. Sie hat hierzu behauptet, dass es eine Hersteller- und Typenbezeichnung bei den meisten der auf Seite 14 des in Rede stehenden Prospektes abgebildeten Geräte gar nicht existiere. Soweit es sie gebe, sei sie angegeben worden. Ausweislich des Datenblattes der Firma S zu der beworbenen Küchenzeile (Anlage B3) gebe es lediglich eine Typenbezeichnung für die Küchenzeile als solche. Da die gesonderte Bestellung der Einbaugeräte ebenso wenig vorgesehen sei wie deren Austausch oder der Bezug der Küchenzeile ohne die Elektrogeräte, habe die Firma S keine marktgängigen Typenbezeichnungen für deren Einzelkomponenten geschaffen und ausgewiesen. Eine Pflicht, deswegen solche Bezeichnungen erst zu erfinden, bestehe - so ihre Ansicht – nicht.

Die Beklagte hat ferner die Meinung vertreten, dass eine genauere Kennzeichnung der Elektrogeräte hier schon deshalb nicht als „wesentliche Information“ i.S.d. § 5 a Abs. 2 UWG angesehen werden könne, weil es sich hier um Küchen des unteren Marktsegments handele, in denen bekanntermaßen „No-Name“-Geräte verbaut seien.

Zwar stelle der Verbraucher auch bei Waren des unteren Preissegments Preisvergleiche an. Jedoch komme es hierbei nicht auf einzelne Komponenten der Küchenzeile an, weil diese eben nicht austauschbar seien. Der Verbraucher werde daher allenfalls die gesamte Küchenzeile mit anderen vergleichen. Hierfür stelle sie ihm jedoch alle Informationen, die er benötige, zur Verfügung.

Damit benötige der Verbraucher die geforderten Informationen auch nicht, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Wenn es außer der nach außen kommunizierten Typenbezeichnung des Küchenblocks auch noch (was zu erwarten sei) irgendwelche internen Bezeichnungen der Firma S für die Einzelkomponenten gebe, hätten diese keinen zusätzlichen Informationsgehalt.

Das Vorenthalten der Information sei nicht dazu geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Der Zahlungsanspruch bestehe mangels begründeter Abmahnung nicht.

Die V. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte richtet sich mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt gegen das landgerichtliche Urteil:

Das Landgericht habe die Anspruchsbefugnis des Klägers zu Unrecht angenommen. Es fehle an Tatsachenvortrag des Klägers zu den angeblichen Mitgliedschaften der in der Mitgliederliste aufgeführten Unternehmen. Es sei nicht Sache der Beklagten, hierzu Erkundigungen einzuholen.

Das Landgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 UWG bejaht.

Sie, die Beklagte, habe zutreffend angegeben, dass es sich bei der beworbenen Küche („Küchenblock“) um eine solche der Firma „S“ handelt. Irgendwelche Einschränkungen, dass bestimmte Teilkomponenten nicht von dieser Firma stammen, habe sie nicht gemacht. Eines zusätzlichen Hinweises, dass die in der Küche verbauten Elektrogeräte von der Firma „S“ stammen, habe es damit nicht bedurft.

Das Landgericht habe nicht beachtet, dass es ausweislich des Produktdatenblattes des Küchenblocks keine Typenbezeichnungen für die verbauten Elektrogeräte gebe.

Ein Vorenthalten sei schlechterdings nicht denkbar, wenn die geforderte Information gar nicht existiere. Die Vorschrift des § 5a Abs. 2 UWG zwinge auch nicht etwa dazu, sich selbst derlei Typenbezeichnungen auszudenken und sodann anzugeben.

Selbst wenn man unterstelle, dass irgendwelche (internen) Bezeichnungen des Lieferanten für die einzelnen Komponenten der Küche existieren würden, könne unter Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte nicht von einem Vorenthalten ausgegangen werden. Denn deren Angabe habe für niemand einen Nutzwert. Es könne insoweit nicht von Typenbezeichnungen gesprochen werden. Denn solche entstünden erst, wenn sie vom Hersteller oder einem Dritten vergeben und nach außen kommuniziert würden.

Es fehle auch an der notwendigen Entscheidungsrelevanz. Wenn der Verbraucher tatsächlich nicht erkennen könne, ob in der beworbenen Küche Markenelektrogeräte verbaut seien, dann werde er sich – bei lebensnaher Betrachtung – von dem Angebot abwenden, wenn es ihm tatsächlich darauf ankomme, eine Küche mit Markenelektrogeräten zu kaufen.

Ein Zahlungsanspruch aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bestehe damit nicht.

Die Beklagte beantragt deshalb,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Dortmund vom 16.09.2016, Aktenzeichen 19 O 100/16, abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

              die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor:

Er sei aktivlegitimiert. Er habe dargelegt, welche Mitglieder für die Begründung dieser Aktivlegitimation relevant seien, und dies durch die eidesstattliche Versicherung seiner Geschäftsführerin glaubhaft gemacht In Anbetracht dessen komme es auf die Frage der Art und Weise der Begründung der Mitgliedschaft nicht an.

Dem Landgericht könne nicht vorgeworfen werden, die Voraussetzungen des § 5a Abs. 2 UWG zu Unrecht bejaht zu haben.

Entgegen der Darstellung der Beklagten werde der Hersteller der beworbenen Küche nicht genannt. Benannt werde allein der Name des beworbenen Küchenblocks.

Die Behauptung der Beklagten, dass es für die in der Küche verbauten Elektrogeräte keine Typenbezeichnungen gebe, sei bereits erstinstanzlich bestritten worden. Der Verweis auf das Produktdatenblatt zum Küchenblock ersetze keinen Vortrag. In Anbetracht diverser gesetzlicher Kennzeichnungspflichten zur Identifizierung der Produkte, bestehe für die Beklagte die Möglichkeit, die fehlenden Angaben zu machen. Dies gelte umso mehr, als sie in ihrem Onlineshop auch Datenblätter zu den im beworbenen Küchenblock integrierten Elektrogeräten vorhalte (Anlagen BE1 und BE2). Wenn ihr derlei Angaben nicht möglich seien, müsse sie über die Leistungsmerkmale der Geräte informieren.

Das Landgericht habe zu Recht ein Vorenthalten im Sinne des § 5a UWG darin gesehen, dass die Beklagte dem Verbraucher Angaben zu Hersteller- und Typenbezeichnung vorenthalte. Mithilfe dieser Bezeichnungen seien die Elektrogeräte identifizierbar und dies könne nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden.

Es fehle auch nicht etwa an der Entscheidungsrelevanz. Denn der Verbraucher, der nicht erkennen könne, ob in der beworbenen Küche Markenelektrogeräte verbaut seien, suche das Geschäft der Beklagten auf, um sich dort zu erkundigen.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.

Er hat seiner diesbezüglichen Darlegungslast grundsätzlich schon dadurch Rechnung getragen, dass er in der Klageschrift auf Seite 6 eine erhebliche Anzahl von Mitgliedsunternehmen benannt hat, die auf dem maßgeblichen Markt tätig sind.

Hierbei mag es sich bei der Bezeichnung dieser konkreten Unternehmen – und nur um diese geht es vorliegend - als „Mitglieder“ um eine sog. Rechtstatsache handeln. Insoweit bedurfte es jedoch keiner weiteren Substantiierung. Denn die Beklagte hat diesen Vortrag im Folgenden mit der Klageerwiderung vom 27.01.2017 nicht erheblich bestritten. Hierin beschränkte sie sich nämlich im Grunde auf den Vorwurf der unzureichenden Substantiierung des Klagevorbringens. Die weitere Argumentation erschöpfte sich im Wesentlichen in der „Originaleinblendung“ eines Schriftsatzes aus dem vorangegangenen Rechtsstreit mit dem Az. 10 O 108/12 vor dem LG Dortmund sowie der Schilderung des dortigen Verfahrensablaufs.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, hätte der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast jedenfalls durch Vorlage der - im Rahmen des hier maßgeblichen Freibeweises ausreichenden (vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Aufl., § 8 Rn. 3. 65) - eidesstattlichen Versicherung seiner Geschäftsführerin vom 17.06.2016 in der erstinstanzlichen Verhandlung am 16.09.2016 genügt. Denn hierin finden sich nähere Angaben z.B. zum Zeitpunkt des jeweiligen Verbandsbeitritts. Diesen Vortrag stellt die Beklagte auch mit der Berufungsbegründung nicht in Frage.

II.

Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet.

1.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2; 3; 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 UWG zu.

a)

Die Beklagte hat dadurch, dass sie in der beanstandeten Werbung für den auf Seite 14 des Prospektes abgebildeten Küchenblock weder Hersteller- noch Typenbezeichnungen der integrierten Elektrogeräte - mit Ausnahme des Untertisch-Kleinspeichers - angegeben hat, gegen §§ 5a Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 UWG verstoßen.

In dem Werbeprospekt wird die Küche unter Hinweis auf ihre Merkmale und ihren Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann – und dies stellt selbst die Beklagte mit der Berufung nicht in Frage.

aa)

Demzufolge waren alle im Sinne von § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG wesentlichen Merkmale der beworbenen Küche anzugeben. Hierzu gehört auch die Hersteller- und Typenbezeichnung der integrierten Elektrogeräte.

(1) Die Frage, ob ein Merkmal wesentlich ist, ist weder in § 5 a Abs. 3 Nr. 1 UWG noch in dem dieser Vorschrift zugrunde liegenden Art. 7 Abs. 4 lit. a der UGP-Richtlinie aufgelistet oder definiert.

Sofern es – wie im Streitfall – nicht um Informationen geht, die als wesentlich gelten, weil sie dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen, ist diese Frage nach den Vorgaben des § 5 a Abs. 2 UWG, mit dem die in Art. 7 Abs. 1 und 3 der UGP-Richtlinie enthaltenen Regelungen in deutsches Recht umgesetzt worden sind, anhand der Umstände des Angebots, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie des verwendeten Kommunikationsmediums zu beurteilen. In solchen Fällen ist es dabei Sache des nationalen Gerichts, im Einzelfall unter Berücksichtigung der Umstände der Aufforderung zum Kauf, des verwendeten Kommunikationsmediums sowie der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts zu beurteilen, ob der Verbraucher in die Lage versetzt wird, eine informationsgeleitete geschäftliche Entscheidung zu treffen, wenn nur bestimmte das Produkt kennzeichnende Merkmale genannt werden (EuGH, GRUR 2011, GRUR 2011, 930 – Ving Sverige; BGH GRUR 2014, 584, 585 -Typenbezeichnung).

Für die Beurteilung der Frage, welche Merkmale als wesentlich i.S.v. § 5 a Abs. 3 Nr. 1 UWG anzusehen sind, ergeben sich Hinweise aus dem Katalog in § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG, in dem – in Umsetzung des Art. 6 Abs. 1 lit. b der UGP-Richtlinie – beispielhaft wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung aufgezählt sind, über die der Unternehmer keine unwahren oder sonst zur Täuschung geeigneten Angaben machen darf. Dieser Katalog ist allerdings einerseits erklärtermaßen („… wie …“) nicht abschließend und reicht andererseits tendenziell zu weit; denn der Umstand, dass der Verbraucher über Merkmale des beworbenen Produkts gem. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG nicht getäuscht werden darf, besagt noch nicht, dass er Informationen über diese Merkmale auch bei einer geschäftlichen Entscheidung im Falle eines Angebots benötigt. Die wesentlichen Merkmale des angebotenen Produkts müssen nach § 5 a Abs. 3 Nr. 1 UWG im Übrigen nur in dem für dieses und das verwendete Kommunikationsmittel angemessenen Umfang angegeben werden. In welchem Umfang Informationen zu geben sind, lässt sich daher immer nur im Einzelfall im Blick auf die konkret in Rede stehende geschäftliche Handlung beurteilen. Die Nichtinformation über ein Merkmal des angebotenen Produkts ist dann als unlauter anzusehen, wenn sie zur Folge hat, dass der Durchschnittsverbraucher gehindert ist, die geschäftliche Entscheidung, vor die ihn das Angebot stellt, informationsgeleitet zu treffen (zum Vorstehenden BGH GRUR 2014, 584, 585 – Typenbezeichnung).

(2) Die Hersteller- und Typenbezeichnungen der integrierten Küchengeräte stellen in diesem Sinne ein wesentliches Merkmal der beworbenen Küchenzeile dar.

Denn erst sie gestatten dem Verbraucher die zweifelsfreie Identifizierung der Elektrogeräte. Sie eröffnen ihm damit die Möglichkeit, Informationen über Ausführung und technische Daten wie auch den durchschnittlichen Preis der Geräte zu erlangen. Sie erlauben ihm darüber hinaus, sich ein Urteil über die Qualität und den Wert derselben zu bilden (vgl. BGH GRUR 2014, 584, 585 –Typenbezeichnung).

Hierbei handelt es sich um maßgebliche Informationen zur konkreten technischen Ausstattung der Küche, einem produktbezogenen Umstand, ohne den der Durchschnittsverbraucher zu einer informationsgeleiteten geschäftlichen Entscheidung insbesondere dann nicht in der Lage ist, wenn ihm – wie hier – außer der Energieeffizienzklasse keinerlei technische Details der Elektrogeräte genannt werden.

Die konkrete technische Ausstattung, mithin die Produktidentität der integrierten Elektrogeräte, die im weitesten Sinne noch zur Grundausstattung einer Küche gehören, stellt einen entscheidenden Faktor für die Einschätzung der Brauchbarkeit der angebotenen Küche im Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse des angesprochenen Verbrauchers dar, und zwar auch und gerade im Vergleich zu anderen Angeboten. Die Qualität der Geräte ist ein maßgeblicher Aspekt für die Einschätzung der Werthaltigkeit des Küchenangebots. Ihre Einzelpreise bieten einen Anhaltspunkt für die Einschätzung der Angemessenheit des hier allem Anschein nach besonders günstigen Gesamtpreises. Die Produktidentität der integrierten Geräte ermöglicht damit zwar keinen abschließenden Preisvergleich, bietet jedoch zumindest einen Anhaltspunkt zur Einschätzung des jeweiligen Preis-/Leistungsverhältnisses.

Hierbei spielt es keine Rolle, dass auch technisch identische Geräte durchaus unter unterschiedlicher Hersteller- und/oder Typenbezeichnung vertrieben werden. Denn dies bedeutet nicht, dass die jeweilige Bezeichnung nicht geeignet ist, die Geräte zweifelsfrei zu identifizieren, und hierauf aufbauend einen Vergleich der technischen Ausstattung der Küchen anzustellen (vgl. BGH, aaO.).

bb)

Die Beklagte hat den Verbrauchern diese wesentlichen Informationen i.S.d. § 5a Abs. 2 UWG vorenthalten.

(1) Denn die beanstandete Anzeige enthält hierzu keinerlei Angaben.

Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die fehlende Herstellerangabe, sondern auch im Hinblick auf die fehlende Typenbezeichnung.

(a) Die Beklagte bewirbt den in Rede stehenden Küchenblock zwar unter der Bezeichnung „S“. Dem kann der Verbraucher jedoch allenfalls, wenn überhaupt entnehmen, dass es sich bei diesem selbst um einen solchen des unter Marke „S“ handelnden Herstellers handelt.

Denn der angesprochene Verbraucher, dessen Verkehrsauffassung die Mitglieder des erkennenden Senates aufgrund eigener Sachkunde beurteilen können (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm/Köhler/Feddersen, UWG, 35. Aufl., § 5 Rn. 1.233), versteht unter dem Begriff „Küchenblock“ lediglich die Küche als solche und geht damit eben nicht davon aus, dass sämtliche Angaben zum „Küchenblock“ sich (selbstverständlich) auch auf die integrierten Elektrogeräte beziehen, zumal auch in der Angebotsdarstellung einerseits von dem Küchenblock und anderseits von Elektrogeräten, Spüle, Armatur und Arbeitsplatte die Rede ist. Dies sieht die Beklagte offensichtlich nicht anders, wenn sie ausdrücklich darauf hinweist, dass der Angebotspreis sich inklusive der (integrierten) Elektrogeräte versteht. Denn solcher Hinweise würde es nicht bedürfen, wenn aus Sicht des Verbrauchers der Begriff „Küchenblock“ selbstredend auch die integrierten Elektrogeräte umfassen würde.

(b) Es kann auch davon ausgegangen werden, dass für die in Rede stehenden Elektrogeräte, wie dies gängige Praxis ist, sog. Typenbezeichnungen existieren – und dies wird durch die mit der Berufungserwiderung als Anlagen BE1 und BE2 vorgelegten Datenblätter bestätigt, ohne dass es hierauf streitentscheidend ankommt. Denn hierunter ist nichts anderes zu verstehen als, dass die entsprechenden Modelle unter bestimmten Bezeichnungen geführt werden. Dass dies der Fall ist, stellt die Beklagte selbst gar nicht in Abrede, wenn sie einräumt, dass es erwartungsgemäß „interne Bezeichnungen“ der Firma O für die Einzelkomponenten gebe, und sie behauptet auch nicht etwa, dass sie sich diese nicht verschaffen könnte.

Dass die Bezeichnungen in der als Anlage B3 zu den Akten gereichten „Produktinformation“ für den Küchenblock nicht aufgeführt sind, ist wenig aussagekräftig. Denn es handelt sich hierbei um ein im Hinblick auf die Elektrogeräte nicht zwingend ausschließlich maßgebliches und dementsprechend nicht zwangsläufig vollständiges Datenblatt.

Die (Typen-)Bezeichnungen der unter der Marke „S“ handelnden Lieferantin mögen nicht gleichermaßen „marktgängig“ sein wie diejenigen renommierter Markenhersteller. Dies ändert jedoch nichts an ihrer Eignung zur zweifelsfreien Identifizierung der Geräte – und zumindest dies stellt die Beklagte nicht in Frage.

(2) Zwar stellt nicht jedes Unterbleiben einer inhaltlich wesentlichen und mit Blick auf den aktuellen bzw. potentiellen Kenntnisstand des Verbrauchers an sich nötigen Information ein Vorenthalten i. S. von § 5a Abs. 2 UWG dar (vgl. Lindacher in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 2. Aufl. 2013, § 5a, Rn. 33). Vielmehr sind bei der Beurteilung, ob das Unterbleiben einer Information ein irreführendes „Vorenthalten“ ist, nach dem für die richtlinienkonforme Auslegung der Norm maßgeblichen Art. 7 Abs. 3 UGP-Richtlinie, der sog. Medienklausel – und diese ist mit § 5a Abs. 5 UWG umgesetzt -, die Besonderheiten des Kommunikationsmittels wie auch der Umstand zu berücksichtigen, ob die Information in einem solchen Fall anderweitig mitgeteilt wird (hierzu Harte/Henning/Dreyer, UWG, 4. Aufl., § 5a Rn. 92ff.).

Allerdings bestehen für das hier in Rede stehende Kommunikationsmittel keine nennenswerten räumlichen oder zeitlichen Beschränkungen. Es ist nicht ersichtlich, warum eine Angabe der geforderten Informationen in der beanstandeten großformatigen Werbung nicht unschwer möglich wäre. Die abgedruckte Marken- und Typenbezeichnung für den „Untertisch-Kleinspeicher“ zeigt vielmehr, dass derlei Angaben in entsprechender Schriftgröße verhältnismäßig wenig Raum beanspruchen.

Dementsprechend überwiegt im Allgemeinen wie auch vorliegend das Informationsinteresse des Verkehrs. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, die demgegenüber ein überwiegendes Interesse der Beklagten begründen könnten, derlei wesentlichen Informationen nicht nach außen zu kommunizieren und damit von vorneherein deren „Marktgängigkeit“ zu konterkarieren.

b)

Es kann dahinstehen, ob unter der Geltung des nunmehrigen § 5a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UWG von einer stets gegebenen geschäftlichen Relevanz beim Vorenthalten einer wesentlichen Information nicht (mehr) ausgegangen werden kann (so u.a. Alexander WRP 2016, 139, 142; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Aufl., § 5a Rn. 3.43f.; Ohly GRUR 2016, 3, 5f.; jeweils mwN zum Meinungsstand).

Denn das Vorenthalten der Hersteller- und Typenbezeichnung ist durchaus geeignet, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung i.S.d. § 2 Nr. 9 UWG zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UWG).

Im Regelfall kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der durchschnittliche Verbraucher voraussichtlich eine andere Entscheidung getroffen hätte, wenn er die Informationen gehabt hätte (so selbst Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Aufl., § 5a Rn. 3.44). Vorliegend gilt nichts anderes. Gerade die unzureichenden Angaben sind dazu geeignet, den Verbraucher zu veranlassen, einen der Märkte der Beklagten aufzusuchen, um sich dort die fehlenden Informationen zu verschaffen – und dies wäre nicht erforderlich, wenn er sich zuvor selbst hätte ein Bild machen können. Schon dies stellt eine geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers i.S.d. § 2 Nr. 9 UWG dar, die die Absatzchancen des Unternehmens erfahrungsgemäß erhöht (hierzu Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, 35. Aufl., § 2 Rn. 156f. mwN). Denn eine geschäftliche Entscheidung ist gem. Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will. Dieser Begriff erfasst außer der Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts als solcher auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH GRUR 2014, 196, 198 – Trento Sviluppo; BGH GRUR 2015, 698, 700 - Schlafzimmer komplett).

c)

Die Wiederholungsgefahr wird sodann aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (vgl. Köhler/Bornkamm/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 8 Rn. 1.43).

2.

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkostenpauschale folgt aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, da die Abmahnung vom 05.04.2016 berechtigt war.

Die Pauschale ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das einfache Bestreiten der Beklagten ist in Anbetracht des insoweit dezidierten Klagevorbringens zu den Grundlagen der veranschlagten Kostenpauschale, und zwar in der Replik vom 04. August 2016 unter 4. nicht erheblich.

C.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.