AG Aachen, Urteil vom 29.10.2015 - 447 Ds 249/15
Fundstelle
openJur 2019, 14945
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 71 Ns 15/16
Tenor

Der Angeklagte wird wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80,00 Euro verurteilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die eigenen Auslagen zu tragen.

Angewendete Vorschriften:

§§ 33 i. V.m. 22, 23 KUG

Gründe

I.

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung XX Jahre alte Angeklagte ist von Beruf Journalist und verfügt über ein abgeschlossenes Hochschulstudium.

Strafrechtlich ist er bisher nicht in Erscheinung getreten.

II.

In der Hauptverhandlung hat das Gericht zu der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat folgende Feststellungen getroffen:

Am XX.XX.2014 gegen 17:30 Uhr hielt sich der Angeklagte als Patient im Bereich der Anmeldung der Notaufnahme des Krankenhauses in B-Stadt auf. Dort nahm er in dem Bereich der Anmeldung den dunkelhäutigen Patienten N wahr und hörte zugleich die Wortfetzen: "Fieber", Ebola", "Belgien", "Kongo". Der Patient N wurde von Mitarbeitern des Krankenhauses in B-Stadt mit Mundschutz und Handschuhen versorgt und aufgefordert, sich in einem durch Bodenmarkierung abgegrenzten Bereich nahe der Anmeldung aufzuhalten. Dieser Bereich verfügt nicht über einen besonderen Sichtschutz. Im Bereich der Anmeldung zur Notaufnahme hielten sich zu diesem Zeitpunkt ca. 40 Personen auf.

Der Angeklagte beschäftigte sich im Oktober 2014 aus beruflichen Gründen intensiv mit dem Thema Ebola und arbeitete an einer Dokumentation über Ebola für das ZDF-Magazin Frontal 21, die am XX.XX.2014 im ZDF gesendet wurde. Aus den mitgehörten Gesprächsfetzen schloss er, dass der Zeuge N möglicherweise an Ebola erkrankt war. Er fertigte daraufhin mit seinem Diensthandy Fotos des Zeugen N, da er die Öffentlichkeit darüber informieren wollte, dass es im Krankenhaus in B-Stadt keine Isolierstation für Menschen gibt, die möglicherweise mit Ebola infiziert sind und aus seiner Sicht durch das Krankenhaus ein fahrlässiges Verhalten im Umgang mit möglichen Ebola-Fällen bestand. Der Angeklagte folgte dem Zeugen N zum Behandlungszimmer. Dabei hatte er sein Handy weiterhin in der Hand. Als der Zeuge N den Angeklagten bemerkte, rief er laut: "Warum willst du mich fotografieren? Ich will das nicht." Daraufhin entfernte sich der Angeklagte.

Der Angeklagte wurde anschließend von der behandelnden Ärztin Dr. F auf die zuvor gefertigten Fotos angesprochen und gebeten, das Bildmaterial zu löschen. Die Zeugin Dr. F teilte dem Angeklagten mit, dass sich der Ebola-Verdacht bei dem Zeugen N nicht bestätigt habe. Nachdem der Angeklagte gegenüber der Zeugin Dr. F das Löschen der gefertigten Aufnahme mit dem Hinweis auf seine journalistische Tätigkeit ablehnte, schaltete das Krankenhaus in B-Stadt die Polizei ein, die den Angeklagten anschließend ebenfalls vergeblich aufforderte, das gefertigte Bildmaterial zu löschen.

Der Angeklagte bot die von ihm gefertigte Bilddatei anschließend unter anderem der Zeitung in B-Stadt, dem Magazin Frontal 21 sowie den Heute-Nachrichten an, die eine Veröffentlichung jedoch ablehnten. Schließlich gab er die Bildaufnahmen einem Bekannten bei der D-zeitung zur Veröffentlichung weiter, mit der Folge, dass am XX.XX.2014 die Aufnahme des Geschädigten aus dem Eingangsbereich der Notaufnahme des Krankhauses in B-Stadt in der Online-Ausgabe der D-zeitung zunächst unverpixelt abrufbar war und anschließend in der Print-Ausgabe verpixelt abgedruckt und jeweils unter der Überschrift "Ebola-Verdächtiger wartet 40 Minuten im Klinik-Flur" veröffentlich wurde.

Als der Angeklagte feststellte, dass das von ihm aufgenommene Bild in der Online-Ausgabe der D-zeitung zunächst unverpixelt erschien, schrieb er an den Mitarbeiter der D-zeitung Y per E-Mail unter dem Betreff: "Ebola-Typ ist online nicht!!! Gepichelt" (gemeint war gepixelt): "Kollege, das geht nicht. Wir kriegen Ärger!!!!"

Dass der Zeuge N mit der Aufnahme, Weitergabe und Veröffentlichung der Bilder nicht einverstanden war, war dem Angeklagten aufgrund der vorangegangenen Äußerungen des Geschädigten sowie der Mitarbeiter des Krankenhauses in B-Stadt sowie der Polizeibeamten bewusst.

III.

Die Feststellungen des Gerichts beruhen auf der geständnisgleichen Einlassung des Angeklagten, der das Geschehen in der Hauptverhandlung im Wesentlichen so geschildert hat, wie es in den getroffenen Feststellungen seinen Niederschlag gefunden hat. Ergänzend zu der Einlassung des Angeklagten beruhen die Feststellungen des Gerichts auf den in der Hauptverhandlung mit Zustimmung des Angeklagten, seines Verteidigers und der Staatsanwaltschaft gemäß § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesenen Aussagen der Zeugen N (Bl. 40 d.A.), Dr. F (Bl. 46 ff.d.A.), L (Bl. 53 ff. d.A.) I (Bl. 58 ff. d.A.), O (Bl. 63 ff. d.A.) und S (Bl. 73 ff. d.A.) sowie der verlesenen E-Mails Bl. 13 u. 14 d.A. sowie Bl. 195 d. A.

Die Einlassung des Angeklagten ist hinsichtlich der objektiven Tatumstände glaubhaft und steht hinsichtlich des wesentlichen Kerngeschehens mit den verlesenen Zeugenaussagen im Einklang.

IV.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte des unbefugten Verbreitens eines Bildnisses nach §§ 33 i.V.m. 22, 23 KUG schuldig gemacht.

Bei der von dem Angeklagten gefertigten Bilddatei handelt es sich um ein Bildnis im Sinne des § 33 KUG. Indem er dieses an einen ihm persönlich bekannten Mitarbeiter der D-zeitung zur Veröffentlichung weitergab, hat er es verbreitet im Sinne des § 33 KUG. Dabei ist Verbreiten im Sinne des § 33 KUG grundsätzlich jede Art der Weitergabe körperlicher Exemplare an Dritte. Unbeachtlich ist dabei, ob die Verbreitung entgeltlich, zu kommerziellen Zwecken oder mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt. Ebenso wenig kommt es beim Bildnisschutz auf eine Verbreitung an die Öffentlichkeit an. Denn im Grundsatz führt bereits die Verbreitung an Einzelpersonen zu einem der Kontrolle und dem Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten vorbehaltenen Übergang des Bildnisses in die Verfügungsgewalt eines anderen (Dreier/Specht, 4. Aufl. 2012, § 22 KUG Rn 9 mit weiteren Nachweisen).

Bei der Weitergabe der Bilddatei an einen Mitarbeiter der D-zeitung handelt es sich nicht, wie der Angeklagte meint, um einen rein presseinternen Vorgang ohne Außenwirkung. Der Fall ist insofern nicht vergleichbar mit dem vom Angeklagten zitierten und vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Weitergabe von Bildnissen durch eine Bildarchivagentur an ein Presseunternehmen (BGH vom 07.12.2010, GRUR 2011, 266). Der BGH hat für diesen Fall entschieden, dass der quasi presseintern bleibende Abruf von Bildnissen durch Presseunternehmen keine Verbreitungshandlung des Betreibers eines Bildarchivs darstelle, da das Bildarchiv in diesem Fall eine typischerweise pressebezogene Hilfstätigkeit erbringe, die vergleichbar mit dem Fall sei, dass ein Medienunternehmen auf ein eigenes Bildarchiv zurückgreife. Dem Betreiber des Bildarchivs obliege es daher grundsätzlich nicht, die Zulässigkeit der beabsichtigten Presseberichterstattung nach Maßgabe der §§ 22, 23 KUG zu prüfen.

Hier hat der Angeklagte jedoch nicht lediglich eine bereits existierende Bilddatei weitergegeben, sondern diese selbst gefertigt und in dem Bewusstsein, dass der Berechtigte mit einer Veröffentlichung nicht einverstanden war, an einen ihm bekannten Redakteur der D-zeitung weitergegeben. Er hat insofern nicht lediglich eine presseinterne Hilfstätigkeit ohne Außenwirkung vorgenommen, sondern das Bild erst in die Welt gesetzt und anschließend mit dem Ziel der Veröffentlichung an einen Presseredakteur weitergegeben und damit verbreitet.

An dem Tatbestandsmerkmal des Verbreitens fehlt es auch nicht deswegen, weil der betreffende Mitarbeiter der D-zeitung dem Angeklagten privat bekannt war. Zwar dürfte im rein privaten Bereich unter engen Freunden oder im engsten Familienkreis von einem Verbreiten im Sinne des § 33 KUG nicht auszugehen sein. Eine solche rein private Weitergabe im engsten Umfeld ist hier jedoch nicht gegeben, da der Angeklagte die entsprechende Bilddatei zunächst auch weiteren Medien zur Veröffentlichung anbot und die Weitergabe an den Bekannten bei der D-zeitung bewusst mit dem Ziel der anschließenden Veröffentlichung erfolgte.

Der Angeklagte verbreitete das Bildnis auch entgegen der §§ 22, 23 KUG. Eine Einwilligung im Sinne des § 22 S. 1 KUG des Zeugen N lag unzweifelhaft nicht vor. Vielmehr erklärte dieser gegenüber dem Angeklagten, nachdem er bereits fotografiert worden war, dass er dies nicht möchte.

Der Angeklagte war auch nicht gemäß § 23 KUG berechtigt, das Bildnis ohne die Einwilligung des Zeugen N zu verbreiten. Insbesondere handelt es sich bei dem Zeugen N nicht um eine Person der Zeitgeschichte. Zwar gab es zum Zeitpunkt der Aufnahme des Bildes durchaus ein öffentliches Interesse an Ebola. Bei Weitergabe des Bildes war dem Angeklagten aber bereits bekannt, dass der Zeuge N nicht an Ebola litt. An der Person des Zeugen N und dessen Erkrankung gab es bis zur Aufnahme des Bildes keinerlei öffentliches Interesse. Soweit an der Berichterstattung über Ebola bzw. den Vorkehrungen des Krankenhauses in B-Stadt für Ebola-Fälle ein öffentliches Interesse bestand, bedurfte es für einen entsprechenden Bericht keiner Abbildung des Zeugen N.

Der Angeklagte handelte hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich. Ihm war aufgrund der Diskussion um die Löschung des Fotos auch bewusst, dass der Zeuge N mit der Aufnahme und Weitergabe seines Bildnisses nicht einverstanden war.

Das Verbreiten des Bildes war nicht durch die Pressefreiheit gerechtfertigt. Die vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und der Freiheit der Presse hinsichtlich der inhaltlichen und formalen Berichterstattung ergibt kein überwiegendes Interesse des Angeklagten an der Verbreitung des Bildes. Dabei war der Angeklagte durchaus berechtigt, über Missstände im Krankenhaus in B-Stadt zu berichten beziehungsweise eine entsprechende Berichterstattung durch die Medien anzufachen. Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsrechte des Zeuge N hätte er hierzu jedoch ohne dessen Einwilligung nicht dessen Bildnis, auf dem dieser mit Mundschutz und Handschuhen versehen, unvorteilhaft und bloßstellend abgebildet ist, weitergeben dürfen. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass der Informationsgehalt des Bildes gering ist und der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Zeugen N schwer wiegt, da dieser als Patient im Bereich der Notaufnahme besonders schutzbedürftig war und durch den vom Angeklagten in die Welt gesetzten Verdacht einer Ebola-Erkrankung die Gefahr einer Stigmatisierung und Ausgrenzung des Zeugen N bestand.

Der Angeklagte handelte schuldhaft. Sofern ihm die Unrechtseinsicht fehlte, weil er der Annahme war, das Verbreiten des Bildnisses sei durch die Pressefreiheit gerechtfertigt, war dieser Irrtum vermeidbar im Sinne des § 17 StGB. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass er durch Mitarbeiter der Polizei sowie des Klinikums auf die Strafbarkeit seines Verhaltens hingewiesen wurde.

Demgegenüber liegt eine Strafbarkeit wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen nach den §§ 201a Abs. 1 u. Abs. 2 alte Fassung StGB nicht vor. Nach der glaubhaften Einlassung des Angeklagten und den verlesenen Zeugenaussagen steht fest, dass das Foto im Bereich der Anmeldung des Krankenhauses aufgenommen wurde, wo sich kein besonderer Sichtschutzbereich befindet und sich zu diesem Zeitpunkt ca. 40 Personen aufhielten. Bei der Notfallaufnahme des Krankenhauses handelt es sich nicht um einen gegen Einblicke besonders geschützten Raum im Sinne des § 201a Abs. 1 StGB, da dieser eine unbegrenzten Anzahl von Personen zugänglich ist und ein besonderer Sichtschutz nicht besteht. Eine Strafbarkeit nach § 201a Abs.1 alte Fassung StGB scheidet daher aus tatsächlichen Gründen aus.

Der für die Strafbarkeit nach § 33 KUG erforderliche Strafantrag wurde gestellt.

V.

§ 33 KUG sieht Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder Geldstrafe vor.

Das Gericht hat den Strafrahmen nach §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da der Angeklagte subjektiv überzeugt war und weiterhin davon überzeugt ist, rechtmäßig im Sinne der Pressefreiheit gehandelt zu haben. Gemäß § 49 Abs. 1 StGB ist daher von einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 9 Monaten oder Geldstrafe bis zu 270 Tagessätzen auszugehen.

Das Gericht hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er hinsichtlich des objektiven Tatbestands in vollem Umfang geständig und eine umfangreiche Beweisaufnahme daher entbehrlich war. Zudem hat das Gericht strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte bisher nicht vorbestraft ist. Weiterhin hat das Gericht strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte aus journalistischem Antrieb und in der Absicht über Missstände zu berichten, eine Situation aufgegriffen hat, in der der Zeuge N mit Mundschutz und Handschuhen ausgestattet dem Blick einer Vielzahl von Personen ausgesetzt und bereits dadurch bloßgestellt war. Schließlich hat das Gericht auch strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte, wie sich aus seiner E-Mail vom XX.XX.2014 an den Mitarbeiter der D-zeitung Y ergibt, jedenfalls eine unverpixelte Veröffentlichung des Bildes nicht angestrebt hatte und insofern in gewissem Maße Anstand und Unrechtseinsicht zeigte.

Zu Lasten des Angeklagten wirkte sich jedoch aus, dass er trotz der Hinweise von Klinikmitarbeitern und Polizei hartnäckig die Verbreitung des Bildes anstrebte, indem er dieses sowohl der Zeitung in B-Stadt, den Heute-Nachrichten, der Sendung Frontal 21 und schließlich der D-zeitung anbot, wobei es ihm gerade darum ging, durch die Weitergabe an einen anderen Journalisten die Veröffentlichung des Bildes gegenüber einer möglichst großen Anzahl von Personen zu erreichen.

Angesichts dieser Umstände und unter Berücksichtigung der weiteren in § 46 StGB aufgeführten Strafzumessungserwägungen hielt das Gericht die verhängte Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80,-- € für tat- und schuldangemessen. Die Tagessatzhöhe ergibt sich aus den vom Gericht geschätzten wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Angeklagte, der als Redakteur für die Sendung Frontal 21 arbeitet, mindestens über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.400,-- € verfügt.

VI.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf § 465 StPO.