AG Bonn, Beschluss vom 12.10.2017 - 34 VI 352/17
Fundstelle
openJur 2019, 13798
  • Rkr:
Tenor

Der Zeuge Prof. Dr. L ist zur Zeugnisverweigerung nicht berechtigt.

Gründe

I.

Die am 16.11.2016 in Bonn verstorbene Erblasserin hinterlässt verschiedene Testamente, u.a. ein notarielles Testament vom 01.02.2016.

Die Beteiligte zu 1) behauptet, die Erblasserin sei bei Errichtung des notariellen Testaments am 01.02.2016 nicht testierfähig gewesen.

Das Gericht erhebt Beweis über die Testierfähigkeit der Erblasserin am 01.02.2016. Nach Auskunft der Beteiligten zu 1) befand sich die Erblasserin im März 2016 in der Universitätsklinik Bonn.

Das Gericht hat die Universitätsklinik mit Schreiben vom 19.04.2017 um Übersendung der Behandlungsunterlagen gebeten. Dies lehnte diese mit Schreiben vom 23.05.2017 mit der Begründung ab, dass die Übersendung der Behandlungsunterlagen nicht im Interesse der Erblasserin sei und daher aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht in Betracht komme. Dazu führte die Universitätsklinik Bonn aus, dass den Notar bei Errichtung eines notariellen Testaments eine besondere Prüfungspflicht treffe und er sich von der Testierfähigkeit des Erblassers überzeugen müsse. Ein Erblasser wolle durch die Errichtung eines notariellen Testaments daher gerade vermeiden, dass nach seinem Ableben seine etwaig übergangenen gesetzlichen Erben im Nachhinein möglicherweise mit Erfolg seine Testierfähigkeit in Frage stellen können, wodurch das notarielle Testament unwirksam werden würde.

Daraufhin hat das Gericht Herrn Prof. Dr. L als Zeugen geladen. Mit der vorstehenden Begründung hat der Zeuge eine Zeugenaussage unter Berufung auf das ihm seiner Ansicht nach zustehende Zeugnisverweigerungsrecht verweigert.

II.

Dem Zeugen Prof. Dr. L steht kein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 30 FamFG i.V.m. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu.

Der Arzt hat zu Lebzeiten seiner Patienten seine ärztliche Schweigepflicht zu beachten. Die ärztliche Schweigepflicht reicht auch über den Tod des Patienten hinaus. Nach dem Tod der Patienten ist zu prüfen, ob sie zu Lebzeiten geäußert haben, dass der Arzt nach ihrem Tod schweigen soll bzw. dass er Angaben machen darf. Gibt es eine solche Äußerung nicht, ist der mutmaßliche Wille der Verstorbenen zu erforschen, also zu prüfen, ob sie die Offenlegung mutmaßlich gebilligt oder missbilligt hätten (BGH NJW 1984, 2893; BayObLGZ 1986, 332, 334; Zöller/Greger, 31. Auflage 2016, § 383 Rn. 5, § 385 Rn. 10).

Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte für eine Äußerung der Erblasserin zu Lebzeiten, dass der Zeuge Prof. Dr. L nach ihrem Tod schweigen soll bzw. dass er Angaben machen darf. Dies behauptet auch der Zeuge nicht. Es kommt daher auf den mutmaßlichen Willen der Erblasserin an.

Im Rahmen der Erforschung des mutmaßlichen Willens ist dem Arzt eine weitergehende eigene Entscheidungsbefugnis einzuräumen. Er muss allerdings, wenn er sich zu einer Aussageverweigerung entschließt, eine gewissenhafte Prüfung vornehmen und im Einzelnen darlegen, auf welche Belange des Verstorbenen sich seine Weigerung stützt (BGH a.a.O.). Insoweit ist zu beachten, dass das Interesse des Erblassers im Allgemeinen dahin geht, aufkommende Zweifel über seine Testierfähigkeit nach Möglichkeit auszuräumen. Das liegt für den testierfähigen Erblasser auf der Hand, gilt aber auch für den Testierunfähigen. Sein wohlverstandenes Interesse ist nicht darauf gerichtet zu verbergen, dass er testierunfähig ist; vielmehr würden damit umgekehrt die seinem Schutz dienenden Vorschriften über die Testierfähigkeit in vielen Fällen gerade unterlaufen (BGH a.a.O.; Staudinger/Herzog, 2016, BGB § 2353 Rn. 303 m.w.N.)

Vorliegend hat der Zeuge keine konkreten Überlegungen betreffend den mutmaßlichen Willen der Erblasserin vorgenommen. Er beruft sich vielmehr auf die allgemeine Überlegung, dass derjenige, der ein notarielles Testament erstellt, vermeiden wolle, dass nach seinem Ableben die Testierfähigkeit überprüft wird. Dem vermag das Gericht nicht zu folgen. Der Zeuge und auch die dahinterstehende Rechtsabteilung der Universitätsklinik Bonn übersehen dabei, dass es eine Vielzahl an Beweggründen für die Erstellung eines notariellen Testaments geben kann. Dabei lässt sich keineswegs für jeden Fall zweifelsfrei feststellen, dass im Vordergrund die Überlegung steht, dass der Notar sich von der Testierfähigkeit überzeugen muss.

Hinzu kommt, dass durch die Erstellung eines notariellen Testaments dem Gericht die Prüfung der Testierfähigkeit nicht entzogen ist. Für eine solche Überlegung findet sich im Gesetz keine Grundlage. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 BeurkG soll der Notar die Beurkundung ablehnen, wenn einem der Beteiligten nach der Überzeugung des Notars die Geschäftsfähigkeit fehlt. Zweifel an der erforderlichen Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten soll der Notar in der Niederschrift festhalten, § 11 Abs. 1 S. 2 BeurkG. Gemäß § 28 BeurkG soll der Notar bei der Beurkundung von Verfügungen von Todes wegen seine Wahrnehmungen über die erforderliche Geschäftsfähigkeit in der Niederschrift vermerken. Dabei binden die Feststellungen des Notars die Gerichte nicht (BeckOK BGB, Bamberge/Roth/Hau/Poseck, 43. Edition, BeurkG § 11 Rn. 12 m.w.N.; MüKo/Hagena, 7. Auflage 2017, § 28 BeurkG Rn. 8; BayOLG, Beschluss vom 17.04.2004 - 1 Z BR 054/04 -, juris).

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