LG Dortmund, Urteil vom 11.01.2018 - 2 O 451/16
Fundstelle
openJur 2019, 12965
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin nach einem Streitwert von 22.735,28 €.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Folgende Personen waren bei der Klägerin krankenversichert:

Frau C (Anlage K 9),

Frau Q (Anlage K 14),

Herr B (Anlage K 15),

Herr U (Anlage K 13),

Frau H2 (Anlage K 10),

Herr X (Anlage K 12),

Frau G (Anlage K 8),

Frau T (Anlage K 11).

Diese Personen waren in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus in ambulanter Behandlung und bezogen von der Apotheke der Beklagten individuell hergestellte Zytostatika-Zubereitungen, die die behandelnden Ärzte den Versicherten der Klägerin verordnet hatten (Anlagen K 17, K 20, B 7 - B 51).

Die Beklagte trat ihre Vergütungsansprüche an die H GmbH ab, die den Versicherten der Klägerin Kaufpreise einschließlich 19 % Umsatzsteuer ohne Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnung stellte (Anlagen K 17, K 20, B 7 - B 51). Die Versicherten der Klägerin bezahlten die Rechnungsbeträge.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten gestützt auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 24.09.2014 (V R 19/11) und das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.09.2016 (Anlage K 7, Blatt 37 bis 31 d. A.) die Erstattung der Umsatzsteuer mit der Begründung, es handelte sich bei dem Verkauf der individuell hergestellten Zytostatika um einen mit der ambulanten ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen umsatzsteuerfreien Umsatz gemäß § 4 Nr. 14 b UStG (§ 4 Nr. 16 b UStG a.F.).

Die Klägerin behauptet, sie habe an ihre Versicherungsnehmer für die Zytostatika Versicherungsleistungen in Höhe von 34.374,57 € (im Jahr 2012) und 108.020,04 € (im Jahr 2013) gezahlt. Der Umsatzsteueranteil belaufe sich auf 5.488,38 € (im Jahr 2012) und 17.246,90 € (im Jahr 2013) (Einzelheiten K 16 - K 18 (2012) und K 19 - K 21 (2013) sowie K 1 (2012) und K 2 (2013)). Ihre Versicherten und die Beklagte seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Verkauf der Zytostatika umsatzsteuerpflichtig sei. Wenn ihnen bekannt gewesen wäre, dass keine Umsatzsteuerpflicht besteht, dann hätten sie den Kaufpreis ohne Umsatzsteuer kalkuliert.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen an sie, die Klägerin, einen Betrag in Höhe von 22.735,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet ihre Passivlegitimation sowie die Aktivlegitimation der Klägerin.

Sie behauptet, eine ausdrückliche Preisvereinbarung sei nicht erfolgt. Ihr Leistungsbestimmungsrecht auch im Hinblick auf die Umsatzsteuer habe sie mit den Rechnungen ausgeübt, und zwar nach billigem Ermessen. Die in Rechnung gestellten Kaufpreise seien verkehrsüblich (Marktpreise).

Sie sei nicht verpflichtet, die Rechnungen zu korrigieren, weil der Aufwand dafür unverhältnismäßig sei und sie ihre Vorsteuerabzugsberechtigung verlieren würde. Die wesentlicher Bestandteil ihrer Kalkulation gewesen sei. Der "Nettokaufpreis" müsse um den Betrag des Vorsteuerabzuges erhöht werden.

Die Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Bereicherungsanspruch aus übergegangenem Recht ihrer Versicherten auf Zahlung von 22.735,28 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil die unstreitigen Zahlungen der Versicherten der Klägerin an die Beklagte mit Rechtsgrund erfolgten.

Rechtsgrund sind die zwischen der Beklagten und den Versicherten der Klägerin unstreitig zustande gekommenen Verträge über die Lieferung der von der Beklagten hergestellten Zytostatika-Zubereitungen. Dabei handelt es sich um Werklieferungsverträge gemäß § 651 BGB, weil die Verträge, die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand haben. Anzuwenden sind nach § 651 BGB grundsätzlich die Vorschriften über den Kaufvertrag (OLG Köln 20 U 27/12, Urteil vom 22.06.2012 = NJW-RR 2012, 1520, Palandt BGB, 76. Auflage, § 651 Rn. 6).

Nach § 433 Abs. 2 BGB ist der Käufer, also die Versicherten der Klägerin, verpflichtet, dem Verkäufer, also der Beklagten, den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen.

Die Beklagte behauptet in diesem Zusammenhang, eine ausdrückliche Preisvereinbarung sei nicht erfolgt und die beweisbelastete Klägerin (Palandt, § 812 Rn. 76) hat keine Preisvereinbarung zwischen ihren Versicherten und der Beklagten konkret vorgetragen und unter Beweis gestellt.

Fehlt eine Regelung der Parteien über die Höhe des Entgeltes, dann sind bei Verträgen, die nicht als Dienst- oder Werkverträge einzuordnen sind, die §§ 315 und 316 BGB anzuwenden. Dies ist vorliegend der Fall, weil es sich bei den Verträgen über die Herstellung der Zytostatika um Werklieferungsverträge handelt, auf die das Kaufrecht anzuwenden ist (OLG Köln, 20 U 27/12, Urteil vom 22.06.2012 = NJW-RR 212, 1520).

Die Beklagte hat das ihr nach § 316 BGB zustehende Leistungsbestimmungsrecht wirksam, nämlich nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB ausgeübt. Maßgebender Zeitpunkt ist der der Ausübung des Bestimmungsrechts, vorliegend also die Rechnungsdaten (Palandt, a.a.O., § 315 Rn. 10).

Anhaltspunkte dafür, dass die unstreitige Bruttopreisbestimmung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt unbillig war, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Sofern die Parteien nicht ausdrücklich Abweichendes vereinbaren, ist die Umsatzsteuer grundsätzlich rechtlich unselbständiger Teil des zu zahlenden Preises, EuGH, C-249/12 und C-250/12, Urteil vom 07.11.2013 = DStRE 2014, 816, BGH I ZR 318/99, Urteil vom 28.02.2002 = NJW 2002, 2312, BGH V ZR 492/99, Urteil vom 11.05.2001 = NJW 2001, 2464, LG Dortmund 2 O 190/15, Urteil vom 23.06.2016 bestätigt durch OLG Hamm 6 U 121/16, Beschluss vom 27.03.2017, Palandt, a.a.O., § 157 Rn. 13).

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes über die Umsatzsteuerfreiheit der individuell hergestellten Zytostatika erging erst am 24.09.2014 mithin weit nach den streitgegenständlichen Rechnungen.

Die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung im Wege ergänzender Vertragsauslegung oder nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage liegen nicht vor.

Beim Fehlen einer Nettopreisvereinbarung ist die Umsatzsteuer unselbständiger Teil des vereinbarten Entgeltes und es fehlt allein schon deshalb an einer planwidrigen Regelungslücke (OLG Hamm 6 U 621/16, Beschluss vom 27.03.2017, OLG Hamm, 6 U 104/16, Beschluss vom 27.03.2017 = R + S 2017, 529).

Da die Versicherten der Klägerin und die Beklagte keinen Preis vereinbart haben und die Bestimmung der Gegenleistung der Beklagten nach § 316 zustand, fehlt es an einem beiderseitigen Irrtum und damit an einer Anspruchsvoraussetzung einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 2 BGB (BGH I ZR 318/99, Urteil vom 28.02.2002 = NJW 2002, 2312).

Die Beklagte ist schließlich auch nicht zu einer nachträglichen Rechnungskorrektur verpflichtet. Dafür gibt es keine vertragliche oder gesetzliche Rechtsgrundlage (LG Dortmund, 4 O 189/17, Urteil vom 22.12.2017, LG Bochum 4 O 392/16, Urteil vom 08.02.2017 = BeckRS 2017, 113161).

Die Beklagte handelt nicht rechtsmissbräuchlich. Durch die Rechnungskorrektur würde die Beklagte ohne Weiteres das Recht zum Vorsteuerabzug verlieren und sich damit ihre Einkaufskosten entsprechend erhöhen. Hinzu kommt ihr nicht unerheblicher Verwaltungsaufwand.

Festzuhalten bleibt damit, dass die Leistungen der Versicherten der Klägerin die Beklagte mit Rechtsgrund erfolgt sind und die Klage daher nicht begründet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.