LG Köln, Urteil vom 27.03.2013 - 28 O 514/12
Fundstelle
openJur 2019, 12112
  • Rkr:
Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 14.12.2012 wird hinsichtlich ihres Tenors zu 1. b) 1) bestätigt. Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung vom 14.12.2012, soweit sie mit dem Widerspruch angegriffen worden ist, aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass insoweit zurückgewiesen.

Unter Aufhebung der Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung vom 14.12.2012 tragen die Kosten des Verfahrens die Verfügungsklägerin zu 70% und die Verfügungsbeklagte zu 30%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist eine private Stromanbieterin und existiert seit dem Jahr 2003. Sie versorgt derzeit über 500.000 Kunden mit Strom und über Tochtergesellschaften mit Gas. Die Verfügungsbeklagte verlegt die Tageszeitung "A". In den Printausgaben des Aes vom 13.11.2012 sowie vom 16.11.2012 veröffentlichte die Verfügungsbeklagte verschiedene Artikel über die Verfügungsklägerin. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Artikel wird auf die Anlage ASt 2, Bl. 27 ff. d.A., Bezug genommen. Die vorbezeichneten Artikel sind auch über die Internetpräsenz www.anonym.com, die ebenfalls von der Verfügungsbeklagten betrieben wird, abrufbar.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 14.12.2012 nach teilweiser Antragsrücknahme eine einstweilige Verfügung folgenden Inhalts erlassen:

"1. Der Verfügungsbeklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung bis zu 250.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten, verboten,

a) in Bezug auf die Verfügungsklägerin zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

1) "Das Unternehmen will (...) mit einer fünfjährigen Anleihe 35 Mio. Euro einsammeln. Vorstandschef P will so vom Billig-Image loskommen, das Mittelpreissegment stärken und plant sogar Akquisitionen."

und /oder

2) "Sowohl bei RWE als auch bei E.ON leiten mehrere regionale Töchter Strom von H nur noch gegen Vorkasse durch ihre Leitungen."

und/oder

3) "Diese Forderung sei angemahnt worden, erläuterte eine Sprecher [W]. H habe inzwischen den größten Teil bezahlt und muss jetzt auch im Voraus bezahlen."

wie geschehen im A, Ausgabe vom 13.11.2012, Titelseite sowie Seiten 14 und 15, sowie Ausgabe vom 16.11.2012, Seite 19.

b) in Bezug auf die Verfügungsklägerin durch die Äußerungen

1) "Die Kunden erhielten Schreiben [der Stadtwerke F], in dem das Katastrophenszenario offen angesprochen wurde: eine Insolvenz. Wörtlich hieß es: Leider wären bereits gezahlte Abschläge oder Vorkasseleistungen an die H nach deutschem Insolvenzrecht für Sie verloren. Nach diesem Schreiben zahlte H."

den Eindruck zu erwecken, die Verfügungsklägerin habe erst in Reaktion auf das in der Äußerung genannte Schreiben eine Zahlung an die Stadtwerke F geleistet.

2) "`[...] Die Umlagen, Steuern, Konzessionsabgaben und Netzentgelte belaufen sich ab 2013 auf 19 bis 20 Cent pro Kilowattstunde. Und dann ist noch kein Strom eingekauft worden und erst recht kein Mitarbeiter bezahlt, von Erlösen ganz zu schweigen.‘ H aber bietet Neukunden Strom inklusive aller Umlagen schon ab knapp 11 Cent pro kWh an - wenn sie per Vorkasse zahlen."

den Eindruck zu erwecken, die Verfügungsklägerin biete ihren Strom zu nicht kostendeckenden Preisen an.

3) " (...) Regionale Netzgesellschaften von E.ON und RWE leiten den Strom von H derzeit nur gegen Vorkasse durch ihre Leitungen."

in Verbindung mit

"Sowohl bei RWE als auch bei E.ON leiten mehrere regionale Töchter Strom von H nur noch gegen Vorkasse durch ihre Leitungen."

den Eindruck zu erwecken, sowohl mehrere regionale Netzgesellschaften von E.ON wie auch mehrere regionale Netzgesellschaften von RWE würden den Strom der Verfügungsklägerin nur gegen die Leistung von Vorauszahlungen der Verfügungsklägerin an die Kunden der Verfügungsklägerin befördern."

Mit Schriftsatz vom 22.1.2013 hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch beschränkt auf den Tenor zu 1. a) 1), 1. a) 3), 1. b) 1) und 1. b) 2) eingelegt.

Die Verfügungsklägerin behauptet, dass für sie die ernsthafte Gefahr schwerer geschäftlicher Schäden bestehe. So seien seit dem Erscheinen der streitgegenständlichen Artikel vermehrt Netzbetreiber an die Verfügungsklägerin herangetragen und hätten - unter ausdrücklicher Berufung auf die streitgegenständlichen Artikel der Verfügungsbeklagten - die Leistung von Sicherheiten oder Vorauszahlungen gefordert.

Die Verfügungsklägerin behauptet ferner, dass die im Tenor zu 1. a. 1) enthaltene Äußerung von dem Vorstandschef der Verfügungsklägerin - unstreitig - weder wörtlich noch sinngemäß geäußert worden sei.

Das Loskommen vom "Billig-Image" sei nicht das Ziel der geplanten Anleihe in Höhe von 35 Mio. € gewesen. Die Verfügungsbeklagte schiebe dem Vorstandsvorsitzenden eine Äußerung unter, die dieser niemals getätigt habe. Vielmehr habe die Verfügungsklägerin bzw. deren Vorstandsvorsitzender im Zusammenhang mit der Anleihebegebung stets betont, dass das Geschäftsmodell der Verfügungsklägerin auf drei Säulen beruhe. Dies seien der Discountbereich, Ökostrom sowie Gas. Es sei seitens der Verfügungsklägerin bzw. ihres Vorstandsvorsitzenden im Zuge der Anleihebegebung stets klargestellt worden, dass es zu einer unveränderten Beibehaltung des Discountsegments kommen solle. Mit der Anleihe hätten lediglich ergänzend neue Geschäftsbereiche erschlossen werden sollen. Eine Aufgabe des Discountbereichs habe in diesem Zusammenhang jedoch nicht erfolgen sollen. Hierüber sei die Verfügungsbeklagte ausdrücklich durch eine von der Verfügungsklägerin beauftragte Agentur informiert worden.

Sie ist der Meinung, der Durchschnittsleser werde die streitgegenständliche Äußerung als (indirektes) Zitat des Vorstandsvorsitzenden der Verfügungsklägerin auffassen. Ferner handele es sich um eine Behauptung einer inneren Tatsache. Dies ergebe sich daraus, dass im Gegensatz zu dem vorhergehenden Satz allein auf den Vorstandsvorsitzenden abgestellt werde. Es liege auch keine Einschätzung der Redaktion der Verfügungsbeklagten vor. Denn es werde das Modalverb "wollen" wie im Satz zuvor als Ausdruck der Beschreibung eines inneren Willens genutzt. Außerdem wäre auch eine solche Einschätzung mangels Anknüpfungstatsachen falsch. Denn in dem Emissionsprospekt der Anleihe werde nicht angedeutet, dass die Verfügungsklägerin vom "Billig-Image" loskommen wolle. Vielmehr sollten neue Geschäftsbereiche ergänzend erschlossen werden.

Hinsichtlich der im Tenor zu 1. a) 3) verbotenen Äußerung behauptet die Verfügungsklägerin, dass der Stromkonzern W den Strom der Verfügungsklägerin gegenwärtig nicht lediglich unter der Bedingung der Vorkasse oder etwaiger Sicherheitsleistungen durch seine Netze leite. Diesbezügliche Vorgaben seitens W gegenüber der Verfügungsklägerin existierten aktuell nicht. Lediglich in dem Zeitraum vom 31.1.2011 bis zum 30.5.2012 sei es aufgrund einer buchhalterisch erforderlichen Kontenklärung zu vorübergehenden Vorauszahlungen seitens der Verfügungsklägerin an den Stromkonzern W gekommen. Diese Vorauszahlungen seien vertragsgemäß geleistet und nach Abschluss der Kontenklärung wieder eingestellt worden. Auch andere "Vorsichtsmaßnahmen" habe der Stromkonzern W bezüglich der Verfügungsklägerin gegenwärtig nicht ergriffen. Dies ergebe sich auch aus der Berichterstattung der Verfügungsbeklagten, wenn es in dem streitgegenständlichen Artikel heiße: "Auch EnBW und W vereinbarten vorübergehend Vorauszahlung." (vgl. Bl. 28 d.A.). Die Pressemitteilung vom 14.12.2012 des Unternehmens W äußere sich nicht zum derzeitigen Stand der Vereinbarung von Vorauszahlungsleistungen. Ferner habe die Verfügungsbeklagte nicht ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht genügt, da sie den aktuellen Stand nicht bei W nachgefragt hätte.

Hinsichtlich des im Tenor zu 1. b) 1) verbotenen Eindrucks ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass die in dem Artikel genannten Forderungen der Stadtwerke F lediglich aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Forderungen der Stadtwerke F nicht sofort beglichen wurden, sondern erst nach der erforderlichen Korrektur. Die Stadtwerke F hatten Forderungen in Höhe von 6.729,37 Euro behauptet, während nach Berechnungen der Verfügungsklägerin lediglich Forderungen in Höhe von 5.554,00 Euro berechtigt gewesen waren. Die vorbezeichnete Summe wurde nach interner Klärung der Angelegenheit noch vor der von den Stadtwerken F zum 5.10.2012 gesetzten Frist am 1.10.2012 bezahlt. Die fristgemäße Zahlung wurde durch die Stadtwerke F bestätigt. Ein Schreiben der Stadtwerke F mit Äußerungen zur vermeintlich bevorstehenden Insolvenz der Verfügungsklägerin war der Verfügungsklägerin bis zum streitgegenständlichen Artikel vom 13.11.2012 nicht bekannt. Der Verfügungsklägerin war lediglich das Schreiben der Stadtwerke F vom 9.10.2012 (vgl. Anlage Ast 9) bekannt, in dem eine angebliche Insolvenz der Verfügungsklägerin nicht erwähnt wurde.

Die Verfügungsklägerin ist der Meinung, dass der unzutreffende Eindruck auch nicht durch den nachfolgenden Satz entkräftet werde. Mit diesem Satz werde lediglich die Ursache des Streits zwischen der Verfügungsklägerin und den Stadtwerken F erläutert, der entstandene Eindruck, die Verfügungsklägerin habe erst zeitlich nach dem Schreiben gezahlt, werde hierdurch jedoch nicht relativiert. Ferner handele es sich nicht um eine Verdachtsberichterstattung, da kein Verdacht geäußert werde. Selbst wenn man dies anders sehen würde, lägen die Voraussetzungen einer Verdachtsberichterstattung nicht vor, insbesondere liege kein Mindestbestand an Beweistatsachen vor und es sei der Verfügungsbeklagten keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Hinsichtlich des im Tenor zu 1. b) 2) verbotenen Eindrucks behauptet die Verfügungsklägerin, dass die Verfügungsbeklagte - was zwischen den Parteien unstreitig ist - den aktuellen Strompreis der Verfügungsklägerin von knapp elf Cent aus dem Jahre 2012 mit vermeintlichen Kosten in Höhe von 19 bis 20 Cent aus dem Jahre 2013 vergleiche. Ein solcher Vergleich von unterschiedlichen Kalenderjahren, die jeweils eigene Preisfestsetzungen, insbesondere aufgrund der schwankenden Einkaufspreise, erforderten, sei bereits im Ansatz unzulässig. Zudem handele es sich bei den vermeintlichen Kosten in Höhe von 19 bis 20 Cent gemäß den eigenen Angaben in der von der Verfügungsbeklagten im streitgegenständlichen Artikel veröffentlichen Grafik lediglich um eine Branchenschätzung, also gerade keine tatsächlich feststehende Summe. Ferner handele sich bei dem Angebot von knapp elf Cent je Kilowattstunde seitens der Verfügungsklägerin um eine bloße Beispielsrechnung, die nur für ganz bestimmte Pakettarife zutreffend sei und nur dann, wenn man den Preis für das betroffene Strompaket (beispielsweise 1.500 kWh), das der Kunde gekauft habe, durch die genaue Menge an Kilowattstunden teile. Diese Rechnung treffe jedoch auf nahezu keinen einzigen Kunden zu. Vielmehr verbrauche der ganz überwiegende Teil der Kunden entweder weniger oder mehr Kilowattstunden, als er gemäß seinem Strompaket gekauft habe. Im Fall des Minderverbrauchs werde der vom Kunden zu viel gezahlte Betrag gemäß den Vertragsbedingungen der Verfügungsklägerin nicht erstattet. Im Fall des Mehrverbrauchs müsse der Kunde für jede zusätzlich verbrauchte Kilowattstunde einen deutlich höheren Preis als die von der Verfügungsbeklagten genannten elf Cent je Kilowattstunde bezahlen. Ferner handele es sich bei dem in der Berichterstattung genannten Preis von elf Cent nur um den reinen Arbeitspreis, in dem noch nicht die vom Verbraucher monatlich zu erbringende Grundgebühr eingerechnet sei. Diese sei nur im effektiven Arbeitspreis enthalten. Dieser habe am 22.10.2012 in keiner Region lediglich elf Cent, sondern mindestens 12 Cent betragen. Durchschnittlich habe er bei 17,23 Cent gelegen. Selbst der reine Arbeitspreis in Höhe von elf Cent sei am 22.10.2012 lediglich bei sechs von 224 Pakettarifen angeboten worden. Durchschnittlich habe dieser bei 15,29 Cent gelegen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 14.12.2012, soweit diese mit dem Widerspruch angegriffen worden ist, zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung hinsichtlich der Ziffern 1. a) 1), 1. a) 3), 1. b) 1) und 1. b) 2) aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung insoweit zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, es handele sich hinsichtlich der im Tenor zu 1.a) 1) verbotenen Äußerung um eine zulässige Schlussfolgerung aus den Umständen der dargestellten Emission einer Anleihe der Verfügungsklägerin in Höhe von 35 Mio. €. Ein Durchschnittsleser des Aes verstehe die Aussage weder als Zitat des Vorstandsvorsitzenden der Verfügungsklägerin noch sei damit die Behauptung der inneren Tatsache verbunden, dass die Verfügungsklägerin ihr Angebot von Discount-Tarifen einstellen wolle. Die Aussage werde von den Durchschnittsrezipienten vielmehr als Einschätzung der Motivation für die Anleihe durch die Redaktion der Verfügungsbeklagten verstanden. Die Aussage enthalte nicht den Tatsachenkern, dass "Billigangebote aufgegeben" werden sollten, sondern beschränke sich darauf, dass das "Image" der Verfügungsklägerin als Billiganbieter durch Stärkung des Mittelpreissegments geändert werden solle. Die tatsächliche Grundlage für diese Einschätzung sei der Jahresabschluss vom 31.12.2011. Darin heiße es unter Ziffer 6. unter der Überschrift "Ausblick" wörtlich: "Für die Zukunft ist geplant, neben den beiden bereits besetzten Bohlen Discount und Qualitätstarife das Mittelfeld noch passgenauer mit weiteren neu zu etablierenden Marken anzusprechen (...)." Bestätigt werde dies durch die Präsentation der Verfügungsklägerin vom November 2012, in der es zu der beabsichtigten Anleihe auf Seite 29 heiße: "Mittelverwendung auf einen Blick (...) Erschließung neuer Kundengruppen durch Ausbau des mittelpreisigen Segments (...)".

Wenn die Verfügungsklägerin im Zusammenhang mit der Emission der Anleihe kommuniziere, dass die Mittel aus der Anleihe in einem Umfang von "ca. 80 %" zur "Erschließung neuer Kundengruppen durch Ausbau des mittelpreisigen Segments" benutzt werden sollten, dann sei dies eine hinreichend tatsächliche Grundlage für die Bewertung dieses Sachverhalts durch die Redaktion der Verfügungsbeklagten mit der streitgegenständlichen Aussage. Wenn die Verfügungsbeklagte schreibe, dass die Verfügungsklägerin von ihrem "Billig-Image" loskommen möchte, unterstelle sie nicht, dass die Verfügungsklägerin das Billig-Segment aufgeben möchte.

Hinsichtlich der im Tenor zu 1.a) 3) verbotenen Äußerung behauptet die Verfügungsbeklagte, dass die W GmbH am 14.11.2012 - unstreitig - eine Presseerklärung zu den Auseinandersetzungen mit der Verfügungsklägerin und daraus resultierender Forderungen nach Vorkasse veröffentlicht habe. Dort heißt es - unstreitig - hinsichtlich der Darstellung der Verfügungsklägerin zu der angesprochenen Kontenklärung: "Wir weisen die Behauptung von H hinsichtlich 20fach überhöhter Forderungen entschieden zurück. Richtig ist, dass H gegenüber der W Europe Distribution Berlin zum Stichtag 31.12.2011 mit einem siebenstelligen Betrag im Rückstand war. Diese Forderung wurde im Januar schriftlich angemahnt und zwischenzeitlich durch H bis auf eine Summe von 24.000 € beglichen. Gleichzeitig wurde mit H Vorauskasse vereinbart. Wir fordern Flextrom hiermit auf, solche Unterstellungen künftig zu unterlassen." W habe somit Mitte November 2012 mitgeteilt, dass mit Flextrom "Vorauskasse vereinbart" worden sei. Die Richtigkeit dieser Pressemitteilung habe die W GmbH bestätigt, die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung jedoch abgelehnt.

Hinsichtlich des im Tenor zu 1.b) 1) verbotenen Eindrucks ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass sich der streitgegenständlichen Passage nicht der Eindruck entnehmen ließe, die Verfügungsbeklagte behaupte, die Verfügungsklägerin habe erst in Reaktion auf das Kundenschreiben der Stadtwerke F deren offene Forderung beglichen. Die entsprechende Passage erfülle vielmehr alle Voraussetzungen einer zulässigen Berichterstattung über den Verdacht gleichen Inhalts, nämlich dass die Verfügungsklägerin erst als Reaktion auf das Kundenanschreiben die Forderung beglichen habe. Die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung lägen vor.

Hinsichtlich des im Tenor zu 1.b) 2) verbotenen Eindrucks ist die Verfügungsbeklagte der Auffassung, dass es für die Frage, ob es sich bei den Tarifen mit elf Cent pro Kilowattstunde um nicht kostendeckende Preise handele, nicht darauf ankomme, ob die Kosten aus dem Jahr 2013 mit Tarifen aus dem Jahr 2012 verglichen würden. Nach der Darstellung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. hätten die Kosten für die Belieferung von Haushalten mit Strom im Jahr 2012 mindestens 20 Cent pro Kilowattstunde betragen. Vor diesem Hintergrund habe die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Aussage, dass Tarife mit einem Verkaufspreis von knapp elf Cent pro Kilowattstunde im Jahre 2012 nicht kostendeckend gewesen seien, falsch sei. Ferner gestehe die Verfügungsklägerin in ihrem Emissionsprospekt zu der Anleihe in Höhe von 35 Mio. € ein, dass sie in vielen Fällen mit ihren Kunden überhaupt keinen Gewinn erwirtschaften könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten war die einstweilige Verfügung vom 14.12.2012 hinsichtlich des Tenors zu Ziffer 1. b) 1) zu bestätigen und hinsichtlich des Tenors zu 1. a) 1), 1. a) 3) und 1. b) 2) aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass insoweit zurückzuweisen.

1) Tenor zu 1. a) 1)

Der Antrag zu 1. a) 1) ist unbegründet.

Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte keinen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerung gemäß den §§ 1004, 823 BGB, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG.

Bei der Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d. h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Sprau in: Palandt, Kommentar zum BGB, 72. Aufl. 2013, § 823 Rn. 95 m. w. N.). Stehen sich als widerstreitende Interessen - wie vorliegend - die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und das Unternehmenspersönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) gegenüber, kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung maßgeblich darauf an, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Tatsachen sind innere und äußere Vorgänge, die zumindest theoretisch dem Beweis zugänglich sind und sich damit als wahr oder unwahr feststellen lassen (BGH, NJW 1952, 660). Unabdingbare Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist die Ermittlung des Aussagegehalts. Dabei darf nicht isoliert auf den durch den Antrag herausgehobenen Text abgestellt werden. Maßgeblich für das Verständnis der Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der objektive Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG, NJW 2006, 207).

Ist der Sinn unter Zugrundelegung dieses Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich aber, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist bei der weiteren Prüfung von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, a. a. O.).

Bei Unterlassungsansprüchen ist im Rahmen der rechtlichen Zuordnung von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz zu berücksichtigen, dass der Äußernde die Möglichkeit hat, sich in der Zukunft eindeutig auszudrücken und damit zugleich klarzustellen, welcher Äußerungsinhalt der rechtlichen Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugrunde zu legen ist (vgl. BVerfG a. a. O.). Im Rahmen des Unterlassungsbegehrens sind daher alle möglichen und durchaus naheliegenden Auslegungen der Äußerung zugrunde zu legen (vgl. BVerfG NJW 2006, 3769).

Es kann dahinstehen, ob es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um die Behauptung der inneren Tatsache, dass der Vorstandschef der Verfügungsklägerin mit der Anleihe vom "Billig-Image loskommen will", oder um eine Meinungsäußerung der Verfügungsbeklagten handelt, die aufgrund der ihr bekannten Fakten eine Schlussfolgerung zu der hinter der Emission der Anleihe stehenden Gründen mitteilt, handelt.

Für das Vorliegen einer Tatsachenbehauptung spricht zwar die von der Verfügungsbeklagten wiederholt gewählte Nutzung des Wortes "will". Denn in dem Satz vor der hier streitgegenständlichen Äußerung heißt es: "Das Unternehmen will (...) 35 Millionen Euro einsammeln." Hierbei handelt es sich um eine Behauptung einer - zutreffenden inneren Tatsache, namentlich der Absicht der Verfügungsklägerin, mit der Anleihe 35 Millionen Euro einzusammeln. Wenn die Verfügungsbeklagte im darauffolgenden Satz formuliert: "Vorstandschef (...) will so vom Billig-Image loskommen, (...)" könnte der Kontext der Äußerung dafür sprechen, dass auch hier die Absicht des Vorstandschefs mitgeteilt wird, durch die Anleihe ("so") vom Billig-Image loszukommen. Ferner spricht für die Annahme einer Tatsachenbehauptung der satzinterne Kontext. Denn wenn es heißt, "Vorstandschef P (...) plant sogar Akquisitionen" wird ein innerer Wille des Vorstandschefs der Verfügungsklägerin beschrieben.

Jedoch hat die Verfügungsklägerin die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nicht glaubhaft gemacht.

Die Beweislast für die Wahrheit der Tatsachenbehauptung kann nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 11.12.2012 - VI ZR 314/10) dem Äußernden obliegen, sofern die Voraussetzungen des § 186 StGB vorliegen.

Die Voraussetzungen des § 186 StGB liegen jedoch nicht vor, da die Äußerung bei unterstellter Unwahrheit nicht geeignet ist, die Verfügungsklägerin in der Öffentlichkeit herabzuwürdigen.

Zur Glaubhaftmachung legt die Verfügungsklägerin jedoch lediglich die eidesstattliche Versicherung ihres Pressesprechers vor (vgl. Anlage Ast 8). Da es sich jedoch nach der von der Verfügungsklägerin bevorzugten Interpretation der Äußerung um eine innere Tatsache des Herrn P handelt, ist grundsätzlich allein er in der Lage, seine inneren Absichten hinsichtlich der Begebung der Anleihe mitzuteilen und gegebenenfalls an Eides statt zu versichern. Allein die eidesstattliche Versicherung ihres Pressesprechers ist vor dem Hintergrund der von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Unterlagen in der konkreten Form nicht ausreichend. Aus dieser ergibt sich zum einen nicht, dass der Pressesprecher der Verfügungsklägerin aufgrund eines Gesprächs o.ä. die Absichten des Herrn P kannte. Zum anderen ergibt sich aus dieser nur, dass der Discount (="Billig")-Bereich nicht aufgegeben werden sollte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Verfügungsklägerin bzw. ihr Vorstandsvorsitzender durch die Begebung der Anleihe nicht vom Billig-Image loskommen wollte. Denn selbst die Aufrechterhaltung des Discount-Bereichs spricht nicht gegen eine mögliche Absicht der Verfügungsklägerin bzw. ihres Vorstandsvorsitzenden, durch Stärkung des Mittelpreissegments und durch Akquisitionen vom Billig-Image loszukommen. Zu Imagefragen verhält sich die eidesstattliche Versicherung des Pressesprechers jedoch nicht.

Sofern man mit der Verfügungsbeklagten die Auffassung vertritt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung nicht um die Mitteilung einer inneren Tatsache, sondern um ihre Schlussfolgerung aus den ihr vorliegenden Informationen handelt, wäre diese Meinungsäußerung zulässig.

Aufgrund der von der Verfügungsbeklagten und der Verfügungsklägerin vorgelegten Unterlagen ist diese Schlussfolgerung der Verfügungsbeklagten zumindest vertretbar. Aus der vorgelegten Präsentation (Anlage AG 1) und der Ziffer 6 der Anlage Ast 6 ergibt sich, dass für die Zukunft der Verfügungsklägerin geplant ist, neue Kundengruppen im mittelpreisigen Segment zu erreichen. Aus dem Emissionsprospekt der Anleihe ergibt sich Ähnliches, wenn es auf Bl. 110 d.A. heißt: "H beabsichtigt, im Rahmen einer Mehrmarkenstrategie, eine stärkere und klarere Diversifizierung über zusätzliche, neu zu etablierende oder auszubauende Marken zu erreichen, um zusätzliche Kundengruppen zu erschließen und dabei das Wachstum der Gruppe zu sichern. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Gebiet ökologisch erzeugter Energie durch die Konzerntochter M Energie GmbH, die im April 2012 von der Emittentin erworben wurde. Diese vertreibt Strom und Gas im mittelpreisigen Tarifsegment (...)" Hieraus ergibt sich, dass die Anleihe zumindest auch ausgegeben wurde, um verstärkt in das mittelpreisige Segment zu investieren.

Dass sich die streitgegenständliche Äußerung auf die Präsentation der Verfügungsklägerin (Anlage AG1) bezieht und diese kommentiert, ergibt sich auch aus dem Kontext der Äußerung. Dort heißt es: (...), das Mittelpreissegment stärken und plant sogar Akquisitionen." Dies entspricht den in der Präsentation genannten Zielen der Verfügungsklägerin. Eine solche Schlussfolgerung muss die Verfügungsklägerin auch im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen mangels Vorliegen einer Schmähkritik hinnehmen, da lediglich ihre Sozialsphäre tangiert wird.

2) Tenor zu 1. a) 3)

Der Antrag zu 1. a) 3) ist unbegründet.

Unter Berücksichtigung der unter Ziffer 1) dargestellten Grundsätze handelt es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um eine Tatsachenbehauptung.

Die Äußerung dieser Tatsachenbehauptung hat die Verfügungsklägerin jedoch aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen hinzunehmen.

Die Verfügungsklägerin hat zwar die Unwahrheit der streitgegenständlichen Äußerung glaubhaft gemacht, indem ihre Mitarbeiterin an Eides statt versichert hat, dass zwar in dem Zeitraum vom 31.12.2011 bis zum 30.5.2012 Vorauszahlungen an W erfolgten, dies jedoch zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht mehr der Fall war.

Die Verfügungsbeklagte hat jedoch hinsichtlich der streitgegenständlichen Äußerung die journalistische Sorgfalt gewahrt und kann sich demzufolge auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB berufen.

Eine Behauptung, deren Unwahrheit zum Zeitpunkt der Berichterstattung nicht erwiesen ist, kann demjenigen, der sie aufstellt oder verbreitet, jedenfalls in Fällen, in denen es um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit geht, auf der Grundlage der nach Art. 5 Abs. 1 GG und § 193 StGB vorzunehmenden Güterabwägung solange nicht untersagt werden, als er sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für erforderlich halten darf (BGH NJW 1996, 1131).

Für Medienangehörige besteht die Verpflichtung zur sorgfältigen Prüfung des Inhalts der beabsichtigten Veröffentlichung. Je stärker eine Presseäußerung die Rechtsposition des Betroffenen beeinträchtigt, desto höher ist der Sorgfaltsmaßstab. Ein Presseorgan, das außergewöhnlich nachteilige Unterstellungen über eine Person verbreitet, hat die zugrunde liegenden Tatsachen besonders sorgfältig aufzuklären (BVerfG, NJW 2006, 595; EGMR, NJW-RR 2011, 981). Die Verletzung der Verpflichtung zur sorgfältigen Prüfung begründet die Rechtswidrigkeit des verletzenden Verhaltens. Insbesondere kann der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) nur eingreifen, wenn die betreffenden Tatsachenbehauptungen weder vorsätzlich noch leichtfertig (grobe Fahrlässigkeit schadet) unrichtig sind (BVerfG, AfP 1999, 159; BGHZ 31, 308, 318; BGH, NJW 1979, 266, 267; OLG Hamm, NJW 1954, 541; NJW 1987, 1035; OLG Stuttgart, JZ 1969, 77; OLG Celle, NJW 1988, 354).

Stammt die Meldung von einer anerkannten Agentur (z.B. DPA, AP), besteht im Allgemeinen keine Verpflichtung zur Nachrecherche (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 6 Rn. 135). Auch auf die Richtigkeit amtlicher Verlautbarungen kann sich der Journalist in aller Regel verlassen. Stammt die Meldung von einer nicht ohne weiteres als zuverlässig anerkannten Quelle, ist die kritiklose Übernahme nur ausnahmsweise zulässig (Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl 2003, Kap. 6 Rn. 136). Auf amtliche Pressemitteilungen darf sich der Journalist i.d.R. verlassen (OLG Braunschweig NJW 1975, 651). Im Übrigen müssen sorgfältige Recherchen angestellt werden (BGH NJW 1993, 930 f; OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 37).

Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass es das Maß der Beeinträchtigung des Unternehmerpersönlichkeitsrechts der Verfügungsklägerin trotz der Unwahrheit der Äußerung nur gering ist, da unstreitig Vorkassezahlungen an W geleistet werden mussten und es lediglich um den Zeitraum bzw. um das Ende derselben geht. Dies ist im Hinblick auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts weniger gewichtig als die Äußerung, es hätten Vorkasseleistungen gezahlt werden müssen, ohne dass dies der Fall gewesen wäre.

Dementsprechend sind auch die Anforderungen, die an die journalistische Sorgfalt der Verfügungsbeklagten zu stellen sind, niedriger als sie bei schwereren Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht wären.

Diese journalistische Sorgfalt hat die Verfügungsbeklagte gewahrt.

Die Verfügungsbeklagte konnte aufgrund der ihr vorliegenden Pressemitteilung W vom 14.11.2012 davon ausgehen, dass die Verfügungsklägerin auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels noch Vorkasseleistungen an W leisten musste.

Aus der genannten Pressemitteilung ergibt sich nämlich nicht deutlich, dass die Verfügungsklägerin zum Zeitpunkt derselben am 14.11.2012 nicht mehr Vorkasse leisten musste. Dort heißt es zwar: "Gleichzeitig wurde mit H Vorauskasse vereinbart." Das "gleichzeitig" kann sich jedoch nur auf die beiden zuvor im Text genannten Zeitangaben "31.12.2011" und im "Januar" beziehen. Dies entspricht auch dem Vortrag der Verfügungsklägerin zum Beginn der Vorkassezahlungen. Da W jedoch nicht klarstellt, dass nunmehr keine Vorkassezahlungen erfolgen, konnte die Verfügungsbeklagte darauf vertrauen, dass die Vorkassezahlungen weiterhin erfolgten. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Pressemitteilung lediglich dann missverständlich war, wenn man die von der Verfügungsklägerin glaubhaft gemachten Hintergründe kennt. Die Verfügungsbeklagte konnte den Wortlaut der Pressemitteilung lediglich so verstehen, dass die Verfügungsklägerin auch am 14.11.2012 noch Vorkasse leisten musste. Der Verfügungsbeklagten kann auch nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei W nicht um eine sogenannte privilegierte Quelle handelte. Denn bei W handelte es sich nicht um einen Dritten, der Informationen aus "zweiter Hand" verbreitet, sondern um das Unternehmen selbst, das Informationen verbreitete, die die eigene Sphäre betrafen.

3) Tenor zu 1.b) 1)

Der Antrag zu 1. b) 1) ist begründet.

Unabdingbare Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist - wie dargestellt - die Ermittlung des Aussagegehalts. Dabei darf nicht isoliert auf den durch den Antrag herausgehobenen Text abgestellt werden. Vielmehr ist dieser im Zusammenhang mit dem gesamten Aussagetext zu deuten. Maßgeblich für das Verständnis der Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der objektive Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (BVerfG, NJW 2006, 207).

Im Rahmen der Ermittlung des Aussagegehalts kann sich die Prüfung nicht nur auf "offene" Behauptungen beschränken. Vielmehr muss sich die Prüfung auch auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstrecken, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. BGH, NJW 2006, 601). Danach ist bei der Ermittlung sogenannter verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage, mit der der sich Äußernde durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. BGH a. a. O.).

Der mit dem Antrag 1. b) 1) angegriffene Eindruck wird unabweislich erweckt. Denn durch die Formulierung "Nach diesem Schreiben zahlte H." wird dem Durchschnittsrezipienten wird die zusätzliche Sachaussage getroffen bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe gelegt, dass die Verfügungsklägerin erst in Reaktion auf das Schreiben der Stadtwerke F gezahlt habe.

Die Verfügungsbeklagte bestreitet den entsprechenden tatsächlichen Vortrag der Verfügungsklägerin bezüglich der Chronologie der Ereignisse nicht, sondern vertritt lediglich die Auffassung, dass durch den Passus des Artikels nicht der Eindruck erweckt werde, dass die Verfügungsklägerin erst nach dem Schreiben der Stadtwerke F gezahlt habe, sondern lediglich der inhaltsgleiche Verdacht mitgeteilt werde.

Diese Auffassung der Verfügungsbeklagten ist jedoch unzutreffend. Wenn es in Fettdruck heißt: "Nach diesem Schreiben zahlte H." handelt es sich - auch unter Berücksichtigung des nachfolgenden Satzes - hierbei offenkundig nicht lediglich um die Mitteilung des Verdachts, dass die Verfügungsklägerin nach dem Zugang des Schreibens zahlte, sondern um die Mitteilung eines - mangels Bestreiten der tatsächlichen Umstände - unwahren Eindrucks. Die Verbreitung dieses unwahren Eindrucks muss die Verfügungsklägerin auch aufgrund einer Interessenabwägung nicht hinnehmen. Anhaltspunkte, dass die Verfügungsbeklagte ihre journalistische Sorgfaltspflicht insoweit gewahrt hat, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

4) Tenor zu 1.b) 3):

Der Antrag zu 1. b) 3) ist unbegründet.

Es kann dahinstehen, ob sich die Verfügungsbeklagte die Aussagen des zitierten Herrn O, die Teil der Äußerung sind, zu Eigen macht.

Denn der angegriffene Eindruck, die Verfügungsklägerin biete ihren Strom zu nicht kostendeckenden Preisen an, wird durch die in Bezug genommene Passage des Artikels zwar unabweislich erweckt, stellt sich aufgrund des Vortrags der Verfügungsklägerin und der von der Verfügungsbeklagten vorgelegten Unterlagen als zutreffend dar.

Hierbei ist zunächst zu beachten, dass der von der Verfügungsbeklagten gezogene Vergleich nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil sie die den Neukunden angebotenen Preise mit den voraussichtlichen Kosten für das Jahr 2013 entgegenstellt. Denn Neukunden, die zumindest in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2012 einen Vertrag abschließen, zahlen im Jahr 2013 weiterhin den im Jahre 2012 vereinbarten Strompreis, sofern es nicht zu Erhöhungen der Preise seitens der Verfügungsklägerin kommt.

Es ist ferner nicht von Belang, dass es sich bei den von der Verfügungsbeklagten herangezogenen 19 bis 20 Cent/kWh um "Branchenschätzungen" handelt, da dies dem Leser mitgeteilt wird.

Bedeutungslos ist weiterhin, dass es sich bei dem Angebot von knapp 11 Cent/kWh um einen Preis handelt, der lediglich unter bestimmten Umständen im Rahmen eines Strompakettarifs erreicht werden kann. Denn es ist unstreitig, dass Neukunden dieser Strompreis in sechs von 224 Pakettarifen angeboten und er in der Vergangenheit auch gezahlt wurde, mag es sich auch um lediglich 1,21% der Kunden gehandelt haben.

Ferner ist unstreitig, dass dieser Strompreis von 11 Cent/kWh nicht kostendeckend ist. Wenn die Verfügungsklägerin hierzu ausführt, dass es sich lediglich um einen Preis handelt, der lediglich von 1,21% der Kunden im Rahmen des erworbenen Strompakets "getroffen" wird, ist dies nicht von Bedeutung, da immerhin 1,21% der Kunden Strom zu unstreitig nicht kostendeckenden Preisen angeboten wurde.

Wenn die Verfügungsklägerin weiterhin ausführt, dass sie bei einer Gesamtbetrachtung über alle Kundengruppen und Vertragslaufzeiten hinweg mit dem in dem Artikel genannten Tarif Gewinne erwirtschafte und insgesamt betrachtet kostendeckend arbeite, mag dies sein, spielt nach dem Vorgesagten jedoch keine Rolle, da es eben auch Kunden gibt, denen der Strom zu nicht kostendeckenden Preisen - zumindest im ersten Vertragsjahr - angeboten wird.

Selbst wenn man mit der Verfügungsklägerin den effektiven Arbeitspreis zugrunde legen würde, der laut der von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherung am 22.10.2012 bei mindestens 12 Cent/kWh gelegen hat, und mit der Verfügungsklägerin einen durchschnittlichen Betrag für Umlagen, Steuern, Konzessionsabgaben und Netzentgelte von 17,71 Cent/kWh - im Jahre 2012 - zugrundelegen würde, blieb es dabei, dass die Verfügungsklägerin Strom in Einzelfällen zu nicht kostendeckenden Preisen anbietet bzw. angeboten hat. Mehr wird von der Verfügungsbeklagten - wie sich aus dem streitgegenständlichen Artikel ergibt, wenn es heißt: "Beispiel-Angebot von H" - jedoch nicht - auch nicht zwischen den Zeilen - behauptet.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert für das Widerspruchsverfahren: 60.000,- Euro.