VG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2018 - 28 K 963/17
Fundstelle
openJur 2019, 12042
  • Rkr:

Rechtmäßigkeit von Nebenbestimmungen zum Schutz des Rotmilans zu Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Einhaltung des Tötungsverbotes des Rotmilans in zwei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen zur Errichtung und zu dem Betrieb jeweils einer Windenergieanlage („WEA“).

Mit Anträgen vom 20. Mai 2016 beantragte die Klägerin Genehmigungen zur Errichtung und zum Betrieb von zwei im Abstand von ca. 350 m liegenden WEA (WEA 1 und WEA 5) des Typs Enercon E-70 in M.          -S.        (S1.---straße , Gemarkung S.        , Flur 4, Flurstücke 159 und 40).

Die geplanten Standorte der Anlagen befinden sich in einer Konzentrationszone für WEA, die jeweils im Abstand von mehreren hundert Metern im Norden von der Siedlung S.        , im Westen von der Ortslage N.         , im Südwesten von der Wohnsiedlung S2.         und im Osten und Südosten von dem Ortsteil P.       begrenzt wird. Ca. 1.000 m südlich der Anlagen verläuft die L 291. In östlicher Richtung befindet sich in ca. 1.300 m Entfernung die Bundesautobahn A 3, in westlicher Richtung in ca. 700 m Entfernung die L 108. An S.        schließt sich nördlich nach landwirtschaftlich genutzten Flächen in ca. 2.500 m Entfernung von den Anlagen das nach Norden hin langgestreckte Naturschutzgebiet „G.       N1.    “ an, das zu großen Teilen von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben ist. Die Konzentrationszone und das nähere Umfeld werden intensiv landwirtschaftlich genutzt und stellen sich aufgrund des Fehlens gliedernder oder belebender Gehölzstrukturen als ausgeräumte Ackerflur dar. Feldgehölze befinden sich im Norden und Westen, kleinere Waldbereiche im Süden entlang der ca. 1.700 m südlich gelegenen Wupper. Der Raum weiter westlich in ca. 2.000 m Entfernung wird ebenfalls landwirtschaftlich genutzt und ist durch Auskiesungsgewässer geprägt, die an die Bundesautobahnen A 59 und A 542 angrenzen. Im weiteren Umfeld wechseln sich städtische Strukturen mit kleinflächigen Offenlandbereichen ab. Südwestlich der Anlagestandorte befindet sich in ca. 500 m Entfernung ein großes Umspannwerk.

Im Zuge der Planung legte die Klägerin u.a. einen Ergebnisbericht B.        und ein ASP-II-Gutachten des Fachgutachters F.     (Umweltgutachten, im Folgenden als „F 2016“ bezeichnet) jeweils vom 26. April 2016 vor. Die dortigen Untersuchungen der Vogelkartierung aus März bis Juli 2012 kamen zu dem Ergebnis, dass das Vorhabengebiet für den Rotmilan nur gering bis allgemein als Nahrungshabitat geeignet sei. Der Rotmilan sei nur bei einer von acht Begehungen im Untersuchungsraum UR 2.000 (Radius von 2.000 m) um die geplanten Anlagen zwischen März und Juli 2012, nämlich bei der Begehung Mitte April 2012, über eine Stunde lang nahrungssuchend gesichtet worden. Da der Rotmilan ein seltener Nahrungsgast und damit kein signifikantes Tötungsrisiko durch die geplanten WEA erkennbar sei, verstießen die Vorhaben nicht gegen das Tötungsverbot im Bundesnaturschutzgesetz.

Während des Genehmigungsverfahrens legte die Bürgerinitiative „S3.       I.        S.        “ im Sommer 2016 der Unteren Naturschutzbehörde des Beklagten Unterlagen zu Vogelbeobachtungen aus 2015 und 2016 vor, die dokumentieren sollen, dass die Rotmilane regelmäßig das Gebiet von S.        für 30 min bis eine Stunde in Paaren oder Gruppen überkreisen und dabei den gesamten Bereich der geplanten Anlagen überfliegen sowie sich in den letzten Jahren die Anzahl der Milane erhöht habe. Die Bilddokumentationen wurden von dem Beklagten nach Rücksprache mit einem ornithologisch fachkundigen Mitarbeiter der Biologischen Station Haus C.      für aussagekräftig befunden.

Mit zwei Bescheiden vom 21. Dezember 2016 erteilte der Beklagte der Klägerin die beantragten Genehmigungen nach § 4 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) zur Errichtung und zum Betrieb von je einer WEA vom Typ ENERCON E-70 E 4 mit einer Nennleistung von je 2.300 kW, einer Nabenhöhe von 64 m, einem Rotordurchmesser von 71 m und einer Gesamthöhe von 99,5 m in der Gemarkung S.        , Flur 4, Flurstück 159 (Az. 158.0007/16/1.6.2 MM, WEA 5) und (Az. 158.0004/16/1.6.2, WEA 1).

Die Genehmigungen sind unter Ziffer II der Bescheide u.a. mit Nebenbestimmungen zum Schutz des Rotmilans versehen. Die zum Unterpunkt „Auflagen“ ergangenen Nebenbestimmungen A 67 bis A 69 betreffend das Flurstück 159 (bzw. inhaltsgleich für die Genehmigung für das Flurstück 40: Auflagen A 64 bis A 66) sehen in der Auflage A 67 (bzw. A 64) Vermeidungsmaßnahmen in Form eines Abschaltalgorithmus vor, wonach die WEA bei der Ernte von Ackerflächen im Umkreis von 100 m um die WEA ab dem Erntebeginn bis zum Ende der Stoppelbrache tagsüber abzuschalten ist, dies gilt für alle Erntevorgänge aller Feldfrüchte im gesamten Jahr; zudem darf die Ernte auf Ackerflächen auf 75 % der Flächen im 100 m-Umkreis nicht früher beginnen als in der Umgebung. Sofern ein Nachweis über die Maßnahmewirksamkeit nicht geführt wird, sind die WEA in der Zeit vom 15. März bis zum 1. September ganztägig außer Betrieb zu setzen. Die Auflage A 68 (bzw. A 65) enthält ein Verbot der Anlage von Strukturen, die für den Rotmilan attraktive Wirkungen ausüben in Gestalt des Verbotes der Anlage von Baumreihen, Hecken, Kleingewässern und Grünland im Umkreis von 150 m Radius um den Turmmittelpunkt sowie des Gebotes zur landwirtschaftlichen Ackernutzung bis an den Mastfuß. Schließlich eröffnet die Auflage A 69 (bzw. A 66) die Möglichkeit einer Rotmilankartierung, bei deren Erfüllung die Klägerin eine Überprüfung der Erforderlichkeit der Auflagen A 67 und A 68 (bzw. A 64 und A 65) erreichen kann. Im  Einzelnen beinhaltet die Auflage A 69 (bzw. A 66) eine Horstsuche im Untersuchungsgebiet von 4.000 m um die geplante WEA sowie eine Raumnutzungskartierung in diesem Gebiet, mit der die Funktionsbeziehungen und Nutzungsmuster zwischen und in den Brut- und Nahrungshabitaten des Rotmilans ermittelt werden sollen. Wegen der genauen Formulierung der einzelnen Nebenbestimmungen wird auf die streitgegenständlichen Bescheide verwiesen.

Zur Begründung der Nebenbestimmungen betreffend den Rotmilan führt der Beklagte in den Genehmigungsbescheiden aus, es sei zwar nicht ortsgenau bekannt, wo der Rotmilan im Umkreis brüte, aufgrund dessen regelmäßigen paarweisen Auftretens werde jedoch von einem besetzten Revier im UR 4.000 ausgegangen. Zur Nahrungssuche würden die Flächen der geplanten WEA regelmäßig beflogen. Der Rotmilan zeige gegenüber WEA kein Meidungsverhalten. Da Balzflüge im Frühjahr, Thermikkreisen und z.T. Nahrungsflüge in Höhen stattfänden, in denen sich die Rotoren befänden, bestehe für die Art ein sehr hohes Kollisionsrisiko. Nach entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen würden sich ca. 36 % der Flugaktivitäten des Rotmilans im für die geplanten Anlagen relevanten Bereich in Höhen von 26-100 m bewegen, die Rotoren der Anlagen befänden sich in einer Höhe von 28,5 m bis 99,5 m. Zwar würden 60 % aller Flugaktivitäten im Umkreis von 1.500 m (UR 1.500) zum Horststandort stattfinden, und insgesamt 90 % fänden in einem Umkreis von 4.000 m statt. Allerdings unterliege das Raumnutzungsmuster des Rotmilans einer hohen Variabiliät, insbesondere in Abhängigkeit von der Lage der Brutplätze (geringe Standorttreue, Wechselnester) und der landwirtschaftlichen Nutzung mit der Folge der Änderung des Nahrungsangebots. Der Aufenthalt von Rotmilanen werde stark vom Nahrungsangebot beeinflusst, eine hohe Attraktivität besäßen vor allem frisch gemähte oder abgeerntete Flächen sowie Flächen mit lückiger Vegetationsdecke. Die Nutzungsstruktur rund um die Waldflächen im G.       N1.    , in denen das Revierzentrum des Rotmilans vermutet werde, zeige, dass Offenland für die Nahrungssuche dort nur im begrenzten Maß vorhanden sei, der überwiegende Teil bestehe aus Siedlungsfläche und Wald, während sich zur Nahrungssuche geeignete Flächen vor allem im Südwesten und Süden von M.          und südwestlich von S.        (im UR 1.000) befänden. Vor diesem Hintergrund seien die Angaben der Bürgerinitiative nachvollziehbar, dass sich der Rotmilan verstärkt im Bereich der geplanten Anlagen zur Nahrungssuche aufhalte, da dort geeignete Strukturen vorlägen. Deswegen erscheine das Tötungsrisiko durch die WEA signifikant erhöht.

Am 23. Januar 2017 hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen 28 K 963/17 Klage gegen die Nebenbestimmungen A 67 bis A 69 des Genehmigungsbescheides vom 21. Dezember 2016 betreffend die Genehmigung für das Flurstück 159 erhoben. Am gleichen Tag hat sie auch Klage gegen die Nebenbestimmungen A 64 bis A 66 des Genehmigungsbescheides vom 21. Dezember 2016 bezüglich der Genehmigung für das Flurstück 40 (Aktenzeichen 28 K 1128/17) erhoben.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 9. Januar 2018 die Verfahren 28 K 963/17 und 28 K 1128/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen 28 K 963/17 verbunden.

Die Klägerin ist der Ansicht, die isolierte Anfechtung der Nebenbestimmungen mittels einer Anfechtungsklage sei zulässig, da eine isolierte Aufhebbarkeit nicht offenkundig von vornherein ausscheide.

Die artenschutzrechtlichen Auflagen A 67 (bzw. A 64) mit den dort geregelten Abschaltalgorithmen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG seien fachlich nicht gerechtfertigt. Diese Nebenbestimmungen seien nicht erforderlich, um die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG sicherzustellen. Der Beklagte habe seine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative überschritten. Es sei nicht vertretbar anzunehmen, der Betrieb der WEA würde zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko für den Rotmilan (oder auch den Schwarzmilan) führen. Es gäbe unstreitig weder Nachweise noch konkrete Hinweise auf eine Brut im UR 1.000 und UR 1.500. Der vermutete Horst im erweiterten UR 4.000 liege außerhalb des nach wissenschaftlichen Erkenntnissen anzunehmenden Aktivitätszentrums des Rotmilans von 1.000 - 1.500 m. Es würden auch keine Nachweise existieren, dass der Rotmilan die Vorhabenfläche in einer Weise nutze, die zu einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos führe. Einzelne Flüge im Vorhabengebiet, auch wenn diese wiederholt erfolgten, würden kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko begründen, dies sei erst dann der Fall, wenn die Nutzung des Vorhabengebietes häufig und intensiv erfolge. Von einer solchen Nutzung könne aber nur dann ausgegangen werden, wenn die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Vorhabengebiet ähnlich hoch sei wie im Umkreis von 1.500 m um den Neststandort. Dies sei aber nicht der Fall. Die Zufallsbeobachtungen der Bürgerinitiative seien nicht geeignet, den Anteil der Aufenthaltszeit im Vorhabengebiet an der Gesamtaufenthaltszeit der Exemplare zu bestimmen. Aus den vorliegenden Daten und Hinweisen ergebe sich vielmehr, dass der Rotmilan das Vorhabengebiet nur zeitweise zu nutzen scheine, nämlich Anfang März und nach der Ernte. Nur in diesen Zeiten sei das Erspähen von Kleinsäugern möglich, da diese nicht durch Feldfrüchte verdeckt seien. Auch lasse sich das Vorhabengebiet nicht nach allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnissen als vom Rotmilan regelmäßig genutztes Nahrungshabitat einstufen, da der Rotmilan Bereiche mit langen Grenzen zwischen Wald und Offenland mit einem hohen Grünlandanteil bevorzuge, die unmittelbare Umgebung des Vorhabengebietes jedoch landwirtschaftlich genutzt werde, die mit hochbewachsenen Feldfrüchten keine erfolgreiche Jagd auf Bodensäuger zuließe. Angesichts des vermuteten Horstes des Rotmilans im G.       N1.    und damit in ca. 3.000 m Entfernung sei es zudem wahrscheinlich, dass der Rotmilan vergleichbare horstnähere Strukturen zur Nahrungssuche aufsuchen werde, die sich angrenzend an das G.       N1.    befänden. Eine – wie vorliegend – großräumige und diffuse Verteilung der Nahrungshabitate außerhalb des Mindestabstands einer WEA zum Brutvorkommen führe beim Rotmilan in der Regel nicht zu erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Nahbereich der Anlage.

Auch nach der von ihr vorsorglich im Frühjahr 2017 veranlassten erneuten Rotmilankartierung durch das Gutachterbüro F („F 2017“) könne ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko weiterhin ausgeschlossen werden. Ein besetzter Horst des Rot- oder Schwarzmilans im UR 1.500 sei auch im Jahr 2017 nicht vorhanden gewesen. Auch im UR 4.000 habe kein Rotmilanhorst nachgewiesen werden können. Zwar seien bei der durch F in 2017 durchgeführten Untersuchung an allen fünf Beobachtungstagen jeweils Flüge des Rotmilans im UR 1.500 erfasst worden, diese ließen aber lediglich auf Nahrungsflüge schließen, die in einem vergleichsweise geringen Umfang erfolgt seien. Dies spreche dafür, dass das Vorhabengebiet kein regelmäßig genutztes essentielles Nahrungshabitat des Rotmilans sein könne. Allenfalls nutze der Rotmilan das Vorhabengebiet zeitweise und damit gelegentlich, so lange sich noch keine geschlossene Vegetationsdecke gebildet habe. Auch die gelegentlich vorkommende Ernte auf Ackerflächen im Umkreis von 100 m um die Anlagenstandorte begründe kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko. Es handele sich dabei gerade nicht um eine häufige und intensive Nutzung des Vorhabengebiets als Nahrungshabitat, durch den Umbruch von Feldern oder das Mähen von Wiesen entstehe kein dauerhaft bevorzugtes Nahrungshabitat (sog. „hot spot“). Die kurzzeitige Nutzung bewege sich in einem Risikobereich, der im Naturraum immer gegeben sei.

Aus den vorgenannten Gründen sei auch das Verbot zur Anlage von attraktiven Strukturen für den Rotmilan in den Auflagen A 68 (bzw. A 65) nicht zur Erfüllung der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 44 Abs. 1 BNatSchG genannten Voraussetzungen erforderlich.

Die mit den Auflagen A 69 (bzw. A 66) vorgesehene Horstsuche und Raumnutzungsanalyse sei nicht erforderlich. Da es bereits an einem zur Rechtfertigung eines Abschaltalgorithmus erforderlichen signifikant erhöhten Tötungsrisiko fehle, sei auch eine Kartierung nicht erforderlich. Selbst für den Fall der Rechtmäßigkeit des Abschaltalgorithmus sei diese Auflage jedoch unverhältnismäßig. Da die Auflage bezwecke, die Beklagte in die Lage zu versetzen, einen Verstoß gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erneut zu überprüfen, sei lediglich in dem Fall, in dem die Horstsuche dazu Anlass biete, die Auflage zur Durchführung einer Raumnutzungsanalyse erforderlich. Wenn kein Horst gefunden werde, sei auch aus einer Raumnutzungsanalyse kein zusätzlicher Informationsgewinn für die Einschätzung des Tötungsrisikos zu erwarten. Aber auch der geforderte Umfang der Horstkartierung und Raumnutzungsanalyse 4.000 m um die geplanten WEA sei zu weitreichend, da für die Rechtmäßigkeit der Auflagen zu Abschaltalgorithmen allein die Einordnung des Vorhabengebietes UR 1.000 als regelmäßiges essentielles Nahrungsgebiet entscheidend sei.

Die Klägerin beantragt,

die Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2016 - 158.0007/16/1.6.2 MM - mit den Ziffern A 67, A 68 und A 69 sowie die Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2016 - 158.0004/16/1.6.2 MM - mit den Ziffern A 64, A 65 und A 66 aufzuheben,

hilfsweise,

den Beklagten unter Aufhebung der Genehmigungsbescheide vom 21. Dezember 2016 zu verpflichten, ihr die Genehmigungen zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Windkraftanlagen ohne die Nebenbestimmungen A 67, A 68 und A 69 im Bescheid vom 21. Dezember 2016 - 158.0007/16/1.6.2 MM - sowie A 64, A 65 und A 66 im Bescheid vom 21. Dezember 2016 - 158.0004/16/1.6.2 MM - zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, es bestehe ohne die streitgegenständlichen Auflagen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan durch den Betrieb der streitgegenständlichen WEA, da dieser den Gefahrenbereich der Anlagen, der einen Bereich von 100 – 150 m um die WEA herum umfasse, als Nahrungshabitat nutze und sich dort regelmäßig und häufig aufhalte.

Das Vorhabengebiet sei entgegen der Ansicht der Klägerin als Nahrungshabitat für Rotmilane gut geeignet. Es zeichne sich durch eine variable Nutzung mit unterschiedlichen Feldfruchtarten, Grenzstrukturen und Grünland aus, die unterschiedliche Nahrungshabitate über einen langen Zeitraum bis in den Monat Juni bieten würden. Besonders attraktiv seien Flächen während oder kurz nach der Ernte, Mahd oder Bodenbearbeitung.

Das von der Klägerin im Rahmen der Beantragung der Genehmigungen vorgelegte Fachgutachten F 2016 (Kartierung aus dem Jahr 2012) sei überholt. Während der Rotmilan bei der Kartierung in 2012 bei allen Begehungen nur ein einziges Mal angetroffen worden sei, habe der von der Klägerin in 2017 beauftragte Gutachter F den Rotmilan bei jeder Begehung teils mehrfach beobachtet. Aber auch dieses aktuelle Gutachten der Klägerin vom 14. Juli 2017 (F 2017) sei nicht ausreichend aussagekräftig: Die Kartierung entspreche nicht den Anforderungen an eine Horstsuche und Raumnutzungsanalyse gemäß den Vorgaben des Artenschutzleitfadens, die Erfassungszeiten seien nicht ausreichend und es sei nicht zu Zeiten landwirtschaftlicher Erntevorgänge kartiert worden. Es fehlten zudem Tabellen der Kartiertage mit Uhrzeiten und Witterungsdaten sowie Kartendokumente zu den Flugbewegungen.

Bei einer von ihm während des laufenden Klageverfahrens beauftragten Greifvogel-Kartierung durch das Gutachterbüro U.         in der Saison 2017 („U.         2017“), bei der es sich zwar ebenfalls nicht um eine vollständige Vogelerfassung handle, die aber durch die Wahl witterungs- und nutzungsbedingter Bedingungen repräsentativ sei, habe sich zwar ebenfalls ergeben, dass der Rotmilan weiterhin keinen Horst im UR 1.500 um die geplanten Anlagen besetze, jedoch ein besetztes Revier im UR 4.000 zu verzeichnen sei. Zum einen sei territoriales Verhalten im UR 1.500 (durch U.         2017: Suchflüge für Nistmaterial und Synchronflüge am 27. März 2017 sowie Balzflüge eines Revierpaares am 6. April 2017, durch F 2017: territoriales Verhalten am 24. März 2017) beobachtet worden. Diese Verhaltensweisen seien als Brutverdacht zu werten, da im Abstand von mindestens einer Woche weitere Beobachtungen von Rotmilanen erfolgt seien, die sich über die ganze Kartierperiode erstreckt hätten. Zum anderen habe der Gutachter U.         zwei Beobachtungen von mit Beute einfliegenden Altvögeln der Rotmilane gemacht. Bei der Wiesenmahd am 1. Juni 2017 in der Nähe der Anlagen (im Umkreis von 300 m zur nördlichen WEA) habe der Gutachter einen Altvogel dabei beobachtet, wie er ein durch den Mäher getötetes Beutetier aufgenommen habe und in die Waldbereiche um das G.       N1.    eingeflogen sei, der Rotmilan habe an diesem Tag innerhalb von 6 Stunden 23 mal die gemähten Wiesen im Untersuchungsgebiet an- bzw. überflogen, der Schwarzmilan sei 15 mal beobachtet worden, zeitweise seien vier Individuen gleichzeitig anwesend gewesen. Später sei ein weiterer Altvogel ebenfalls nach einer Wiesenmahd mit einem Beutetier in Richtung G.       N1.    geflogen. Die Beobachtung beuteeintragender Altvögel sei nach allgemein anerkannter Methodik für Brutvogelkartierungen als gesichertes Brüten bzw. Brutnachweis zu werten, insofern könnten die Beobachtungen als berechtigter Brutverdacht gewertet werden, auch wenn der Horst nicht habe gefunden werden können.  Auch an den anderen Begehungstagen seien jedes Mal mehrere Rot- und Schwarzmilane im Gebiet verzeichnet worden, fast immer auch Einflüge des Rotmilans in den Gefahrenbereich der Anlagen hinein. An 25 % der Beobachtungstage seien mehrere Exemplare der Milane gleichzeitig gesichtet worden. Aber auch die Sichtung von Einzelexemplaren sei bedeutend, da diese Teil eines Brutpaares seien und der Verlust eines Altvogels zum Verhungern der Jungvögel führen könne.

Außerdem lägen nun weitere Beobachtungen der Bürgerinitiative „S3.       I.        S.        “ für den Zeitraum vom 12. Januar 2017 bis 12. Dezember 2017 vor, die insgesamt 130 Sichtungen des Rotmilans auswiesen. Die Flugbewegungen, die auf einem Kartenblatt eingetragen und teilweise mit Fotos dokumentiert seien, ließen den Schluss zu, dass ein Schwerpunkt der Flugbewegungen nur ca. 300 m nördlich der geplanten Anlage WEA 1  liege und der Gefahrenbereich um die Anlagen regelmäßig aufgesucht werde. So seien von der Bürgerinitiative 38 Einflüge des Rotmilans, 5 des Schwarzmilans und 12 ohne Bezeichnung der Milanart in den Gefahrenbereich dokumentiert worden. Auch seien mehrere nahrungssuchende Milane bei der Wiesenmahd am 1. Juni 2017 verzeichnet worden. Der Beklagte sei berechtigt gewesen, die Beobachtungen der Bürgerinitiative in ihre Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Durch die genannten Belege sei festgestellt worden, dass sich der Rot- und auch der Schwarzmilan regelmäßig im Untersuchungsgebiet von 1.500 m um die Anlagenstandorte aufhielten und den Gefahrenbereich häufig frequentierten. Das Aufsuchen von frisch bearbeiteten landwirtschaftlichen Flächen zur Nahrungssuche, um dort verletzte oder getötete Beutetiere zu erjagen, sei eine artspezifische Verhaltensweise dieser Vögel. Da sie keine natürlichen Feinde in der Luft hätten, würden sie sich bei der Nahrungssuche vorwiegend auf den Bereich unter ihnen konzentrieren und dabei einem hohen Kollisionsrisiko mit WEA unterliegen.

Dass sich der Rotmilan zur Nahrungssuche häufig im Bereich um die WEA aufhalte, sei auch angesichts der Nutzungsstruktur rund um die Waldflächen des G.       Moores, in dem der besetzte Horst vermutet werde, nachvollziehbar. So würden im Umkreis von 1.500 m um das G.       N1.    ausgedehnte Wald- und Siedlungsflächen vorherrschen. Nur bei 23 % der diesen Radius abbildenden Fläche fänden sich für den Rotmilan geeignete Flächen. Diese Flächen seien vor allem während der Brut- und Aufzuchtzeit nicht ausreichend, so dass der Rotmilan auf weiter entfernte Flächen ausweichen müsse. Im Umkreis von 4.000 m sei das Nahrungsangebot ebenfalls begrenzt und umfasse vorwiegend die Flächen der WEA-Standorte als Teil eines zusammenhängenden Areals östlich der Baggerseen in M.          , die zudem Korridore zum G.       N1.    aufwiesen. Die dort vorzufindende kleinteilige Nutzung mit eingestreutem Grünland und zahlreichen Randstrukturen böten geeignete Nahrungshabitate. Die weiteren zur Nahrungssuche geeigneten Flächen westlich des G.       Moores seien nicht so groß bzw. hinsichtlich der Flächen im Nordosten und Südosten nicht zusammenhängend.

Dem entgegnet die Klägerin, dass auch nach den von U.         2017 durchgeführten Untersuchungen nicht jedes Ereignis mit potentiell hoher Attraktionswirkung zu einer nennenswerten Steigerung der Nutzungsintensität des Vorhabengebietes geführt habe. Am 6. Juli 2017, einem Tag nach der Gerstenmahd, seien innerhalb von 7 Stunden nur drei Flüge des Rotmilans im Vorhabengebiet registriert worden. Auch weitere Wiesenmahdtermine am 7., 8. und 9. Mai 2017, 25. Mai sowie 10. und 11. Juni 2017 hätten – die Beobachtungen der Bürgerinitiative zugrundegelegt – nicht zu einer erheblich gesteigerten Nutzung des Gebietes geführt.

Die Beklagte erwidert darauf, dass an allen genannten Mahdterminen Rotmilane nahrungssuchend von der Bürgerinitiative verzeichnet worden seien. Dies belege die Attraktivität des Mahdvorgangs für die Milane. Mahd und Ernte seien auch keine vereinzelten oder selten vorkommenden Ereignisse, sondern fänden regelmäßig und stetig im Jahresverlauf statt. Bei dem Wiesenmahdtermin am 7. Mai 2017 sei mittags gegen 12:00 ein Rotmilan bei den Mäharbeiten beobachtet worden, bei Mäharbeiten am 8. Mai 2017 hätten sich mittags drei Beobachtungen im Zeitraum von ca. 45 min ergeben, wobei der Rotmilan zweimal über frisch gemähten Feldern beobachtet worden sei, am 9. Mai 2017 seien in der Mittagszeit in einem Zeitfenster von 50 min zwei Milane gesehen worden, von denen mindestens einer bei den Mäharbeiten anwesend gewesen sei. Auch am 25. Mai 2017 seien vormittags binnen 20 min zwei Rotmilane gleichzeitig gesichtet worden, die bei Mäharbeiten auf Nahrungssuche gewesen seien. An dem Wiesenmahdtermin am 10. Juni 2017 sei von dem Eigentümer der Wiese nachweislich jeweils über den Zeitraum von einer Stunde ein Rot- und ein Schwarzmilan beim Suchflug über die Wiese beobachtet worden. Am 11. Juni 2017 sei ein Rotmilan beobachtet worden, wie er beim Mähen dem Traktor hinterhergeflogen und anschließend mehrfach zwischen diesem Standort und einer weiteren gerade gemähten Wiese hin und her gewechselt sei. Über die restlichen Tageszeiten dieser Termine lägen keine Beobachtungen vor. Da die Sichtungen durch die Mitglieder der Bürgerinitiative aber im Rahmen von Freizeitaktivitäten und nicht systematisch erfolgt seien, sei ein Rückschluss darauf, dass an Tagen oder Tageszeiten ohne Beobachtungsnotiz der Bürgerinitiative keine Rotmilane anwesend gewesen seien und über den Feldern nur vereinzelte Flüge eines Milans stattgefunden hätten, nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts, insbesondere auch zu den während des Klageverfahrens eingeholten Gutachten ecoda 2017 und U.         2017 wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die Klage ist im Hauptantrag überwiegend zulässig (A.), aber nicht begründet (B.). Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden (C.).

A. Hinsichtlich der in den Genehmigungsbescheiden vom 21. Dezember 2016 verfügten Nebenbestimmungen A 67 bzw. A 64 (Abschaltauflagen) und A 68 bzw. A 65 (Verbot der Anlage attraktiver Strukturen für den Rotmilan) ist die Klage zulässig (I.), in Bezug auf die in A 69 bzw. A 66 angebotene Rotmilankartierung jedoch unzulässig (II.).

I. Die Klage gegen die Nebenbestimmungen A 67 bzw. A 64 (Abschaltauflagen) und A 68 bzw. A 65 (Verbot der Anlage attraktiver Strukturen für den Rotmilan) ist als isolierte Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Diese Regelungen stellen belastende Nebenbestimmungen und keine Inhaltsbestimmungen der Genehmigungen dar.

Vgl. für ähnliche Gestaltungen von Abschaltverpflichtungen: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Mai 2016 - 2 L 64/14 -, juris, Rn. 48; Thüringer OVG, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 1 EO 356/14 -, juris, Rn. 41-45;  a.A. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. März 2012 - OVG 11 S 72.10 -, NuR 2012, 483.

Bei der Abgrenzung zwischen einer Nebenbestimmung im Sinne des § 36 Abs. 2 VwVfG NRW und einer Inhaltsbestimmung kommt es auf den Erklärungswert des Genehmigungsbescheids an, wie er sich bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Empfängers darstellt. Dabei ist die sprachliche Bezeichnung als Nebenbestimmung allein nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr, ob die im Bescheid getroffene Regelung unmittelbar der Festlegung des Genehmigungsgegenstands dient, also das zugelassene Handeln des Betreibers räumlich und sachlich bestimmt und damit den Gegenstand der Genehmigung festlegt. Ist das der Fall, handelt es sich um eine Inhaltsbestimmung.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 1999 - 21 A 3481/96 -, juris, Rn. 13 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 14. März 2013 - 12 LC 153/11 -, juris, Rn. 52.

Demgegenüber regelt die Auflage i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW zusätzliche Handlungs- oder Unterlassungspflichten, die zwar der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen dienen, aber zur Genehmigung hinzutreten und keine unmittelbare Wirkung für Bestand und Geltung der Genehmigung haben.

Nach keinem dieser vorgenannten Abgrenzungskriterien ist die streitgegenständliche Festlegung der Abschaltzeiten und das Verbot der Anlage attraktiver Strukturen für den Rotmilan unabhängig von der durch die Genehmigungsbehörde gewählten Bezeichnung zwingend als Inhaltsbestimmung einzuordnen. Insbesondere lässt sich eine ihre isolierte Aufhebbarkeit ausschließende untrennbare Verknüpfung mit dem Genehmigungsbescheid nicht schon daraus herleiten, dass die Abschaltzeiten nach Auffassung des Beklagten erforderlich sind, um einen Verstoß gegen das artenschutzrechtliche Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zu vermeiden. Auch „echte“ Nebenbestimmungen dürfen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nur beigefügt werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen.

In Fällen wie dem vorliegenden wird man daher der Genehmigungsbehörde einen gewissen Gestaltungsspielraum einräumen können und sie für befugt halten dürfen, selbst zu entscheiden, mit welchen Mitteln sie die Einhaltung der jeweiligen Genehmigungsvoraussetzungen gewährleisten will. Mithin kommt es maßgeblich darauf an, welchen Rechtscharakter die Behörde der Festlegung im Genehmigungsbescheid zugebilligt hat.

Vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 1 EO 356/14 -, juris, Rn. 44.

Gemessen daran stellen die Nebenbestimmungen A 67 (bzw. A 64) und A 68 (bzw. A 65) vorliegend Auflagen i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW dar. Der Beklagte hat in den streitgegenständlichen Genehmigungsbescheiden diese Regelungen ausdrücklich als „Auflage“ gekennzeichnet und in der Begründung der Bescheide ausgeführt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 BImSchG erfüllt seien, wenn den Nebenbestimmungen entsprochen werde. Zudem sind die Auflagen auch aus Sicht der Behörde selbständig vollstreckbar, wie sich in ihrem nachfolgenden Verwaltungshandeln in Gestalt einer geplanten Durchsetzung der Abschaltverpflichtung ab dem 15. März 2018 dokumentiert.

Handelt es sich mithin bei der Abschaltverpflichtung in A 67 (bzw. A 64) und dem Verbot der Anlage von für den Rotmilan attraktiven Strukturen in A 68 (bzw. A 65) um "echte“ Nebenbestimmungen" zum immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid, ist auch die isolierte Anfechtungsklage zulässig. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, NVwZ-RR 2010, 320 und Urteil vom 19. Januar 1989 - 7 C 31.87 -, juris, Rn. 9, jeweils m.w.N.,

ist die Frage, ob eine Auflage isoliert aufgehoben werden kann, die Genehmigung also ohne die Auflage sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann, Gegenstand der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des mit der Anfechtungsklage verfolgten Aufhebungsbegehrens, sofern nicht eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet. Letzteres ist hier nicht der Fall. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer WEA kann grundsätzlich auch ohne die streitgegenständlichen Auflagen rechtmäßig sein und muss insbesondere nicht in jedem Fall gegen das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verstoßen.

II. Demgegenüber ist die Klage gegen die „Auflage“ A 69 (bzw. A 66), die der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, mittels einer Rotmilankartierung einschließlich Horstsuche und Raumnutzungsanalyse von dem Beklagten die vorgenannten Auflagen auf ihre Notwendigkeit überprüfen zu lassen, mangels Klagebefugnis bereits unzulässig.

Es handelt sich dabei lediglich um eine Erweiterung des Rechtskreises der Klägerin ohne Rechtscharakter und nicht um eine Auflage. Eine Auflage ist immer auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet und selbständig erzwingbar.

Vgl. Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 36, Rn. 68, m.w.N.

Die Klägerin ist aber weder verpflichtet, die Kartierung durchführen zu lassen noch ist eine Vollstreckbarkeit gegeben. Ihre rechtliche Relevanz entfaltet diese Bestimmung nur insoweit, als der Beklagte sich verpflichtet, im Fall einer freiwillig erfolgten Rotmilankartierung durch die Klägerin eine Prüfung der weiteren Notwendigkeit der Abschaltauflagen und Auflagen zur Gestaltung des Umfeldes der WEA – mit einem offenen Ergebnis – vorzunehmen. Insoweit belastet diese Option die Klägerin nicht und kann sie daher nicht in eigenen Rechten verletzen. Dieses Ergebnis wird auch durch die Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gestützt, die Option einer freiwilligen Kartierung sei ein Entgegenkommen des Beklagten gegenüber der Klägerin gewesen, um die Genehmigungen zeitnah noch im Jahr 2016 erteilen zu können. Im Übrigen kann die Klägerin eine Überprüfung der Auflagen unabhängig von dem Hinweis des Beklagten auch über einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG NRW erreichen.

B. Soweit die Anfechtungsklage zulässig ist, erweist sie sich aber im Ergebnis als unbegründet. Zu dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (I.) stellen sich angefochtenen Auflagen A 67 (bzw. A 64) und A 68 (bzw. A 65) als rechtmäßig dar und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (II.)

I. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer Anfechtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung.

Vgl. zur baurechtlichen Nachbarklage u.a. OVG NRW, Urteil vom 28. November 2007 - 8 A 2325/06 -, juris, Rn. 47 ff.

Spätere Änderungen zu Lasten des Betreibers haben außer Betracht zu bleiben. Nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten sind dagegen ebenso wie nachträglich gewonnene Erkenntnisse hinsichtlich der ursprünglichen Sachlage zu berücksichtigen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 1998 - 4 B 40.98 -, NVwZ 1998, 1179 = juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Juni 2010 ? 8 A 340/09 -, juris Rn. 18, und vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris Rn. 22.

Prognostische Begutachtungen sind – da es sich insoweit um nachträgliche Erkenntnisse in Bezug auf eine unveränderte Sachlage handelt – im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für die rechtliche Bewertung auch dann anwendbar, wenn sie erst im Anschluss an das Genehmigungsverfahren durchgeführt werden.

Vgl. zur nachträglichen Begutachtung einer Immissionssituation: BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 - 4 C 2.07 -, BVerwGE 129, 209; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Mai 2011 - 8 A 372/09 -, juris, Rn. 22 ff., vom 3. August 2012 - 8 B 290/12 -, juris, Rn. 9, vom 23. April 2013 - 2 B 141/13 -, BauR 2013, 1251 = juris, Rn. 9 f., und vom 9. Dezember 2013 - 8 A 1451/12 -, juris, Rn. 16, 18.

Dementsprechend sind die beiden während des laufenden Klageverfahrens erstellten Gutachten (F 2017 und U.         2017) in die Betrachtung einzubeziehen. Sie stellen lediglich aktualisierte Erkenntnisse hinsichtlich der bereits im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung vorhandenen Tatsachen dar. Gleiches gilt für die in 2017 erfolgten Dokumentationen der Bürgerinitiative „S3.       I.        /S.        “.

II. Sowohl die temporären Abschaltauflagen A 67 bzw. A 64 (1.) als auch die Auflagen A 68 bzw A 65, keine attraktiven Strukturen für den Rotmilan zu schaffen (2.) halten – unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse zum Vorkommen des Rotmilans durch die von den Beteiligten während des gerichtlichen Verfahrens eingeholten Gutachten (F 2017 und U.         2017) und der umfangreichen Vogelbeobachtungen seitens der Bürgerinitiative – der gerichtlichen Überprüfung stand.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist eine Nebenbestimmung dann rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist, um die in § 6 BImSchG normierten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist eine Genehmigung nur zu erteilen, wenn öffentlichrechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

1. Der in der Auflage Nr. A 67 (bzw. A 64) geregelte temporäre Abschaltalgorithmus zum Schutz des Rotmilans ist rechtmäßig, da er zur Sicherstellung der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG (Tötungsverbot) genannten Voraussetzungen erforderlich ist.

Nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzten oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Als im Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. L 61 v. 3.3.1997, S. 1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 70972010 (ABl. L 212 vom 12.08.2010), aufgeführte Tierart gehört der Rotmilan (milvus milvus) nach § 7 Abs. 2 Nr. 13 a) BNatSchG zu den besonders geschützten Arten.

Der Rotmilan gehört zudem zu den WEA-empfindlichen Arten, bei dem das Tötungsverbot wegen seines fehlenden Meideverhaltens grundsätzlich erfüllt sein kann.

Vgl. Auflistung der WEA-empfindlichen Arten in: Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in NRW“ (Leitfaden NRW) vom 10. November 2017, Seite 18.

Der Tötungstatbestand ist nicht nur bei einer gezielten Tötung, sondern auch dann erfüllt, wenn sich die Tötung als unausweichliche Konsequenz eines im Übrigen rechtmäßigen Verwaltungshandelns – hier der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung von WEA – erweist. Dass einzelne Exemplare besonders geschützter Arten durch Kollisionen mit WEA bzw. deren Rotorblättern zu Schaden kommen können, ist allerdings bei lebensnaher Betrachtung nie völlig auszuschließen und daher als unvermeidlich hinzunehmen. Soll das Tötungs- und Verletzungsverbot nicht zu einem unverhältnismäßigen Planungshindernis werden, ist daher zu fordern, dass sich das Risiko des Erfolgseintritts in signifikanter Weise erhöht. Gemeint ist eine „deutliche" Steigerung des Tötungsrisikos. Dafür genügt es nicht, dass im Eingriffsbereich überhaupt Tiere der (besonders) geschützten Art angetroffen worden sind; erforderlich sind vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass sich das Risiko einer Kollision durch das Vorhaben deutlich und damit in signifikanter Weise erhöht.

Vgl. st. Rspr. des BVerwG, z.B. Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299, vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274 und vom 8. Januar 2014 - 9 A 4.13 - BVerwGE 149, 31; OVG NRW, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 8 B 1303/16 -, juris, Rn. 11; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Januar 2016 - 2 L 153/13 -, juris, Rn. 64.

Dies ist erst dann der Fall, wenn das Risiko die Gefahrenschwelle in einem Risikobereich überschreitet, der mit dem Vorhaben im Naturraum immer verbunden ist, vergleichbar dem ebenfalls stets gegebenen Risiko, dass einzelne Exemplare einer Art im Rahmen des allgemeinen Naturgeschehens Opfer einer anderen Art werden. Der Verbotstatbestand ist zwar individuenbezogen; dass einzelne Exemplare etwa durch Kollisionen zu Schaden kommen, reicht aber nicht aus.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299, vom 13. Mai 2009 - 9 A 73/07 -, NuR 2009, 711, und vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, juris, Rn. 42.

Dabei muss die zu erwartende Opferzahl nicht so groß sein, dass sie sich bereits auf die Population als solche auswirkt. Andererseits muss die Zahl der potentiellen Opfer eine Größe überschreiten, die mit Rücksicht auf die Zahl der insgesamt vorhandenen Individuen einer Population sowie die Zahl der Individuen, die ohnehin regelmäßig dem allgemeinen Naturgeschehen, etwa als Beutetiere, zum Opfer fallen, überhaupt als nennenswert bezeichnet werden kann. Diese Zahl mag auch davon abhängen, wie hoch das Risiko im Einzelfall einzuschätzen ist und dürfte deshalb bei einem sehr hohen, an sichere Wahrscheinlichkeit grenzenden Tötungsrisiko niedriger liegen als bei einem geringeren, die Signifikanzschwelle nur gering überschreitenden Risiko.

Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. Mai 2013 - 2 L 106/10 -, juris, Rn. 22.

In diesem Sinne ist von einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos erst dann auszugehen, wenn eine besonders geschützte Tierart aufgrund ihrer artspezifischen Verhaltensweisen gerade im Bereich des Vorhabens (durch eine häufige Frequentierung) ungewöhnlich stark von dessen Risiken betroffen ist und sich diese besonderen Risiken durch die konkrete Ausgestaltung des Vorhabens einschließlich der geplanten Vermeidungs- oder Minderungsmaßnahmen nicht beherrschen lassen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Juli 2011 - 9 A 12/10 -, juris, Rn. 99; und vom 18. März 2009 - 9 A 39/07 -, juris, Rn. 58.

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos gegeben ist, steht der Genehmigungsbehörde hinsichtlich der Bestandserfassung der geschützten Arten und der Bewertung der Gefahren, denen die geschützte Art bei der Realisierung des Vorhabens ausgesetzt sein wird, eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu, weil die behördliche Beurteilung sich auf außerrechtliche Fragestellungen richtet, für die weithin allgemein anerkannte fachwissenschaftliche Maßstäbe und standardisierte Erfassungsmethoden fehlen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274, vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 -, BVerwGE 147, 118 und vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 -, NVwZ 2014, 524.

Die Einräumung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative führt mithin zu einer Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte. Das Gericht bleibt aber verpflichtet, zu prüfen, ob im Gesamtergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichen, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, mithin, ob die Behörde nach aktuellem Kenntnisstand einen fachwissenschaftlich vertretbaren Standpunkt eingenommen hat.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2013 - 4 C 1.12 -, juris, Rn. 16, und vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, juris, Rn 65.

Dazu gehört auch die Prüfung, ob sich die Behörde für die Feststellung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos auf eine ausreichend fundierte Tatsachenbasis gestützt hat.

Vgl. VG Berlin, Urteile vom 9. Februar 2017 - 10 K 84.15 -, juris, Rn.39 und vom 8. Oktober 2015 - 10 K 477.13 -, juris Rn. 28 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 13. März 2014 - 2 L 212/11 -, juris, Rn. 29 und vom 20. April 2016 - 2 L 64/14 -, juris, Rn. 66; VG Kassel, Urteil vom 25. Oktober 2017 - 7 K 2267/15.KS -, juris, Rn. 30.

Art und Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe der danach erforderlichen fachgutachtlichen Untersuchungen zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Schutzgüter im Planungsraum lassen sich mangels normativer Festlegung nur allgemein umschreiben und hängen maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab. In der Regel speisen sich die Untersuchungen aus der Bestandserfassung vor Ort sowie der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und Fachliteratur. Die naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative erstreckt sich nicht nur auf die durch das Vorhaben ausgelöste Gefahr für geschützte Tiere, sondern auch auf die vorgelagerte Frage, ob die betroffene Art im Einwirkungsbereich anzutreffen ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juli 2008 - 9 A 14.07 -, BVerwGE 131, 274, vom 27. Juni 2013 - 4 C 1.12 -, BVerwGE 147, 118, und vom 21. November 2013 - 7 C 40.11 -, NVwZ 2014, 524; OVG NRW, Beschlüsse vom 23. Mai 2017 - 8 B 1303/16 -, juris, Rn. 15 und vom 6. November 2012 - 8 B 441/12 -, juris Rn. 31.

Nach den vorgenannten Maßstäben steht den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für die beiden WEA ohne die streitgegenständlichen Abschaltauflagen A 67 (bzw. A 64) das artenschutzrechtliche Tötungsverbot entgegen. Der Beklagte hat naturschutzfachlich nachvollziehbar und vertretbar ein temporäres signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan vom Tag des Erntebeginns bis zum Ende der Stoppelbrache bei allen Erntevorgängen im Umkreis von 100 m um die WEA angenommen, welches durch die genannten Auflagen verhindert werden kann und bewegt sich insoweit innerhalb der Grenzen seiner naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative.

Der Beklagte hat nicht gegen seine Pflicht zur ausreichenden Ermittlung des Sachverhalts verstoßen. Auch wenn sich – wie die Klägerin zu Recht einwendet – die im Genehmigungsbescheid aufgeführten Erkenntnisse der Biologischen Station Haus C.      und des BUND M.          in den Verwaltungsvorgängen nicht wiederfinden, liegen mit den vor Genehmigungserteilung am 26. April 2016 erstellten Gutachten F (F 2016, beinhaltet Fachbeitrag zur Artenschutzvorprüfung ASP I, Fachbeitrag zur vertiefenden Artenschutzprüfung ASP II und Ergebnisbericht B.        über Vogelbeobachtungen aus dem Jahr 2012) und den nachträglich von der Klägerin eingeholten Gutachten F des Dipl.-Biologen Fritz vom 14. Juli 2017 (F 2017) sowie dem für den Beklagten erstellten Gutachten von B.Sc. Landschaftsnutzung & Naturschutz Peter U.         aus 2017 (U.         2017) in Bezug auf die streitgegenständlichen Nebenbestimmungen drei avi faunistische Gutachten für den konkreten Anlagenstandort vor, die eine hinreichende tatsächliche Basis zur Beurteilung bieten.

Die Tatsache, dass von keinem der beauftragten Gutachter in einem Umkreis von 1.500 m um die WEA ein besetzter Horst des Rotmilans nachgewiesen werden konnte, führt nicht dazu, dass ein signifikantes Tötungsrisiko auszuschließen wäre.

Liegt ein Brutplatz innerhalb des Radius der Spalte 2 des Anhangs 2 des Leitfadens vom 10. November 2017 (für den Rotmilan im Tiefland 1.500 m, was der Empfehlung der Einhaltung eines Mindestabstands von WEA zu Brutplätzen für Rotmilane der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten (LAG VSW), Stand April 2015, Tabelle 2 entspricht), steht dies regelmäßig bereits an sich der Genehmigungsfähigkeit der WEA innerhalb des genannten Radius entgegen. Bei Nichteinhaltung dieser Abstände besteht eine Vermutung für ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko,

so bzgl. der Mindestabstände der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten bzw. tierökologischer Abstandskriterien: Bayrischer VGH, Urteil vom 27. Mai 2016 - 22 BV 15.1959 -, juris, Rn.32, 33; VG Berlin, Urteil vom 9. Februar 2017 - 10 K 84.15 -, juris, Rn. 45,

zumindest aber stellt dies einen Hinweis auf ein möglicherweise signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko dar, das vertieft untersucht werden muss.

Vgl. Leitfaden „Umsetzung des Arten- und Habitatschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in NRW“ (Leitfaden NRW) vom 10. November 2017, Seite 18.

Eine – wie hier – weitere Entfernung zu möglichen Brutplätzen bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass ein signifikantes Tötungsrisiko generell zu verneinen wäre und zwingend nur eine Genehmigung ohne jegliche artenschutzrechtliche Auflage in Betracht käme.

Dass der Rotmilanhorst nicht genau lokalisiert werden konnte, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es, wenn allgemeine Erkenntnisse zu artspezifischen Verhaltensweisen, Habitatansprüchen und dafür erforderlichen Vegetationsstrukturen sichere Rückschlüsse auf das Vorhandensein bestimmter Arten zulassen, nicht zu beanstanden ist, wenn die Behörde, gestützt auf naturschutzfachlichen Sachverstand, daraus Schlussfolgerungen auf das Vorkommen und den Verbreitungsgrad bestimmter Arten zieht. Diese bedürfen, ebenso wie sonstige Analogieschlüsse, der plausiblen naturschutzfachlichen begründeten Darlegung. Ebenso ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 14/07 – juris, Rn. 63; VG Augsburg, Urteil vom 2. Juli 2015 - Au 4 K 14.795 -, juris, Rn. 72.

Demnach unterfällt die Frage, ob innerhalb des maßgeblichen Prüfbereichs ein (besetzter) Horst vorhanden ist, der behördlichen Einschätzungsprärogative, weil es sich um eine Frage der Erfassung des Bestands der geschützten Arten handelt.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 6. Oktober 2014 - 22 ZB 14.1079 u.a. -, juris Rn. 28 zu einem Schwarzstorchhorst.

Vorliegend durfte der Beklagte aus den ihm vorliegenden Beobachtungen im Rahmen des ihm eingeräumten naturschutzfachlichen Einschätzungsspielraums den Schluss auf einen ca. 3.000 m von den WEA entfernten besetzten Horst im G.       N1.    ziehen. Sowohl durch den Gutachter der Klägerin als auch des Beklagten sind im UR 1.500 um die Anlagen territoriale Verhaltensweisen beobachtet worden. Zudem hat U.         2017 zwei Beobachtungen von mit Beute in das G.       N1.    einfliegenden Altvögeln gemacht, was unbestritten nach allgemein anerkannter Methodik für Brutvogelkartierungen als gesichertes Brüten bzw. Brutnachweis zu werten ist.

Ob Auflagen zum Schutz des Rotmilans auch in einem über 1.500 m hinausgehenden Abstand zu Brutplätzen erlassen werden können, hängt von der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls in Bezug auf die jeweilige Vorhabenfläche ab. In einer derartigen Situation bedarf es eines besonderen Nachweises, dass der Rotmilan Flächen im Umfeld oder jenseits der Anlagenstandorte trotz der 1.500 m übersteigenden Entfernung in einer Weise nutzt, die zu einer signifikanten Erhöhung des Kollisionsrisikos führt.

Vgl. für den UR 1.000: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Oktober 2011 - 2 L 6/09 -, juris, Rn. 77, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 21. November 2013 - 7 C 40/11 -, juris, Rn. 23; OVG Thüringen, Urteil vom 14. Oktober 2009 - 1 KO 372/06 -, juris, Rn. 42; Hessischer VGH, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 9 A 1540/12.Z -, juris, Rn. 11.

Dies erfordert zuverlässige Erkenntnisse darüber, dass sich in einer größeren Entfernung als 1.500 m ein oder mehrere für den Rotmilan attraktive, nicht nur kurzzeitig bzw. zeitweise zur Verfügung stehende Nahrungshabitate befinden und die Windenergieanlagen dort (oder innerhalb eines Flugkorridors dorthin) liegen.

Vgl. Leitfaden NRW vom 10. November 2017, Bl. 18 und Anhang 2, Bl. 47, 48; OVG Sachsen-Anhalt (für den UR 1.000), Urteil vom 26. Oktober 2011 - 2 L 6/09 -, juris, Rn. 77.

Dies ist vorliegend der Fall. Der Beklagte hat – bezogen auf die angeordneten Abschaltzeiten – ausreichende Erkenntnisse zum Vorhandensein von attraktiven Nahrungshabitaten im Umfeld der WEA. Die Annahme eines erhöhten Tötungsrisikos an nahrungsreichen Tagen bei und nach der Ernte oder Mahd ist schlüssig und nachvollziehbar und die Untersuchungen belegen, dass günstige Nahrungsflächen um die WEA auch von wesentlich weiter als im Umkreis von 1.500 m brütenden Rotmilanen aufsucht werden.

In diesem Zusammenhang kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, wie sich die durchschnittliche Nutzung der Acker- und Wiesenflächen über den gesamten Jahreszeitraum hin darstellt. Da die Abschaltauflagen lediglich temporär auf wenige Tage im Jahr nach der Ernte begrenzt sind, muss auch die Signifikanzschwelle hinsichtlich des Tötungsrisikos nur in Bezug auf die Abschaltzeiträume betrachtet werden und kann nicht auf das durchschnittliche Vogelaufkommen über das gesamte Jahr, sondern nur zur Erntezeit abgestellt werden.

Vgl. VG Berlin, Urteil vom 9. Februar 2017 - 10 K 84.15 -, juris, Rn. 48; im Umkehrschluss wohl auch VG Hannover, Urteil vom 22. November 2012 - 12 A 2305/11 -, juris, Rn 52, das eine Auflage zur Komplettabschaltung von März bis August ablehnt, weil nur temporär zu Zeiten der Ernte und Mahd ein erhöhtes Kollisionsrisiko bestehe.

F.     2017 konnte den Rotmilan an den fünf Beobachtungsterminen (24. März 2017 bis 1. Juni 2017) im UR 1.500 um die WEA insgesamt 11 mal (bei 5 mal 3 Stunden Beobachtungszeit) registrieren, dabei sei bei der ersten Begehung ein territoriales Verhalten beobachtet worden, die weiteren Ereignisse hätten sich als Nahrungs- oder Streckenflüge dargestellt. Der Gutachter führte aus, „es sei anzunehmen, dass aus den randlichen Gebieten im Westen Rotmilane bis zum Rhein Erkundungsflüge unternähmen, um ggf. dort gute Nahrungsbedingungen zu nutzen.“ Er kommt allerdings zu der Einschätzung, dass der Vorhabenstandort kein essentielles und häufig beflogenes Nahrungshabitat darstelle und in Anbetracht einer Vielzahl vergleichbarer Strukturen in der weiteren Umgebung auch gar nicht darstellen könne.

Demgegenüber konnte von dem Gutachter U.         2017 im Rahmen dessen Vogelbeobachtungen, bei denen es sich nach dessen Aussage um eine „nicht vollständige Erfassung, sondern um wenige Stichproben handelt, die aber durch die Wahl witterungs- und nutzungsbedingter Bedingungen als repräsentativ angesehen werden können“, an 6 Beobachtungsterminen und zwei Terminen zur Horstsuche zwischen dem 27. März 2017 und dem 25. Juli 2017 der Rotmilan insgesamt 54 mal und der Schwarzmilan 16 mal registriert werden. Am 27. März 2017, der in den Zeitraum der Reviergründungsphase des Rotmilans falle, seien acht Sichtungen im Umfeld der Anlage verzeichnet worden, die beobachteten Synchronflüge an diesem Tag wiesen auf Balzaktivität hin. Auch Anfang April seien unmittelbar am Anlagenstandort Balzflüge beobachtet worden. An einem Wiesenmahd-Termin am 1. Juni 2017 seien im Eingriffsgebiet synchron vier Vögel (3 Rotmilane und ein Schwarzmilan) und insgesamt an diesem Tag zwischen 9:00 und 15:00 Uhr im direkten Bereich des Anlagenstandorts und seiner unmittelbaren Umgebung 38 Milanflugbewegungen (23 mal Rotmilan, 15 mal Schwarzmilan) aufgezeichnet worden. Die Brutstätte liege mit sehr großer Sicherheit im Bereich des gut 3.000 m entfernten G.       Moores oder dessen näherem Umfeld, der genaue Brutplatz habe allerdings nicht gefunden werden können. Nach Einschätzung des Gutachters werde aufgrund der hohen Frequenz der windkraftsensiblen Arten Rot- und Schwarzmilan und vor dem Hintergrund einer grundsätzlich hohen Eignung des Gebietes als potentielles Reproduktionshabitat das Kollisionsrisiko mit den Rotorblättern der WEA als sehr hoch eingeschätzt, insbesondere während der Reviergründungsphase Mitte März bis Mitte April, da dann häufig beide revierbegründenden Vögel innerhalb und in direkter Nähe des Eingriffsbereichs präsent seien. Während der Wiesenmahd und vermutlich auch der frühen Bearbeitung der Felder bzw. der Getreidemahd sei das Risiko sogar noch höher einzuschätzen. Die Milane seien ausgesprochene Nahrungsopportunisten, die Strukturen nutzten, in denen sie Nahrung erwarteten. Die sehr abwechslungsreich gestaltete Landschaft begünstige mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Konzentration nahrungssuchender Milane im Umfeld der Anlage. Durch die gegebene Fruchtvielfalt auf recht kleinem Raum würden sich im Jahresverlauf viele Phasen der Flächenbearbeitung ergeben, so dass angenommen werden könne, dass in der Nähe brütende Milane diese überdurchschnittlich oft aufsuchen. Zu Zeiten ackerbaulicher Bearbeitung sei nicht beobachtet worden, es sei aber höchstwahrscheinlich, dass dann ebenfalls eine höhere Flugaktivität der Milane vorhanden sei. Auch durch das angrenzende Grünland mit häufigen Schnitten ergäben sich häufige, alljährlich wiederkehrende Mahdereignisse, die eine hohe Aktivität von Rot- und Schwarzmilanen begünstigen würden. Gerade vor dem Hintergrund des umgebenden städtischen Ballungsraums seien diese wenigen landwirtschaftlichen Flächen für nahrungssuchende Milane geradezu prädestiniert. Auch weiter entfernt brütende Revierpaare könnten von den landwirtschaftlichen Arbeitsprozessen angezogen werden, die synchrone Beobachtung dreier nahrungssuchender Schwarzmilane zur Brut- und Aufzuchtzeit lasse diesen Schluss sicher zu. Die stichprobenartigen Begehungen hätten gezeigt, dass ein temporäres Abschalten der Anlagen in jedem Fall während der Flächenbearbeitungszeiten auf Grund der besonderen Bedeutung des Gebiets als Nahrungsstätte absolut erforderlich sei. Das Betreiben der Anlagen zu dieser Zeit gefährde die lokale Population und verletze damit das artenschutzrechtliche Tötungsverbot.

Trotz der Tatsache, dass sämtliche Gutachten nicht den Anforderungen des Leitfadens NRW vom 10. November 2017 an eine ordnungsgemäße Bestandserfassung genügen  ?  (der Leitfaden schreibt bezüglich der Revierkartierung 6 bis 10 Begehungen im Zeitraum vom 1. März bis 30. Juni ab der Morgendämmerung, spätestens zum Sonnenaufgang ohne starken Wind und ohne Regen vor -, dokumentieren die im Rahmen der Beobachtungen gewonnenen Erkenntnisse, dass sich der Rotmilan häufig im Untersuchungsgebiet um die WEA aufhält und bei Mahd- bzw. Erntevorgängen deutlich vermehrt auftritt.

Darüber hinaus können und müssen auch die umfangreichen Vogelbeobachtungen der Bürgerinitiative „S3.       I.        S.        “ in die Beurteilung mit einbezogen werden. Die Pflicht des Antragstellers, die notwendigen Unterlagen für die Genehmigung beizubringen, berührt nicht die Pflicht der Behörde, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Im Rahmen dieser Amtsermittlungspflicht steht die Auswahl der Beweismittel im Ermessen der Behörde (§§ 24, 26 VwVfG NRW). Zwar sind im Leitfaden NRW vom 10. November 2017 die verfügbaren und geeigneten Datenquellen zur Sachverhaltsermittlung aufgeführt (Seite 21 und Anhang 3), in der Erkenntnisse von Bürgerinitiativen nicht aufgeführt sind. Dies schließt jedoch die ergänzende Auswertung weiterer Erkenntnisse nicht aus. Substantiierte Einwendungen und Einlassungen Dritter müssen nach allgemeinen Grundsätzen in Erfüllung der Amtsermittlungspflicht mitberücksichtigt werden. Ihre Außerachtlassung kann vielmehr rechtlich fehlerhaft sein, da die Einschätzungsprärogative der Behörde überschritten wird, wenn die Ermittlungstiefe nicht ausreicht.

Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 2. Juli 2015 - Au 4 K 14.795 -, juris, Rn. 54.

Entgegen der völlig pauschal geäußerten Auffassung der Klägerin, die Unterlagen der Bürgerinitiative seien schon deshalb nicht relevant, weil die Bürgerinitiative die Verhinderung der Vorhaben anstrebe, hat das Gericht keine Zweifel an der Seriosität der von dieser vorgelegten umfangreichen Dokumentationen, zumal diese nicht in Widerspruch zu den vorliegenden Gutachten stehen und von Ornithologen für aussagekräftig befunden wurden. Auch die Bürgerinitiative hat den Rotmilan häufig im Bereich rund um die WEA beobachten können. So liegen allein für den Wiesenmahdtermin am 1. Juni 2017 fünf Beobachtungsnotizen vor. Insgesamt sind 130 Sichtungen im Zeitraum vom 12. Januar 2017 bis 12. Dezember 2017 protokolliert, davon im Gefahrenbereich von 150 m um die WEA 38 Einflüge des Rotmilans und 5 Einflüge des Schwarzmilans sowie 12 weitere Einflüge, bei denen die Milanart nicht genauer bestimmt wurde. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Beobachtungen sämtlich während Freizeitbeschäftigungen und nicht systematisch erfolgten, so dass sich die Schlussfolgerung der Klägerin, an Tagen ohne Beobachtungsnotiz seien keine Milane anwesend gewesen, als unzutreffend erweist. Vielmehr liegt in der Zusammenschau der von F 2017, U.         2017 und der Bürgerinitiative protokollierten Beobachtungen nahe, dass sich der Rotmilan täglich im UR 1.500 zur Nahrungssuche aufhält und dort regelmäßig auch den Gefahrenbereich überfliegt.

Die vorstehenden Ergebnisse werden auch durch die Studie der TU Berlin und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster aus September 2015,

vgl. TU Berlin, FA Wind & WWU Münster (2015): Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen – Bundesweiter Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG,

gestützt, die ebenfalls unter Verweis auf die einschlägige vogelkundliche Literatur,

vgl. u.a. Hötker, Hermann; Krone, Oliver; Nehls, Georg (2014b): Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge. Schlussbericht für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bergenhusen, Berlin, Husum; Mammen, Kerstin, Mammen, Ubbo, Resetaritz, Alexander (2014): Rotmilan. In: Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge. Schlussbericht für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Michael-Otto-Insitut im NABU, BioConsult SH GmbH & Co. KG; Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Bergenhusen, Berlin, Husum, S. 13 –100,

zu dem Resultat gelangt, dass frisch geerntete oder umgebrochene Felder und frisch gemähte Wiesen ein erhöhtes Nahrungsangebot für Rotmilane bieten und dementsprechend an den Tagen nach der Ernte und Mahd eine erhöhte Nutzungsintensität durch Rotmilane zu verzeichnen ist.  Es handelt sich insoweit bei dem zielgerichteten Aufsuchen von frisch bearbeiteten landwirtschaftlichen Flächen zum Erjagen von dort verletzten oder getöteten Beutetieren um eine artspezifische Verhaltensweise des Rotmilans.

Auch die Nutzungsstruktur des Gebietes rund um den im G.       N1.    vermuteten Horst streitet für eine verstärkte Nutzung des Vorhabengebietes durch den Rotmilan zur Nahrungssuche. Im Umkreis von 1.500 m um den Horststandort finden sich nur auf 23 % der Fläche geeignete Nahrungshabitate, so dass die Einschätzung des Beklagten, diese Flächen würden vor allem während der Brut- und Aufzuchtzeit nicht ausreichen, nachvollziehbar erscheint. Im Süden dieses Bereiches gehen in einem erweiterten Radius von 4.000 m die verfügbaren Nahrungsstandorte in ein im wesentlichen zusammenhängendes Areal von Offenland bis zu den Bereichen der streitgegenständlichen Anlagen über, so dass sich eine Art „Korridor“ von zur Nahrungssuche geeigneten Flächen bis hin zu den WEA ergibt. Die im Umfeld der WEA vorzufindende kleinteilige Nutzung mit eingestreutem Grünland und zahlreichen Randstrukturen stellt sich als günstig für den Rotmilan dar. Zwar sind auch im erweiterten Umkreis in Richtung Nordosten, Südosten und Westen geeignete Nutzungsstrukturen anzutreffen, diese sind aber insgesamt weniger zusammenhängend und ohne Verbindung zum G.       N1.    .

Zudem liegt durch die vergleichsweise niedrige Höhe der WEA eine besondere Gefahrenquelle für den Rotmilan vor. Nach entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen bewegen sich ca. 36 % der Flugaktivitäten des Rotmilans in einem Bereich von 26 - 100 m über der Erdoberfläche, 51 % zwischen 1 und 25 m und nur 10 % zwischen 100 und 150 m.

Vgl. Hötker, H., Krone, O. & Nehls, G. (2013): Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge. Schlussbericht für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Michael-Otto-Institut im NABU, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, BioConsult SH, Bergenhusen, Berlin, Husum.

Die Rotoren der streitgegenständlichen WEA befinden sich auf einer Höhe von 28,5 – 99,5 m, so dass in etwa ein Drittel der Flüge im Rotorbereich stattfindet. Daher erscheint das Erfordernis einer temporären Abschaltung der WEA zur Senkung der Kollisionsgefahr naheliegend und nachvollziehbar

Auch der zeitliche Umfang der Abschaltverpflichtung ist mit dem Tag des Erntebeginns bis zum Ende der Stoppelbrache tagsüber zwischen Beginn und Ende der bürgerlichen Dämmerung nicht zu beanstanden. In diesem Zeitraum bieten die Flächen für Kleinsäuger keine Schutzmöglichkeit und sind für den Rotmilan gut übersehbar. Soweit die Praxis in anderen Bundesländern davon abweichend teilweise andere Zeiten vorgibt, lässt sich feststellen, dass die Entscheidung des Beklagten jedenfalls von seiner Einschätzungsprärogative gedeckt ist, da sich offenbar noch kein allgemein anerkannter Stand der Fachwissenschaft zur Frage der Abschaltparameter bei Bewirtschaftungsmaßnahmen herausgebildet hat.

Gleiches gilt für den räumlichen Umfang von 100 m im Umkreis und die ebenfalls in A 67 (bzw. A 64) geregelte Auflage, dass die Ernte auf Ackerflächen auf 75 % der Flächen im Umkreis von 100 m nicht früher beginnen darf als in der Umgebung. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es zur weiteren Risikominimierung für Rotmilane sinnvoll, dass die Ernte oder Mahd im Anlagenumfeld erst dann beginnen, wenn bereits andere Felder im Umfeld abgeerntet wurden.

Vgl. Hötker, Hermann; Krone, Oliver; Nehls, Georg (2014b): Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge, Schlussbericht für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bergenhusen, Berlin, Husum.

Der als Gefahrenbereich definierte Radius von 100 m um die WEA konnte entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht auf den Rotordurchmesser reduziert werden,

Vgl. auch OVG Saarland, Urteil vom 5. September 2017 – 2 A 316/16-, juris, Rn. 26.

da es einleuchtet, dass der Rotmilan nicht an der Grenze eines so bestimmten Gefahrenbereiches halt machen würde, sondern eine Pufferzone für Flugbewegungen erforderlich ist.

2. Die Verpflichtung einer landwirtschaftlichen Nutzung bis an den Mastfuß einschließlich eines Verbots von Baumreihen, Hecken und Kleingewässern und der Neuanlage von Grünland (Auflage A 68 bzw. A 65) begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Diese Maßnahmen sind ebenfalls zur Senkung der Kollisionsgefahr und damit zur Vermeidung des Tötungsverbots erforderlich.

Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass der Rotmilan das Vorhabengebiet auch unabhängig von Mahd- und Ernteereignissen dauerhaft häufig und intensiv nutzt. Die Auffassung der Klägerin, von einer solchen Nutzung könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Vorhabengebiet ähnlich hoch sei wie im Umkreis (bzw. am Rand des Umkreises) von 1.500 m um den Neststandort, geht aus dem Leitfaden NRW nicht hervor. Vielmehr reicht es nach der Rechtsprechung des BVerwG aus, wenn die Tierart aufgrund ihrer artspezifischen Verhaltensweisen gerade im Bereich des Vorhabens ungewöhnlich stark von dessen Risiken betroffen ist. Wann dies der Fall ist, entzieht sich einer generalisierenden Betrachtung. Vielmehr müssen die konkreten örtlichen Verhältnisse in den Blick genommen werden. Vorliegend hat der Beklagte nachvollziehbar eine besondere räumliche und funktionale Beziehung zwischen dem vermuteten Horststandort und den WEA-Standorten angenommen. Er hat die besonderen Strukturen, die ein vergleichsweise geringes Nahrungsangebot im UR 1.500 um den Brutplatz belegen, sowie die geeigneten Korridore vom Horst zu den Flächen der WEA und das Vorhandensein der kleinteiligen, für den Rotmilan besonders geeigneten Nutzungsstruktur berücksichtigt und mit den Beobachtungen der Gutachter sowie der Bürgerinitiative abgeglichen. Die Vogelbeobachtungen zeigen, dass der Rotmilan das Vorhabengebiet nahezu täglich mehrfach nach Nahrung absucht. Dies belegt eine deutlich und gegenüber der rechnerisch ermittelten Aufenthaltswahrscheinlichkeit signifikant gesteigerte Nutzungsintensität. Die rechnerische Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei gewöhnlicher Nutzungsstruktur beträgt im Umkreis von 1.500 m bis 4.000 m um den Horststandort nach allgemeinen – von den Beteiligten übereinstimmend angenommenen – wissenschaftlichen Erkenntnissen ca. 30 % (90 % im Umkreis von 4.000 m abzüglich 60 % im Umkreis von 1.500 m). Die Fläche des Kreisrings zwischen dem UR 1.500 und dem UR 4.000 beträgt ca. 43 km². Legt man eine durchschnittliche Flugzeit von 12 Stunden am Tag zugrunde, von der sich der Rotmilan 30 % der Zeit in diesem Bereich aufhält, führt dies zu einer mittleren wahrscheinlichen Aufenthaltsdauer von 5,5 min am Tag pro km² Da der Rotmilan aber an den Beobachtungstagen des Gutachters U1.        bei einer durchschnittlichen Beobachtungsdauer von knapp 6 Stunden/ Tag durchschnittlich jeweils 6,75 mal im UR 1.500 (ohne Berücksichtigung des Mahdereignisses 4 mal) gesichtet worden ist, kann auch ohne die Angabe der genauen Beobachtungsdauer der einzelnen Sichtungen davon ausgegangen werden, dass sich der Rotmilan deutlich länger als die für den Normalfall errechnete Dauer im Vorhabengebiet aufgehalten hat und regelmäßig aufhält. Ähnliche Ergebnisse liefert auch das Gutachten F 2017, wonach der Rotmilan 11 mal an 5 lediglich jeweils 3 Stunden umfassenden Terminen beobachtet worden ist. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Mahd und Ernte bei kleinteiliger Nutzungsstruktur keine seltenen Ereignisse darstellen und eine besondere Attraktivität der geernteten bzw. gemähten Flächen regelmäßig für einige Tage andauert, so dass diese in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden müssen.

Diese damit belegte hohe Anlockwirkung der Flächen rund um die WEA würde ohne das Verbot der Anlage von für den Rotmilan attraktiven Strukturen im unmittelbaren Nahbereich der Anlagen zu einer signifikanten Erhöhung des Kollisions- und damit des Tötungsrisikos führen. Insbesondere Rand- und Grenzstrukturen, also auch der Mastfußbereich einer WEA, stellen für Rotmilane interessante Jagdhabitate dar, so dass empfohlen wird, diese Flächen möglichst klein zu halten.

Vgl. Mammen, Ubbo; Mammen, Kerstin; Heinrichs, Nicole; Resetaritz, Alexander (2010): Rotmilan und Windkraftanlagen. Aktuelle Ergebnisse zur Konfliktminimierung, Michael-Otto-Institut; Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU ), 8. November 2010; Mammen, Kerstin; Mammen, Ubbo; Resetaritz, Alexander (2014) : Rotmilan. In : Greifvögel und Windkraftanlagen: Problemanalyse und Lösungsvorschläge.Schlussbericht für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Michael-Otto-Insitut im NABU; BioConsult SH GmbH & Co. KG; Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung. Bergenhusen, Berlin, Husum, S. 13 –100.

Als optimal zum Schutz des Rotmilans wird eine ganzjährige dichte Vegetationsdecke erachtet, um die Sicht auf den Boden zu reduzieren.

Vgl. PNL – Planungsgruppe für Natur und Landschaft GbR (2012) : Abgrenzung relevanter Räume für windkraftempfindliche Vogelarten in Hessen.

C. Über den Hilfsantrag war aufgrund dessen, dass keine der Nebenbestimmungen als Inhaltsbestimmungen zu qualifizieren waren, nicht zu entscheiden.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf) schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Der Antrag kann auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) eingereicht werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.

Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.              wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2.              wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3.              wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4.              wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5.              wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen.

Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.

Im Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Auf die zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse wird hingewiesen (vgl. § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und § 5 Nr. 6 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz – RDGEG –).

Die Antragsschrift und die Zulassungsbegründungsschrift sollen möglichst dreifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung als elektronisches Dokument bedarf es keiner Abschriften.

Beschluss:

Der Streitwert wird für den Zeitraum vor der Verbindung auf jeweils 25.000 Euro und für den Zeitraum ab der Verbindung auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwertes ist nach § 52  Abs. 1 GKG erfolgt und bemisst sich nach den Mehrkosten für die streitgegenständlichen Nebenbestimmungen.