AG Minden, Urteil vom 12.09.2017 - 22 C 214/17
Fundstelle
openJur 2019, 10979
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 31.01.2018 bewilligt

Tatbestand

Die Klägerin vermietete der Beklagten mit Dauernutzungsvertrag vom 05.09.2012 eine Wohnung in Q X, H-S-Str. 00.Nach § 2 des Mietvertrages beträgt die Nutzungsgebühr 396 € (einschließlich Vorauszahlungen) sowie ab April 2017 407,00 €.

Das AG Minden verurteilte die Beklagte mit Urteil vom 14.6.2016, Aktenzeichen 22 C 000/00 zur Zahlung von Nebenkosten in Höhe von 1.412,94 € nebst Zinsen.

Die Gerichtsvollzieherin X teilte der Klägerin mit Schreiben vom 26.4.2017 mit, dass die Beklagte die Vermögensauskunft abgegeben habe und Pfändungsversuche sowie Raten nicht möglich seien.

Bereits am 24.4.2017 beschwerte sich die Beklagte bei der Klägerin über die Mitarbeiterin T der Klägerin "über unlautere Tätigkeiten". Ferner heißt es in dem Schreiben, dass ihre Mitarbeiterin eine Meinungsverschiedenheit mit einer Nachbarin zu einer Anklage ""gegen mich" in kriminellster Art und Weise, sehr eliminierend, rufmordschädigend und skrupellos erarbeitet" habe. Das Verhalten der Mitarbeiterin sei "nicht nur maßlos kriminell, diese Verhaltensweise ist "Skrupellos" und muß rechtlich verfolgt werden!" Frau T "müßte hier in den anklagenden Prozeß "als Mittäterin der Frau L mit einbezogen werden, da hier eine "Vortäuschung einer Straftat" zu erkennen ist."Ferner baute die Beklagte die von der Klägerin angebrachten Rauchmelder ab.

Mit Schreiben vom 19.5.2017 erklärte die Klägerin, dass sie das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß kündige. Wegen der Einzelheiten der Begründung der Kündigungserklärung wird auf Blatt 54 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 29.5.2017 gegen die Kündigung Widerspruch eingelegt.

Die Klägerin behauptet, in dem Zeitraum vom 1.12.2013 bis 4.5.2017 habe die Beklagte die Miete in Höhe von insgesamt 1.583,34 € nicht bezahlt. Gründe für eine Minderung seien nicht existent, abgesehen von den Temperaturschwankungen des Wassers. Das Amtsgericht Minden habe in dem Verfahren 22 C 000/00 festgestellt, dass weitere Mängel nicht existent seien. Sie gehe von einer Minderungsquote von 2-3 % aus - wenn überhaupt - und wiederholten die Sachund Rechtsauffassung aus dem dortigen Parallelprozess, zumal der dortige Sachverständige nicht von einem Mangel ausgegangen sei.

Zudem stehe fest, dass sie die titulierte Forderung nicht erhalten werde. Sie meint, die dauerhafte Nichtbefriedigung sei ihr nicht zumutbar.Ferner habe die Beklagte ihre Mitarbeiterin T-N beleidigt aufgrund der Äußerungen in dem Schreiben vom 24.4.2017 ; zuvor sei sie aufgrund von Beleidigungen von Mitarbeitern bereits abgemahnt worden. Des Weiteren stelle die Beklagte das Warmwasser ab und verursache so eine Legionellen-Problematik.

Sie meint, im Rahmen von § 543 II Nr. 3 BGB seien die Nachzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen zu berücksichtigen. Jedenfalls könne eine ordentliche Kündigung auf nicht gezahlte Betriebskosten gestützt werden, zumal die Betriebskosten eine Monatsmiete überteigen und länger als einen Monat bereits fällig gewesen seien. Die Beklagte habe trotz ihres klaren Anspruchs keine Rücklagen gebildet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Wohnung Nr. 5 im 7.OG des Hauses H-S-Str. 00, 00000 Q X, bestehend aus 2 Zimmern, einer Küche, einem Bad, einer Diele, einem Balkon und einem Kellerraum zu räumen und an sie geräumt herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, eine fruchtlose Vollstreckung habe nicht stattgefunden.Sie meint, die Beschwerde über die Mitarbeiterin der Klägerin stelle keine Beleidigung dar, sondern sie sei skrupellos in einen Strafprozess hineingezogen worden.Das Abdrehen des Warmwasserhahnes müsse sie bestreiten. Sie habe das warme Wasser abgestellt, nachdem sie 1 ½ Jahre das heiße Wasser in der Küche benutzt habe.

Sie meint, der Mieter sei berechtigt, selbst Rauchmelder anzubringen, anderenfalls würden sie nicht in Kaufhäusern angeboten.Bei der Entfernung der Rauchmelder habe sie Pilz/Stock an allen Decken entdeckt, an denen sich die Rauchmelder befunden hätten; Rauchwarnmelder dürften an feuchten Decken nicht angebracht werden, da sie sonst nicht funktionierten. Seit einem Jahr weise sie darauf hin, dass das Rohr unter der Spüle ausgewechselte werden müsste. Das integrierte Rohr sei defekt. Außerdem sei der Balkon nicht gestrichen worden. Der Schmutz von dem Dach fliege bei Wind auf ihren Balkon und führe zur Ablagerung von Partikeln im Kaffee und Ei sowie zu Flecken auf frisch aufgehängter Wäsche. Bei Regen verfärbten die Schmutzpartikel die Wände.

Es sei zu geringer Wasserdruck vorhanden, aus totgelegten Rohren in der Küche dringe Gestank. An der Küchendecke seien feuchte Flecken vorhanden, es drohe Pilzbefall. Mieter rissen Namensschilder ab, und hätten im August 2015 Eier gegen ihre Tür geworfen.

Sie meint, die Nebenkostennachzahlung sei unberechtigt, die Kündigung sei ungerecht, da sie kein Vermögen vorweisen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Räumung der Wohnung aus § 546 I BGB.

Die Kündigung ist als ordentliche Kündigung gemäß § 573 I 1, II Nr. 1 BGB begründet.

Nach § 573 II Nr. 1 BGB besteht ein berechtigtes Interesse des Vermieters an einer fristgemäßen Beendigung des Mietverhältnisses, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Sie setzt damit die Verletzung einer aus dem Mietverhältnis resultierenden Hauptoder Nebenpflicht voraus (BGH Urt. vom 13.04.2016, AZ VIII ZR 39/15).Die Beklagte ist aufgrund des Mietvertrages verpflichtet, die Nebenkosten für die Jahre 2012 und 2013 zu zahlen. Diese Verpflichtung ist durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Minden vom 14.06.2016, AZ 22 C 000/00, tituliert worden.

In der Nichtzahlung der titulierten Forderung liegt eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung (vgl. BGH,aaO). Ferner setzt eine Kündigung nach § 573 II Nr. 1 BGB voraus, dass ein Verschulden vorliegt. Die Beklagte hat grundsätzlich für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen.Dass die Beklagte ihre Zahlungspflicht nicht schuldhaft verletzt hat, ist von dieser nicht dargelegt worden.

Zwar ist unstreitig, dass die Beklagte am 04.04.2017 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat und die Gerichtsvollzieherin der Klägerin am 26.4.2017 mitgeteilt hat, dass Pfändungsversuche erfolglos gewesen und Raten zur Zeit nicht möglich seien.Wie sich die konkreten Vermögensverhältnisse der Beklagten im Zeitpunkt der ca. 7 Wochen nach der Abgabe der Vermögensauskunft ausgesprochenen Kündigungserklärung jedoch darstellten, wird nicht näher vorgetragen.Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Miete gemindert hat, so dass es ihr zumindest möglich gewesen wäre, die nicht gezahlten Mietanteile zur ratenweise Rückführung der titulierten Forderung zu verwenden. Ob die Beklagte sich um Hilfe Dritter - ggf. der Sozialbehörden - bemüht hat, ist nicht ersichtlich.

Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte nicht willens ist, die Forderung zu zahlen, zumal sie die Berechtigung der Forderung leugnet.

Die Klägerin hat zudem ein berechtigtes Interesse an der ordentlichen Kündigung, weil es zu erwarten ist, dass der Mieter nicht in der Lage sein wird, künftige Nebenkostennachzahlungen für die Zeiträume ab 2014 an den Vermieter zu zahlen, so dass ein Versagen der Kündigungsmöglichkeit dazu führen würde, dass der Vermieter gezwungen wäre, dem Mieter auf Dauer quasi einen Mietzuschuss in Höhe des jährlichen Nebenkostensaldos zu gewähren.

Es ist der Klägerin nicht zuzumuten, dieses wirtschaftliche Risiko einzugehen, wenn bereits im Zeitpunkt der Kündigung eine rückständige Forderung besteht, die eine dreifache Monatsmiete übersteigt und nicht ersichtlich ist, dass diese Forderung vollstreckt werden kann.

Die Klägerin hat zwar die Beklagte bzgl. der Zahlung der Nebenkostenvorauszahlung nicht abgemahnt. Allerdings bedarf es bei dem Zahlungsverzug mit einer titulierten Forderung keiner Abmahnung (LG Wiesbaden, Urteil vom 14.2.2003, AZ 3 S 94/02).

Die Kündigung ist formwirksam gemäß §568 BGB erklärt worden. Sie ist in schriftlicher Form erfolgt und begründet worden.

Das Mietverhältnis ist nicht gemäß § 574 I BGB fortzusetzen. Die Kündigung stellt keine unzumutbare Härte dar. Allein das Alter der Beklagten ist hierfür kein ausreichender Grund, zumal nicht dargelegt ist, dass die Beklagte in die Hausgemeinschaft und Umgebung verwurzelt ist und sich um entsprechenden Ersatzwohnraum bemüht hat.

Der Beklagten ist gemäß § 721 ZPO von Amts wegen eine Räumungsfrist bis 31.01.2018 zu setzen unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien, zumal die Beklagte eine wenngleich geminderte Miete weiterhin zahlt und bei der erforderlichen Dauer der Suche nach Ersatzwohnraum das Alter der Beklagten sowie die Lage auf dem Wohnungsmarkt , insbesondere die Schwierigkeit zur Beschaffung von bezahlbaren Wohnraum für eine kleine Wohnung, zu berücksichtigen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 7, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Bielefeld, Niederwall 71, 33602 Bielefeld, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Dr. X

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