OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.04.2017 - 20 A 2696/15.PVL
Fundstelle
openJur 2019, 10387
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 14 K 754/15.PVL

Kann eine Arbeitszeitregelung mit unmittelbaren Nachteilen für berechtigte Interessen der Beschäftigten wie dem Schutz ihrer Ge¬sundheit verbunden sein, ist es grundsätzlich von Sinn und Zweck des Mitbe¬stim¬mungsrechts aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW erfasst, wenn der Personalrat dies im Rahmen der Begründung für seine Zustimmungsverweigerung geltend macht.

Deshalb ist eine Zustimmungsverweigerung beachtlich, wenn der bei einem Polizei¬präsidium bestehende Personalrat geltend macht, die zeitliche Verlegung der Rüst¬zeiten in die Wachschichten könne zu ei¬nem Sicherheitsdefizit für die zu dieser Zeit in einem aktuellen Einsatz befindlichen Polizeibeamten führen.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Beim Beteiligten war 1992 ein sog. 5-Schichten-Plan im Wach- und Wechseldienst und auf der Leitstelle eingeführt worden. Dabei war in den jeweiligen Schichtwechseln der gesamten Dienstgruppe eine planmäßige Überlappungszeit von 15 Minuten vorgesehen, d. h. um diese Zeit lag der Dienstbeginn der ablösenden Dienstgruppe vor dem Dienstende der abzulösenden Dienstgruppe. Diese 15 Minuten wurden unter anderem für die Wachübergabe und den notwendigen Informationsaustausch genutzt.

Anknüpfend an die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Dezember 2010 - 6 A 1546/10 u. a. - (nachfolgend BVerwG, Beschluss vom 25. August 2011 - 2 B 38.11 -) erging der Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (MIK) vom 28. November 2011 (403 - 60.01.10) betreffend "Arbeitszeit/Rüstzeiten im Wachdienst". Darin heißt es unter anderem:

"1. An- und Ablegen der Dienstkleidung

Zeit, die für das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Wachdienst erforderlich ist, wird nicht auf die Arbeitszeit angerechnet.

2.1 An- und Ablegen von persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen

Zeit, die für das An- und Ablegen der folgenden persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenstände im Wachdienst erforderlich ist, wird auf die Arbeitszeit angerechnet:

Pistole mit Holster

Reservemagazin mit Tasche

Handfessel Stahl mit Tragevorrichtung

Reizstoffsprühgerät mit Tragevorrichtung

Tragevorrichtung für den Einsatzmehrzweckstock.

2.2 Übernahme und Übergabe von Führungs- und Einsatzmitteln

Zeit, die für die Übernahme und Übergabe von Führungs- und Einsatzmitteln, die die Einsatzbereitschaft im Wachdienst herstellen, erforderlich ist, wird wie bisher auf die Arbeitszeit angerechnet.

2.3 Keine Verlängerung der planmäßigen Schichtdauer

Die planmäßige Schichtdauer wird durch die Tätigkeiten zu 2.1 und 2.2 nicht verlängert. Die Behörden sind gehalten, den Dienst so zu organisieren, dass das Anlegen der genannten Ausrüstungsgegenstände bzw. die Übernahme der Führungs- und Einsatzmittel innerhalb der Schichtdauer stattfinden kann.

Zur Gewährleistung der durchgängigen Präsenz im Außendienst sind wie bisher ggf. für einen Teil der Streifenbeamtinnen und -beamten abweichende Dienstzeiten zur Besetzung so genannter Lapperfahrzeuge/Frühwagen einzuplanen.

Soweit der Dienst in der Vergangenheit nicht entsprechend organisiert war, bitte ich vor Ort im Einzelfall und unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden, in welchem Umfang ggf. rückwirkend Zeiten anzuerkennen sind. Ich gehe dabei allerdings davon aus, dass der Zeitaufwand für das Anlegen der genannten persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenstände äußerst gering ist.

3. Übergabegespräche

Zeit, die zur sachgerechten Übernahme der Dienstgeschäfte im Wachdienst erforderlich ist, wird wie bisher auf die Arbeitszeit angerechnet.

Diese "Übergabegespräche" zum Informationsaustausch über für die Übernahme des Dienstes relevante Ereignisse führen grundsätzlich nur DGL und WDF.

Ob pauschalisierte Übergabezeiten von maximal 15 Minuten für die Übergabe von Führungsfunktionen vorgesehen werden, ist in jeder Behörde nach individuellem Bedarf zu prüfen und zu entscheiden.

Soweit im Einzelfall ein Informationsaustausch zwischen den Streifenbeamtinnen und -beamten erforderlich ist, wird die Zeit wie bisher ebenfalls auf die Arbeitszeit angerechnet."

Vor einer erlasskonformen Änderung des bisherigen 5-Schichten-Plans wollte der Beteiligte in Absprache mit dem MIK zunächst die sich bereits abzeichnenden Veränderungen ("AZVOPol, Überarbeitung der Wachdienstordnung, vorwärts rollierendes Schichtsystem sowie anderweitig anhängige Rechtsstreitverfahren") abwarten, um dann eine dauerhaft beständige Regelung zu treffen.

Ab Juli 2013 wurde beim Beteiligten die Einsatzbereitschaft während der Schichtwechsel durch den Einsatz von Lapperfahrzeugen bei bestimmten Wechseln, Übergabezeiten für Wachdienstführer und Dienstgruppenleiter sowie eine fluktuierende Übergabe wie in der Praxis des 5-Schichten-Plans gewährleistet. Die Wachdienstangehörigen - außer Dienstgruppenleiter und Wachdienstführer - erhielten seit Juli 2013 ihre Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto nur noch im Rahmen der vorgegebenen Schichtdienstlängen. Ein Ausgleich für die früher angerechnete Übergabezeit von 15 Minuten je Schicht erfolgte nicht mehr.

Auf eine entsprechende Anfrage des MIK vom 18. Juni 2013 teilten der Beteiligte und alle anderen Behörden mit, den Erlass vom 28. November 2011 umgesetzt zu haben. Bei einer Fachtagung Ende Oktober 2014 kam jedoch zur Sprache, dass in einzelnen Wachen wohl noch abweichend verfahren werde. Es wurde appelliert, den Erlass einzuhalten.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2014 bat der Beteiligte den Antragsteller unter Hinweis auf § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW um Zustimmung zu der vorgesehenen Verfügung zur "Gewährleistung durchgängiger Präsenz im Wachdienst der Direktion GE/Einsatz von Frühwagen und schichtübergreifenden Streifen (sog. Lapper-Fahrzeuge)". In dem Verfügungsentwurf vom 8. Dezember 2014 heißt es:

"(1)

Der Wachdienst ist weiterhin so zu organisieren, dass das Anlegen von persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenständen bzw. die Übernahme von Führungs- und Einsatzmitteln innerhalb der Schichtdauer stattfinden kann. In diesem Zusammenhang ist zur Gewährleistung der durchgängigen Präsenz im Wachdienst der Einsatz von Frühwagen, bzw. schichtübergreifenden Streifen (sog. Lapper-Fahrzeugen) vorgesehen.

(2)

Zur Umsetzung dieser organisatorischen Vorgaben bitte ich ab sofort wie folgt zu verfahren:

• In den Polizeiwachen wird in jeder Schicht grundsätzlich ein Frühwagen eingesetzt, dessen Besatzung 15 Minuten vor den etablierten Schichtwechseln beginnt:

? 06:00 Uhr (Frühdienst) - Frühwagen ab 05:45 Uhr

? 13:00 Uhr (Spätdienst) - Frühwagen ab 12:45 Uhr

? 22:00 Uhr (Nachtdienst) - Frühwagen ab 21:45 Uhr

• Alternativ kann während der Wechsel Früh-/Spätdienst und Spät-/Nachtdienst auf den Einsatz eines Frühwagens zugunsten des Einsatzes einer schichtübergreifenden Streife (sog. Lapper-Fahrzeug) verzichtet werden.

(3)

Unabhängig von diesen Regelungen kann es zur Einsatzbewältigung erforderlich sein, im Hinblick auf Anfangs- bzw. Endzeiten sowie Schichtlängen abweichende Dienstzeiten vorzuplanen (z.B. im Zusammenhang mit der Ablösung ?vor Ort? im Rahmen von Schutzmaßnahmen). Sind solche Vorplanungen aus konkretem Anlass erforderlich, sind die tatsächlichen Arbeitszeiten zu erfassen."

Der Antragsteller stimmte in seiner Sitzung vom 17. Dezember 2014 der Vorlage nicht zu. In seinem Schreiben vom selben Tag an den Beteiligten führte er an: Bis zum 31. Dezember 2014 werde in der Dienststelle ein neues Schichtdienstmodell erprobt. Aufgrund der dabei erzielten Ergebnisse werde zeitnah ein Arbeitszeitmodell für die Behörde vorschlagen. Die Erforderlichkeit eines Frühwagens und damit eine Veränderung der Arbeitszeit solle im Rahmen der Beratungen der Arbeitsgruppe "Schichtdienstmanagement" erörtert und gegebenenfalls vorgeschlagen werden. Eine zeitliche Dringlichkeit sehe er durch die Formulierung in der Vorlage "... weiterhin so zu organisieren" nicht.

Nach der Erörterung der Angelegenheit am 7. Januar 2015 stimmte der Antragsteller mit Schreiben vom 8. Januar 2015 dem beabsichtigten Erlass der Verfügung nicht zu. Zur Begründung gab er an: Der Funktionsbesetzungsplan aller Polizeiwachen der Dienststelle orientiere sich an der Einsatzbelastung. Er gebe die personelle Kernfunktionsstärke vor, die zur zeitgerechten Einsatzwahrnehmung unter den Aspekten der Eigensicherung mindestens erforderlich sei. Nur durch die Einhaltung der Vorgaben des Funktionsbesetzungsplanes sei eine durchgehende Präsenz im Wachdienst sichergestellt. Eine Unterschreitung der Mindeststärke und damit der Grundbesetzung sei zu keinem Zeitpunkt vertretbar. Wenn zur Vermeidung von Rüstzeiten in den Wechselzeiten der Funktionsbesetzungsplan generell deutlich unterschritten werde, ergebe sich ein Sicherheitsdefizit für den Bürger und die Beschäftigten des Wachdienstes (Eigensicherung). Dieses Sicherheitsdefizit erscheine unverantwortbar.

Da der Beteiligte die Begründung des Antragstellers für seine Zustimmungsverweigerung für unbeachtlich hielt, wies er mit Verfügung vom 16. Januar 2015 die Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz (GE) an, vorläufig "bis zum Abschluss des personalvertretungsrechtlichen Beteiligungsverfahrens" wie in dem Verfügungsentwurf vom 8. Dezember 2014 dargestellt zu verfahren. Für die betroffenen Beamten des Wach- und Wechseldienstes und der Leitstelle hat dies zur Folge, dass deren Schicht mit Ausnahme der Dienstgruppenleiter, Wachdienstführer und Besatzungen der Frühwagen 15 Minuten kürzer als nach dem vorherigen Schichtmodell dauert bzw. die Zeitgutschrift für die geleistete Schicht um diese Zeit geringer ausfällt.

Am 13. März 2015 hat der Antragsteller das vorliegende personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet. Er hat sich auf eine Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW berufen. Zur Begründung hat er angeführt: § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW umfasse auch die Vereinbarkeit des Schutzes der Beschäftigten mit dienstlichen Erfordernissen. Außerdem liege eine Maßnahme zur Änderung der Arbeitsorganisation gemäß § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW vor. Während der Wachwechsel sei die Einsatzbereitschaft nicht mehr sichergestellt. Um die eigene Sicherheit zu gewährleisten und um ihrem gesetzlichen Auftrag gegenüber den Bürgern jederzeit nachkommen zu können, leisteten die Beamten seit der Einführung des Frühwagens unentgeltliche Mehrarbeit.

Der Antragsteller hat beantragt,

" festzustellen, dass durch den Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens betreffend den Einsatz von Frühwagen zur Vermeidung von Rüstzeiten trotz ordnungsgemäßer Zustimmungsverweigerung des Antragstellers dessen Mitbestimmungsrechte gemäß §§ 72 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW verletzt wurden."

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat im Wesentlichen geltend gemacht: Der Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens verletze keine Rechte des Antragstellers, weil die Begründung für die verweigerte Zustimmung keinen inhaltlichen Bezug zu der beabsichtigten Maßnahme habe. Im Übrigen erscheine die Zustimmungsverweigerung rechtsmissbräuchlich.

Mit Beschluss vom 2. November 2015 hat die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen des Verwaltungsgerichts festgestellt, dass durch die Umsetzung der Behördenverfügung des Beteiligten vom 8. Dezember 2014 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt sei, da dieser mit Schreiben vom 8. Januar 2015 die Zustimmung zu der Maßnahme mit beachtlichen Gründen verweigert habe. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen angeführt: Die Zustimmungsverweigerung sei hinreichend begründet. Die hier erfolgte Veränderung der Möglichkeit, täglich eine bestimmte Zahl bezahlter Arbeitsstunden zu leisten, sei mitbestimmungspflichtig. Außerdem betreffe die in Rede stehende Maßnahme die Arbeitsorganisation. Ergänzend seien die dem Personalrat obliegenden allgemeinen Aufgaben zum Wohle der Beschäftigten relevant. Ein Rechtsmissbrauch liege nicht vor.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte Beschwerde erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen an: Die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers sei unbeachtlich. Die angegebenen Gründe wiesen keinen ausreichenden Bezug zu den Mitbestimmungstatbeständen auf. § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW betreffe die Verteilung der Arbeitszeit. Dazu habe sich der Antragsteller nicht geäußert. Funktionsbesetzungspläne dienten der Ressourcenbedarfsplanung, um Einsatzmittel möglichst ausgewogen zu verteilen, nicht der Eigensicherung. Diese hänge nicht von einer bestimmten Anzahl der Beamten vor Ort ab. Die nicht belegte Behauptung des Antragstellers, die in Rede stehende Regelung führe zu einem Sicherheitsverlust der Bürger, betreffe keinen Mitbestimmungstatbestand. Der Antragsteller sei als Personalrat nicht zum Schutz der Bürger berufen. Im Übrigen gebe es keinen Bezug zum Mitbestimmungstatbestand des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW. Auch die Arbeitsorganisation im Sinne von § 72 Abs. 3 Nr. 4 LPVG NRW sei nicht berührt.

Der Beteiligte beantragt,

den angegriffenen Beschluss zu ändern und den Antrag abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: An die Begründung der Zustimmungsverweigerung seien keine zu strengen Anforderungen zu stellen. Es genüge, wenn ein Bezug zu einem Mitbestimmungstatbestand möglich erscheine. Der Sache nach sei hier die tägliche Arbeitszeit reduziert worden, was er auch gerügt habe. Weiter sei die Arbeitsorganisation betroffen. Außerdem habe er auf seine allgemeinen Aufgaben als Personalrat verwiesen. Dies reiche aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beteiligten (1 Band) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist begründet.

Die Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen beim Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass durch die Umsetzung der Behördenverfügung des Beteiligten vom 8. Dezember 2014 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt ist, weil dieser seine Zustimmung mit beachtlichen Gründen verweigert hat.

Nach § 66 Abs. 2 Satz 5 LPVG NRW gilt eine Maßnahme als gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der in § 66 Abs. 2 Satz 3 und 4 LPVG NRW genannten Frist die Zustimmung unter Angabe der Gründe schriftlich verweigert. Danach reicht es nicht aus, dass der Personalrat seine Zustimmung (schriftlich) verweigert. Er muss vielmehr auch die für ihn maßgeblichen Gründe angeben. Dabei liegt es grundsätzlich innerhalb des Mitbestimmungsrechtes, wenn der Personalrat seine Zustimmung in Wahrnehmung der ihm obliegenden allgemeinen Aufgaben verweigert.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29. Januar 1999 - 1 A 6324/96.PVL -, juris, Rn. 30, und vom 20. März 1997 - 1 A 3677/93.PVL - (n. v., Urteilsabdruck S. 14 f.), jeweils zu § 62 und § 64 Nr. 2 LPVG NRW.

Ihm ist es allerdings nicht gestattet, von einer Mitbestimmungsbefugnis ohne inhaltlichen Bezug zu einem von der Maßnahme berührten Mitbestimmungstatbestand Gebrauch zu machen. An einem solchen Bezug fehlt es, wenn die vom Personalrat angeführten Gründe sich dem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand, dessen Inhalt sowie insbesondere dessen Sinn und Zweck nicht mehr zuordnen lassen. Ist eine Zuordnung in dem dargestellten Sinne offensichtlich nicht möglich, lässt das erkennen, dass der Personalrat keine Regelung auf der Grundlage eines Mitbestimmungsrechts anstrebt, sondern die Zustimmung ohne einen vom Gesetz gebilligten Grund verweigert. In einem solchen Fall ist eine gegebene Begründung unbeachtlich mit der Folge, dass sie wie eine nicht gegebene Begründung zur Fiktion der Billigung der Maßnahme nach § 66 Abs. 2 Satz 5 LPVG NRW führt.

Vgl. aus der jüngsten Rechtsprechung z. B. BVerwG, Beschluss vom 3. März 2016 - 5 PB 31.15 -, juris, Rn. 5 (zur vergleichbaren Regelung im SächsPersVG); OVG NRW, Beschlüsse vom 21. Dezember 2015 - 20 A 643/14.PVB -, juris, Rn. 26 ff. (zur vergleichbaren Vorschrift im BPersVG), und vom 25. Februar 2004 - 1 A 225/02.PVL -, juris, Rn. 28 ff., jeweils m. w. N.

Hiervon ausgehend ist die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers beachtlich. Die in seinem Schreiben vom 8. Januar 2015 angeführten Gründe bewegen sich zumindest nicht offensichtlich außerhalb des gesetzlichen Mitbestimmungstatbestandes des § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW.

Nach dieser Vorschrift hat der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, unter anderem mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie über Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Die Verfahrensbeteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass die in Rede stehende Maßnahme diesem Mitbestimmungstatbestand unterfällt. Sie betrifft Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, indem sie bestimmt, zu welchen täglichen Uhrzeiten die einzelnen Schichten in den Polizeiwachen beginnen und enden.

Ausgehend von Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW und unter Berücksichtigung der dem Antragsteller obliegenden allgemeinen Aufgaben liegt die Begründung der Zustimmungsverweigerung nicht offensichtlich außerhalb dieses Mitbestimmungsrechtes.

Zweck des Mitbestimmungsrechtes aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW ist es, dem Schutz der Beschäftigten zu dienen, indem ihre Interessen und Bedürfnisse vom Personalrat in den Entscheidungsprozess über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit eingebracht werden können. Gleichzeitig soll der Personalrat auch darauf achten, dass der Schutz der Beschäftigten mit den dienstlichen Erfordernissen in Einklang gebracht wird. Ihm obliegt es also, auf einen optimalen Ausgleich zwischen den persönlichen Belangen der Beschäftigten auf der einen und den dienstlichen Belangen auf der anderen Seite hinzuwirken. Das Mitbestimmungsrecht soll dem Personalrat unter anderem ermöglichen, dass berechtigte Wünsche von Beschäftigten hinsichtlich der zeitlichen Lage ihrer Arbeitszeit in Einklang mit den dienstlichen Erfordernissen gebracht, d. h. im Rahmen des Möglichen berücksichtigt werden.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2004 - 1 A 3554/02.PVL -, juris, Rn. 29; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 72 Rn. 766, m. w. N.

Die arbeitszeitbezogene Mitbestimmung zielt in der Regel vorrangig auf den Schutz der Beschäftigten vor übermäßiger zeitlicher Inanspruchnahme. Ihnen soll ausreichend Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Verfügung stehen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2005 - 6 P 9.04 -, juris, Rn. 28 (zur vergleichbaren Vorschrift im BPersVG).

Eine den Beginn oder das Ende der Arbeitszeit betreffende Maßnahme muss sich in ihren Auswirkungen auf die Beschäftigten aber nicht allein auf deren zeitliche Inanspruchnahme beschränken. Denkbar ist es vielmehr auch, dass darüber hinaus auch andere Gesichtspunkte wie etwa die Frage möglicher Gesundheitsbeeinträchtigungen infolge der veränderten Arbeitszeiten in Rede stehen. Mit Blick darauf kann auch der Gesundheitsschutz grundsätzlich ein beachtlicher Gesichtspunkt bei der Wahrnehmung des genannten Mitbestimmungsrechtes sein. Dies ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung der allgemeinen Aufgaben des Personalrates nach § 64 Nr. 4 LPVG NRW (Verhütung von Gesundheitsgefahren, Arbeitsschutz, gesundheitsfördernde Maßnahmen). Deshalb gilt: Kann eine Arbeitszeitregelung mit unmittelbaren Nachteilen für berechtigte Interessen der Beschäftigten wie dem Schutz ihrer Gesundheit verbunden sein, ist es grundsätzlich von Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes erfasst, wenn der Personalrat dies geltend macht.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers beachtlich. Hier hat der Antragsteller seine Zustimmungsverweigerung hinsichtlich des Verfügungsentwurfs vom 8. Dezember 2014 zwar nicht mit einer übermäßigen zeitlichen Inanspruchnahme der Beschäftigten begründet. Er hat aber unter anderem geltend gemacht, die zeitliche Verlegung der Rüstzeiten in die Wachschichten führe zu einem Sicherheitsdefizit der Polizeibeamten (Eigensicherung), also zu Gefahren für Leib und Leben, weil während der Rüstzeiten in den Wechselzeiten die Mindeststärke des Funktionsbesetzungsplans generell deutlich unterschritten werde. Insofern hängen Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einerseits und die Bedenken des Antragstellers hinsichtlich des Schutzes von Leib und Leben der Polizeibeamten andererseits untrennbar zusammen; letztere ergeben sich nach Auffassung des Antragstellers direkt aus den geänderten Arbeitszeiten. Damit beruft sich der Antragsteller zur Begründung seiner Zustimmungsverweigerung auf Umstände, die innerhalb des Mitbestimmungsrechts aus § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LPVG NRW liegen, was seine Zustimmungsverweigerung beachtlich macht.

Ob das befürchtete Sicherheitsdefizit durch die in Rede stehende Maßnahme hier tatsächlich eintritt, ist für die Beachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung unerheblich. Insbesondere obliegt es dem Beteiligten nicht, die für die Zustimmungsverweigerung angeführten Gründe auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe für die Zustimmungsverweigerung einen inhaltlichen Bezug zu einem von der Maßnahme berührten Mitbestimmungstatbestand aufweisen. Dies ist hier aus den dargestellten Gründen der Fall. Es lässt sich zumindest nicht feststellen, dass sich die vom Antragsteller angeführten Gründe unter Berücksichtigung der allgemeinen Aufgaben aus § 64 Nr. 4 LPVG NRW dem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand, dessen Inhalt sowie insbesondere dessen Sinn und Zweck nicht mehr zuordnen lassen.

Die Zustimmungsverweigerung ist auch nicht deswegen unbeachtlich, weil sie rechtsmissbräuchlich wäre. Davon ist etwa auszugehen, wenn der Personalrat sich von vornherein besserer Erkenntnis verschließt oder aber seinen Standpunkt nur zum Schein einnimmt. Das ist etwa dann der Fall, wenn sich der Personalrat auf eine Rechtsauffassung stützen will, von der allgemein anerkannt ist, dass sie unzutreffend ist, weil sie etwa einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung widerspricht. Die Verweigerung der Zustimmung mit einer solchen Begründung - oder das Bestehen auf ihr - kann rechtsmissbräuchlich sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Personalrat im Beteiligungsverfahren oder später im Verlauf eines Stufen- oder Einigungsstellenverfahrens vor dessen Abbruch hierauf hingewiesen worden ist.

Vgl. BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 -, juris, Rn. 23 f.; Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, Personalvertretungsrecht NRW, § 66 Rn. 204.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Antragsteller hat seine Zustimmungsverweigerung mit dem Schutz von Leib und Leben der Beschäftigten begründet, die er gerade durch die Auswirkungen der geänderten Arbeitszeiten für gefährdet hält. Sein Hinweis, in den Rüstzeiten werde die Mindestfunktionsstärke des Funktionsbesetzungsplans unterschritten, wenn ein Teil der Beamten sich ab- bzw. aufrüste und deswegen nicht sofort einsatzbereit sei, ist nicht rechtsmissbräuchlich. Damit wird entgegen der Ansicht des Beteiligten nicht gefordert, dass sich alle Kräfte ständig im Streifendienst befinden müssten und Aufenthalte auf der Wache zur Fertigung schriftlicher Vorgänge unzulässig wären. Der Antragsteller hat lediglich darauf hingewiesen, dass während der Rüstzeiten nicht alle Beamten tatsächlich einsatzbereit sind und die Beamten, die sich währenddessen in einem akuten Einsatz befinden, möglicherweise zu wenige sind, um ihre Aufgaben in gleicher Weise wie mit voller Einsatzstärke erfüllen zu können. Dass dieser Hinweis auf die Folgen geänderter Rüstzeiten nicht aus der Luft gegriffen und der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auch deswegen unangebracht ist, ergibt sich aus den Feststellungen im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 3. November 2016 - 6 A 2151/14 -, juris, Rn. 64 und 67. Danach entspricht es einer weit verbreiteten Praxis in den nordrheinwestfälischen Polizeiwachen, die persönlich zugewiesenen Ausrüstungsgegenstände außerhalb der planmäßigen Schichtdauer an- bzw. abzulegen, weil den Polizeibeamten daran gelegen ist, auf diese Weise die volle Einsatzbereitschaft auch während der Übergänge zwischen den einzelnen Schichten sicherzustellen.

Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.