OLG Hamm, Beschluss vom 28.11.2016 - 13 UF 77/16
Fundstelle
openJur 2019, 6167
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 111 F 3688/15

Hat der gegenüber einem minderjährigen Kind barunterhaltspflichtige Elternteil unmittelbar im Anschluss an das Bachelorstudium ein Masterstudium aufgenommen, kann er sich trotz seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB gegenüber dem minderjährigen Kind zumindest dann auf seine tatsächliche Leistungsunfähigkeit berufen, wenn er vor dem Studium keine Ausbildung absolviert hat und das Kind während des Bachelorstudiums geboren wurde.

Bei einem unmittelbar im Anschluss an das Bachelorstudium aufgenommenen Masterstudium handelt es sich nicht um eine Zweitausbildung, sondern um eine - mehrstufige - einheitliche Berufsausbildung. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im Rahmen des Ausbildungsunterhalts nach

§ 1610 Abs. 2 BGB, sondern auch zu Gunsten des Unterhaltsschuldners. Einer solchen Berufsausbildung kann dann gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB der Vorrang einzuräumen sein.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dortmund vom 11.03.2016 abgeändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, für den Zeitraum von August 2015 bis einschließlich September 2015 an die Antragstellerin Kindesunterhalt für das Kind S O H in Höhe von monatlich 92 € zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt in Verfahrensstandschaft Kindesunterhalt vom Antragsgegner für das gemeinsame Kind S O, geboren am ...#.2013.

Im September 2014 trennten sich die Beteiligten. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens wurde ihre Ehe rechtskräftig geschieden.

Unmittelbar nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife hatte der im Dezember 1988 geborene Antragsgegner im September 2010 einen Ingenieursstudiengang aufgenommen, welchen er Ende Februar 2015 mit dem Bachelor-Abschluss abschloss. Wenige Tage später, am 01.03.2015, nahm er ein Masterstudium auf. Mit Schreiben im April 2015 wurde er zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert.

Mit ihrem Antrag hat die Antragstellerin, ausgehend vom - zum Zeitpunkt  der Antragserhebung geltenden - Mindestunterhalt in Höhe von 225 € und unter Berücksichtigung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz, Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 92 € monatlich ab April 2015 geltend gemacht. Wegen ihres Antrags in erster Instanz wird auf Bl. 2 d.A. Bezug genommen.

Sie hat geltend gemacht, dass sich der Antragsgegner nicht auf mangelnde Leistungsfähigkeit wegen seines Masterstudiums berufen könne. Angesichts seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB sei er verpflichtet, sich mit seinem Bachelorabschluss auf eine Arbeitsstelle zu bewerben.

Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrags beantragt.

Er hat sich darauf berufen, dass es für ihn unzumutbar sei, sein Masterstudium zu Gunsten des Kindesunterhalts aufzugeben und sich mit seinem Bachelorabschluss auf eine Arbeitsstelle zu bewerben. Nach Abschluss des Masterstudiums verfüge er über ungleich bessere Verdienstmöglichkeiten.

Während des Beschwerdeverfahrens hat sich herausgestellt, dass der Antragsgegner während seines Studiums in den Monaten August und September 2015 vorübergehend erwerbstätig war und hierdurch insgesamt 5847 € brutto verdient hat.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben und den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. monatlich 92 € für den Zeitraum ab April 2015 nebst Zinsen verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich der Antragsgegner nicht darauf berufen könne, wegen des Studiums leistungsunfähig zu sein. Angesichts seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB seien ihm fiktive Erwerbseinkünfte zuzurechnen. Er sei verpflichtet, seine sich aus seinem Bachelorabschluss ergebenden Erwerbsmöglichkeiten wahrzunehmen. Dieser Abschluss stelle eine abgeschlossene Berufsausbildung dar und biete dem Antragsgegner eine „ausreichende“ Lebensgrundlage. Weitergehende Karrierepläne hätten gegenüber seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kindesunterhalts zurückzustehen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss, (Bl. 39 ff d.A.), Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich der Antragsgegner mit seiner form – und fristgerecht eingelegten Beschwerde, der hiermit, wie bereits in erster Instanz, die Abweisung des Antrags begehrt. Zur Begründung macht er geltend, dass die Aufnahme des Masterstudiums aus unterhaltsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sei. Nur dieser Studienabschluss würde seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechen. Abgesehen davon, dass er mit diesen Abschluss ein ungleich höheres Einkommen erzielen könne, beabsichtige er, in der Forschung, gegebenenfalls auch an einer Universität tätig zu werden. Hierfür sei ein Masterabschluss erforderlich. Ein bloßer Bachelorabschluss gelte auf dem Arbeitsmarkt nicht als attraktiv und ermögliche ihm lediglich eingeschränkte Berufschancen.

Der Antragsgegner beantragt

                                          unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses

                                          den Antrag abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

                                          die Beschwerde des Antragsgegners                                                                        zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Der Antragsgegner habe mit seinem Bachelorabschluss eine abgeschlossene Berufsausbildung. Bei dem auf dem Bachelorstudium aufbauenden Masterstudium handele es sich nicht um eine einheitliche Berufsausbildung. Erstmalig in der Beschwerdeinstanz behauptet sie zudem, dass der Antragsgegner vor der Trennung beabsichtigt habe, nach Abschluss des Bachelor – Studiengangs einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Offensichtlich sei der Entschluss des Antragsgegners, das Masterstudium aufzunehmen, „trennungsbedingt" entstanden.

Unabhängig davon verfüge der Antragsgegner über anderweitige Erwerbsquellen oder über vermögenswerte Vorteile, die ihm die Zahlung des Mindestunterhalts ermöglichen würden.

Er sei zudem verpflichtet, trotz seines Studiums einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Seine Tätigkeit in den Monaten August und September 2015 habe gezeigt, dass er trotz des Studiums nicht unerhebliche Einkünfte erzielen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Beteiligten mit näher begründetem Beschluss darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zu entscheiden und den Antrag der Antragstellerin – mit Ausnahme der Unterhaltsansprüche für die Monate August 2015 und September 2015 - abzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist - mit Ausnahme der Unterhaltsansprüche der Antragstellerin für die Monate August und September 2015 - begründet. Da von einer erneuten Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, hat der Senat nach §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Die Beteiligten haben Gelegenheit gehabt, zu dem Hinweisbeschluss des Senats Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme der Antragstellerin gibt keinen Anlass, erneut eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

1.

Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig.

a)

Die Antragstellerin ist nach wie vor befugt, die Kindesunterhaltsansprüche des gemeinsamen Kindes in Verfahrensstandschaft geltend zu machen, § 1629 III 1 BGB. Dem steht nicht entgegen, dass die Scheidung während des laufenden Beschwerdeverfahrens rechtskräftig geworden ist (vgl. BGH FamRZ 2014, 917 ff.).

b)

Der Antrag ist auch – gerade noch – hinreichend bestimmt im Sinne von § 113 I 2 FamFG, § 253 II Nr.1 ZPO. Zwar lässt sich der Antragsschrift der Streitgegenstand, wozu bei Unterhaltsansprüchen notwendigerweise die Angabe des Zeitraums, für welchen Unterhaltsansprüche begehrt werden, sowie die Angabe der Höhe der Ansprüche für die jeweiligen Zeiträume gehört, nicht ausdrücklich entnehmen. Angaben der Antragstellerin in der Antragsschrift hierzu fehlen. Jedoch lässt sich dem Antrag, mit welchem Zinsen aus einem Betrag von 184 € seit dem 12.5.2015 begehrt werden, sowie dem beigefügten Aufforderungsschreiben von April 2015 mit hinreichender Klarheit entnehmen, dass die Antragstellerin Unterhalt i.H.v. 92 € pro Monat für den Zeitraum ab April 2015 und fortlaufend begehrt.

2.

Der Antrag der Antragstellerin ist jedoch größtenteils unbegründet.

Dem Kind S O steht gegen den Antragsgegner mangels Leistungsfähigkeit - mit Ausnahme für die Monate August und September 2015 - kein Unterhaltsanspruch aus § 1601 BGB zu.

a)

Zu Unrecht hat das Amtsgericht dem Antragsgegner fiktive Einkünfte zugerechnet.

Gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 II BGB muss sich der Unterhaltspflichtige zwar grundsätzlich auf eine Erwerbstätigkeit verweisen lassen. Die Zurechnung eines fiktiven Einkommens, die aus der verschärften Unterhaltsverpflichtung aus § 1603 Abs. 2 BGB folgt, setzt allerdings voraus, dass dem Unterhaltspflichtigen im Hinblick auf seine Leistungsunfähigkeit ein unterhaltsbezogen leichtfertiges Verhalten vorgeworfen werden kann. Dabei muss grundsätzlich das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, trotz bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurückstehen. Das gilt vor allem dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits über eine Berufsausbildung verfügt und ihm die Erwerbsmöglichkeit in dem erlernten Beruf – gegebenenfalls unter Berücksichtigung eines zumutbaren Ortswechsels - eine ausreichende Lebensgrundlage bietet. Anderes kann hingegen gelten, wenn der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit nicht zum Zwecke einer Zweitausbildung oder der Weiterbildung in dem erlernten Beruf, sondern zu Gunsten einer erstmaligen Berufsausbildung aufgegeben hat. Eine solche Erstausbildung hat regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 II BGB Vorrang. Denn die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf. Insoweit sind allerdings sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, warum der Unterhaltspflichtige gerade jetzt seine Erstausbildung durchführt und wie sich dies langfristig auf seine Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt auswirkt (vgl. zu alledem BGH FamRZ 2011, 1647 ff sowie OLG München in FamRZ 2013, 793 ff.).

Diese Grundsätze führen im Streitfall dazu, dass es dem Antragsgegner unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nicht verwehrt werden kann, sein Masterstudium abzuschließen und bis zum Abschluss dieses Studiums keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, dass es sich bei dem Masterstudium nicht um eine Zweitausbildung, sondern um eine – mehrstufige – einheitliche Berufsausbildung handelt (vgl. Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Aufl., § 2 Rn. 82  mwN). Dies entspricht bei der Frage, ob ein unterhaltsberechtigtes Kind im Rahmen des Ausbildungsunterhalt nach § 1610 II BGB berechtigt ist, ein Masterstudium abzuschließen, mittlerweile der herrschenden Meinung, sofern ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten besteht (vgl. Reinken in Beck'scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, 39. Edition, § 1610 BGB, Rdnr. 54a mwN). Unerheblich ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin, dass mit dem Bachelor-Abschluss eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden kann. Entscheidend ist, dass das Masterstudium auf dem Bachelorabschluss aufbaut, letzterer also unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme eines Masterstudiums ist. Der Bachelor soll zu einer mehr praxisbezogenen beruflichen Tätigkeit befähigen, der Master dagegen zu einer wissenschaftlich fundierten Berufsausübung.

Wenn es sich aber nach herrschender Meinung im Rahmen des Ausbildungsunterhalts nach § 1610 II BGB bei dem Masterstudium nicht um eine Zweitausbildung, sondern um eine – mehrstufige – einheitliche Berufsausbildung handelt, kann nach Auffassung des Senats vorliegend nichts anderes für den Antragsgegner als Unterhaltsschuldner gelten.

Der Antragsgegner hat vor dem Beginn seines Studiums überhaupt keine Ausbildung absolviert. Er hat unmittelbar nach dem Schulabschluss und noch während funktionierender Ehe das Studium aufgenommen. Er hat also keine bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit zugunsten des Studiums aufgegeben. Er hat nur wenige Monate nach der Trennung von der Antragstellerin sein Bachelorstudium beendet und unmittelbar hiernach das Masterstudium begonnen. Die Lebensverhältnisse und insbesondere auch die Lebensstellung von S O, die während des Studiums des Antragsgegners geboren wurde, waren von Beginn an dadurch geprägt, dass der Antragsgegner Student ohne Einkommen und vorherige Ausbildung war und die Einkommensverhältnisse dementsprechend eingeschränkt waren.

Unerheblich ist, ob, wie die Antragstellerin erstmals in der Beschwerdeinstanz behauptet, der Antragsgegner während der Ehe mehrfach geäußert haben soll, sich nach Abschluss des Bachelor – Studienganges um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Die Richtigkeit dieser Behauptung, die im Übrigen in deutlichem Widerspruch zu der Äußerung der Antragstellerin im Rahmen der persönlichen Anhörung im Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht steht, wonach während der Ehe „noch nicht festgestanden" habe, ob der Antragsgegner "von Anfang an ein Masterstudium aufnehmen wolle“, kann dahingestellt bleiben. Die Lebensverhältnisse des Kindes wären auch dann dadurch geprägt gewesen, dass der Antragsgegner Student ohne nennenswertes Einkommen war, wenn dieser sich erst nach der Trennung zur Aufnahme des Masterstudienganges entschlossen hätte. Auch ein treuwidriges Verhalten des Antragsgegners, welches dazu führen würde, dass dieser sich nicht auf seine studienbedingte Leistungsunfähigkeit berufen könne, liegt nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin nicht vor. Die Richtigkeit ihrer - ebenfalls in deutlichem und nicht auflösbaren Widerspruch zu ihrem Vortrag in erster Instanz stehenden und erstmals im Beschwerdeverfahren aufgestellten - Behauptung, wonach der Antragsgegner mehrfach geäußert habe, "alles daran zu setzen, damit er keinen Unterhalt leisten" müsse, kann dahingestellt bleiben. Hieraus lässt sich keine Treuwidrigkeit ableiten, zumal der Antragsgegner nach - zügigem - Abschluss seines Studiums ohnehin Unterhalt leisten muss und sich nicht mehr auf fehlende Leistungsfähigkeit wird berufen können.

Bei der Gesamtabwägung tritt insbesondere hinzu, dass der Antragsgegner noch am Anfang seiner beruflichen Karriere und seines Erwerbslebens steht. Er ist erst 27 Jahre alt und wird sein Masterstudium voraussichtlich in wenigen Semestern abschließen , jedenfalls abzuschließen haben. Nach Abschluss dieses Studiums wird er voraussichtlich über ungleich bessere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt verfügen, und zwar sowohl hinsichtlich der Anzahl und Qualität der Arbeitsstellen auch als auch hinsichtlich der Vergütung. Der entgegenstehende Vortrag der Antragstellerin, im Fachbereich des Antragsgegners sei nicht „ohne weiteres anzunehmen“, dass ein Absolvent mit einem Masterabschluss ungleich bessere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt habe als mit einem Bachelorabschluss, ist unerheblich. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragsgegners entspricht die Forschung im Bereich des Fahrzeugwesens seinen Neigungen und Fähigkeiten. Er strebt unter Umständen eine Promotion und eine Tätigkeit an der Universität an. Sowohl im Bereich der Forschung als auch im Rahmen einer Tätigkeit an der Universität bestehen ohne den Abschluss des Master so gut wie keine oder überhaupt keine Chancen. Jedenfalls muss sich ein Absolvent mit einem Bachelorabschluss in diesen Bereichen voraussichtlich mit einem wesentlich geringeren Gehalt begnügen.

Der Studienabschluss des Antragsgegners wird aller Voraussicht nach seinen beruflichen Werdegang und die Höhe seines Einkommens prägen, und dies für einen Zeitraum von fast 40 Jahren. Würde man ihn nunmehr die unterhaltsrechtliche Pflicht auferlegen, sich mit seinem Bachelorabschluss und mit einem voraussichtlich geringeren Einkommen, jedenfalls aber auch mit einem seinen Neigungen und Fähigkeiten nicht entsprechenden Arbeitsplatz zu begnügen, um den geforderten Mindestunterhalt zu erfüllen, würde dies einen unzumutbaren Eingriff in seine Lebensplanung und Lebensgestaltung bedeuten. Dies erscheint auch und insbesondere angesichts der Tatsache, dass S O noch keine drei Jahre alt ist und voraussichtlich über viele Jahre auch von dem voraussichtlich höheren Einkommen des Antragsgegners profitieren wird, unverhältnismäßig. Dies gilt umso mehr, als der Zeitraum, in welchem S O wegen des Masterstudiums des Antragsgegners mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt erhalten wird, überschaubar ist und in keinem Verhältnis zu dem Zeitraum steht, in welchem sie von dem Masterabschluss voraussichtlich profitieren wird. Das Masterstudium dauert in der Regel nur 2-4 Semester, während das Bachelorstudium in der Regel 6-8 Semester dauert. Aller Voraussicht nach wird der Antragsgegner daher bereits in einem Jahr, allenfalls in zwei Jahren, den Masterabschluss erlangen und einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. S O wird hingegen aller Voraussicht nach mindestens bis zum 16. Lebensjahr bzw. bis zur Volljährigkeit oder sogar hierüber hinaus (bei Aufnahme eines Studiums ), also über viele Jahre unterhaltsbedürftig sein.

Der Antragsgegner kann daher auch nicht darauf verwiesen werden, mit seiner (weiteren) Ausbildung bis zum Abschluss der Unterhaltsbedürftigkeit seines Kindes zuzuwarten. Sinnvoll und geradezu geboten ist es vielmehr, dass er seinen beruflichen Neigungen dadurch weiter nachgeht, indem er unmittelbar nach Abschluss des Bachelor das Masterstudium aufnimmt.

Da auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Antragsgegner das Bachelorstudium oder das Masterstudium nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit betrieben hat bzw. betreibt, ist ihm insgesamt keine unterhaltsrechtliche Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen. Er wird sich aber zu vergegenwärtigen haben, dass er auch weiter mit der gebotenen Zielstrebigkeit das Studium zu betreiben hat, um alsbald durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit den Unterhaltsbedarf seines Kindes zu decken.

Der Antragsgegner ist demnach auch unter Berücksichtigung der von ihm bezogenen BAföG-Leistungen, die den notwendigen Selbstbehalt für nicht Erwerbstätige weit unterschreiten, nicht leistungsfähig.

b)

Anderes gilt jedoch für die Monate August und September 2015. Insofern ist die Beschwerde unbegründet. S O steht für diese Monate ein Anspruch auf Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts gegen den Antragsgegner zu. Wie sich im Beschwerdeverfahren herausgestellt hat, hat der Antragsgegner in diesen Monaten Einkünfte aus Erwerbstätigkeit von über 5.847 € brutto erzielt. Auch unter Berücksichtigung der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge und selbst unter voller Berücksichtigung der von dem Antragsgegner behaupteten, von der Antragstellerin bestrittenen Fahrtkosten verbleibt ein bereinigtes Einkommen, welches ihm auch unter Berücksichtigung des Selbstbehalts für Erwerbstätige die Zahlung des Mindestunterhalts ermöglicht. Abzüglich der auf der eingereichten Lohnsteuerbescheinigung ausgewiesenen Beträge betrug das monatliche Nettoeinkommen in diesen Monaten 2.199,05 €.

Die von dem Antragsgegner geltend gemachten Fahrtkosten (fünfmal täglich eine einfache Wegstrecke von 75 km) betragen entgegen seiner Darstellung nämlich nicht „ca. 1800 €". Lediglich für die ersten 30 km sind 0,30 € pro Kilometer in Ansatz zu bringen und aufgrund der eingetretenen Kostenersparnis für jeden weiteren Kilometer nur 0,20 €, vgl. Ziff.10.2.2. der Hammer Leitlinien. Bei einer zu Gunsten des Antragsgegners angenommenen Anzahl von Arbeitstagen von 20 pro Monat ergeben sich Fahrtkosten von nur 720 € pro Monat. Der notwendige Selbstbehalt für Erwerbstätige i.H.v. 1080 € ist daher gewahrt.

Dieses Einkommen hat der Antragsgegner für den Kindesunterhalt einzusetzen.

Wenn er sich trotz laufender Studiums dazu entschließt, vorübergehend                      – anscheinend vollschichtig – erwerbstätig zu sein, stellen diese Einkünfte angesichts seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung nach § 1603 II BGB unterhaltsrechtliches Einkommen dar, welches er für Unterhaltsansprüche einzusetzen hat.

Sein Vortrag, er habe die Erwerbstätigkeit ausgeübt, um sein Studium auch nach dem Auslaufen der BAföG Leistungen im August 2016 finanzieren zu können, ist irrelevant. Dies wird ihm auch unter Berücksichtigung der Zahlung des Kindesunterhalts möglich sein. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Antragsgegner sein Studium nicht auch durch eine laufende – geringfügige – Beschäftigung finanzieren kann, ohne dass sein Studium hierunter leidet.

Das in den Monaten August und September 2015 erzielte Einkommen ist nicht auf das gesamte Jahr umzulegen, was zur Folge hätte, dass der notwendige Selbstbehalt des Antragsgegners nicht gewahrt bliebe. Zwar ist bei der Bemessung eines Unterhaltsanspruchs für die in der Vergangenheit liegenden Unterhaltszeiträume grundsätzlich von den in dieser Zeit tatsächlich erzielten Einkünften auszugehen, wobei zur Vereinfachung der Berechnung von einem Jahresdurchschnitt ausgegangen werden kann (BGH FamRZ 2007, 1532 ff.). Eine zeitlich gestufte Berechnung kann aber dann geboten sein, wenn sich Zeiten der Erwerbstätigkeit mit Zeiten der Arbeitslosigkeit abwechseln (BGH  FamRZ 2008, 594 ff).

Hieraus folgt, dass es gerechtfertigt ist, eine nach Zeitabschnitten getrennte unterhaltsrechtliche Bewertung der Einkommensverhältnisse vorzunehmen und das in den Monaten August und September 2015 erzielte Einkommen nur in diesen Monaten zu berücksichtigen, was zur Folge hat, dass in diesen Monaten ein Unterhaltsanspruch von S O besteht. Würde man die Einkünfte des Antragsgegners - auch unter Berücksichtigung seiner Tätigkeit in den Monaten November und Dezember 2015 bei einem Callcenter - auf das gesamte Jahr umlegen, wäre der notwendige Selbstbehalt nicht gewährleistet; es bestünde kein Unterhaltsanspruch.

Da die durchschnittlichen Einkünfte des Antragsgegners aus seiner Nebentätigkeit im Jahr 2016 den notwendigen Selbstbehalt nicht überschreiten, besteht auch in diesem Jahr kein Unterhaltsanspruch.

Soweit die Antragstellerin schließlich einen „luxuriösen Lebensstil“ des Antragsgegners behauptet, kann die Richtigkeit dieses Vorbringens dahingestellt bleiben. Unabhängig davon, dass dieser angeblich luxuriösen Lebensstil auch auf unterhaltsrechtlich irrelevante freiwillige Zuwendungen Dritter beruhen kann, hat der Antragsgegner nach seinem unwidersprochenen Vorbringen den PKW bereits während der Ehe aus ersparten Mitteln gekauft. Auch der Urlaub in der Türkei wurde aus ersparten Mitteln erbracht. Von einem luxuriösen Lebensstil kann nicht die Rede sein. Ohnehin ist nicht behauptet, dass der Antragsgegner über so viel Vermögen verfügt, dass er verpflichtet wäre, hieraus den Unterhalt zu zahlen.

Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 243 FamFG zurückzuweisen.