OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.10.2017 - 13 A 2563/17
Fundstelle
openJur 2019, 5591
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. Februar 2016 wird das angefochtene Urteil geändert und der Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe aufgehoben.

2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Beklagte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. - 4.

3. Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Beklagte und die Beigeladenen zu 1.- 4. je zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Beigeladenen zu 1. - 4. tragen die ihnen auferlegten Kosten als Gesamtschuldner.

4. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1. - 4. dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014, mit welchem diese den Festsetzungsbeschluss der Schiedsstelle-KHG Rheinland vom 26. November 2012 für den Vereinbarungszeitraum 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 genehmigt hatte, soweit mit ihm u.a. der vom Kläger begehrte Zahlbetragsausgleich nach § 15 Abs. 3 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen -KHEntgG - für die sog. neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) für die Jahre 2006, 2007 und 2011 i. H. v. 314.738 Euro zurückgewiesen wurde.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die Bezirksregierung E. im angefochtenen Bescheid aus, die Schiedsstelle habe einen Ausgleich gemäß § 15 Abs. 3 KHEntgG zu Recht nicht gewährt, weil neue NUB von dieser Regelung explizit ausgeschlossen seien. Da die neuen NUB im Vorjahr noch nicht vereinbart gewesen seien, fehle es an der nach der gesetzlichen Regelung erforderlichen "Weitererhebung". Die Vereinbarung von NUB könne zudem gemäß § 6 Abs. 2 Sätze 5 und 6 KHEntgG frühzeitig und losgelöst vom Gesamtbudget erfolgen, weshalb es an einer Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 KHEntgG fehle.

Der Kläger hat gegen den Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2014 am 25. Februar 2014 Klage (21 K 1321/14) erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 19. Februar 2016 hat das Verwaltungsgericht die Klage 21 K 1554/14 mit dem Klageverfahren 21 K 1321/14 verbunden. In dem Klageverfahren 21 K 1554/14 hatten die Beigeladenen zu 1. - 4. aus anderen Gründen die Aufhebung des Genehmigungsbescheids vom 11. Februar 2014 begehrt. Die zuvor von Seiten des Verwaltungsgerichts erfolgten wechselseitigen Beiladungen in den Verfahren 21 K 1321/14 und 21 K 1554/14 hat das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung aufgehoben.

Zur Begründung seines Klagebegehrens hat der Kläger vorgetragen, der Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung sei rechtswidrig. Die Regelung des § 15 Abs. 3 KHEntgG enthalte eine Rechtsgrundlage für den geforderten Zahlbetragsausgleich auch für die neu vereinbarten NUB. Wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, müsse § 15 Abs. 3 KHEntgG zur Schließung einer planwidrigen Regelungslücke jedenfalls analog angewandt werden.

Der Kläger hat beantragt,

"den Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014 aufzuheben, soweit er die Ablehnung des Zahlbetragsausgleichs gemäß § 15 Abs. 3 KHEntgG für neue NUB-Leistungen (Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden) genehmigt, hilfsweise den Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014 aufzuheben".

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beigeladenen Krankenkassen haben ebenfalls die Auffassung vertreten, neu vereinbarte NUB seien von der Ausgleichsregelung des § 15 Abs. 3 KHEntgG ausgeschlossen.

Durch Urteil vom 19. Februar 2016 hat das Verwaltungsgericht den Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014 aus den von den Beigeladenen zu 1. - 4. im Verfahren 21 K 1554/14 angeführten Gründen aufgehoben und weiter ausgeführt, dem Kläger stehe der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Festsetzung eines Ausgleichsbetrages gemäß § 15 Abs. 3 KHEntgG nicht zu. Die Entgelte für neue NUB unterfielen nicht der Ausgleichsregelung des § 15 Abs. 3 KHEntgG. Die Regelung sei mangels Regelungslücke auch nicht analog anwendbar. Die nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KHEntgG vorgesehene Abrechnung des Ausgleichsbetrags im Rahmen eines Zu- oder Abschlags nach § 5 Abs. 4 KHEntgG sei für NUB-Leistungen systemfremd.

Gegen das Urteil hat der Senat auf den Antrag des Klägers die Berufung zugelassen (13 A 673/16). In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 27. Oktober 2017 hat der Senat das Verfahren betreffend den Zahlbetragsausgleich nach § 15 Abs. 3 KHEntgG vom Verfahren 13 A 673/16 abgetrennt und unter dem vorliegenden Az. 13 A 2563/17 fortgeführt. Die Kostenträger (vormals Kläger zu 2. - 5 des Verfahrens 13 A 673/16) hat er wieder beigeladen.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, § 15 Abs. 3 KHEntgG sei, wenn nicht unmittelbar, dann aber entsprechend anwendbar. § 15 Abs. 3 KHEntgG regele den Ausgleich der Preisunterschiede aller krankenhausindividuellen Entgelte gem. § 15 Abs. 2 KHEntgG, zu denen unzweifelhaft auch die NUB-Entgelte nach § 6 Abs. 2 KHEntgG gehörten. Streitig sei zwischen den Beteiligten, ob es nach § 15 Abs. 3 KHEntgG erforderlich sei, dass es sich um Entgelte handele, die bereits im Vorjahr vereinbart worden seien, oder ob auch Mindererlöse auszugleichen seien, die dadurch entstanden seien, dass ein konkretes Entgelt mangels Vereinbarung im Vorjahr nicht weiter erhoben, sondern schlicht gar nicht habe erhoben werden können, weil es erst nach Beginn des Vereinbarungszeitraums genehmigt worden und damit in Kraft getreten sei. Eine Ausgleichspflicht sei auch im letzteren Fall zu bejahen, weil ein Krankenhaus ansonsten u. U. für mehrere Monate Leistungen erbringen müsse, die es nicht abrechnen könne. Weder aus der Systematik des Gesetzes noch aus der Gesetzesbegründung ergebe sich ein Grund, warum ausgerechnet bei neuen NUB kein verspätungsbedingter Ausgleich stattfinden solle. Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 KHEntgG sei, das Krankenhaus so zu stellen, als wenn es von Beginn des neuen Vereinbarungszeitraums an alle neuen Entgelte abgerechnet hätte. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn alle NUB-Entgelte - die weiter erhobenen bisherigen als auch die für den Vereinbarungszeitraum erstmals vereinbarten - dem Ausgleich des § 15 Abs. 3 KHEntgG unterfielen. Anderenfalls sei auch das gesetzgeberische Ziel einer schnellen Finanzierung von neuen NUB nicht erreichbar. Da das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus - InEK - den Krankenhäusern das Ergebnis seiner NUB-Überprüfungen erst zum 31. Januar mitzuteilen habe, könnten NUB-Entgelte nicht prospektiv verhandelt werden. Abrechenbar seien diese auch erst ab dem Folgemonat nach Genehmigung der NUB-Vereinbarung. Damit sei in der Praxis trotz der nach § 6 Abs. 2 KHEntgG nunmehr möglichen Abkopplung der NUB-Verhandlungen von den Verhandlungen über das Erlösbudget eine Abrechnung vor dem 1. April nahezu ausgeschlossen. § 15 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG müsse deshalb zumindest analog angewandt werden. Andernfalls hätten es die Krankenkassen auch in der Hand, durch Verhandlungsverzögerung oder Nichteinigung den Anspruch des Krankenhauses auf eine NUB-Finanzierung weitgehend zu unterlaufen und den Fortschritt im GKV-System zu behindern.

Aus der Gesetzesgeschichte folge nichts anderes. Dieser lasse sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber beabsichtigt habe, neue NUB nicht dem verspätungsbedingten Ausgleich des § 15 Abs. 3 KHEntgG zu unterwerfen. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 2 und 3 KHEntgG folge lediglich, dass der Gesetzgeber habe klarstellen wollen, dass NUB nie Gegenstand des Erlösbudgets und der Erlössumme nach § 6 Abs. 3 KHEntgG gewesen seien. Weil keine Leistungsmenge vereinbart werde, unterlägen sie insoweit auch keinem Erlösausgleich.

Soweit das Verwaltungsgericht meine, der in § 15 Abs. 3 KHEntgG enthaltene Verweis auf § 5 Abs. 4 KHEntgG sei systemfremd, verkenne es, dass sowohl die Beigeladenen zu 1.- 4. als auch der Beklagte und die Schiedsstelle nicht von der generellen Unanwendbarkeit des § 15 Abs. 3 KHEntgG auf NUB ausgingen, sondern lediglich dessen Anwendbarkeit für neue NUB in Frage stellten.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt unter Verweis auf die seiner Auffassung nach zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts und die Ausführungen der Beigeladenen zu 1. - 4.,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1. - 4. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Hierzu tragen sie vor, der Betrag in Höhe von 314.738 EUR sei der Höhe nach nicht streitig. Sie seien aber ebenso wie der Beklagte der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe zu Recht anhand des Wortlautes und aufgrund einer systematischen sowie historischen Auslegung des § 15 Abs. 3 KHEntgG einen Anspruch auf einen Zahlbetragsausgleich verneint. Den Gesetzesmaterialien sei eindeutig zu entnehmen, dass Vergütungen für NUB außerhalb des Erlösbudgets und der Erlössumme zu vereinbaren und abzurechnen seien und somit auch keinem Erlösausgleich unterlägen.

Der Umstand, dass eine Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG bestehe, ändere an der fehlenden Ausgleichspflicht nichts. § 14 Abs. 1 KHEntgG regele, dass die Entgelte nach § 6 KHEntgG der Genehmigung durch die zuständige Landesbehörde bedürften. Neue Entgelte gem. § 6 Abs. 2 KHEntgG könnten daher vom Krankenhaus erst abgerechnet werden, wenn eine Genehmigung vorliege. Sei bisher kein Entgelt vereinbart worden, könne auch keine Abrechnung vorgenommen werden. Erst durch die Genehmigung werde die Vereinbarung - auch für die nicht an der Budgetvereinbarung beteiligten Kostenträger - wirksam. Der Gesetzgeber habe für neue NUB das Jährlichkeitsprinzip der §§ 11 Abs. 2 und 15 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG durchbrochen, da eine ab dem 1. Januar getroffene Vereinbarung frühestens ab dem 1. Februar wirksam werden könne und das Krankenhaus entsprechende Leistungen vorher nicht in Rechnung stellen könne. Eine Abrechnung vor Genehmigung sei damit ausgeschlossen; ein Ausgleich sei ebenfalls nicht möglich.

Eine Abrechnung sei nicht nur budgetrechtlich, sondern auch nach den Regeln des Krankenhausabrechnungsrechts ausgeschlossen, weil eine Rechnungskorrektur nicht mehr möglich sei. Das Bundessozialgericht gehe davon aus, dass ein Krankenhaus eine Rechnungskorrektur nur nach Ablauf des auf die Schlussrechnung folgenden Haushaltsjahres vornehmen dürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Sie ist zulässig. Der Senat hat sie zugelassen und sie ist vom Kläger fristgerecht begründet worden. Dieser ist durch das angegriffene Urteil auch beschwert, obgleich das Verwaltungsgericht den Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014 - wie vom Kläger begehrt - aufgehoben hat. Das Verwaltungsgericht hat die Genehmigung aber allein aus den von den Beigeladenen zu 1. - 4. im Verfahren 21 K 1554/14 geltend gemachten Gründen aufhoben und den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlbetragsausgleich nach § 15 Abs. 3 KHEntgG verneint. Hierin liegt für den Kläger eine formelle und materielle Beschwer, weil er im neu aufzunehmenden Verfahren der Pflegesatzverhandlung oder Schiedsstellenverfahren seine Position bei einer entgegenstehenden verwaltungsgerichtlichen Feststellung nicht wird durchsetzen können, soweit letztere nicht - mit Bindungswirkung für ein zukünftiges Schiedsstellenverfahren (vgl. § 14 Abs. 3 KHEntgG, § 20 Abs. 3 Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - BPflV - entsprechend) - in diesem Berufungsverfahren für zutreffend erkannt wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 49.01 -, NVwZ-RR 2003, 281; OVG NRW, Urteil vom 18. April 2013 - 13 A 2140/11 -, juris, Rn. 36 ff.; Tuschen/Trefz, Krankenhausentgeltgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2010, § 14 KHEntgG, zu Abs. 3.

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Anfechtungsklage des Klägers zu Unrecht abgewiesen. Der Genehmigungsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten, soweit darin die Entscheidung der Schiedsstelle bestätigt wird, den vom Kläger beanspruchten Zahlbetragsausgleich nach § 15 Abs. 3 KHEntgG für neue NUB abzulehnen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes - KHG - hat die zuständige Landesbehörde - hier die Bezirksregierung E. - auf Antrag einer der Vertragsparteien - hier des Klägers und der Beigeladenen zu 1. - 4. - die von der Schiedsstelle festgesetzte Vergütung zu genehmigen, wenn sie den Vorschriften des Krankenhausfinanzierungs- und des Krankenhausentgeltgesetzes und sonstigem Recht entspricht. Die Genehmigungsbehörde ist auf eine Rechtskontrolle beschränkt. Entsprechendes gilt auch für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Genehmigungsentscheidung.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Mai 2014 - 3 C 8.13 -, juris, Rn. 15, und vom 26. Februar 2009 - 3 C 7.08 - BVerwGE 133, 192, juris Rn. 24 m. w. N.

Der Genehmigungsbescheid vom 11. Februar 2014 ist rechtswidrig, soweit darin die Rechtsauffassung der Schiedsstelle hinsichtlich des vom Kläger begehrten Zahlbetragsausgleichs nach § 15 Abs. 3 KHEntgG bestätigt wird.

Der Kläger hat einen Entgeltanspruch für die streitgegenständlichen neuen NUB (dazu A.). Abzurechnen ist dieser zwar nicht in unmittelbarer Anwendung des § 15 Abs. 3 KHEntgG (dazu B.). § 15 Abs. 3 KHEntgG ist aber auf Entgeltansprüche für neue NUB entsprechend anzuwenden (dazu C.).

A. Zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 1. - 4. ist unstreitig, dass für die streitgegenständlichen NUB der Jahre 2006, 2007 und 2009 eine Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG besteht. Die streitgegenständlichen Entgelte erfassen - ebenfalls unstreitig - NUBLeistungen, die innerhalb des vereinbarten Vereinbarungszeitraums (§ 11 Abs. 2 KHEntgG), aber vor der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG erforderlichen Genehmigung durch die zuständige Landesbehörde erbracht wurden (sog. neue NUB).

Die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG erforderliche Genehmigung des vereinbarten oder von der Schiedsstelle nach § 6 KHEntgG festgesetzten Entgelts - hierzu gehören u.a. die Entgelte für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden i. S. d. § 6 Abs. 2 KHEntgG - lässt den von den Vertragsparteien zu bestimmenden Vereinbarungszeitraum unberührt. Der Genehmigung kommt (lediglich) Bedeutung insoweit zu, als neue NUB als krankenhausindividuelles Entgelt im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG,

vgl. Vollmöller, in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, Kommentar 2014, § 15 KHEntgG, Rn. 6, 11,

frühestens ab dem ersten Tag des Monats abgerechnet werden können, der auf die Genehmigung folgt. Dass eine nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG erforderliche Genehmigung den in einer Entgeltvereinbarung vorgesehenen Vereinbarungszeitraum nicht tangiert, bestätigt im Übrigen § 15 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG, wonach Mehr- oder Mindererlöse infolge der Weitererhebung des bisherigen Landesbasisfallwerts und bisheriger Entgelte nach den Absätzen 1 und 2 grundsätzlich im restlichen Vereinbarungszeitraum ausgeglichen werden. Diese Regelung wäre entbehrlich, wenn der Genehmigung nach § 14 KHEntgG eine für die Entstehung des Entgeltanspruchs konstitutive Wirkung beizumessen wäre.

B. Die Regelungen über den Zahlbetragsausgleich nach § 15 Abs. 3 KHEntgG n.F. bzw. § 15 Abs. 2 KHEntgG a.F. in der in den Jahren 2006, 2007 und 2011 geltenden Fassung sind nicht unmittelbar anwendbar.

1. § 15 Abs. 3 KHEntgG lautet in seiner für das Jahr 2011 geltenden, ab dem 25. März 2009 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 14 des Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 - KHRG - vom 17. März 2009 (BGBl. I 534) wie folgt:

"Mehr- oder Mindererlöse infolge der Weitererhebung des bisherigen Landesbasisfallwerts und bisheriger Entgelte nach den Absätzen 1 und 2 werden grundsätzlich im restlichen Vereinbarungszeitraum ausgeglichen. Der Ausgleichsbetrag wird im Rahmen des Zu- oder Abschlags nach § 5 Abs. 4 abgerechnet."

In der zuvor bis zum 24. März 2009 und damit für die Jahre 2006 und 2007 geltenden Fassung vom 23. April 2002 (BGBl. I 1422) lautete § 15 Abs. 2 KHEntgG:

"Mehr- oder Mindererlöse infolge der Weitererhebung der bisherigen Entgelte werden durch Zu- und Abschläge auf die im restlichen Vereinbarungszeitraum zu erhebenden neuen Entgelte ausgeglichen; wird der Ausgleichsbetrag durch die Erlöse aus diesen Zu- und Abschlägen im restlichen Vereinbarungszeitraum über- oder unterschritten, wird der abweichende Betrag über die Entgelte des nächsten Vereinbarungszeitraums ausgeglichen; es ist ein einfaches Ausgleichsverfahren zu vereinbaren. Würden die Entgelte durch diesen Ausgleich und einen Betrag nach § 3 Abs. 8 oder § 4 Abs. 11 insgesamt um mehr als 30 vom Hundert erhöht, sind übersteigende Beträge bis jeweils zu dieser Grenze in nachfolgenden Budgets auszugleichen. Ein Ausgleich von Mindererlösen entfällt, soweit die verspätete Genehmigung der Vereinbarung von dem Krankenhaus zu vertreten ist."

Die Regelungen stehen im Zusammenhang mit § 15 Abs. 2 KHEntgG (§ 15 Abs. 1 KHEntgG a. F.), der bestimmt, dass die für das Kalenderjahr krankenhausindividuell zu vereinbarenden Entgelte vom Beginn des neuen Vereinbarungszeitraums an erhoben werden (Satz 1). Wird die Vereinbarung erst nach diesem Zeitpunkt genehmigt, sind die Entgelte ab dem ersten Tag des Monats zu erheben, der auf die Genehmigung folgt, soweit in der Vereinbarung oder Schiedsstellenentscheidung kein anderer zukünftiger Zeitpunkt bestimmt ist (Satz 2). Bis dahin sind grundsätzlich die bisher geltenden Entgelte der Höhe nach weiter zu erheben (Satz 3).

§ 15 Abs. 3 KHEntgG regelt die Abrechnung von Vergütungsansprüchen und schließt in seinem Anwendungsbereich eine rückwirkende Korrektur von Abrechnungen über Leistungen, die erbracht wurden, bevor sie nach § 15 Abs. 2 KHEntgG abgerechnet werden durften, gegenüber den Kostenträgern aus. Die Differenz wird über einen sog. Zahlbetragsausgleich ausgeglichen. Diese Verfahrensweise ermöglicht eine im Vergleich zu einer Nacherhebung von Entgelten für die bereits erbrachten Behandlungsfälle aufwandsarme Abwicklung des rückwirkenden Vergütungsanspruchs noch im laufenden Jahr.

So ausdrücklich BT-Drs. 18/513, S. 136 zu § 137h Abs. 3 Satz 4 2. HS. SGB V, welcher die entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 3 KHEntgG ausdrücklich vorsieht.

2. Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 KHEntgG (§ 15 Abs. 2 KHEntgG a.F.) erfasst neue NUB nicht, weil diese im Vorjahr noch nicht vereinbart waren und dementsprechend nicht "weitergelten".

C. § 15 Abs. 3 KHEntgG ist auf (neue) NUB wegen des Bestehens einer planwidrigen Lücke aber entsprechend anwendbar.

Vgl. Vollmöller, in: Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, Kommentar, 2014, § 15 KHEntgG, Rn. 14 ff., sowie NZS 2012, 921 (925); Bender, NZS 2012, 761; Becker, in: Qualität und Wettbewerb im Krankenhaus, Düsseldorfer Krankenhausrechtstag 2014, 71 (78).

1. Der Annahme, es bestehe eine planwidrige Regelungslücke, steht § 6 Abs. 2 Satz 5 KHEntgG i. d. F. d. Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 - KHRG - vom 17. März 2009 (BGBl. I 534, 540) nicht entgegen. Mit dieser Regelung ermöglicht der Gesetzgeber es zwar, Entgelte für NUB frühzeitig im Jahr unabhängig von den Budgetverhandlungen für das Krankenhaus zu vereinbaren und somit grundsätzlich eine frühe Finanzierung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sicherzustellen.

Vgl. auch BT-Drs. 16/11429, S. 43.

Der Regelung lässt sich jedoch nicht entnehmen, wie zu verfahren ist, wenn eine prospektive Vereinbarung von NUB-Entgelten gleichwohl scheitert, etwa, weil sich die Genehmigungserteilung unerwartet verzögert oder Krankenkassen die Verhandlungen in die Länge ziehen und deshalb wegen § 15 Abs. 2 KHEntgG eine Zahlungslücke entsteht. Wie in einer solchen Situation zu verfahren ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt.

2. Sinn und Zweck des § 15 Abs. 3 KHEntgG streiten für eine entsprechende Anwendung auf (neue) NUB. § 15 Abs. 3 KHEntgG stellt das Krankenhaus so, wie es stünde, wenn es von Beginn des neuen Vereinbarungszeitraums an alle neuen Entgelte abgerechnet hätte.

Vgl. Becker, in: Qualität und Wettbewerb im Krankenhaus, Düsseldorfer Krankenhausrechtstag 2014, 71 (78); Vollmöller, NZS 2012, 921.

Dies sichert den Anspruch des Krankenhauses auf sachgerechte (vgl. für die NUB § 6 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG) und zeitnahe Vergütung (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG) und entspricht der Forderung des § 1 KHG nach einer wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser.

Das gesetzgeberische Ziel kann effektiv nur erreicht werden, wenn auch NUB-Entgelte - die weitererhobenen bisherigen als auch die für den Vereinbarungszeitraum erstmals vereinbarten - dem Ausgleich des § 15 Abs. 3 KHEntgG unterfallen und nicht auf die - sowohl für das Krankenhaus als auch für die Kostenträger aufwändige - rückwirkende Einzelabrechnung der Behandlungsfälle verwiesen werden.

3. Historische und systematische Erwägungen stehen der Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 KHEntgG auf (neue) NUB nicht entgegen.

a) Aus dem Umstand, dass NUB weder in das Erlösbudget fallen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG) noch zur Erlössumme gehören (§ 5 Abs. 4 i. V. m. § 4 Abs. 3 S. 1 KHEntgG), sondern - in Abhängigkeit von der erbrachten Leistung - als echte Preise abgerechnet werden,

vgl. Tuschen/Braun/Rau, Erlösausgleich im Krankenhausbereich, Das Krankenhaus 2005, 955 (956),

folgt nicht, dass NUB-Entgelte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 KHEntgG fallen sollen.

aa) Dem Gesetzentwurf zum KHRG zu § 6 KHEntgG (BT-Drs. 16/10807, S. 30) ist hierzu nichts Abweichendes zu entnehmen. Dort heißt es lediglich: "Doppelbuchstabe aa stellt in Absatz 2 Satz 1 redaktionell klar, dass die Vergütungen für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden außerhalb des Erlösbudgets nach § 4 und der Erlössumme nach § 6 Abs. 3 vereinbart und abgerechnet werden und somit auch keinen Erlösausgleichsregelungen unterliegen."

Vgl. insoweit auch § 21 BPflVO.

Folge der Nichteinbeziehung ist aber lediglich, dass für NUB keine Leistungsmengen zu vereinbaren sind und sie "somit" insoweit auch keiner Erlösausgleichsregelung unterliegen.

Vgl. Becker, in: Qualität und Wettbewerb im Krankenhaus, Düsseldorfer Krankenhausrechtstag 2014, 71 (78); Vollmöller, NZS 2012, 921.

bb) Dies dürfte im Ergebnis auch der Rechtsauffassung des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. - 4. entsprechen, die lediglich der Auffassung sind, dass ein Ausgleich für neue NUB nach § 15 Abs. 3 KHEntgG nicht in Betracht komme, aber von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 KHEntgG auf bereits vereinbarte NUB ausgehen.

Einen Zahlbetragsausgleich im Falle bereits im Vorjahr vereinbarter NUB bejahend Bender, NZS 2012, 761 3., so wohl auch Behrends, Praxishandbuch Krankenhausfinanzierung, 2. Aufl. 2013, S. 204. Vgl. SG Fulda, Urteil vom 28. Februar 2013 -, juris, das zwar von einer Anwendbarkeit des § 15 Abs. 2 KHEntgG, nicht aber von der Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 KHEntgG ausgeht.

Es ist aber kein nachvollziehbarer Grund erkennbar, einen Zahlbetragsausgleich im Falle einer Preisdifferenz zuzulassen, einen solchen aber auszuschließen, wenn zuvor kein Entgelt abgerechnet werden durfte.

b) Einer entsprechenden Anwendung des § 15 Abs. 3 Satz 2 KHEntgG i. d. F. des KHRG auf (neue) NUB steht nicht entgegen, dass die Abrechnung des nach § 15 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG anfallenden Ausgleichsbetrags im Wege der Zu-/Abschläge gemäß § 5 Abs. 4 KHEntgG vorgenommen wird:

Nach § 5 Abs. 4 KHEntgG in der seit 2009 geltenden Fassung werden die Erlösausgleiche nach § 4 Abs. 3 (mengenbedingte Erlösausgleiche) und § 15 Abs. 3 KHEntgG (preisbedingte Erlösausgleiche) sowie ein Unterschiedsbetrag nach § 4 Abs. 5 KHEntgG über einen gesonderten Zu- und Abschlag auf die abgerechnete Höhe der DRG-Fallpauschalen und die Zusatzentgelte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KHEntgG) sowie auf die sonstigen Entgelte nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2a verrechnet. NUB-Entgelte nach § 6 Abs. 2 KHEntgG werden in dieser Regelung nicht in Bezug genommen und auch in der Gesetzesbegründung nicht thematisiert (BT-Drs. 16/10807, S. 29).

Hieraus folgt indes nicht, dass § 15 Abs. 3 KHEntgG für NUB-Entgelte systemfremd ist oder eine Abrechnung über den nach § 5 Abs. 4 KHEntgG nunmehr vorgesehenen "gemeinsamen" Zuschlag gar faktisch unmöglich wäre.

Einer solchen Annahme steht bereits entgegen, dass der Gesetzgeber in § 137h SGB V, eingeführt durch Art. 1 Nr. 66 des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 (BGBl. I 1211) - im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung - für die Abwicklung des dort vorgesehenen Vergütungsanspruchs eine entsprechende Anwendung der § 15 Abs. 2 und 3 KHEntgG explizit vorgesehen hat.

§ 137h SGB V, der neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Medizinprodukten hoher Risikoklassen zum Gegenstand hat, begründet in Abs. 3 Satz 3 der Regelung einen Anspruch auf die vereinbarte oder durch die Schiedsstelle festgelegte Vergütung (bereits) für Behandlungsfälle, die ab dem Zeitpunkt der Anfrage nach § 6 Absatz 2 Satz 3 des KHEntgG oder nach § 6 Absatz 2 Satz 2 BPflV in das Krankenhaus aufgenommen worden sind. Für die Abwicklung des Vergütungsanspruchs, der zwischen dem Zeitpunkt nach Satz 3 und der Abrechnung der vereinbarten oder durch die Schiedsstelle festgelegten Vergütung entstanden ist, ermitteln die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG oder nach § 11 BPflV die Differenz zwischen der vereinbarten oder durch die Schiedsstelle festgelegten Vergütung und der für die Behandlungsfälle bereits gezahlten Vergütung; für die ermittelte Differenz ist § 15 Abs. 3 KHEntgG oder § 15 Abs. 2 BPflV entsprechend anzuwenden.

Hat der Gesetzgeber (sogar) in dieser besonderen Konstellation zur Gewährleistung einer sachgerechten und zeitnahen Finanzierung die aufwandsarme Abwicklung rückwirkender Vergütungsansprüche in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 3 KHEntgG vorgesehen,

vgl. BT-Drs. 18/513, S. 136,

besteht kein plausibler Grund eine entsprechende Anwendung im Falle sonstiger (neuer) NUB auszuschließen. Das wäre auch nicht sachgerecht, weil dies dem Anliegen des Gesetzgebers an einer im öffentlichen Interesse gebotenen schnellen Finanzierung innovativer Behandlungsmethoden entgegenliefe.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 2 VwGO. Zur anteiligen Kostentragung im erstinstanzlichen Verfahren sind die Beigeladenen zu 1. - 4. nicht nach Maßgabe des § 154 Abs. 3 VwGO verpflichtet. Das Verwaltungsgericht hatte ihre Beiladung aufgehoben, auch hatten sie hinsichtlich des Begehrens des Klägers keinen Klageabweisungsantrag gestellt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 15 Abs. 3 KHEntgG grundsätzliche Bedeutung hat.