AG Velbert, Urteil vom 04.07.2017 - 11 C 37/16
Fundstelle
openJur 2019, 4044
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.652,85€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2015 freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 9% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 91%.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geltend.

Der Kläger ist Eigentümer des Pkw Renault Kangoo mit dem amtlichen Kennzeichen X-XX. Die Beklagte zu 1) war Fahrerin des Pkw Citroen mit dem amtlichen Kennzeichen X-XX. Die Beklagte zu 2) ist der Versicherer der Beklagten zu 1).

Am Abend des 27.10.2015 gegen 17:00 Uhr befanden sich der Kläger und die Beklagte zu 1) mit ihren Fahrzeugen in der Abenddämmerung auf der Übergangsstelle der Abfahrt X2 der A535 in Fahrtrichtung F auf der B-Straße in Fahrtrichtung X. Beide Fahrzeuge fuhren gleichzeitig an. Dadurch senkte sich das Heck des Fahrzeugs des Klägers und die Front des Fahrzeugs der Beklagten hob sich. Es kam zu einem Auffahrunfall, bei dem die Beklagte zu 1) auf das Fahrzeug des Klägers auffuhr, wodurch dieses beschädigt wurde, jedenfalls im Bereich des hinteren Stoßfängers. Weitere Schäden waren vor Ort an der Unfallstelle nicht erkennbar. Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Reparaturkosten ein. Hierfür fielen Kosten in Höhe von 530,15€ an. Ausweislich des Gutachtens vom 29.10.2015 würden für einen Austausch des Stoßfängers und der Heckklappe Kosten in Höhe von 2.369,79€ netto anfallen. Die Beklagte zu 2) zahlte vorgerichtlich 508,35€ Netto-Reparaturkosten für den Austausch des Stoßfängers nebst einer Kostenpauschale in Höhe von 25,00€ und wies eine Regulierung im Übrigen zurück. Mit Schreiben vom 16.12.2015 wurde die Beklagte zu 2) zur Regulierung der Reparaturkosten unter Einschluss der für den Austausch der Heckklappe notwendigen Kosten unter Fristsetzung bis zum 23.12.2015 aufgefordert.

Der Kläger behauptet, es sei über die Beschädigung des Stoßfängers hinaus durch das Unfallereignis zu Schäden an der Heckklappe seines Fahrzeugs gekommen. Es habe ein Aufprall im unteren Bereich der Heckklappe stattgefunden, der zu einer Blechverwerfung in deren oberen Bereich geführt habe. Durch den Unfall habe sein Fahrzeug eine Wertminderung in Höhe von 530,00€ erfahren, da insbesondere verunfallte Renaultfahrzeuge schwer zu verkaufen seien. Des Weiteren seien sämtliche Spuren auf der Oberseite des Stoßfängers erst nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis entstanden. Insbesondere hätten sich vor dem Unfallereignis keine nutzungsbedingten Gebrauchsspuren von Be- und Entladevorgängen oder sonstige Beschädigungen darauf befunden.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.921,59€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2015 zu zahlen.

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2015 freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, es hätten sich lediglich die Stoßfänger beider Fahrzeuge berührt. Für einen weiteren Kontakt mit der Heckklappe fehle es an möglichen Kontaktspuren am Fahrzeug der Beklagten zu 1), da an diesem kein entsprechendes Schadensbild feststellbar gewesen sei.

Sie ist weiter der Ansicht, das Einholen eines Sachverständigengutachtens sei angesichts des Schadens bloß am Stoßfänger unverhältnismäßig gewesen.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 30.05.2016, Blatt 68 der Akte, Beweis erhoben zum Unfallhergang und zum Schadensumfang durch Einholen eines schriftlichen Sachverständigen sowie mit Beschluss vom 07.03.2017, Blatt 184 f. der Akte, durch Anhörung des Sachverständigen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. G3, Blatt 117 ff. der Akte, und auf das Sitzungsprotokoll vom 08.06.2017, Blatt 213 der Akte, verwiesen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

I.Dem Kläger steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldnern ein Anspruch auf Zahlung von weiterem Schadensersatz in Höhe von 2.652,85€ gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. den §§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG und den §§ 421 S. 1, 249 ff. BGB

1.Der Anspruch besteht dem Grunde nach. Die vollständige Haftung der Beklagten für die aus dem Unfallereignis resultierenden Schäden resultiert jedenfalls aus dem gegen die Beklagte zu 1) sprechenden, nicht widerlegten Anscheinsbeweis, wonach derjenige, der auffährt, unaufmerksam war oder den erforderlichen Abstand nicht eingehalten hat. Dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten.

2.Der Anspruch besteht allerdings nur in Höhe von weiteren 2.652,85€. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus weiteren Reparaturkosten in Höhe von 1.822,70€ unter Einschluss einer abzuziehenden Wertverbesserung in Höhe von 38,74€, einer Wertminderung des Fahrzeugs des Klägers in Höhe von 300,00€ sowie den Kosten für das Einholen eines Sachverständigengutachtens in Höhe von 530,15€.

a)

Der Kläger kann von den Beklagten auch den Ersatz der für den Austausch der Heckklappe erforderlichen Reparaturkosten verlangen. Denn diese wurde ebenfalls im Rahmen des Unfallereignisses vom 27.10.2015 beschädigt.

Der Kläger behauptete insoweit, dass durch das Auffahren der Beklagten zu 2) ein Kontakt im unteren Bereich der Heckklappe stattfand, sodass es in höher gelegenen Bereichen zu Deformationen kam.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Behauptung im Sinne des § 286 ZPO als wahr zu erachten ist. Das folgt aus den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen G3 in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.01.2017.

So konnte der Sachverständige feststellen, dass die Heckklappe am Fahrzeug des Klägers oberhalb des dortigen Griffs in einer Höhe von rund 67 cm zwei in einem Abstand von knapp 16 cm räumlich begrenzte Eintragungen aufwies. Im Kerbgrund dieser Eindrückungen waren jeweils dünne linienartige, vertikal verlaufende Lackabtragung auszumachen. Zudem war die strukturierte Umrandung des Heckklappengriffes im Bereich der rechten Eindrückung der Heckklappe mit leichten Materialverlagerungen der Struktur behaftet. Darüber hinaus war die Heckklappe rechts neben der Aussparung des Heckklappengriffs eingezogen. Ferner war sie in einer Höhe von rund 55 cm mit einer vorrangig waagerecht verlaufenden Eindrückung versehen. Innerhalb dieser Eindrückung war eine Vielzahl von parallel zueinander ausgerichteten, vertikal verlaufenden kurzen Lackverkratzungen auszumachen.

Diese Schäden sind nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Gericht anschließt, auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen. Denn anhand der auch am Fahrzeug der Beklagten zu 1) feststellbaren Schäden an der Frontstoßfängerverkleidung in Form von Kontaktspuren, konnte der Sachverständige rekonstruieren, dass anfänglich der ausladende mittlere Bereich der vorderen Frontstoßfängerverkleidung des Beklagtenfahrzeugs mit der strukturierten Verblendung der Heckstoßfängerverkleidung des klägerischen Fahrzeugs in Kontakt kam. Im Zuge des Anfahrvorgangs und den damit einhergehenden dynamischen Einflüssen sowie Überlagerung der Fahrzeugkonturen, drückte sich hierbei die Front des Beklagtenfahrzeugs über die hintere Be- und Entladekante der Heckstoßfängerverkleidung des klägerischen Fahrzeugs. Dabei entstanden auf deren strukturierten Oberfläche zunächst Schürf- und Druckspuren. Ferner kam nachfolgend der unterhalb des Kühlergrills befindliche Abschnitt der Front des Beklagtenfahrzeugs mit dem unteren Bereich der Heckklappe des klägerischen Fahrzeugs in Berührung. Diese erfuhr hierdurch die kurzen, parallel zueinander verlaufenden Lackverreibungen und Eindrückungen. Zudem wurde der elastisch ausgelegte obere Bereich des Kühlergrills des Beklagtenfahrzeug zum Heck hin verlagert, so dass der steife Bereich der jeweiligen Spitzen des oberen Winkels des Markenemblems, welches auf den unteren Abschnitt der Motorhaube aufgebracht ist, mit der Heckklappe des klägerischen Fahrzeugs in Kontakt kam. Hierbei wurden an dieser die sowohl von der Höhenlage als auch von dem seitlichen Abstand her mit dem Markenemblem in Einklang zu bringenden, vom Sachverständigen festgestellten punktuellen Eindrückungen und Verreibungen im Kerbgrund verursacht.

Dieser festgestellte Ablauf steht nicht im Widerspruch dazu, dass am Beklagtenfahrzeug nach dem Unfallereignis kaum Schäden festzustellen waren. Die Schäden am Fahrzeug des Klägers sind gleichwohl auch unter einer energetischen Betrachtung auf die Berührung der Fahrzeuge zurückführen. Der Sachverständige erläuterte dies plausibel damit, dass zwischen dem Frontbereich des Beklagtenfahrzeugs und dem Heckbereich des klägerischen Fahrzeugs deutliche Steifigkeitsunterschiede vorliegen. Der Heckbereich des klägerischen Fahrzeugs ist steif ausgelegt und der Frontbereich des Beklagtenfahrzeugs weist relativ elastische Bauteile auf. Der Eintritt eines Schadens an dem einen Fahrzeug setzt nicht gleichzeitig einen entsprechenden optisch gleichwertigen Schaden an dem anderen Fahrzeug voraus. Denn aufgrund der zu jedem Zeitpunkt der Kollision geltenden Kräftegleichgewichte verformt sich zunächst nur das jeweils schwächere Fahrzeug und zwar so lange, bis seine Festigkeit durch Verformung gesteigert wurde und so schließlich die Festigkeit des zunächst überlegenen Fahrzeugs übertrifft. Erst dann verformt sich auch dieses.

b)

Allerdings muss sich der Kläger eine Wertverbesserung in Höhe von 38,74€ anrechnen lassen, die sein Fahrzeug durch die Durchführung der Reparaturarbeiten erfährt. Denn durch die Reparatur erhält das Fahrzeug eine neue Verkleidung des Heckstoßfängers, die dann keine unfallunabhängigen Gebrauchsspuren mehr aufweist. Dies rechtfertigt einen geschätzten Abzug in Höhe von 20% des Einzelersatzteilpreises von 193,72€.

Zwar behauptete der Kläger, sämtliche Spuren auf der Oberseite des Stoßfängers seien erst nach dem streitgegenständlichen Unfallereignis entstanden. Insbesondere hätten sich vor dem Unfallereignis keine nutzungsbedingten Gebrauchsspuren von Be- und Entladevorgängen oder sonstige Beschädigungen darauf befunden.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte diese Behauptung jedoch nicht bestätigt werden. Vielmehr kommt der Sachverständige nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass sich auf der Oberseite der Verkleidung Spuren befanden, die nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen sein können. Dies folgt nach den Erläuterungen des Sachverständigen bei seiner persönlichen Anhörung aus den Fotografien Nr. 1.7 bis 1.10, die er dem vom Kläger vorgelegten Gutachten entnahm. Dort sind quer zur Fahrtrichtung verlaufende Spuren erkennbar. Diese können aufgrund der Ausrichtung nicht durch den Unfall entstanden sein. Denn das Fahrzeug der Beklagten muss, wie der Sachverständige bereits festgestellt hatte, in Fahrtrichtung über den Stoßfänger und gegen die Heckklappe geraten sein.

Die dem Gutachten zugrunde gelegten Bilder wurden zeitnah nach dem Unfallgeschehen angefertigt. Zwar kann der Sachverständige nicht ausdrücklich feststellen, ob es sich um Nachunfallschäden handelt. Hiergegen spricht aber jedenfalls, dass gegenüber der Firma, die das vom Kläger vorgelegte Gutachten anfertigte, damals hierzu keine Angaben gemacht wurden. Im Übrigen ergeht insofern eine Entscheidung nach Beweislast, da der Kläger hätte beweisen müssen, dass sich vor dem Unfall an der streitgegenständlichen Stelle keine Gebrauchsspuren befanden, was ihm nicht gelungen ist.

Dem steht auch nicht die Einschätzung des vom Kläger zurate gezogenen Sachverständigen entgegen. Denn zum einen wurde durch diesen nur ein Schadensgutachten, aber kein unfallanalytisches Gutachten erstellt, so dass nicht nachvollziehbar ist, wie er zu seiner abweichenden Einschätzung kommt. Zwar trifft seine Einschätzung zu, dass sich das Beklagtenfahrzeug über den Stoßfänger bis hin zur Heckklappe bewegt haben muss. Denn - wie bereits ausgeführt - kommt der gerichtliche Sachverständige zum selben Ergebnis. Jedoch hätten dadurch, was aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar ist, erwartungsgemäß parallel zur Fahrzeugachse verlaufende Spuren auf der Oberseite des Stoßfängers entstehen müssen. Solche konnte der Sachverständige aber gerade nicht ausschließlich feststellen. Im Gegenteil verlaufen dort auch Spuren quer zur Fahrzeugachse.

c)

Darüber hinaus haben die Beklagten dem Kläger einen unfallbedingten merkantilen Minderwert des Fahrzeugs zu ersetzen. Dessen Höhe schätzt das Gericht anhand der Ausführungen des Sachverständigen und abweichend von der Behauptung des Klägers mit 300,00€.

Beim merkantilen Minderwert handelt es sich um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung ist, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht (NJW 2005, 277, 279 m.w.N.; Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 249 Rn. 111).

Ob der Unfall zu einem merkantilem Minderwert führt, ist sachverständig konkret und nicht anhand allgemeingültiger Tabellen zu schätzen (Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 249 Rn. 113).

Die Ungeeignetheit der Tabellen ergibt sich nach dem Dafürhalten des Gerichts bereits aus der nicht nachvollziehbaren Varianz der mit ihrer Hilfe errechneten Werte.

So wies der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten darauf hin, dass die rechnerischen Formeln zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen führen. Dies ergänzte der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung dahingehend, dass die Anwendung der Methode nach Ruhkopf/Sahm vorliegend zu einem Wertverlust in Höhe von 866,00€ führt, die Methode nach Halbgewachs zu einem Wert von 513,00€, die Methode nach BVSK zu einem Wert von 218,00€ und schließlich die Berechnungsmethode nach MFN zu einem Wertverlust von 338,00€. Die hohe Varianz dieser Ergebnisse zeigt, dass die unreflektierte Anwendung der hergebrachten Methoden zu keinen brauchbaren Werten führt und damit abzulehnen ist. Es kann nicht sein, dass je nach angewandter Methode eine Differenz von mehr als 600,00€ zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert anzunehmen sein soll. Das führt zu nicht nachvollziehbaren Zufälligkeiten und erscheint nicht plausibel. Entgegen der Auffassung des Klägers kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich eine bestimmte Berechnungsmethode durchgesetzt hätte (so auch Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 249 Rn. 113). Vor diesem Hintergrund schließt sich das Gericht dem Sachverständigen dahingehend an, dass die Berechnungsmethoden kritisch zu hinterfragen sind, wobei es aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar ist, dass Methoden, die die Schadensintensität und deren Einfluss auf die Kaufentscheidung nicht berücksichtigen, von vornherein ungeeignet sind.

Stattdessen ist die Höhe des merkantilen Minderwerts nach freier tatrichterlicher Überzeugung (§ 287 I ZPO) im Wege der Schätzung zu ermitteln (Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 249 Rn. 113). Hierbei gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Wertminderung von mehr als 300,00€ im vorliegenden Fall nicht angemessen ist.

Bei der Bemessung des merkantilen Minderwerts sind alle Einzelumstände zu berücksichtigen, insbesondere Alter, Fahrleistung und Erhaltungszustand sowie Marktsituation und Marktgängigkeit des Fahrzeugs, ferner Art und Ausmaß des Schadens (Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 249 Rn. 114). Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ist es im konkreten Fall aus Sicht des Gerichts in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen eingängig, dass hier die Wertminderung entsprechen gering ausfallen muss.

Zunächst berücksichtigte der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten zutreffend das Alter, die Laufleistung und den Erhaltungszustand des Fahrzeugs vor dem Unfall. Ferner war vorliegend in die Schätzung einzubeziehen, dass die Reparatur durch einen Komplettaustausch der beschädigten Teile erfolgt. Der Sachverständige differenzierte hier nachvollziehbar zwischen dem Austausch eines Schraubteils wie der Heckklappe und einem Eingriff in die Fahrzeugsubstanz. Am Klägerfahrzeug findet kein solcher Eingriff in das Gefüge statt. Es handelt sich um den reinen Austausch von Schraubteilen, d.h. die Reparatur besteht hier im Wesentlichen in der erneuten Durchführung des Herstellungsprozesses. Da das Fahrzeug nur etwa zehn Monate alt war, wäre die Durchführung der Reparatur quasi nur eine Wiederholung des Herstellungsprozesses von vor etwa zehn Monaten. Ein solcher Schaden ist für ein Nichttechniker leicht zu erklären und auch leicht erkennbar, dass er ordnungsgemäß behoben wurde. Es besteht deswegen für einen potenziellen Käufer kein Restrisiko mehr, dass ein unentdeckter Schaden zurückbleiben, da ein vollständiger Austausch der Heckklappe stattfindet. Weil das Risiko für einen potenziellen Käufer gering ist, dürfte dieser bereit sein, einen höheren Kaufpreis zu zahlen, so dass deswegen im Umkehrschluss die Wertminderung entsprechend gering anzusetzen ist.

Darüber hinaus muss losgelöst vom Streit über die Berechnungsmethode immer die Frage im Mittelpunkt stehen, wie hoch der zu erwartende Minderwert bei Verkauf des Unfallfahrzeugs sein wird. Maßstab muss insoweit - entsprechend der oben genannten Definition - der Gebrauchtwagenmarkt und nicht eine mögliche Akzeptanz der Betroffenen (Schädiger bzw. Versicherer oder Geschädigter) sein (NZV 2017, 297, 303). Wie bereits zuvor ausführt, sind Marktsituation und Marktgängigkeit des Fahrzeugs zu beurteilen.

Auch insoweit sind die Ausführungen des Sachverständigen überzeugend.

Zunächst hat der Sachverständige zur Beantwortung dieser Fragen die erforderliche Sachkunde. Nach seinen Ausführungen verfügt er über langjährige Kenntnisse des Gebrauchtwagenhandels und der Marktgängigkeit von Gebrauchtwagen. So ist er bereits seit 2001 als Sachverständiger und war zuvor im Kfz-Bereich tätig, wo er seine Lehre absolvierte. Seine Eltern waren im Gebrauchtwagenhandel tätig und er führt häufiger für Gerichte und Staatsanwaltschaften rückwirkende Wertberechnungen und Marktanalysen durch.

Anhand dessen konnte sich das Gericht auch davon überzeugen, dass die Behauptung des Klägers nicht zutrifft, dass verunfallte Renaultfahrzeuge schwer zu verkaufen seien. Denn dies stellt eine unzutreffende Pauschalierung dar. Vielmehr ist in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen auf den potenziellen Käuferkreis abzustellen und anhand des Fahrzeugtyps zu unterscheiden. Das konkret streitgegenständliche Fahrzeug ist als Familienfahrzeug oder als Fahrzeug, das von Handwerkern gerne genutzt wird, gefragt. Es erscheint dem Gericht schlüssig, dass in diesen Käuferkreisen weniger danach gefragt wird, ob das Fahrzeug noch aus den bei der Herstellung eingebrachten Originalteilen oder aus Austauschteilen besteht. Vielmehr steht bei einem Fahrzeug dieses Typs auch nach dem Dafürhalten des Gerichts der Nutzfaktor im Vordergrund. Deswegen ist der Minderwert, der auf dem Austausch der Koffer der Heckklappe bzw. des Heckstoßfängers beruht, gering zu bewerten.

d)

Dem Kläger steht ferner ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für das von ihm eingeholte Gutachten zu. Diese sind im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erforderlich.

Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass durch das Ereignis nicht nur der Heckstoßfänger beschädigt wurde, sondern auch die Heckklappe, und dadurch wesentlich höhere als von den Beklagten angenommene Reparaturkosten entstanden sind, können sich die Beklagten nicht mehr mit der Einwendung verteidigen, das Einholen eines Sachverständigengutachtens sei angesichts der geringen Schäden unverhältnismäßig gewesen. Die Beklagten beziehen sich dabei auf die sogenannte Bagatellgrenze, bis zu der Kosten für ein Sachverständigengutachten nicht zu ersetzen sind, da sie dann nicht im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erforderlich sein sollen. Die Grenze wird in der Kommentarliteratur mittlerweile überwiegend im Bereich von etwa 1.000,00€ gesehen. Sie ist vorliegend deutlich überschritten. Die Höhe der Sachverständigenkosten ist zwischen den Parteien im Übrigen unstreitig.

II.

Der Kläger kann darüber hinaus Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten jedenfalls in Höhe von 334,75€ verlangen. Vom ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB umfasst sind auch die zur Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten.

III.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Zinsen ab dem 24.12.2015 gemäß den §§ 288 Abs. 1, 286 BGB zu. Dies gilt hinsichtlich der Haupt- und der Nebenforderung. Jedenfalls die Aufforderung zur Zahlung der weiteren Reparaturkosten und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Fristsetzung bis zum 23.12.2015 ist als Mahnung zu qualifizieren, sodass die Beklagten spätestens hierdurch nach Ablauf der Frist in Verzug gerieten. Zinsbeginn in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB ist der 24.12.2015.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 91, 100 Abs. 4 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat für den Kläger ihre Grundlage in § 709 S. 1, 2 ZPO, für die Beklagten in den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis 3.000,00 EUR festgesetzt.

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