OLG Köln, Urteil vom 13.09.2018 - 10 U 8/18
Fundstelle
openJur 2019, 3773
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19.12.2017 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 39/17 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist seit 2004 unter der Bezeichnung "T Küchengeräte und Handel GmbH" im Handelsregister eingetragen und verwendet den Firmenbestandteil "T" im geschäftlichen Verkehr.

Bei der H ist seit dem 20.12.1995 der Domainname "T" unter der Top Level Domain ".de" registriert; seit dem Jahr 2008 ist - nach vorangegangenen Wechseln früherer Inhaber - der Beklagte registrierter Inhaber. Der Beklagte hält an dem Zeichen T keine Namens- oder Kennzeichenrechte; der Domainname wird derzeit im Internet nicht genutzt, sondern leitet auf eine Website "H.de" weiter.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Unterlassung der Verwendung des Zeichens "T" als Bestandteil einer Second Level Domain, namentlich des Domainnamens "T.de" nebst Löschungsbewilligung gegenüber der H.

Die Klägerin hat gemeint, ihre Namensrechte seien durch die Verwendung als Domain verletzt, und hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,

das Zeichen "T" als Teil einer Second-Level-Domain mit der Top-Level-Domain "de", nämlich "T.de" zu verwenden;

2. in die Löschung der Domain "T.de" gegenüber der H eG einzuwilligen;

3. an sie den Betrag von 1.511,90 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20.03.2017 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, er nutze seit 20 Jahren die Domain als Bestandteil seiner E-Mail-Adresse.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 109 - 114 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar stehe der Klägerin ein Namensrecht an der Bezeichnung "T" zu, der Beklagte könne sich aber auf eigene schützenswerte Belange berufen, da die Domain zeitlich vor dem Namensrecht der Klägerin registriert worden sei. Dass die Domain zu diesem Zeitpunkt noch nicht dem Beklagten zugestanden habe, sei hierbei ohne Relevanz. Der Klägerin hätte die Möglichkeit offen gestanden, vor der Wahl ihres Namens dessen domainrechtliche Verfügbarkeit zu prüfen und gegebenenfalls auf eine andere Unternehmenskennzeichnung auszuweichen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Begehrens. Sie rügt unter Bezugnahme auf ihren nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 29.11.2017 (Bl. 100 ff. d.A.) die tatsächlichen Feststellungen als fehlerhaft und beanstandet die Entscheidung unter Aufrechterhalten ihrer bisherigen Rechtsauffassung als rechtsfehlerhaft.

Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe ihren Vortrag zur Inhaberschaft der Domain zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Ihr Namensrecht werde durch die Domain verletzt, und der Beklagte, der erst 2008 Inhaber der Domain geworden sei, könne sich mangels (eigener) Priorität nicht auf schützenswerte Belange berufen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des am 19.12.2017 verkündeten Urteils des Landgerichts Köln, Az.: 33 O 39/17, zu verurteilen,

1. es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, das Zeichen "T" als Teil einer Second-Level-Domain mit der Top-Level-Domain "de", nämlich "T.de" zu verwenden;

2. in die Löschung der Domain "T.de" gegenüber der H eG einzuwilligen;

3. an sie den Betrag von 1.511,90 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 20.03.2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Behauptungen und Rechtsansichten der Klägerin im Einzelnen entgegen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die gemäß §§ 511 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass die Klägerin aus ihrem Namensrecht am Firmenbestandteil nicht gegen den Beklagten als Domaininhaber vorgehen kann.

Die Klägerin hat zwar durch die Ingebrauchnahme im geschäftlichen Verkehr Namensrechte an dem - hinreichend unterscheidungskräftigen - Firmenbestandteil T mit Priorität von 2004 erworben.

Ein Anspruch aus § 12 BGB, der ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen werden kann, die nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen (vgl. BGH, Urt. v. 09.09.2004 - I ZR 65/02, GRUR 2005, 430 - mho.de; BGH, Urt. v. 24.04.2008 - I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 - afilias.de; BGH, Urt. v. 09.11.2011 - I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 - Basler Haar-Kosmetik), ist damit grundsätzlich möglich, wobei das Landgericht insoweit weiterhin zu Recht davon ausgegangen ist, dass bereits die Registrierung einer Domain zur späteren Nutzung im Internet einen Namensgebrauch bedeutet (BGH, Urt. v. 22.11.2001 - I ZR 138/99, GRUR 2002, 622 - shell.de; BGH, Urt. v. 26.06.2003 - I ZR 296/00, GRUR 2003, 897 - maxem.de) und dieser Namensgebrauch unbefugt ist, weil dem Beklagten keine eigenen Rechte an diesem Namen zustehen (vgl. BGH, Urt. v. 26.06.2003 - I ZR 296/00, GRUR 2003, 897 - maxem.de).

Schließlich führt der unbefugte Namensgebrauch vorliegend auch zu einer Zuordnungsverwirrung, weil der Verkehr in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen Zeichens als Internetadresse einen Hinweis auf den Namen des Betreibers des jeweiligen Angebotes sieht (vgl. BGH, Urt. v. 24.04.2008 - I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 - afilias.de).

Mit dem Landgericht ist aber der Senat der Meinung, dass sich der Beklagte entsprechend der in der vorbezeichneten Entscheidung skizzierten Grundsätze auf schützenswerte Belange berufen kann, die eine Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausschlagen lassen. Neben der - hier nicht einschlägigen - Registrierung einer Domain im Vorgriff einer markenrechtlichen Nutzung des Kennzeichens ist die Domainnutzung nämlich ebenfalls zulässig, wenn das Namensrecht des Berechtigten erst nach Registrierung der Domain entstanden ist (BGH, BGH, Urt. v. 24.04.2008 - I ZR 159/05, GRUR 2008, 1099 - afilias.de, ab Rz. 30), und zwar selbst dann, wenn die Domain nachfolgend nicht alsbald genutzt wird (Härting, Internetrecht, 4. Aufl. (2010), Rn. 1529).

Dass - im Unterschied zur afilias-Entscheidung des Bundesgerichtshofs - vorliegend der Beklagte nicht derjenige gewesen ist, der die zeitlich dem Namensrecht vorangegangene Registrierung selbst betrieben hat, steht der Berufung auf schützenswerte Belange nicht entgegen. Hierbei geht der Senat aufgrund des unwidersprochenen Vortrages der Klägerin davon aus, dass die Domain durch einen Herrn C registriert worden ist, ehe sie dann am 29.01.1998 auf die T O GmbH, sodann ab 16.09.2005 auf die G AG und ab 09.05.2007 auf die D GmbH übertragen worden ist. Darauf kommt es aber nicht an, denn entscheidend ist auch aus Sicht des Senates der Zeitpunkt der Erstregistrierung.

Das Landgericht hat hierzu bereits ausgeführt, dass der tragende Beweggrund der Annahme schützenswerter Belange gegenüber den Namensrechten der Klägerin ist, dass zum Zeitpunkt der Registrierung keine entgegenstehenden Namensrechte bestanden haben und umgekehrt bei Entstehung der Namensrechte der Klägerin die Vergabe des identischen Domainnamens bereits unschwer erkennbar war. Ist solcherart also die Namensstörung durch die (zeitlich vorangegangene) Domainregistrierung ausnahmsweise (zunächst) nicht rechtswidrig, vermag sich an diesem Umstand auch nichts mehr dadurch zu ändern, dass der Inhaber der Domain wechselt. Im Gegenteil hat der Bundesgerichtshof in der afilias-Entscheidung als mögliche Gegenausnahme zu den schutzwürdigen Belangen des registrierenden Domaininhabers (nur) den Fall des Domain grabbings mit der von vornherein bestehenden Intention des "Rück"-Verkaufs an den Namensrechtsinhaber benannt und hiermit zugleich impliziert, dass außerhalb dieses engen Anwendungsbereichs sonstige Domainverkäufe gerade nicht zu beanstanden wären. Diese Verkäufe wären indes wirtschaftlich sinnlos, wenn der Inhaberwechsel einer ansonsten unveränderten und fortlaufend registrierten Domain dazu führen würde, dass - erst nunmehr - Namensrechte des Berechtigten quasi "aufleben" würden.

Dem entspricht zudem die (außerhalb des Internets) geltende Rechtslage, wonach es für die Frage unbefugten Namensgebrauchs bei Interessenkollisionen auf das Prioritätsprinzip ungeachtet des Inhabers ankommt und daher der Zeitvorrang des Rechtsvorgängers dem Rechtsnachfolger in diesen Fällen zugute kommt (Martinek in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. (2017), § 12 BGB, Rn. 82): derjenige, der ein bestehendes Unternehmen erwirbt und dessen Bezeichnung weiter verwendet, kann sich also auf die durch den Veräußerer erworbene Priorität berufen, wenn ihm die Verwendung von diesem gestattet wurde. Wer umgekehrt bereits dem Veräußerer den Namensgebrauch nicht verbieten konnte, kann ihn auch dem Erwerber nicht untersagen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.03.1999 - 1 U 531/98, OLGR 1999, 314, Martinek in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. (2017), § 12 BGB, Rn. 82).

Das Prioritätsprinzip beherrscht das Namens- und Kennzeichenrecht. Ein Grund zur Abweichung hiervon bei Wechseln in der Inhaber-Registrierung der Domain ist aus Sicht des Senats nicht ersichtlich. Eine andere Abwägung - also der Vorrang von Namens- und Kennzeichenrechten gegenüber einem späteren Inhaberwechsel einer prioritätsälteren Domain würde im Gegenteil nicht nur Rechtsunsicherheit bei Inhaberwechseln einer Domain mit sich bringen (die sich nicht nur aus einem Verkauf, sondern auch durch Verschmelzung und Umwandlung von Unternehmen oder durch Erbfall natürlicher Personen ergeben können), sondern vor allem den Charakter des Domain Namens als eigentumsfähige und nach Art. 14 GG geschützte Rechtsposition (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.11.2004 - 1 BvR 1306/02, GRUR 2005, 261 - ad acta) schwächen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage, ob die Nutzung einer registrierungsälteren Domain gegenüber einer kollidierenden Firmenbezeichnung auch dann zulässig ist, wenn nach der Entstehung des Namensrechts die Inhaberschaft an der Domain wechselt, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000,00 €