BGH, Beschluss vom 20.11.2018 - II ZR 196/16
Fundstelle
openJur 2019, 1728
  • Rkr:
Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 11. Juli 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 80.000 €

Gründe

I.

Der Kläger beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 29. Juni 2005 in den Modellen "Classic" und "Plus" mit je 50.000 € zuzüglich Agio in Höhe von jeweils 3.000 € als Treugeber an der damals noch als A. AG & Co. KG firmierenden Beklagten zu 1. Den Einmaleinlagebetrag von 50.000 € im Modell "Classic" sowie die beiden Agio-Beträge, insgesamt 56.000 €, zahlte der Kläger ein. Die Einlagen im Beteiligungsprogramm "Plus" sollten durch Wiederanlage der Ausschüttungen aus dem Beteiligungsprogramm "Classic" bis zur Höhe von maximal 100 % der Einmaleinlage (50.000 €) geleistet werden ("Classic Plus"). In der Folgezeit erbrachte die Anlage im Modell "Classic" Ausschüttungen in Höhe von 7.518,75 €, die vereinbarungsgemäß im Beteiligungsprogramm "Plus" wieder angelegt wurden.

Die Beklagte zu 2, die seinerzeit noch als A. V. AG firmierte, ist die Komplementärin der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 3 ist sowohl Rechtsnachfolgerin der Dr. C. GmbH, der an der Beklagten zu 1 (damals: A. AG & Co. KG) auch mit einem eigenen Anteil beteiligten Treuhandkommanditistin, als auch Rechtsnachfolgerin der R. AG, die mit dem Vertrieb der Anlage beauftragt war. Die R. AG bediente sich selbständiger Vertriebspartner, unter anderem der Nebenintervenientin zu 2, für die der Nebenintervenient zu 1 (im Folgenden: der Zeuge P. ) tätig war.

Dem Beitritt des Klägers lag der Emissionsprospekt 2005 zugrunde. Außerdem führte der Kläger zwei Beratungsgespräche mit dem Zeugen P. , deren Inhalt im Einzelnen streitig ist.

Der Kläger hat die Beklagten wegen fehlerhafter Aufklärung auf Schadensersatz in Anspruch genommen und die Rückabwicklung seiner Beteiligung begehrt. Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugin M. , der Ehefrau des Klägers, und des von den Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugen P. der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner zur Zahlung von 56.000 € Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte aus den Gesellschaftsbeteiligungen verurteilt und gegenüber sämtlichen Beklagten weitere vom Kläger beantragte Feststellungen getroffen.

Das Berufungsgericht hat nach erneuter Vernehmung der Zeugin M. die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die vom Kläger gerügten Prospektfehler lägen nicht vor. Eine unzutreffende Aufklärung durch den Zeugen P. habe der Kläger nicht beweisen können. Die Aussage der Zeugin M. habe für die notwendige Überzeugungsbildung des Gerichts keine ausreichende Grundlage ergeben. Soweit das Landgericht seine Überzeugung auf die Aussage des Zeugen P. gestützt habe, sei dies in verfahrensfehlerhafter Weise geschehen, da das Landgericht sich auch auf Bekundungen des Zeugen bezogen habe, die entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO im Protokoll keinen oder nur abweichenden Niederschlag gefunden hätten. Für eine erneute Vernehmung des Zeugen P. habe prozessual kein Raum bestanden. Der Kläger habe die Vernehmung des Zeugen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren nicht beantragt. Der nachfolgende Beweisantritt habe keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gegeben, weil er im Berufungsverfahren gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohnehin nicht mehr zuzulassen gewesen wäre.

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht Beschwerde eingelegt; er strebt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gemäß § 544 Abs. 7 ZPO.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist insgesamt, auch soweit sie die Beklagte zu 3 betrifft, zulässig. Der rechtzeitig beim Revisionsgericht eingegangenen Beschwerdeschrift konnte unter Berücksichtigung des beigefügten Berufungsurteils entnommen werden, dass sich die Beschwerde auch gegen die Beklagte zu 3 richten sollte.

a) An den notwendigen Inhalt der Beschwerdeschrift gemäß § 544 Abs. 1 ZPO sind die gleichen Anforderungen zu stellen, denen die Revisionsschrift (§ 549 Abs. 1 ZPO) - und hiermit übereinstimmend die Berufungsschrift - unterliegt, da nach § 544 Abs. 6 Satz 2 ZPO die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde im Fall der Revisionszulassung als Einlegung der Revision gilt (BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - II ZR 291/11, juris Rn. 7 mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zu dem notwendigen Inhalt der Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 ZPO wie auch der Revisionsschrift nach § 549 Abs. 1 ZPO die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird. Die Rechtsmittelschrift muss entweder für sich allein betrachtet oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig erkennen lassen, wer Rechtsmittelführer und wer Rechtsmittelgegner sein soll (BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - II ZR 291/11, juris Rn. 8; Urteil vom 21. Juli 2017 - V ZR 72/16, WuM 2017, 736 Rn. 8; Beschluss vom 8. August 2017 - X ZB 9/15, juris Rn. 14, jew. mwN).

Dabei sind an die Bezeichnung des Rechtsmittelgegners weniger strenge Anforderungen zu stellen. Besteht der in der Vorinstanz obsiegende Gegner aus mehreren Streitgenossen, richtet sich das Rechtsmittel im Zweifel gegen die gesamte angefochtene Entscheidung und somit gegen alle gegnerischen Streitgenossen, es sei denn, die Rechtsmittelschrift lässt eine Beschränkung der Anfechtung erkennen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 - II ZB 5/05, BGHR 2006, 1049 Rn. 9; Beschluss vom 9. September 2008 - VI ZB 53/07, NJW-RR 2009, 208 Rn. 5; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 11; Beschluss vom 24. September 2013 - II ZR 291/11, juris Rn. 9). Eine solche Beschränkung kann sich daraus ergeben, dass in der Rechtsmittelschrift nur einige der auf der Gegenseite stehenden Streitgenossen angegeben werden (BGH, Beschluss vom 26. September 1961 - V ZB 24/61, NJW 1961, 2347; Urteil vom 29. Juni 1987 - II ZR 173/86, ZIP 1987, 1316, 1317). Dies ist jedoch nicht zwingend. So hat der Bundesgerichtshof eine unbeschränkte Berufungseinlegung auch in Fällen bejaht, in denen als Rechtsmittelgegner nur einer von mehreren Streitgenossen, und zwar der im Urteilsrubrum an erster Stelle Stehende, genannt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58 f.; Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; Beschluss vom 11. Mai 2010 - VIII ZB 93/09, NJW-RR 2011, 281 Rn. 12; Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 12). Werden in der Rechtsmittelschrift nur einige der gegnerischen Streitgenossen als Rechtsmittelbeklagte bezeichnet, so lässt dies nicht stets und unabhängig von den Umständen des einzelnen Falles eine entsprechende Beschränkung des Rechtsmittels erkennen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Juni 1983 - VI ZR 245/81, NJW 1984, 58, 59; Urteil vom 20. Januar 1988 - VIII ZR 296/86, NJW 1988, 1204, 1205; Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 65/01, NJW 2002, 831, 832; Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 233/01, NJW 2003, 3203, 3204; Urteil vom 14. Februar 2008 - III ZR 73/07, juris Rn. 6 f.).

Weil auch die Bezeichnung einer Partei als Teil einer Prozesshandlung auslegungsfähig ist, kommt es für die Frage, ob eine Beschränkung der Anfechtung gewollt ist, letztlich auf eine vollständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist an. Dabei können sich aus einer beigefügten Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift des angefochtenen Urteils oder aus sonstigen beigefügten Unterlagen entscheidende Hinweise auf den Umfang der Anfechtung ergeben. Besondere Bedeutung kommt der Frage zu, ob eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf einen Teil der bisherigen Prozessgegner in Anbetracht des der Vorinstanz unterbreiteten Streitstoffs ungewöhnlich oder gar fernliegend erscheint (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 - XII ZR 18/09, NJW-RR 2011, 359 Rn. 12 f.; Beschluss vom 24. September 2013 - II ZR 291/11, juris Rn. 10; Beschluss vom 8. August 2017 - X ZB 9/15, juris Rn. 14 mwN).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der vorliegenden Beschwerdeschrift keine Beschränkung der Anfechtung auf die Beklagten zu 1 und 2 zu entnehmen. Die Beschwerdeschrift lässt vielmehr unter Einbeziehung des Berufungsurteils noch hinreichend klar erkennen, dass sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen alle drei Beklagten richten soll.

Allerdings fehlt bei der Beklagten zu 3 die Angabe der Parteirolle, während die Beklagten zu 1 und 2 - ebenso wie die Nebenintervenientin zu 2 - jeweils als "Beklagte, Berufungsklägerin und Beschwerdegegnerin" bezeichnet sind. Hieraus erschließt sich aber nicht, dass die Beschwerde auf die Beklagten zu 1 und 2 beschränkt werden sollte. Da bei der Beklagten zu 3 jede Angabe zu einer Parteirolle fehlt, sie insbesondere auch nicht wie die beiden anderen Beklagten als Beklagte und Berufungsklägerin bezeichnet wurde, obwohl diese Angaben auf sie in gleicher Weise zutrafen, bleibt das Fehlen der Bezeichnung "Beschwerdegegnerin" ohne maßgebenden Aussagewert. Es ist vielmehr offensichtlich, dass die bei der Beklagten zu 3 vollständig unterbliebene Angabe der Parteirollen auf einem Versehen beruhte, wie auch die Bezeichnung der - zur Unterstützung der Beklagten zu 3 beigetretenen - Nebenintervenientin zu 2 als "Beklagte, Berufungsklägerin und Beschwerdegegnerin" ersichtlich irrtümlich erfolgte.

Nach den Umständen des vorliegenden Falles musste eine Beschränkung des Rechtsmittelangriffs auf die Beklagten zu 1 und 2 eher fernliegend erscheinen. Dem der Beschwerdeschrift beigefügten Berufungsurteil konnte entnommen werden, dass das Landgericht die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt hatte und das Berufungsgericht keine Aufklärungspflichtverletzung feststellen konnte, die Klage mithin aus einem für alle drei Beklagten in gleicher Weise geltenden Grund abgewiesen hat. Anhaltspunkte für eine bei einer Anfechtung des Berufungsurteils zwischen den Beklagten zu 1 und 2 einerseits sowie der Beklagten zu 3 andererseits sinnvoll vorzunehmende Differenzierung lagen nicht vor.

2. Die Beschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 544 Abs. 7 ZPO).

a) Im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass der Kläger für eine unzutreffende Aufklärung durch den Zeugen P. die Beweislast trägt. Das Berufungsgericht durfte aber nicht ohne erneute Vernehmung des Zeugen dessen Aussage anders würdigen als das Landgericht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO). Die Nichtzulassungsbeschwerde sieht hierin zu Recht eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2009 - VIII ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 4; Beschluss vom 19. Februar 2013 - II ZR 119/11, juris Rn. 5; Beschluss vom 23. Juli 2013 - II ZR 28/12, juris Rn. 3; Beschluss vom 15. April 2014 - II ZR 61/13, juris Rn. 4; Beschluss vom 23. Oktober 2018 - VIII ZR 61/18, juris Rn. 8 f.; Beschluss vom 7. November 2018 - IV ZR 189/17, juris Rn. 8).

aa) Das Landgericht hat offen gelassen, ob den Darstellungen des Klägers und der Zeugin M. zu folgen sei, der Vermittler habe keine Risiken der Beteiligung dargestellt und der Prospekt sei nicht rechtzeitig übermittelt worden, da auch auf Grundlage der Aussage des Zeugen P. eine Schadensersatzpflicht bestehe. Insoweit hat das Landgericht entscheidend darauf abgestellt, dass der Zeuge (auch) nach seiner Aussage das maximale finanzielle Risiko der Anlage im Vermittlungsgespräch mit der Erklärung, der Kläger könne im schlimmsten Fall alles verlieren, was er eingezahlt habe, unrichtig beschrieben habe. Diese Darstellung des maximalen finanziellen Risikos sei für das Modell "Classic Plus" deshalb unzutreffend, weil der Anleger gegebenenfalls auch auf Rückerstattung gewinnunabhängiger Ausschüttungen in Anspruch genommen werden könne, die er nicht ausbezahlt erhalten habe, da sie vereinbarungsgemäß in das Beteiligungsprogramm "Plus" geflossen seien.

Bei seiner Beweiswürdigung hat das Landgericht aus dem Verhandlungsprotokoll folgende Erklärungen des Zeugen zitiert: "Der größte anzunehmende Unfall bei diesen Beteiligungen ist ja, dass das eingesetzte Kapital verloren geht. (...) Ein Totalverlust bedeutet für mich, dass das gesamte eingezahlte Kapital, hier also die 50.000,- weg sind und nicht mehr zurückfließen." Außerdem hat das Landgericht einen Satz des Zeugen angesprochen, der offenbar bei der Protokollierung umformuliert worden sei. Die Protokollstelle laute: "Ich weiß (al)so z.B. nicht mehr, ob er nach dieser Erläuterung, was man maximal verlieren könnte, Fragen gehabt hat." Aus den handschriftlichen Notizen des Richters ergebe sich aber, dass der Zeuge gesagt habe: "Ich habe erklärt, dass man maximal das verlieren kann, was man eingezahlt hat. Ob danach gefragt wurde, weiß ich nicht mehr."

bb) Das Berufungsgericht hat sich mit der Aussage des Zeugen P. nicht weiter befasst. Es hat die Verfahrensweise des Landgerichts beanstandet, da es sich bei seiner Überzeugungsbildung auch auf Bekundungen des Zeugen gestützt habe, die entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO im Protokoll keinen oder nur abweichenden Niederschlag gefunden hätten. Eine erneute Vernehmung des Zeugen hat das Berufungsgericht abgelehnt, da der Kläger sie nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren beantragt habe.

cc) Damit hat sich das Berufungsgericht in unzulässiger Weise über die Feststellungen des Landgerichts hinweggesetzt. Auch wenn man die korrigierenden Bemerkungen im Urteil des Landgerichts zu einem einzelnen Satz der - nicht wörtlich - protokollierten Zeugenaussage als Protokollberichtigung verstehen wollte, bei der die Bestimmungen zum Berichtigungsverfahren (§ 160 Abs. 2 und 3 ZPO) missachtet wurden, hätte dies nicht zur Folge, dass das Berufungsgericht die Zeugenaussage und deren Würdigung durch das Landgericht unbeachtet lassen durfte.

(1) Das Berufungsgericht hat nach § 529 Abs.1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Zu den in diesem Sinne bindend festgestellten Tatsachen gehören auch wertende Feststellungen, nämlich Tatsachen, hinsichtlich derer das erstinstanzliche Gericht auf Grund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO entschieden hat, dass sie wahr oder unwahr sind (Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 529 Rn. 4 mwN).

Hat das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts, die etwa auf Verfahrensfehler oder auch darauf gründen können, dass der Inhalt einer protokollierten Zeugenaussage nach Einschätzung des Berufungsgerichts nicht umfassend gewürdigt wurde (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rn. 7), sind erneute Feststellungen zu treffen. Sie können gemäß § 398 Abs. 1 ZPO die wiederholte Vernehmung eines Zeugen umfassen. Eines Beweisantrages bedarf es hierfür nicht.

Grundsätzlich steht es zwar im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es Zeugen, die in der Vorinstanz bereits vernommen worden sind, nach § 398 Abs. 1 ZPO erneut vernimmt. Das Berufungsgericht ist jedoch zur nochmaligen Vernehmung der Zeugen verpflichtet, wenn es die protokollierten Zeugenaussagen anders verstehen oder würdigen will als die Vorinstanz. Eine erneute Vernehmung kann in diesem Fall allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit noch das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 - II ZR 103/10, WM 2011, 1533 Rn. 7; Beschluss vom 19. Februar 2013 - II ZR 119/11, juris Rn. 6; Beschluss vom 23. Juli 2013 - II ZR 28/12, juris Rn. 4; Beschluss vom 15. April 2014 - II ZR 61/13, juris Rn. 5; Beschluss vom 18. Oktober 2017 - I ZR 255/16, TranspR 2018, 312 Rn. 9; Beschluss vom 23. Oktober 2018 - VIII ZR 61/18, juris Rn. 9; Beschluss vom 7. November 2018 - IV ZR 189/17, juris Rn. 8).

(2) Nach diesen Maßgaben durfte das Berufungsgericht die erstinstanzliche Aussage des Zeugen P. nicht unbeachtet lassen, ohne ihn erneut zu vernehmen.

Das Landgericht hatte die Zeugenaussage seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugrunde gelegt. Daran war es nicht etwa dadurch gehindert, dass der Zeuge von den Beklagten benannt worden war. Die vom Landgericht für maßgebend erachteten Angaben des Zeugen widersprachen auch nicht dem Vorbringen des Klägers. Vielmehr ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon auszugehen, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind, hilfsweise zu eigen macht, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung bedarf (BGH, Urteil vom 26. Juli 2005 - X ZR 109/03, WM 2006, 1124, 1127; Beschluss vom 26. Januar 2012 - IX ZB 51/10, juris Rn. 4, jew. mwN). Überdies hat sich der Kläger, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist, in der Berufungserwiderung ausdrücklich auf die in Rede stehenden Angaben des Zeugen P. und deren Würdigung durch das Landgericht berufen.

Es sind auch keine Umstände erkennbar, die die abweichende Würdigung einer Aussage ohne erneute Vernehmung des Zeugen rechtfertigen könnten. Dem Berufungsurteil, das sich mit der Aussage des Zeugen P. inhaltlich nicht auseinandersetzt, sind derartige Umstände nicht zu entnehmen. Sollte das Berufungsgericht ein von der Beweiswürdigung des Landgerichts abweichendes Verständnis der (protokollierten) Zeugenaussage in Betracht gezogen haben, so gebot dies erst Recht eine erneute Vernehmung des Zeugen. Wenn der Inhalt einer Zeugenaussage dem Protokoll nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, weil Angaben widersprüchlich sind oder Interpretationsspielräume bleiben, darf das Berufungsgericht die Aussage nicht ohne erneute Vernehmung anders würdigen als das Landgericht.

dd) Die Vernehmung des Zeugen P. war zudem deshalb geboten, weil der Kläger sie in seiner Stellungnahme zur Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht, die sich auf die Vernehmung der Zeugin M. beschränkt hatte, ausdrücklich beantragt hat. Das Berufungsgericht durfte eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht deshalb ablehnen, weil der Beweisantritt des Klägers gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Berufungsverfahren ohnehin nicht mehr zuzulassen gewesen wäre. Diese Annahme findet im Prozessrecht keine ausreichende Stütze und verletzt den Kläger erneut in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Denn der Kläger hatte keinen Anlass, den Zeugen im ersten Rechtszug zu benennen, nachdem das Landgericht seine Vernehmung angeordnet und ihn umfassend vernommen hatte (§ 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

b) Der Verfahrensfehler ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es den Zeugen P. erneut vernommen hätte. Es kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Klage aus anderen, von der Feststellung einer Aufklärungspflichtverletzung unabhängigen Gründen abzuweisen ist.

aa) Entgegen der Beschwerdeerwiderung der Beklagten zu 3 kann eine Verjährung der Klageansprüche nach dem für das Beschwerdeverfahren maßgebenden Sachverhalt nicht angenommen werden. Die für den Verjährungseinwand ausschlaggebende Annahme, der Kläger hätte schon aufgrund der Risikohinweise in der Beitrittserklärung, jedenfalls nach anschließender Befassung mit dem Prospektinhalt, wissen müssen, dass die Anlage entgegen den angeblichen Aussagen des Vermittlers nicht seinen Vorstellungen entsprach, wird durch die bisherigen Feststellungen nicht getragen (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 2018 - II ZR 57/16, juris Rn. 18-22). Auf verjährungsrechtliche Bestimmungen des Treuhandvertrages kann die Beklagte zu 3 schon deshalb nicht mit Erfolg verweisen, weil der vorliegende Rechtsstreit ihre Haftung als Gründungs- bzw. Altgesellschafterin betrifft.

bb) Dem weiteren Einwand, mögliche Aufklärungsmängel seien jedenfalls für die Anlageentscheidung des Klägers nicht kausal geworden, kann im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht entsprochen werden. Die Feststellung und Würdigung der hierzu vorgetragenen Tatsachen ist Sache des Tatrichters.

Drescher Wöstmann Sunder Bernau B. Grüneberg Vorinstanzen:

LG Hamburg, Entscheidung vom 17.11.2014 - 325 O 2/14 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 11.07.2016 - 11 U 274/14 -