BAG, Urteil vom 11.07.2018 - 4 AZR 443/17
Fundstelle
openJur 2019, 461
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 14. August 2017 - 6 Sa 216/15 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18. Februar 2015 - 7 Ca 1216/14 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, welche Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung finden und in diesem Zusammenhang über einen Entgeltdifferenzanspruch für den Monat November 2013.

Die nicht tarifgebundene Klägerin ist seit 1994 bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängerinnen im Klinikum in der Kstraße 27 in H beschäftigt. Das Klinikum wurde ua. vom Okreis und dem diesem nachfolgenden Bkreis in Form eines Eigenbetriebs als "Okreis-Klinikum" geführt. Im Arbeitsvertrag vom 28. August 1995 heißt es ua.:

"§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung."

Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin wurde im Jahr 2005 in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) übergeleitet.

Im Jahr 2007 ging das Klinikum im Wege eines Betriebsübergangs auf die S-Klinikum GmbH über, die zunächst weiterhin den TVöD anwandte.

Mit Schreiben vom 20. August 2010 teilte die S-Klinikum GmbH der Klägerin mit, dass rückwirkend zum 1. Januar 2010 der Konzern-Mantel-Tarifvertrag (M-TV M/W/I Sana) und zum 1. Juli 2010 der Konzern-Entgelt-Tarifvertrag (E-TV M/W/I Sana) sowie damit verbundene haustarifliche Sonderregelungen in Kraft getreten seien und das Arbeitsverhältnis "aus diesem Grund" in das neue Tarifrecht "übergeleitet" werde. Mit weiterem Schreiben im Oktober 2010 wurde die Klägerin unter Bezugnahme auf den M-TV M/W/I Sana und den E-TV M/W/I Sana sowie den Konzern-Überleitungs-Tarifvertrag (Ü-TV M/W/I Sana), den Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung (TV-EUmw M/W/I Sana), den Konzern-Tarifvertrag für Auszubildende (A-TV M/W/I Sana) bei Auszubildenden und den Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung (BFG-TV M/W/I Sana) über die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts informiert. Seitdem wurden diese Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis der Parteien angewandt.

Mit Wirkung zum 1. November 2013 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs auf die Beklagte, damals firmierend unter "A Krankenhausgesellschaft B mbH" über.

Die Beklagte betrieb schon vor Übernahme des Okreis-Klinikums in H, in der Kstraße 4, das Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Am 28. März 2006 hatte sie mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) einen Haustarifvertrag (AMEOS-HTV) abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 7. November 2013 informierte die Beklagte die Klägerin über den Betriebsübergang und teilte mit, bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen und Arbeitsverhältnissen mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das jeweils anwendbare Tarifrecht würden "die bisherigen tarifvertraglichen Regelungen von Sana ... durch den Tarifvertrag von AMEOS abgelöst". Mit Schreiben vom 11. Dezember 2013 widersprach die Klägerin der Anwendung des AMEOS-HTV und beanspruchte auch für die Zeit nach dem 1. November 2013 die Anwendung der Sana-Tarifverträge.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für den Monat November 2013 ein Bruttoarbeitsentgelt iHv. 2.717,85 Euro. Bei Anwendung der Sana-Tarifverträge hätte ihr ein Arbeitsentgelt iHv. 2.768,73 Euro brutto zugestanden.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. Februar 2014 forderte die Klägerin die Beklagte ua. zur Zahlung von Differenzbeträgen auf.

Mit Wirkung zum 1. Februar 2017 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen neuen Arbeitsvertrag, der eine abweichende Bezugnahmeklausel enthält.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Arbeitsverhältnis richte sich weiter nach den für den Sana-Konzern geltenden Tarifverträgen. Das ergebe sich aus einer konkludenten Änderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel oder aus einer betrieblichen Übung, da seit dem Jahr 2010 die tarifvertraglichen Regelungen des Sana-Konzerns auf ihr Arbeitsverhältnis angewandt worden seien.

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

1.

festzustellen, dass der Mantel-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TV MHFH/W/I Sana),

der Entgelt-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV MHFH/W/I Sana),

der Überleitungs-Konzern-Tarifvertrag (Ü-TV Sana) für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur,

der Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (TV-Eumw M/W/I Sana),

der Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (BFG-TV M/W/I Sana)

in der Zeit vom 1. Dezember 2013 bis zum 31. Januar 2017 Inhalt des zwischen ihr und der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses war;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 50,88 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, mit erfolgtem Betriebsübergang seien die für den Sana-Konzern geltenden Tarifverträge gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch den AMEOS-HTV abgelöst worden. Die Norm erfasse nicht nur tarifgebundene Arbeitnehmer, sondern gelte auch für sog. Außenseiter. Überdies finde der AMEOS-HTV auch aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Die Bezugnahmeklausel sei eine sog. Tarifwechselklausel.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die zulässige Feststellungsklage ist unbegründet. Die Tarifverträge des Sana-Konzerns finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Deshalb besteht auch der auf ihrer Basis geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht.

I. Die Klage ist zulässig. Der Antrag zu 1. ist als sog. Elementenfeststellungsantrag (sh. nur BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 26 ff., BAGE 131, 176; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165) zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche und auch noch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende (st. Rspr., zB BAG 25. Januar 2017 - 4 AZR 520/15 - Rn. 16) besondere Feststellungsinteresse. Durch die gerichtliche Entscheidung kann der Streit der Parteien über die - dynamische - Anwendbarkeit der im Antrag konkret bezeichneten Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien im Umfang des gestellten Antrags geklärt werden (zu diesem Erfordernis BAG 21. April 2010 - 4 AZR 755/08 - Rn. 21 mwN).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Tarifverträge des Sana-Konzerns finden weder aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme noch aufgrund einer betrieblichen Übung oder konkludenten Vertragsänderung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die im Antrag genannten Tarifverträge des Sana-Konzerns fänden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel Anwendung. Die Parteien haben arbeitsvertraglich vielmehr die tariflichen Regelungen des TVöD/VKA zeitdynamisch in Bezug genommen. Das ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags (zu den Maßstäben der Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung vgl. BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15, BAGE 134, 283).

a) Die Bezugnahmeklausel verweist auf den BAT und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung und "außerdem" auf die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge. Zum 1. Oktober 2005 wurde der BAT nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Spiegelstrich 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 ersetzt. Danach enthält der Arbeitsvertrag der Parteien nunmehr eine Bezugnahme auf den TVöD/VKA und den TVÜ-VKA (vgl. nur BAG 16. Mai 2012 - 4 AZR 290/10 - Rn. 22).

b) Die Haustarifverträge der Beklagten werden von der Bezugnahmeklausel nicht erfasst.

aa) Die Haustarifverträge sind keine den TVöD "ergänzenden, ändernden oder ersetzenden" Tarifverträge iSv. § 2 des Arbeitsvertrags. Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeregelung ist das Arbeitsverhältnis den Tarifbestimmungen des "Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) ... in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung" unterstellt worden. Damit sollten nur die von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes abgeschlossenen (Verbands-)Tarifverträge in Bezug genommen werden. Dies können zwar auch firmenbezogene Sanierungstarifverträge sein. Sie müssen dann aber unter Beteiligung der VKA geschlossen worden sein. Nicht von der Bezugnahmeklausel erfasst sind hingegen Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers. Diese sind - jedenfalls arbeitgeberseitig - nicht von den Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes abgeschlossen worden (vgl. BAG 16. Mai 2018 - 4 AZR 209/15 - Rn. 19; 26. August 2015 - 4 AZR 719/13 - Rn. 15).

bb) Eine Bezugnahme auf die Haustarifverträge ergibt sich auch nicht aus § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags, wonach "außerdem ... die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung" finden sollen.

(1) Dafür spricht bereits der Wortlaut.

(a) Der Begriff "außerdem" bedeutet "überdies", "darüber hinaus" und wird synonym verwendet iSv. "auch", "ferner", "daneben", "des Weiteren", "im Übrigen", "zusätzlich" (Duden Das Bedeutungswörterbuch 4. Aufl.). Die Wortwahl legt nahe, dass mit dieser ergänzenden Bezugnahmeregelung Tarifverträge erfasst werden sollten, die "darüber hinaus" und "neben" dem BAT, also "zusätzlich" zu diesem zur Anwendung kommen können. Dabei kann es sich allerdings nur um Tarifverträge handeln, deren inhaltliche Regelungsbereiche sich nicht mit denen des BAT überschneiden. Andernfalls wären sie nicht "überdies" und "darüber hinaus", sondern vielmehr "anstelle" des BAT anwendbar (BAG 16. Mai 2018 - 4 AZR 209/15 - Rn. 22; vgl. auch BAG 15. Juni 2016 - 4 AZR 485/14 - Rn. 20; 26. August 2015 - 4 AZR 719/13 - Rn. 17 mwN).

(b) Dieses Verständnis wird durch die Bezugnahme auf die "jeweils geltenden sonstigen einschlägigen" Tarifverträge bestätigt. Der Verweis auf die "jeweils" geltenden Tarifverträge regelt lediglich die zeitliche Dynamik der Bezugnahme, sagt aber nichts über deren inhaltliche Reichweite aus. Der Hinweis auf die für den Arbeitgeber "geltenden sonstigen einschlägigen" Tarifverträge kann vor dem Hintergrund der in Satz 1 der Bezugnahmeklausel vereinbarten - grundsätzlichen - Regelung mangels weiterer Anhaltspunkte nicht als "Öffnungsklausel" für Haustarifverträge verstanden werden. Ein verständiger und redlicher Vertragspartner des Arbeitgebers als des Verwenders der Klausel darf diese Formulierung als - lediglich - inhaltliche Einschränkung der Verweisung, dh. dahingehend verstehen, dass es sich insoweit nur um solche "sonstigen", dh. außerdem, "sonst noch" anwendbaren Tarifverträge handeln sollte, die sich in ihrem inhaltlichen Regelungsbereich von denen des BAT unterscheiden und diese nicht "verdrängen". Andernfalls käme der Regelung in § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags - was die Beklagte offenbar annimmt - die Funktion einer Tarifwechselklausel zu. Eine kleine dynamische Verweisung kann jedoch über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung (Tarifwechselklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt (vgl. nur BAG 6. Juli 2011 - 4 AZR 706/09 - Rn. 45 mwN, BAGE 138, 269; 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - Rn. 17, BAGE 124, 34). Solche sind dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel im Entscheidungsfall nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen. Allein der Umstand, dass die fraglichen Haustarifverträge mit derselben Gewerkschaft abgeschlossen worden sind, genügt insoweit nicht. Die Parteien haben durch die von ihnen vereinbarte Bezugnahmeklausel zum Ausdruck gebracht, dass sich ihre Arbeitsbedingungen an den zwischen bestimmten Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifnormen orientieren sollen. Um solche handelt es sich gerade nicht, wenn nur eine der Tarifvertragsparteien an dem betreffenden Tarifvertrag mitgewirkt hat.

(2) Auch die Systematik der Bezugnahmeklausel stützt dieses Verständnis. In Satz 1 haben die Arbeitsvertragsparteien eine sog. kleine dynamische Bezugnahmeklausel vereinbart. Diese bezieht sich auf (Verbands-)Tarifverträge bestimmter Tarifvertragsparteien. Von dieser grundsätzlichen Regelung ausgehend kann Satz 2, der mit dieser sowohl systematisch als auch sprachlich ("außerdem") verknüpft ist, nur dahingehend verstanden werden, er ergänze Satz 1 inhaltlich, trete aber nicht zu diesem in Konkurrenz und verdränge ihn gegebenenfalls (BAG 16. Mai 2018 - 4 AZR 209/15 - Rn. 24).

2. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen rechtsfehlerhaft angenommen, die im Klageantrag genannten Tarifverträge seien aufgrund betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine auf die Anwendung eines Tarifvertrags gerichtete betriebliche Übung neben einer auf einen anderen Tarifvertrag verweisenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel überhaupt entstehen kann. Im Streitfall fehlt es bereits an Anhaltspunkten für die Annahme, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe bei der Anwendung der Sana-Tarifverträge mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Tarifverträge zwar im Grundsatz im Wege einer betrieblichen Übung in Bezug genommen werden (zB BAG 9. Mai 2007 - 4 AZR 275/06 - Rn. 26 mwN; 19. Januar 1999 - 1 AZR 606/98 - zu III 1 der Gründe). Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 19; 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 59). Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen (sh. nur BAG 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 20; 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 60 mwN). Dabei ist für die Entstehung eines Anspruchs entscheidend, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - aaO; 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 20, BAGE 133, 337). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn der Erklärende aus der Sicht des Erklärungsempfängers einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - aaO; 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - Rn. 43 mwN).

b) Eine betriebliche Übung kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer - möglichen - Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war (BAG 10. Dezember 2013 - 3 AZR 832/11 - Rn. 62; 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - Rn. 43; 24. November 2004 - 10 AZR 202/04 - zu II 3 c bb (3) der Gründe, BAGE 113, 29). Eine betriebliche Übung entsteht auch dann nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich aufgrund einer vermeintlichen Verpflichtung aus einer anderen Rechtsgrundlage zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte (BAG 16. Juni 2004 - 4 AZR 417/03 - zu II 2 c aa (1) der Gründe; 16. Oktober 2002 - 4 AZR 467/01 - zu II 2 der Gründe, BAGE 103, 141). Wenn der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen, und sei es auch tatsächlich nicht bestehenden Rechtspflicht hat erbringen wollen, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 10. Dezember 2013 - 3 AZR 832/11 - aaO; 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - aaO mwN).

c) In Anwendung dieser Maßstäbe hat das Landesarbeitsgericht die Entstehung einer betrieblichen Übung zu Unrecht angenommen.

aa) Die Beurteilung, ob die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen die Annahme einer betrieblichen Übung rechtfertigen oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur BAG 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 18 mwN; grundlegend 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 39 mwN, BAGE 118, 360).

bb) Im Streitfall fehlt es schon an Anhaltspunkten im Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten, aufgrund derer die Klägerin davon ausgehen konnte, die Tarifverträge des Sana-Konzerns und die daraus resultierenden Leistungen sollten ihr unabhängig von einer - vermeintlichen - Rechtspflicht auf Dauer gewährt werden. Zwar wandte die Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Tarifverträge ab August 2010 an, sie ging aber ausweislich ihrer Schreiben vom 20. August 2010 sowie von Oktober 2010 davon aus, dass sie aufgrund der Einbeziehung des S-Klinikums in den Geltungsbereich der Sana "Konzern-Tarifverträge" zu deren Anwendung verpflichtet sei. Das wird insbesondere aus ihrer Mitteilung vom 20. August 2010 über das Inkrafttreten der neuen Tarifverträge deutlich, in der sie weiter ausführt, dass "aus diesem Grund" die "Überleitung" des Arbeitsverhältnisses "in dieses neue Tarifrecht" erforderlich sei. Soweit sie dieses Schreiben auch an nicht tarifgebundene Arbeitnehmer versandt hat, ging sie ersichtlich - wenn auch irrtümlich - davon aus, die Anwendbarkeit der Sana-Tarifverträge ergäbe sich aus einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Anhaltspunkte dafür, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe die Sana-Tarifverträge ohne jegliche Rechtspflicht auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Arbeitnehmer anwenden wollen, sind - auch aus Sicht eines verständigen und redlichen Arbeitnehmers - nicht erkennbar und von der Klägerin nicht dargelegt worden.

3. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Durch die - von der Klägerin unwidersprochen gebliebene - Anwendung der Sana-Tarifverträge durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist es nicht zu einer konkludenten Vertragsänderung gekommen. Aus den vorgenannten Gründen kann deren Verhalten schon nicht als Angebot auf Änderung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel verstanden werden. Ob in der schlichten Weiterarbeit der Klägerin eine Annahmeerklärung zu sehen wäre, welche insbesondere zur Abänderung der schriftlich vereinbarten Bezugnahmeklausel geführt hätte (vgl. dazu BAG 1. August 2001 - 4 AZR 129/00 - Rn. 45 ff., BAGE 98, 293), bedarf im Streitfall deshalb keiner Entscheidung.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Eylert

Creutzfeldt

Rinck

Kiefer

Moschko