OLG Koblenz, Urteil vom 29.07.2016 - 8 U 948/15
Fundstelle
openJur 2018, 8227
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 27. Juli 2015, Az. 5 O 100/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag Nr. ...001 aufgrund des Widerrufs vom 28. April 2014 zum selben Tag beendet wurde und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln ist.

2. Es wird weiter festgestellt, dass der Darlehensvertrag Nr. ...002 aufgrund des Widerrufs vom 6. März 2014 zum 12. März 2014 beendet wurde und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln ist.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung des wirksamen Widerrufs ihrer auf den Abschluss zweier Darlehensverträge gerichteter Willenserklärungen und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte gewährte der Klägerin zur Finanzierung eines Immobilienerwerbs zwei Darlehen, und zwar über 83.000,00 € gemäß Darlehensvertrag Nr. ...001 vom 16./23. März 2006 (Anlage K 1, Bl. 5 - 13) und über 47.000,00 € aufgrund des von ihr - der Beklagten - am 28. März 2006 unterzeichneten Vertrages (Nr. ...002, Anlage K 2, Bl. 14 - 19 GA ); die Vertragsunterlagen enthielten jeweils eine im Wesentlichen gleichlautende Widerrufsbelehrung (Bl. 12 GA bzw. Bl. 18 GA), nach der die Widerrufsfrist "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" beginnen soll. Die Darlehen sind bislang nicht getilgt.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. März 2014 (Bl. 20 GA) erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrags mit der Endziffer 002 gerichteten Willenserklärung, was die Beklagte mit Schreiben vom 31. März 2014 (Anlage K 5, Bl. 23 f. GA) zurückwies. Mit Telefaxschreiben vom 28. April 2014 (Anlage K 7, Bl. 50 GA) stellte die Klägerin klar, dass sich ihr Widerruf auch auf das Darlehen mit der Endziffer 001 beziehe.

Mit ihrer am 30. Mai 2014 eingegangenen, am 10. Juli 2014 (Bl. 31 GA) zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Darlehensverträge seien wirksam widerrufen worden, da die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung jeweils nicht in Lauf gesetzt worden sei. Die Widerrufsbelehrung kläre insbesondere über den Beginn der Widerrufsfrist nicht ordnungsgemäß auf. Auf die Schutzwirkung des § 14 BGB-InfoV könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie von der Musterbelehrung in mehrfacher Hinsicht jeweils abgewichen sei.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nr. ...001 aufgrund des Widerrufs vom 28.04.2014 am selben Tag beendet worden und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln sei;

2. weiterhin festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nr. ...002 aufgrund des Widerrufs vom 06.03.2014 zum 12.03.2014 beendet worden und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln sei;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - außergerichtliche Kosten in Höhe von 691,33 € zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die gestellten Feststellungsanträge seien bereits unzulässig, da es an einem Feststellungsinteresse und am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ein Widerrufsrecht habe im Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht mehr bestanden, da wegen der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV die Widerrufsfrist jeweils bereits abgelaufen gewesen sei. Eine inhaltliche Bearbeitung der Musterbelehrung sei nicht erfolgt mit der Folge, dass sie - die Beklagte - sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen könne. Im Übrigen stehe der Geltendmachung des Widerrufsrechts der Einwand der Verwirkung entgegen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Juli 2015 (Bl. 120 ff. GA), auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Feststellungsanträge; dies könne jedoch dahinstehen. Auf einen wirksam erklärten Widerruf könne sich die Klägerin nicht berufen. Es könne dahinstehen, ob die Widerrufsfrist wirksam in Gang gesetzt worden sei. Der Ausübung des Widerrufsrechts stehe jedenfalls der Einwand der missbräuchlichen Rechtsausübung entgegen. Die Beklagte habe wegen der bis zum erklärten Widerruf erfolgten sukzessiven Darlehenstilgung auf den Bestand des Darlehensvertrags vertrauen dürfen. Die vom Gesetzgeber vorausgesetzte besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers gegenüber dem Finanzdienstleister sei im - hier vorliegenden - Falle sachfremder Nutzung der dem Darlehensnehmer gewährten rechtsgestaltenden Ansprüche nicht mehr gegeben; ein unbefristetes Widerrufsrecht gehe insoweit über den Schutzzweck der Norm hinaus. Auch verhalte sich die Klägerin weder vertrags- noch erklärungskonform, nachdem sie zwar den Wi-derruf erklärt habe, jedoch weder die restliche Darlehensvaluta zurückzahle noch weitere Tilgungsleistungen erbringe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts. Zur näheren Darstellung wird auf die Berufungsbegründung vom 27. Oktober 2015 (Bl. 166 ff. GA) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Mainz vom 27.07.2015 (5 O 100/14) abzuändern und festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nr. ...001 aufgrund des Widerrufs vom 28.04.2014 zum selben Tag beendet wurde und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln ist;

2. weiterhin festzustellen, dass der Darlehensvertrag Nr. ...002 aufgrund des Widerrufs vom 06.03.2014 zum 12.03.2014 beendet wurde und zu diesem Stichtag rückabzuwickeln ist;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie - die Klägerin - außergerichtliche Kosten in Höhe von 691,33 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf ihre Berufungserwiderung vom 7. Dezember 2015 (Bl. 173 ff. GA) wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin führt in der Sache - soweit nicht der Ersatz außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten betroffen ist - überwiegend zum Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig.

Auch gegen die Zulässigkeit der Feststellungsanträge bestehen nach Auffassung des Senats keine durchgreifenden Bedenken. Dies hätte das Landgericht indes nicht offen lassen dürfen; es ist rechtlich nicht möglich, die Frage der Zulässigkeit einer Klage nicht zu beantworten und diese wegen feststehender Unbegründetheit abzuweisen (BGH, Urteil vom 19. Juni 2000 - II ZR 319/98 -, Rn. 21, juris). Die Klage ist vorliegend auch insoweit zulässig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt der Vorrang der Leistungsklage nicht ausnahmslos. Zwar fehlt grundsätzlich das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Klage auf Leistung erreichen kann. Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH, Urteil vom 19. April 2016 - VI ZR 506/14 -, Rn. 6, juris). Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Feststellungsklage zulässig ist, wenn von der Bereitschaft des Beklagten zur Leistung schon nach einem rechtskräftigen Feststellungsurteil auszugehen ist (BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - I ZR 87/04 -, Rn. 6, juris m. w. N.), wovon der Bundesgerichtshof bei einer Bank, die der Aufsicht des Bundesamtes für das Kreditwesen unterliegt, ohne weiteres ausgeht (BGH, Urteil vom 30. Mai 1995 - XI ZR 78/94 -, BGHZ 130, 59-70, Rn. 17); entsprechende Feststellungsklagen werden auch in jüngeren Entscheidungen unproblematisch als zulässig angesehen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 - XI ZR 366/15 -, Rn. 7; Beschluss vom 19. Januar 2016 - XI ZR 200/15 - Urteil vom 05. Mai 2015 - XI ZR 406/13 - BGHZ 205, 249-260, Rn. 16, jeweils bei juris).

Dass die Beklagte vorliegend angekündigt hat, entgegen der vorstehend genannten Vermutung nicht freiwillig leisten zu wollen, vermag an der Beurteilung nichts zu ändern. Die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen (Zöller-Greger, ZPO, 31. A., Vor § 253 Rn. 9), also auch die Ordnungsgemäßheit der Klageerhebung, ist an objektiven Kriterien auszurichten. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der im Rahmen einer Feststellungsklage in Anspruch Genommene - hier die Beklagte - es in der Hand hätte, die richtige Klageart - unter Umständen sogar nachträglich - durch entsprechende "taktische" Erklärungen im Prozess zu bestimmen.

2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung der Wirksamkeit der von ihr erklärten Verbraucherwiderrufe zu, nachdem sie von einem ihr zustehenden Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat und sich die Vertragsbeziehungen der Parteien nachträglich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt haben, § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB in der bis zum 11. Juni 2010 gültigen Fassung (a.F.; Art. 229 §§ 9, 22 Abs. 2 EGBGB) zu.

Der von der Klägerin jeweils erklärte Widerruf ihrer zum Abschluss der streitgegenständlichen Darlehensverträge führenden Vertragserklärungen war wirksam.

a) Der Klägerin stand hinsichtlich beider Darlehensverträge ein Widerrufsrecht nach §§ 491 Abs.1, 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB a.F. zu, das sie mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 6. März 2014 (Darlehensvertrag Nr. ...002)bzw. 28. April 2014 (Darlehensvertrag Nr. ...001) wirksam ausgeübt hat.

Die Widerrufserklärung ist rechtzeitig erfolgt, weil die zweiwöchige Widerrufsfrist jeweils mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung noch nicht in Gang gesetzt worden war (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.). Mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung ist das Widerrufsrecht auch nicht durch Zeitablauf gemäß § 355 Abs. 3 BGB a.F. erloschen.

Die Widerrufsbelehrung war im Hinblick auf den angegebenen Fristbeginn ("Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung") unzureichend, da sie den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist aufklärt (BGH, Urteil vom 12. November 2015 - I ZR 168/14 -, juris; Beschluss vom 10. Februar 2015 - II ZR 163/14, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - III ZR 557/13 Rn. 19 m.w.N., juris; Urteil vom 19. Juli 2012 - III ZR 252/11, juris Rn. 13 m.w.N., BGHZ 194, 150; Urteil vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08 Rn. 13, 15 m.w.N., WM 2010, 721).

Die jeweils erteilte Belehrung gilt auch nicht gemäß § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung vom 5. August 2002 als ordnungsgemäß. Nach dieser Bestimmung genügt die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich ein Unternehmer auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. nur dann berufen, wenn die Widerrufsbelehrung dem Muster der Anlage 2 zu dieser Bestimmung in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Bei vollständiger Verwendung kann sich der Unternehmer auf die in § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a.F. geregelte Fiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGHZ 194, 238 Rn. 14). Unterzieht der Verwender den Text der Musterbelehrung dagegen einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, so bleibt die mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht erhalten. Das gilt unabhängig vom konkreten Umfang der vorgenommenen inhaltlichen Änderungen, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll. Unerheblich ist deshalb auch, ob die Abweichungen von der Musterbelehrung nur in der Aufnahme von zutreffenden Zusatzinformationen zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen (vgl. zu allem BGH, Urteil vom 12. November 2015 - I ZR 168/14 -, Rn. 18, juris m.w.N.).

Die Widerrufsbelehrung der Beklagten entspricht dem Muster nicht vollständig.

Im Gegensatz zur Musterbelehrung heißt es in der Belehrung "(z.B. per Brief, Telefax oder E-Mail)" statt "(z.B. Brief, Fax, E-Mail)". Im Abschnitt "Widerrufsfolgen" - ebenso wie im Abschnitt "Finanzierte Geschäfte" - hat die Beklagte mehrfach die Bezeichnung "Immobilienbank" anstelle des entsprechenden Fürwortes (wir, uns) verwendet. Weiter soll die Frist zur Erstattung von Zahlungen 30 Tage "nach Absendung der Widerrufserklärung" statt "Ihrer Widerrufserklärung" zu erfüllen sein. Am Ende der Widerrufsbelehrung wurde eine Passage über "mehrere Darlehensnehmer" eingefügt, die sich nicht im amtlichen Muster findet. Insbesondere im Abschnitt "Finanzierte Geschäfte" aber hat die Beklagte erhebliche Veränderungen gegenüber der Musterbelehrung vorgenommen, wobei mit Blick auf die für die Gesetzlichkeitsfiktion abstrakt zu beurteilende Frage einer inhaltlichen Bearbeitung dahinstehen kann, ob diese Belehrung im vorliegenden Fall überhaupt einschlägig war: Nach der Musterbelehrung war nach der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" in Satz 2 bei der Erklärung der "wirtschaftlichen Einheit" zwischen Darlehensverträgen zur Finanzierung von Grundstücken und sonstigen Sachen zu differenzieren. Im Fall der Finanzierung von Grundstücken sollte Satz 2 der Belehrung

"Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind, oder wenn wir uns zu Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen"

ersetzt werden durch den Satz

"Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt."

Hiervon abweichend hat die Beklagte die thematisch zutreffende Belehrung als Satz 3 hinter den zu ersetzenden Satz 2 eingefügt und darüber hinaus Satz 3 umformuliert.

Hinsichtlich des Vertrages vom 16./23. März 2006 weicht die den Klägern erteilte Belehrung zudem dadurch von der Musterbelehrung ab, dass am Ende der Widerrufsbelehrung weder Angaben zu Ort und Datum sowie die Unterschrift des Verbrauchers vorgesehen, noch diese Angaben nach Gestaltungshinweis 10 des amtlichen Musters durch die Wörter "Ende der Widerrufsbelehrung" oder durch die Wörter "Ihre Bank" ersetzt worden sind.

b) Dem Widerrufsrecht der Klägerin steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht entgegen.

Weder ist ihr Recht zum Widerruf verwirkt - es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment - noch liegt in der Geltendmachung des Widerrufs eine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung.

aa) Die - nicht grundsätzlich ausgeschlossene - Verwirkung eines Widerrufsrechts kommt abhängig von den Umständen des Einzelfalls nur in Betracht, wenn sich ein Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Betrachtung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 - XI ZR 205/05, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, juris Rn. 14). Das Verhalten eines Kunden, der von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis hat, lässt keinen Schluss darauf zu, er werde von dem ihm zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen (BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 248/02, juris Rn. 14). Es fehlt es an dem für die Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestand, wenn der andere Teil davon ausgehen muss, dass der Berechtigte keine Kenntnis von seinem Recht hat (OLG Frankfurt, Urteil vom 27. April 2016 - 23 U 50/15 -, Rn. 48, juris m.w.N.).

Umstände, auf die die Beklagte im vorliegenden Fall ein Vertrauen darauf hätte gründen dürfen, die Klägerin werde von ihrem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen, liegen hier nicht vor. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nicht erteilt hat (BGH, Urteil vom 07. Mai 2014 - IV ZR 76/11 -, BGHZ 201, 101-121, Rn. 39 OLG Frankfurt, Urteil vom 27. April 2016 - 23 U 50/15 -, Rn. 49, juris).

Dass die Klägerin über Jahre hinweg monatliche Zahlungen geleistet und damit ihre vertraglich eingegangenen Zahlungspflichten erfüllt hat, berechtigte die Beklagte nicht zu der Annahme, die Klägerin werde in Kenntnis eines (noch) bestehenden Widerrufsrechts auch zukünftig von einem Widerruf absehen. In den beanstandungsfrei erfolgten Zahlungen ist auch kein Indiz für eine beabsichtigte Vertragsfortführung durch die Klägerin zu sehen, da nicht ersichtlich ist, dass diese Zahlungen auch in Kenntnis eines (noch) bestehenden Widerrufsrechts geleistet haben würde. Dass die Klägerin ihr (fortbestehendes) Widerrufsrecht etwa gekannt, hiervon aber keinen Gebrauch hätte machen wollen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zudem bestand für die Beklagte die Möglichkeit der Nachbelehrung (OLG Dresden, Urteil vom 11. Juni 2015 - 8 U 1760/14 -, Rn. 35, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 11. November 2015 - 14 U 2439/14 -, Rn. 35, juris, rechtskräftig - Revision zurückgewiesen mit Urteil des BGH vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15). Jedenfalls während der Laufzeit des Darlehens war es ihr zuzumuten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, weil der Mangel der Widerrufsbelehrung aus ihrer Sphäre herrührte und sie der gesetzlichen Verpflichtung unterlag, eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen.

Grundsätzlich unerheblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten, aus welchen Gründen der Widerruf erfolgt ist. Zum einen kann eine Vertrauensbildung auf Seiten der beklagten Bank nicht von den - ihr auch in der Regel unbekannten - Motiven ihrer Kunden abhängen (OLG Nürnberg, a.a.O.). Zum anderen kann der Verbraucher das Widerrufsrecht gerade ohne besondere Begründung ausüben, wie § 355 Abs.1 S.2 BGB a.F. zeigt; es ist daher grundsätzlich legitim, das Widerrufsrecht aus rein wirtschaftlichen Erwägungen geltend zu machen (BGH, Urteil vom 16. März 2016 - VIII ZR 146/15 -, Rn. 16, juris); eine dem ausnahmsweise entgegenstehende besondere Schutzbedürftigkeit des Unternehmers, die etwa bei arglistigem Verhalten des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer denkbar ist (vgl. BGH, a.a.O.), ist hier nicht gegeben.

Nach alledem durfte die Beklagte auch im Hinblick auf den zwischen dem Vertragsschluss (März 2006) und der Erklärung des Widerrufs (März/ April 2014) liegenden Zeitraum nicht darauf vertrauen, die Klägerin werde nicht (mehr) widerrufen.

bb) Der vom Landgericht hervorgehobenen Tatsache, dass die Klägerin zwar den Widerruf erklärt habe, jedoch weder die restliche Darlehensvaluta zurückzahle noch weitere Tilgungsleistungen erbringe - sie verhalte sich daher weder vertrags- noch erklärungskonform -, kommt eine entscheidungserhebliche Bedeutung insoweit nicht zu. Es ist vielmehr nur konsequent, wenn die Klägerin bis zur Klärung der Rechtslage durch die von ihr erhobenen Feststellungsklage mit weiteren Leistungen an die Beklagte - auch in Form einer nur im Falle der Wirksamkeit der Widerrufe zu leistenden Rückzahlung der Darlehensvaluta - abwartet. Ein etwa widersprüchliches Verhalten ist daraus nicht abzuleiten.

Dafür, dass die Klägerin von einem fortbestehenden Widerrufsrecht etwa vor der zum Widerruf führenden anwaltlichen Beratung durch ihre Prozessbevollmächtigten erfahren hätte, sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch vor diesem Hintergrund könnte der Klägerin daher ein etwa widersprüchliches Verhalten nicht vorgehalten werden.

Aus den auf die Anregung des Senats vom 2. Mai 2016 (Bl. 353 ff. GA) - in dem auf das nach Rücknahme der Revision rechtskräftig gewordene Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. September 2015 - 6 U 21/15 und die dort angestellten Erwägungen zu Rechtsmissbrauch und Verwirkung hingewiesen wurde - mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 25. Mai 2016 (Bl. 359 ff. GA) in Bezug genommenen Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf (Urteil vom 21. Januar 2016 - I- 6 U 296/14 - , Anlage BB 1) bzw. Hamburg (Urteil vom 24. Februar 2016 - 13 U 101/15 - Anlage BB 2) ergibt sich vorliegend nichts anderes. Es bedarf keiner Entscheidung, ob - wovon die genannten Entscheidungen ausgehen - anzunehmen sein kann, ein Verbraucher habe mit seinem Widerruf "objektiv schlicht den Zweck verfolgt, die grundsätzlich eigentumskräftig geschützte Rechtsposition der Bank aus dem Vertrag zu entwerten", wenn der Verbraucher einen Immobiliendarlehensvertrag erst nach Jahren widerruft, nachdem ein stark gesunkenes Zinsniveau diesen Widerruf wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lässt; allerdings erscheint dies nach Auffassung des Senats angesichts des im Regelfall sicher überwiegenden wirtschaftlichen (nicht: Entwertungs-)Interesses des Verbrauchers bereits nicht überzeugend. Jedenfalls aber bestehen für die Annahme einer solchen Schädigungsabsicht im hier vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

c) Die Vertragsbeziehungen der Parteien haben sich durch den wirksamen Widerruf in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2016 - XI ZR 200/15 -, Rn. 12, juris m.w.N.); die Rückgewähransprüche bezüglich der einzelnen Vertragsverhältnisse entstehen ex nunc mit der Widerrufserklärung (BGH, Urteil vom 3. März 2016 - IX ZR 132/15 -, Rn. 20, juris). Die auf diese Feststellung gerichteten Anträge der Klägerin (Ziffern 1 und 2) sind mithin begründet, wobei die Wirkung ("zum...") mit Zugang der jeweiligen Widerrufserklärung - wie im Antrag zutreffend formuliert - eingetreten ist. Das Widerrufsrecht nach § 355 BGB a.F. wird als Gestaltungsrecht (einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 72. A., § 357 Rn 2: besonders ausgestaltetes gesetzliches Rücktrittsrecht) durch Erklärung gegenüber dem Vertragspartner ausgeübt und wirksam, mithin mit Zugang bei der Beklagten.

3. Eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten kam hingegen nicht in Betracht.

Ein Schadensersatzanspruch aus Verzugsgesichtspunkten (§§ 286 ff. BGB) ist nicht gegeben. Vorliegend wurde der Widerruf jeweils erst mit Anwaltsschreiben erklärt; die insoweit bereits angefallenen Kosten der außergerichtlichen Vertretung kann die Klägerin verzugsbedingt daher nicht ersetzt verlangen. Die Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung kann der Gläubiger nicht ersetzt verlangen, weil sie nicht durch den Verzug verursacht wurden (Palandt-Grüneberg, BGB, 75. A., § 286 Rn. 44 m.N.).

Auch unter dem - hier nicht ausdrücklich geltend gemachten - Gesichtspunkt eines möglichen Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung der Pflicht zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2008 - XI ZR 74/06 -, Rn. 18, juris m.N.) kann ein Ersatzanspruch vorliegend nicht festgestellt werden. Dieser würde unter anderem voraussetzen, dass das Unterlassen der Widerrufsbelehrung auf einem Verschulden der beklagten Bank, insbesondere einem etwa verschuldeten Rechtsirrtum, beruht (BGH, a.a.O., Rn. 18, juris); hierzu ist seitens der Klägerin nichts vorgetragen. Für einen Rechtsirrtum hat der Schuldner nur dann einzustehen, wenn er die Rechtswidrigkeit seines Handelns erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können; dies kann auf Seiten der Beklagten im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Belehrung der Klägerin über ihr Widerrufsrecht nicht ohne weiteres unterstellt werden. Die Anforderungen an eine wirksame Widerrufsbelehrung waren im Jahre 2006 nicht geklärt; entsprechende Urteile des Bundesgerichtshofs stammen erst aus späterer Zeit (vgl. insbesondere BGH, Urteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08 - BGHZ 180, 123-134, juris). Ein Verschulden kann mithin nicht festgestellt werden.

Die Klage war insoweit daher abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

In Ansehung des in der Gebührenstufe bis 95.000,00 € festzusetzenden Streitwerts (dazu unten unter IV.) ist das Unterliegen der Klägerin mit geltend gemachten 691,33 € verhältnismäßig geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für beide Instanzen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - durch welche die früher vertretene Rechtsauffassung des Senats im Beschluss vom 3. September 2015 (Bl. 150 ff. GA) mittlerweile überholt ist - entsprechend dem im Rahmen einer Gegenvorstellung des Beklagtenvertreters (Bl. 242 ff. GA) gegen die erstinstanzliche Wertfestsetzung Vorgetragenen auf die Summe der geleisteten Zahlungen (37.716,90 + 56.257,74 € =) 93.974,64 € von Amts wegen (neu) festzusetzen, § 63 Abs. 3 GKG.

V.

Der Senat hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 II 1 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf divergierende obergerichtliche Entscheidungen zur Frage der Verwirkung bzw. der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung von Verbraucherwiderrufsrechten zugelassen. Eine Revisionszulassung - wie von der Beklagten begehrt - hinsichtlich der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage kam angesichts der eingangs zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung dagegen weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO) noch - mangels ersichtlich abweichender obergerichtlicher Entscheidungen - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht.