BGH, Beschluss vom 09.05.2018 - I ZR 68/17
Fundstelle
openJur 2018, 5994
  • Rkr:
Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. März 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf 357.000 € festgesetzt.

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Zahlung einer Maklerprovision. Die Klägerin betreibt ein Beratungsunternehmen, das Geschäftskontakte in der Energiewirtschaftsbranche vermittelt. Die Beklagte plant und errichtet als Betreibergesellschaft Windenergieanlagen in Europa. Sie erhielt Kontakt zum Vorstand der E. AG (E. AG), dem Zeugen Y. . Über das Vermögen der E. AG wurde am 1. Mai 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.

Am 3. Juni 2008 fand eine Besprechung zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und, unter anderem, dem Zeugen Y. statt; der Beklagten wurden dabei die französischen Windparkprojekte der E. AG sowie deren Tochtergesellschaft, der P. SAS, vorgestellt. Nach dem Vortrag der Klägerin informierte der Zeuge Y. den Geschäftsführer der Beklagten darüber, dass er infolge der Insolvenz der E. AG von seinen dortigen Ge- schäftsführungsaufgaben entbunden worden und nunmehr ausschließlich für die Klägerin tätig sei. Diese Beratertätigkeit des Zeugen für die Klägerin wurde am 18./21. Juli 2008 schriftlich fixiert. Am 15. August 2008 fand ein weiterer Termin zwischen dem Zeugen Y. und einem Vertreter der Beklagten statt. Der ebenfalls anwesende Insolvenzverwalter wurde dem Vertreter der Beklagten als Ansprechpartner für die "E. Group" und die P. SAS vorgestellt.

Am 11./14. November 2008 schlossen die Parteien einen schriftlichen Maklervertrag. Ebenfalls im November 2008 erwarb die Beklagte das französische Windkraftprojekt "Parc Eolien ... ". Die darüber von der Klägerin gestellte Rechnung beglich die Beklagte Anfang Dezember 2008. Im Jahr 2010 erwarb die Beklagte vom Insolvenzverwalter sämtliche Anteile der Insolvenzschuldnerin an der P. SAS. Die Klägerin machte dar- aufhin Provisionsansprüche geltend.

Das Landgericht hat - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - der Zahlungsklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Mit der Revision will sie die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem von der Beklagten bestrittenen Vortrag der Klägerin, der Vertrag aus November 2008 entspreche einer anlässlich des Termins am 15. August 2008 zwischen den Parteien mündlich getroffenen Vereinbarung, sei nicht nachzugehen. Es sei schon nicht vorgetragen, mit wem die Beklagte am 15. August 2008 einen mündlichen Maklervertag geschlossen habe. Die Klägerin sei erst am 23. Oktober 2008 ins Handelsregister eingetragen worden. Davor wäre die Gesellschaft nur wirksam geworden, wenn sie in einem Gründungs- oder Vorgründungsstadium ihre Geschäfte aufgenommen hätte (§ 123 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB). In Ansehung dieser Anforderungen reiche die Behauptung der Klägerin, es habe am 15. August 2008 zwischen den Parteien außer Frage gestanden, dass die Klägerin vergütungspflichtige Maklerleistungen für die Beklagte erbringe, nicht aus, um vom Abschluss eines mündlichen Maklervertrags auszugehen.

Außerdem sei der Beklagten der Kontakt zum Insolvenzverwalter durch den der insolventen Unternehmensgruppe zuzuordnenden ehemaligen Vorstand Y. vermittelt worden, der dem Vortrag der Klägerin zufolge die Rolle des für sie handelnden Verhandlungsführers übernommen habe. Danach aber wäre näherer Vortrag der Klägerin dazu erforderlich gewesen, für welche konkreten Leistungen die Beklagte gerade der Klägerin im damaligen Stadium ihres Entstehens welche Provisionen versprochen habe.

Schließlich hätte es in Anbetracht des später geschlossenen, detaillierte Regelungen enthaltenen schriftlichen Vertrags eines substantiierten Vortrags der Klägerin dazu bedurft, was Gegenstand der nach ihrem Vortrag vorangegangenen mündlichen Vereinbarung gewesen sei, die im schriftlichen Vertrag nicht in Bezug genommen worden sei. Da hinreichend substantiierter Vortrag fehle, wäre eine Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen auf eine unzulässige Ausforschung hinausgelaufen.

2. Die Nichtzulassungsbeschwere rügt mit Erfolg, dass es sich bei dem angefochtenen Urteil um eine den Anspruch der Klägerin aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzende Überraschungsentscheidung handelt, soweit das Berufungsgericht maßgeblich auf das Vorgründungsstadium der Klägerin bei dem Termin am 15. August 2008 abgestellt hat.

a) Die Garantie rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Eng damit zusammen hängt das ebenfalls aus Art. 103 Abs. 1 GG folgende Verbot von "Überraschungsentscheidungen". Die Beteiligten müssen die Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt zudem voraus, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann (vgl. BVerfGE 84, 188, 190 [juris Rn. 7]; BVerfG, Beschluss vom 20. September 2012 - 1 BvR 1633/09, juris Rn. 11 mwN; BGH, Beschluss vom 29. April 2014 - VI ZR 530/12, NJW 2014, 2796 Rn. 5 mwN).

b) Nach diesen Maßstäben liegt eine Überraschungsentscheidung vor. Die Problematik des Vorgründungsstadiums der Klägerin war bis zum Berufungsurteil weder von den Parteien noch vom Landgericht oder dem Berufungsgericht thematisiert worden. Der Handelsregisterauszug war nicht mit Blick auf die erst im Oktober 2008 erfolgte Eintragung der Klägerin, sondern zum Beweis einer von der Beklagten behaupteten Verflechtung zwischen der Klägerin und der E. AG mit der Klageerwiderung vorgelegt worden. Auch der Hinweis des Berufungsgerichts vom 5. Januar 2017 berührte diese Problematik nicht; vielmehr ging das Berufungsgericht dort offensichtlich noch davon aus, dass die Klägerin im August 2008, vertreten durch den Zeugen Y. , geschäft- lich tätig werden konnte und auch tätig geworden ist. Bei dieser Sachlage hätte das Berufungsgericht gemäß § 139 Abs. 2 ZPO darauf hinweisen müssen, dass in Anbetracht der erst später erfolgten Eintragung im Handelsregister der Vortrag zum mündlichen Vertragsschluss im August 2008 näher zu substantiieren sei, wenn es seine Entscheidung auf diesen Aspekt stützen wollte.

3. Soweit das Berufungsgericht den Zeugen Y. dem Lager der Insol- venzschuldnerin zugeordnet hat, hat es gehörswidrig Beweisangebote der Klägerin übergangen.

a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG gebietet es in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung, erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen. Zwar verbietet es Art. 103 Abs. 1 GG den Gerichten nicht, Vorbringen von Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt zu lassen. Jedoch verstößt die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2016 - 2 BvR 1997/15, juris Rn. 15 mwN).

b) Das Berufungsgericht hätte danach die Zeugen vernehmen müssen, die die Klägerin zum Beweis dafür angeboten hat, dass der Zeuge Y. für sie tätig geworden sei. Das Berufungsgericht hat den Zeugen Y. stattdessen der Insolvenzschuldnerin zugeordnet und daher näheren Vortrag dazu für erforderlich gehalten, für welche konkreten Leistungen gerade der Klägerin die Beklagte dieser welche Provisionen versprochen habe.

4. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin liegt auch darin begründet, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung eines mündlichen Vertragsschlusses im August 2008 überspannt hat.

a) Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast bei einem Beweisantritt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese Einzelheiten für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des Tatsachenvortrags der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Wenn das Parteivorbringen diesen Anforderungen genügt, kann der Vortrag weiterer Einzelheiten nicht verlangt werden. Dabei ist unerheblich, wie wahrscheinlich die Darstellung der Partei ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien besteht. Das Tatgericht muss dann in die Beweisaufnahme eintreten, um dort gegebenenfalls weitere Einzelheiten zu ermitteln (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. April 2016 - I ZR 168/15, MDR 2016, 1073 Rn. 16 mwN). Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BVerfG, WM 2012, 492 [juris Rn. 16] mwN).

b) Nach diesen Maßstäben hätte das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zu dem von ihr behaupteten mündlichen Vertragsschluss am 15. August 2008 nicht als unzureichend substantiiert ansehen dürfen. Vielmehr hätte es den Beweisangeboten der Klägerin nachgehen und die von ihr benannten Zeugen Y. und R. vernehmen müssen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass sich die Parteien über die entgeltliche Maklertätigkeit der Klägerin für die Beklagte im August 2008 einig waren. Diese Einigung sei im November 2008 lediglich schriftlich festgehalten worden. Damit ist das für den streitgegenständlichen Vergütungsanspruch Erhebliche vorgetragen.

5. Diese Gehörsverletzungen sind entscheidungserheblich. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht aufgrund weiteren Vortrags der Klägerin nach einem Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 ZPO sowie nach der erforderlichen Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen wäre, ein Maklervertrag zwischen den Parteien sei bereits im August 2008 zustande gekommen. Die Maklerleistung wäre in diesem Fall durch die Benennung des Insolvenzverwalters als Ansprechpartner für die Verkäuferin im Termin am 15. August 2008 erbracht.

III. Das Berufungsurteil stellt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach den getroffenen Feststellungen kann nicht von einer auf einer Verflechtung beruhenden Interessenkollision ausgegangen werden.

1. Jede Maklertätigkeit setzt notwendigerweise das Zusammenwirken von drei Personen voraus, nämlich der Parteien des Hauptvertrages und des Maklers. Daran fehlt es, wenn der Hauptvertrag mit einer Person zustande kommt, mit der der Makler gesellschaftsrechtlich oder auf sonstige Weise verflochten ist, etwa weil er an der Vertragsgegnerin des vermittelten oder nachgewiesenen Geschäfts wesentlich beteiligt ist oder diese beherrscht (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1998 - III ZR 14/97, BGHZ 138, 170, 174 [juris Rn. 13]; Urteil vom 26. März 1998 - III ZR 206/97, NJW-RR 1998, 992, 993 [juris Rn. 4]; Urteil vom 19. Februar 2009 - III ZR 91/08, NJW 2009, 1809 Rn. 9 mwN; MünchKomm.BGB/Roth, 7. Aufl., § 652 Rn. 118). Nichts anderes gilt, wenn ein und dieselbe Person die Geschäftstätigkeit der Maklerfirma und des Vertragsgegners entscheidend steuern und beeinflussen kann (vgl. BGH, NJW 2009, 1809 Rn. 9 mwN). Maßgebliche Voraussetzung für das Entstehen eines Provisionsanspruchs ist deshalb insoweit, dass der Makler und der Dritte die Fähigkeit zu einer selbständigen und unabhängigen Willensbildung besitzen. Dies ist auch in Fällen, in denen der Makler zum Vertragsgegner seines Kunden in einer solchen Beziehung steht, dass er sich im Streitfall bei regelmäßigem Verlauf auf die Seite des Vertragsgegners stellen wird, nicht gewährleistet, so dass ein Provisionsanspruch ebenfalls entfällt. Der Umstand, dass ein Interessenkonflikt allgemein besteht, reicht allerdings für den Ausschluss eines Provisionsanspruchs nicht aus. Die Interessenbildung auf Seiten des als Makler Auftretenden muss vielmehr so institutionalisiert, das heißt durch Übernahme einer tendenziell dauerhaften Funktion verfestigt sein, dass sie ihn, unabhängig von seinem Verhalten im Einzelfall, als für die dem gesetzlichen Leitbild entsprechende Tätigkeit des Maklers ungeeignet erscheinen lässt (vgl. BGH, NJW 2009, 1809 Rn. 9 mwN).

2. Nach diesen Maßstäben gibt es für eine den Provisionsanspruch ausschließende Interessenkollision nach den bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte.

a) Der Zeuge Y. , der nach dem Vortrag der Klägerin für sie tätig wur- de, war zwar ursprünglich Vorstand der E. AG. Über das Vermögen der E. AG war allerdings bereits im Mai 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet, die Vertretungsbefugnis des Zeugen als Vorstand eingeschränkt und ein Insolvenzverwalter bestellt worden. Danach ist eine Verflechtung schon im Jahr 2008 nicht gegeben. Das gilt selbst dann, wenn der Zeuge formal weiterhin Vorstand der E. AG gewesen sein sollte, weil seine Verwaltungs- und Ver- fügungsrechte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter übergegangen waren (§ 80 Abs. 1 InsO). Eine gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Klägerin als Maklerin und einer der Parteien des in Rede stehenden Hauptvertrages ist unter Berücksichtigung dieser tatsächlichen Verhältnisse nach dem 1. Mai 2008 nicht (mehr) gegeben gewesen. Überdies ist der Hauptvertrag erst im Jahr 2010 abgeschlossen worden. Dass noch zu diesem Zeitpunkt eine gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Zeugen Y. und einer Partei des Hauptvertrags bestand, ist nicht festgestellt.

b) Auf die von der Beschwerdeerwiderung behauptete Beherrschung der Klägerin durch den Zeugen Y. kommt es nicht an. Bei der Verflechtung geht es um Beziehungen zwischen dem Makler und der vom Auftraggeber verschiedenen Partei des Hauptvertrages. Die Beherrschung der Klägerin wäre lediglich eine Beziehung innerhalb der als Makler auftretenden Partei. Hier ist schon ein potenzieller Interessenkonflikt nicht ersichtlich. Der Zeuge Y. stand nach dem Vortrag der Klägerin ohnehin von Beginn an in deren Lager.

Koch Schaffert Kirchhoff Feddersen Schmaltz Vorinstanzen:

LG Berlin, Entscheidung vom 16.09.2015 - 33 O 250/14 -

KG Berlin, Entscheidung vom 02.03.2017 - 10 U 162/15 -